TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/26 93/03/0240

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Veröffentlicht am 26.06.1996
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65008 Jagd Wild Vorarlberg;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §905 Abs2;
JagdG Vlbg 1988 §11 Abs6;
JagdG Vlbg 1988 §12 Abs3 litb;
JagdG Vlbg 1988 §15 Abs3;
JagdG Vlbg 1988 §16 Abs2;
JagdRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der Jagdgenossenschaft M, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 31. August 1993, Zl. Va-217-3/1992, in der mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 8. September 1993 berichtigten Fassung, betreffend Auszahlung eines Überschusses des Jagdpachtschillings (mitbeteiligte Partei: Bund;

Landeswasserbauamt Bregenz, 6901 Bregenz, Jahnstraße 13-15), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. August 1993 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 16 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 3 des Vorarlberger Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 32/1988, vorgeschrieben, "dem Landeswasserbauamt als Verwalterin des öffentlichen Wassergutes" und Mitglied der Jagdgenossenschaft M mit einer anrechenbaren Grundfläche von 82ha 36a 58m2 den der mitbeteiligten Partei zukommenden Anteil am Überschuß für die Jagdjahre 1989/90 und 1990/91 im Ausmaß von jeweils S 16.473,20 binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides zu überweisen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 15 Abs. 3 des Vorarlberger Jagdgesetzes, LGBl. Nr. 32/1988 (JG), hat der Jagdausschuß - als Organ der Jagdgenossenschaft gemäß § 11 Abs. 5 JG - am Schluß jedes Jagdjahres die Jahresrechnung zu erstellen. In dieser sind die erzielten Einnahmen den Ausgaben und Rücklagen gegenüber zu stellen. Der Überschuß ist auf die Mitglieder der Jagdgenossenschaft nach ihrem Anteil an den anrechenbaren Flächen aufzuteilen. Der zur Deckung eines allfälligen Abganges erforderliche Betrag ist in gleicher Weise aufzuteilen. Gemäß § 16 Abs. 3 JG hat die Behörde, wenn die Jagdgenossenschaft eine ihr obliegende Aufgabe nicht erfüllt, ihr die Erfüllung durch Bescheid aufzutragen. Hiefür ist eine angemessene Frist zu setzen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist hat die Behörde in Fällen unbedingter Notwendigkeit anstelle und im Namen der Jagdgenossenschaft sowie auf deren Kosten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Die belangte Behörde stützte die nunmehr angefochtene Entscheidung auf diese Bestimmungen und führte zur Begründung im wesentlichen aus, daß die mitbeteiligte Partei hinsichtlich des öffentlichen Wassergutes Mitglied der Beschwerdeführerin sei. Als solche habe sie die Behörde ersucht, die Beschwerdeführerin zur Zahlung des ihr zukommenden anteilsmäßigen Überschusses nach § 15 Abs. 3 JG zu verhalten. Da das Jagdgesetz keine Regelungen über die Art der Auszahlung des Überschusses seitens der Jagdgenossenschaft an ihre Mitglieder beinhalte, sei auf die zivilrechtlichen Bestimmungen des § 905 Abs. 2 ABGB abzustellen. Demnach handle es sich bei der vorliegenden Forderung der mitbeteiligten Partei um eine "Schickschuld" des Schuldners (der Beschwerdeführerin) gegenüber dem Gläubiger (der mitbeteiligten Partei). Die Regel des § 905 Abs. 2 ABGB sei nachgiebiges Recht und könne daher durch Vereinbarung oder Verkehrssitte abgeändert werden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin entfalteten die Beschlüsse des Jagdausschusses bzw. der Vollversammlung auf eine andere Form der Auszahlung (Barabholung bzw. Verfall nicht abgeholter Beträge zugunsten der Jagdgenossenschaft) jedoch lediglich für jene Mitglieder Wirksamkeit, die dieser Vorgangsweise zugestimmt hätten. Da im vorliegenden Fall eine Vereinbarung zwischen dem anspruchsberechtigten Mitglied und der Beschwerdeführerin als Schuldnerin nicht abgeschlossen worden sei, sei der Anteil am Überschuß von der Beschwerdeführerin an die mitbeteiligte Partei zu überweisen. Da sich der geschäftsführende Jagdausschuß der Beschwerdeführerin wiederholt geweigert habe, der Auszahlung des Überschusses an die Mitbeteiligte nachzukommen, sei im Sinne des § 16 JG durch die Behörde die Überweisung vorzuschreiben, wobei - im gegenseitigen Einvernehmen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei - für die ziffernmäßige Bestimmung des zu überweisenden anteilsmäßigen Überschußbetrages von der festgestellten anrechenbaren Fläche des öffentlichen Gutes auszugehen sei.

Die Beschwerdeführerin setzt dem im wesentlichen entgegen, daß es nach den Bestimmungen des Jagdgesetzes Aufgabe des Jagdausschusses sei, die Jahresrechnung zu erstellen und den Überschuß auf die Mitglieder der Genossenschaft aufzuteilen. Das Gesetz enthalte keine Anordnungen, daß es auch Aufgabe des Jagdausschusses sei, für die Weiterleitung des Überschusses an die Genossenschaftsmitglieder Sorge zu tragen. Insbesondere enthalte das Gesetz auch keine Anordnung über die Art und Form der Behebung bzw. Weiterleitung der Beträge an die Genossenschaftsmitglieder. Auch die Statuten enthielten diesbezüglich keine Regelungen. Es könne daher eine bestimmte Form der Weiterleitung von Überschußbeträgen an die Genossenschaftsmitglieder niemals "Aufgabe" der Beschwerdeführerin sein. Es sei zu berücksichtigen, daß die Beschwerdeführerin als Körperschaft ihre internen Rechtsverhältnisse durch Beschluß der satzungsgemäß hiezu befugten Organe regeln könne. Derartige Beschlüsse seien - wenn sie sich im Rahmen der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen und der Statuten hielten - für alle Mitglieder der Körperschaft - auch für solche, die bei der Beschlußfassung nicht anwesend gewesen seien oder dagegen gestimmt hätten und in der Minderheit geblieben seien - bindend. Im vorliegenden Fall sei sowohl im Jagdausschuß als auch in der Vollversammlung der Genossenschaftsmitglieder einstimmig der Beschluß gefaßt worden, daß der dem Genossenschaftsmitglied zustehende Anteil am Jagdpachtschilling von ihm persönlich abzuholen sei. Dieser Beschluß binde auch die mitbeteiligte Partei, für die Anwendung des § 905 Abs. 2 ABGB sei somit kein Raum. Das Jagdgesetz biete der Aufsichtsbehörde keine Handhabe, in die diesbezüglichen Anordnungen der Beschwerdeführerin einzugreifen. Eine Befugnis zur Anordnung, daß der Jagdpachtschilling zu "überweisen" sei, stehe der belangten Behörde nicht zu.

Zunächst ist davon auszugehen, daß die in § 15 Abs. 3 JG normierte Aufteilung des Überschusses sich nicht auf ein "Bestimmen der Anteile" zu beschränken hat, sondern daraus ein Anspruch des jeweiligen Mitgliedes auf Auszahlung des Überschusses folgt. Es findet sich jedoch im Jagdgesetz keine besondere Regelung darüber, wie der aus § 15 Abs. 3 JG resultierende Anspruch des einzelnen Genossenschaftsmitglieds auf Auszahlung des sich aus der Jahresrechnung ergebenden Überschusses zu realisieren ist. Daher ist zu berücksichtigen, daß bei Fehlen einer bindenden Regelung der Grundsatz des § 905 Abs. 2 ABGB, wonach Geldzahlungen der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu übermachen hat, auch im öffentlichen Recht gilt (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz. 1 zu § 905) und daher grundsätzlich auch im vorliegenden Fall zur Anwendung zu kommen hat, wie die belangte Behörde meint.

Im Hinblick darauf, daß § 905 Abs. 2 ABGB nur "im Zweifel" gilt und keine gesetzliche Regelung über die Form der Auszahlung besteht, steht jedoch der Beschwerdeführerin als Selbstverwaltungskörper (vgl. Binder, Jagdrecht, 95 f.) das Recht zu, gemäß § 11 Abs. 6 JG im Rahmen der Satzung auch die Form der Auszahlung zu regeln, weil es sich hiebei um eine Frage der Geschäftsführung ihrer Organe handelt. Wenn eine diesbezügliche Regelung rechtskräftig zustandegekommen ist, besteht eine Bindung der Mitglieder der Beschwerdeführerin an diese Regelung.

Nun hat die Beschwerdeführerin wohl behauptet, daß "die Statuten" diesbezüglich keine Regelungen enthielten. Sie hat aber in der Folge auch vorgebracht, daß "sowohl im Jagdausschuß als auch in der Vollversammlung der Genossenschaftsmitglieder einstimmig" der Beschluß gefaßt worden sei, daß der dem Genossenschaftsmitglied zustehende Anteil am Jagdpachtschilling von ihm persönlich abzuholen sei. Ausgehend von den zuvor genannten Erwägungen könnte eine diesbezügliche Beschlußfassung durch die Vollversammlung als Änderung (Ergänzung) der Satzung gemäß § 12 Abs. 3 lit. b JG angesehen werden und wäre sie im Fall ihres gültigen Zustandekommens für sämtliche Mitglieder - damit auch für die mitbeteiligte Partei - bindend, wobei allerdings der Beschluß gemäß § 16 Abs. 6 JG der Genehmigung der Behörde bedarf.

Anders verhielte es sich, wenn eine diesbezügliche Beschlußfassung durch den Jagdausschuß allein vorgenommen wurde. Im Hinblick auf § 12 Abs. 3 lit. b JG wäre dieser hiefür nicht zuständig, weil die Satzungsänderung ausschließlich der Vollversammlung vorbehalten ist. Ein derartiger Beschluß wäre daher gemäß § 16 Abs. 2 JG durch die Behörde im Rahmen ihres Aufsichtsrechts aufzuheben.

Mit den aufgezeigten Fragen hat sich die belangte Behörde nicht hinreichend auseinandergesetzt; ihre Rechtsauffassung, daß die Beschlußfassung - schlechthin - lediglich für die Mitglieder Wirksamkeit entfalte, die der beschlossenen Vorgangsweise zugestimmt hätten, trifft nicht zu.

Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren das Vorliegen eines rechtswirksamen Beschlusses des von der Beschwerdeführerin behaupteten Inhalts zu prüfen haben. Erst danach kann - falls eine bindende Beschlußfassung nicht erfolgte - auf die Zweifelsregel des § 905 Abs. 2 ABGB zurückgegriffen werden.

Für das fortgesetzte Verfahren wird weiters bemerkt, daß die belangte Behörde im Rahmen ihrer Entscheidung als Berufungsbehörde gemäß § 16 Abs. 3 erster und zweiter Satz JG nicht berechtigt war - wie von ihr in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides vorgenommen -, einen Exekutionstitel zu schaffen. Der Auftrag nach § 16 Abs. 3 JG hätte lediglich dahin lauten dürfen, daß der gesetzmäßig ermittelte Anteil zu überweisen ist.

Da die belangte Behörde aus den genannten Gründen die Rechtslage verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft überhöht verzeichnete Stempelgebühren.

Schlagworte

Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Genossenschaftsjagd Gemeindejagd Gemeinschaftsjagd Ausübung und Nutzung freies Übereinkommen Pachtschilling Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Genossenschaftsjagd Gemeindejagd Gemeinschaftsjagd Verwaltung Jagdgenossenschaft Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Verhältnis zu anderen Normen Materien Zivilrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1993030240.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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