TE Vwgh Beschluss 2022/3/9 Ra 2021/11/0092

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Veröffentlicht am 09.03.2022
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Index

E6J
40/01 Verwaltungsverfahren
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

LSD-BG 2016 §19 Abs1
LSD-BG 2016 §19 Abs2
VStG §19 Abs1
62018CJ0064 Maksimovic VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des D R in G (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark jeweils vom 28. Juli 2020, 1. Zl. LVwG 33.13-883/2020-7 und 2. Zl. LVwG 30.13-884/2020-7, jeweils betreffend Übertretungen des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: jeweils Bezirkshauptmannschaft Leoben), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1.1. Mit Straferkenntnis vom 2. März 2020 erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber schuldig, er habe es als Verantwortlicher eines slowenischen Unternehmens zu verantworten, dass dieses 13 namentlich genannte Arbeitnehmer an einem bestimmten Ort in Österreich beschäftigt habe, ohne dass für diese Entsendemeldungen erstattet worden wären. Der Revisionswerber habe dadurch gegen § 19 Abs. 3 iVm. § 26 Abs. 1 Z 1 LSD-BG verstoßen, weswegen über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 3.250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen) verhängt werde. Der Revisionswerber habe einen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten. Unter einem sprach die belangte Behörde aus, dass das angeführte Unternehmen für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.

2        1.1.2. Mit dem erstangefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Steiermark die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - mit einer hier nicht relevanten Maßgabe - „dem Grunde nach und hinsichtlich des Ausmaßes der Geldstrafe“ ab und sprach aus, dass die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe entfalle. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit hier maßgeblich - zur Strafbemessung aus, der Revisionswerber weise eine rechtskräftige Vorstrafe wegen nicht ordnungsgemäßer Erstattung von ZKO-Meldungen auf. Es liege somit ein Wiederholungsfall vor, weswegen der zweite Strafsatz des § 26 Abs. 1 LSD-BG (€ 2.000 bis € 20.000) zur Anwendung gelange. Mehrere weitere (sich aus der Verwaltungsstrafevidenz gemäß § 35 LSD-BG ergebende) Vorstrafen wegen nicht bereitgehaltener Lohnunterlagen, wegen nicht erfolgter Übermittlung von Lohnunterlagen und wegen Unterentlohnung seien als erschwerend zu werten. Als mildernd sei nichts zu berücksichtigen.

4        Nach der auf das Urteil des EuGH vom 19. September 2019, C-64/18 ua., Maksimovic ua., Bezug nehmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 und 0034) sei, obwohl mehrere Arbeitnehmer betroffenen seien, lediglich eine (Gesamt-)Strafe ohne Anwendung einer Mindeststrafe zu verhängen. Dies sei im Straferkenntnis der belangten Behörde bereits berücksichtigt worden. Hingegen habe die von der belangten Behörde verhängte Ersatzfreiheitsstrafe zu entfallen. Im konkreten Fall sei bei der Strafbemessung neben den zahlreichen Erschwerungsgründen zu berücksichtigen, dass die Meldung für immerhin 13 Arbeitnehmer nicht erfolgt sei. Zu Gunsten des Revisionswerbers werde von bescheidenen finanziellen Verhältnissen ausgegangen. Unter Berücksichtigung aller Strafbemessungskriterien erscheine die im Straferkenntnis der belangten Behörde verhängte „äußerst moderate“ Gesamtstrafe von € 3.250,-- als viel zu gering. Auf Grund des Verschlechterungsverbotes sei es dem Verwaltungsgericht jedoch nicht möglich, die Strafe auf eine tat- und schuldangemessene Höhe anzuheben.

5        1.2.1. Mit Straferkenntnis ebenfalls vom 2. März 2020 erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber schuldig, er habe es als Verantwortlicher des zuvorgenannten slowenischen Unternehmens zu verantworten, dass dieses näher bezeichnete Lohnunterlagen für dieselben 13 Arbeitnehmer nicht im Inland bereitgehalten oder unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich gemacht habe. Der Revisionswerber habe dadurch gegen § 22 Abs. 1 iVm. § 28 Z 1 LSD-BG verstoßen, weswegen über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Tagen) verhängt werde. Der Revisionswerber habe einen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten. Unter einem sprach die belangte Behörde aus, dass das angeführte Unternehmen für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.

6        1.2.2. Mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Steiermark die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers - mit hier nicht relevanten Maßgaben - „dem Grunde nach und hinsichtlich des Ausmaßes der Geldstrafe“ ab und sprach aus, dass die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe entfalle. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

7        Die Begründung des Verwaltungsgerichts entspricht in den hier maßgeblichen Fragen jener des erstangefochtenen Erkenntnisses.

8        1.3. Mit Beschluss vom 23. Februar 2021, E 2982-2983/2020-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese beiden Erkenntnisse gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 6. April 2021, E 2982-2983/2020-11, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

9        1.4. Gegen die beiden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts vom 28. Juli 2020 richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

10       2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       3.1.1. Die Revision, welche sich gleichermaßen gegen beide Erkenntnisse richtet, bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, es bestehe eine Judikaturdivergenz zu den Auswirkungen des Urteils des EuGH in den Rechtssachen C-64/18 ua., Maksimovic ua. Einerseits habe der Verfassungsgerichtshof bereits festgestellt, dass durch die Verhängung von Geldstrafen in vergleichbaren Fällen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht verletzt sei und dass die Strafbestimmungen wegen Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen auf Grund des Anwendungsvorranges des Unionsrechts nicht mehr angewendet werden dürften. Andererseits sei der Verwaltungsgerichtshof von der weiteren Anwendbarkeit der Vorgängerbestimmungen des AVRAG mit der Maßgabe der bloß eingeschränkten Anwendbarkeit bestimmter Strafnormen ausgegangen.

14       Mit den Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union in den Rechtssachen C-64/18 ua., Maksimovic ua., auf die nationale Rechtslage hat sich der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 und 0034 (zum AVRAG; zum LSD-BG vgl. etwa VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0171) auseinandergesetzt, mit der behaupteten Judikaturdivergenz im hg. Erkenntnis vom 9. November 2020, Ra 2020/11/0188, Rn. 16 (vgl. zu einem solchen Zulässigkeitsvorbringen auch VwGH 15.10.2021, Ra 2020/11/0173 bis 0176; 25.11.2021, Ra 2020/11/0163; 6.12.2021, Ra 2021/11/0166).

15       3.1.2. Gemäß § 72 Abs. 10 letzter Satz LSD-BG idF der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 sind die §§ 26 bis 29 in der Fassung der Novelle auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen anhängigen Verfahren einschließlich von Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof anzuwenden.

16       Den - somit im Revisionsfall anzuwendenden - §§ 26 und 28 LSD-BG idF BGBl. I Nr. 174/2021 entsprechen die angefochtenen Erkenntnisse, da jeweils nur eine Gesamtgeldstrafe ohne Abstellen auf eine Mindeststrafe verhängt und (in Abänderung der Straferkenntnisse der belangten Behörde) keine Ersatzfreiheitsstrafen festgesetzt wurden (vgl. VwGH 29.11.2021, Ra 2020/11/0164 bis 0166).

17       3.2. Die in der Revision zu ihrer Zulässigkeit weiters geltend gemachte Rechtsauffassung, bei Verhängung einer (einzigen) Geldstrafe dürfe die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nicht erschwerend berücksichtigt werden, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits als unzutreffend beurteilt. Diese Rechtsauffassung kann sich insbesondere weder auf das zitierte hg. Erkenntnis Ra 2019/11/0033 bis 0034 noch auf das dieser Entscheidung zugrunde liegende Urteil des EuGH berufen (vgl. VwGH 16.11.2021, Ra 2020/11/0080; 25.11.2021, Ra 2020/11/0038). Auch insoweit zeigt die Revision keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

18       3.3. Schließlich bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht hätte die bisherigen Bestrafungen des Revisionswerbers nach einer Rechtslage, die mittlerweile als unionsrechtswidrig festgestellt worden sei, nicht als erschwerend heranziehen dürfen, weil der Revisionswerber in der Vergangenheit wegen der unionsrechtswidrigen Rechtslage „viel zu hohe Strafen“ zahlen habe müssen.

19       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Strafbemessung auch unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH in den Rechtssachen C-64/18 ua., Maksimovic ua., weiterhin nach den Kriterien des § 19 VStG zu erfolgen (vgl. VwGH Ra 2019/11/0033 und 0034, Rn. 34; vgl. auch VwGH 16.11.2021, Ra 2020/11/0080; 25.11.2021, Ra 2020/11/0038). Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht jeweils bei der Strafbemessung (in der Verwaltungsstrafevidenz gemäß § 35 LSD-BG eingetragene) Vorstrafen des Revisionswerbers, nicht aber deren spezifische Höhe als erschwerend gewertet.

20       Die Revision zeigt somit nicht auf, dass das Verwaltungsgericht von den hg. Leitlinien zur Strafbemessung abgewichen wäre.

21       3.4. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. März 2022

Gerichtsentscheidung

EuGH 62018CJ0064 Maksimovic VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110092.L00

Im RIS seit

04.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

12.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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