TE Vwgh Beschluss 2022/3/7 Ra 2021/13/0159

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.03.2022
beobachten
merken

Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §26 Z4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der „E“ KG in W, vertreten durch Dr. Friedrich Gatscha, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 24, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 23. September 2021, Zl. RV/7101545/2021, betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag, jeweils für die Jahre 2015 bis 2018, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Im Bericht vom 24. März 2021 über das Ergebnis einer Außenprüfung bei der Revisionswerberin (einer Kommanditgesellschaft, die im Kleintransportgewerbe tätig ist) wurde u.a. festgehalten, bei Durchsicht der Lohnkonten sei festgestellt worden, dass im Prüfzeitraum steuerfreie Tagesgelder ausgezahlt worden seien. Die Revisionswerberin sei mehrmals aufgefordert worden, Tagesgeldaufzeichnungen sowie Arbeitszeitaufzeichnungen vorzulegen. Diesen Aufforderungen sei die Revisionswerberin nicht (ausreichend) nachgekommen; aus den vorgelegten Unterlagen sei nicht nachvollziehbar, welcher Dienstnehmer welche Dienstreise in welchem Ausmaß getätigt habe. Die Voraussetzungen für die Gewährung nichtsteuerbarer Tagesgelder hätten daher nicht nachgeprüft werden können. Die ausgezahlten Tagesgelder würden somit zur Nachverrechnung gebracht.

2        Mit Bescheiden vom 24. März 2021 setzte das Finanzamt Dienstgeberbeiträge sowie Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2015 bis 2018 fest und nahm die Revisionswerberin als Arbeitgeberin für die Einbehaltung und Abfuhr von Lohnsteuer für die Jahre 2015 bis 2018 in Anspruch. In der Begründung der Bescheide wurde jeweils auf den Bericht vom 24. März 2021 verwiesen.

3        Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Beschwerde.

4        Mit Beschwerdevorentscheidung vom 20. Mai 2021 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

5        Die Revisionswerberin beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe in den Jahren 2015 bis 2018 als steuerfrei behandelte Tagesgelder an ihre Arbeitnehmer ausbezahlt. Im Rahmen der Außenprüfung habe die Revisionswerberin Aufzeichnungen über die Abrechnung der Tagesgelder in Excel-Format vorgelegt. Inhalt der vorgelegten Aufzeichnungen seien aber lediglich die Anzahl der Stunden und die Höhe der Diäten für jeden Monat pro Dienstnehmer. Weitere Informationen (z.B. Datum, Fahrer, das Ziel und die exakte Dauer der Dienstreise) gingen aus den übermittelten Tabellen nicht hervor. Genaue Arbeitszeitaufzeichnungen oder Tagesgeldaufzeichnungen seien im Rahmen des Verfahrens trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt worden. Zum Nachweis der Tagesgelder seien Rechnungen, Auftragsbestätigungen, Warenübernahmebescheinigungen sowie GPS-Daten in Excel-Format für den Monat März 2018 übermittelt worden. Inhalt der Auswertung der GPS-Daten seien Fahrzeugkennzeichen, Startdatum/Zeit, Startadresse, Enddatum/Zeit, Zieladresse, Anfangskilometer, Endkilometer sowie gefahrene Kilometer gewesen. Aus dieser Auswertung gehe jedoch nicht hervor, welcher Dienstnehmer welche Fahrten in welchem zeitlichen Ausmaß übernommen habe. Dies lasse sich auch nicht aus den Rechnungen oder Auftragsbestätigungen ableiten. Aus der Versteuerung der Tagesgelder ergäben sich Nachforderungen an Lohnsteuer sowie an Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag in näher dargelegter Höhe.

8        Aus den vorgelegten Urkunden könne die exakte Dauer, das Datum, der Fahrer und das Ziel der Dienstreise in den Jahren 2015 bis 2018 nicht ausreichend nachgewiesen werden. Insbesondere seien auch die für den Monat März 2018 übermittelten Daten in sich widersprüchlich. Dies zeige sich etwa an einer Lieferung nach O (Deutschland). Während laut der vorgelegten Rechnung das Leistungsdatum des Transportes der 2. März 2018 gewesen sei, ergebe sich aus der Tagesgeldaufzeichnung und der Warenübernahmebescheinigung, dass der Transport am 5. März 2018 durchgeführt worden sei. Aus den vorgelegten GPS-Daten lasse sich jedoch ableiten, dass weder am 2. März noch am 5. März, sondern erst am 13. März 2018 eine Fahrt nach O (Deutschland) stattgefunden habe. Weiters ergebe sich ein Widerspruch bei einem Transport nach L am 6. März 2018. In den Tagesgeldaufzeichnungen seien 8 Stunden angemerkt worden, aus den GPS-Daten ergebe sich, dass der Transport ca. 14 Stunden gedauert habe. Aus den GPS-Daten lasse sich auch nicht ableiten, welcher Dienstnehmer in welchem zeitlichen Ausmaß die Fahrten übernommen habe, weil die Dauer der Fahrten teilweise die Normalarbeitszeit überschritten habe. Da laut den vorgelegten Jahreslohnzetteln aber keine Überstunden verrechnet worden seien, sei davon auszugehen, dass die Fahrten von unterschiedlichen Fahrern durchgeführt worden seien, wobei mangels Aufzeichnung der Fahrer eine Zuordnung nicht möglich sei. Aus den GPS-Daten gehe auch hervor, dass die Fahrzeuge teilweise für einen längeren Zeitraum zum Standort zurückgekehrt seien; welcher Dienstnehmer mit welchem Fahrzeug danach weitergefahren sei, lasse sich aus den GPS-Daten jedoch nicht ermitteln.

9        Dienstreisen (§ 26 Z 4 EStG 1988) und die dafür gezahlten Beträge seien belegmäßig nachzuweisen und einzeln abzurechnen. Die Richtigkeit der Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung müsse jederzeit für das Finanzamt leicht nachprüfbar sein. Die Revisionswerberin sei ihrer erhöhten Nachweispflicht nicht nachgekommen, weil sie keine Nachweise im Sinne der Rechtsprechung vorgelegt habe. Aus den übermittelten Excel-Tabellen seien lediglich die monatlichen Diäten samt den dazugehörigen Stunden ersichtlich. Das Datum, der Fahrer, das Ziel und der Zweck der einzelnen Dienstreisen gingen daraus aber nicht hervor. Auch die für den Monat März 2018 vorgelegten Unterlagen stellten keinen ausreichenden Nachweis dar, weil nicht erkennbar sei, welcher Dienstnehmer in welchem Ausmaß die Dienstfahrten übernommen habe. Die vorgelegten Unterlagen stellten somit keinen die Richtigkeit der Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung leicht prüfbaren Nachweis dar.

10       Es seien daher - wie vom Finanzamt vorgenommen - Abgaben festzusetzen und die Revisionswerberin zur Haftung für Lohnsteuer heranzuziehen gewesen.

11       Die Unzulässigkeit der Revision sei auszusprechen gewesen, weil im vorliegenden Verfahren zunächst Sachverhaltsfragen zu klären gewesen seien. Die Beurteilung der Rechtsfrage, welche Nachweise für die steuerfreie Auszahlung von Tagesgeldern erforderlich seien, sei im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. VwGH 11.1.2021, Ra 2019/15/0163) erfolgt.

12       Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.

13       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16       Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, zur Frage, welche Aufzeichnungen eines Kleintransportgewerbetreibenden über die nach dem einschlägigen Kollektivvertrag geschuldeten Reisekostenersätze für eine Abgabenfreiheit nach § 26 Z 4 lit. b EStG 1988 erforderlich seien, liege keine gesetzliche Regelung und lediglich bruchstückhafte und daher auch nicht einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die überblickbare Judikatur behandle augenscheinlich nicht die Besonderheiten von Dienstnehmern im Kleintransportgewerbe. Von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes würden Fälle von ortsgebunden ihre Arbeitsleistung erbringenden Dienstnehmern behandelt. Dienstnehmer im Kleintransportgewerbe würden - anders als die ortsgebundenen Arbeitskräfte - geradezu ausschließlich mit Verrichtungen befasst, die nach der Lohn- und Zulagenordnung des einschlägigen Kollektivvertrages „Güterbeförderungsgewerbe ArbeiterInnen“ zu einem Anspruch auf Tages- und Nächtigungsgelder führten. Somit liege eine Abweichung von den bisher in der Judikatur behandelten Sachverhalten vor. Insbesondere erscheine bei jedem abgewickelten Transportauftrag schon die Wareneingangsbestätigung durch den Empfänger als plausibler Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung der Transportleistung durch den Arbeitnehmer und damit auch der Dienstreise. Dies sei für einen gewöhnlichen Dienstnehmer, der etwa im Zuge einer Dienstreise einen Geschäftskunden besuche, nicht der Fall. Daraus ergebe sich eine differenzierte Beurteilung der Nachweispflicht. Eine einschlägige Judikatur zu diesen spezifischen Fragestellungen des Kleintransportgewerbes sei aber nicht vorhanden.

17       Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt.

18       Nach der ständigen (und einheitlichen) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt für alle in § 26 EStG 1988 angeführten nicht steuerbaren Arbeitgeberleistungen der Grundsatz, dass darüber einzeln abgerechnet werden muss. In diesem Sinn hat der Gerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass für die Anwendbarkeit von § 26 Z 4 EStG 1988 jedenfalls der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege gegenüber dem Arbeitgeber zu erbringen ist. Ein Nachweis dem Grunde nach erfordert, dass im Einzelnen eine Dienstreise nach der Definition des § 26 Z 4 EStG 1988 vorliegt und die für diese Reise vom Arbeitgeber gewährten pauschalen Tagesgelder die gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 je nach Dauer der Dienstreise bemessenen Tagesgelder nicht überschreiten. Die betreffende Leistung des Arbeitgebers gilt als Ersatz konkreter Aufwendungen für eine bestimmte Dienstreise. Eine solche Konkretisierung hat bereits der Leistung des Arbeitgebers für jede einzelne Dienstreise zugrunde zu liegen. Gewährte Tagesgelder fallen also nur dann unter die Regelung des § 26 Z 4 EStG 1988, wenn der Nachweis jeder einzelnen Dienstreise dem Grunde nach durch entsprechende Belege gegenüber dem Arbeitgeber erbracht ist. Die Richtigkeit des vom Arbeitgeber vorgenommenen Lohnsteuerabzuges muss jederzeit für das Finanzamt leicht nachprüfbar sein (vgl. - auch zu § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 - VwGH 11.1.2021, Ra 2019/15/0163, mwN).

19       Entgegen dem Vorbringen in der Revision gelten diese Nachweiserfordernisse nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch für Dienstnehmer, die als Fahrer im Rahmen eines Transportunternehmens - also „ortsungebunden“ - tätig sind (vgl. VwGH 19.5.2021, Ra 2020/15/0074; vgl. weiters VwGH 20.6.2000, 98/15/0068; sowie - zu Beiträgen zur Sozialversicherung - VwGH 2.9.2013, 2011/08/0360).

20       Derartige, nach der Rechtsprechung gebotene Nachweise wurden von der Revisionswerberin im Zuge des Verfahrens nach den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts nicht erbracht. Dieser Sachverhaltsannahme wird im Zulässigkeitsvorbringen lediglich entgegengehalten, dass auf alle vom Abgabepflichtigen im Rahmen der Betriebsprüfung substantiiert vorgetragenen, für die steuerliche Beurteilung relevanten Behauptungen, auch wenn ihre Richtigkeit erst durch weitere Erhebungen geklärt werden müsse, einzugehen sei; dies sei nicht erfolgt.

21       Im Rahmen der Außenprüfung wurde aber die Revisionswerberin - wie auch im angefochtenen Erkenntnis festgehalten wurde - mehrmals aufgefordert, entsprechende Aufzeichnungen vorzulegen. Mit den vorgelegten Urkunden haben sich die belangte Behörde und das Bundesfinanzgericht eingehend auseinandergesetzt; sie sind dabei zum Ergebnis gelangt, dass sich aus diesen - in sich widersprüchlichen - Aufzeichnungen nicht ableiten lässt, welcher Dienstnehmer welche Fahrten in welchem zeitlichen Ausmaß übernommen habe. Welche allfälligen weiteren Erhebungen das Bundesfinanzgericht hätte durchführen sollen, wird im Rahmen des Zulässigkeitsvorbringens nicht dargelegt.

22       Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021130159.L00

Im RIS seit

30.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.04.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten