TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/28 Ra 2021/09/0229

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Veröffentlicht am 28.02.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

B-VG Art139 Abs6
B-VG Art18 Abs2
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §2
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §2 Z3
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 §3
COVID-19-MaßnahmenV BGBl II 96/2020 §3 idF 2020/II/130
EpidemieG 1950 §20
EpidemieG 1950 §24
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z7
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A GmbH in B, vertreten durch Mag. Andreas Germann, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Scheffelstraße 7a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 7. Juni 2021, LVwG-408-129/2020-R14, betreffend Vergütung für Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bludenz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Vergütung für Verdienstentgang gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 für den Zeitraum 17. März 2020 bis 3. April 2020 abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1        Die revisionswerbende Partei betreibt in Lech, im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bezirkshauptmannschaft Bludenz (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde), einen Gastgewerbebetrieb in der Betriebsart eines Restaurants.

2        Mit dem am 30. April 2020 ergänzten Antrag vom 14. März 2020 begehrte die revisionswerbende Partei Vergütung für den ihr im Zeitraum 14. März 2020 bis 26. April 2020 eingetreten Verdienstentgang in der Höhe von 83.855,34 Euro nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG).

3        Dieser sei ihr durch die mit Amtsblatt für das Land Vorarlberg (ABl.) vom 14. März 2020, Nr. 13/2020, kundgemachte Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend die Schließung des Seilbahnbetriebes und von Beherbergungsbetrieben zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 im gesamten Bezirk, die Verordnung des Landeshauptmannes nach § 2 Z 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes betreffend das Betreten von Seilbahnanlagen und von Beherbergungsbetrieben zu touristischen Zwecken, Vorarlberger LGBl. Nr. 16/2020, die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend Verkehrsbeschränkungen für die Ortschaften Lech und Klösterle (Ortsteil Stuben) vom 17. März 2020, ABl. 14/2020, und die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020, (in der Folge: COVID-19-Maßnahmenverordnung-96) entstanden.

4        Mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg diesen Antrag gemäß § 32 EpiG ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.

5        Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht dies zusammengefasst dahingehend, dass die [auf § 20 Abs. 1 und 4 sowie § 26 EpiG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“), BGBl. II Nr. 24/2020, gestützte] Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend die Schließung des Seilbahnbetriebes und von Beherbergungsbetrieben zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 im gesamten Bezirk, ABl. Nr. 13/2020, auf die revisionswerbende Partei nicht anwendbar gewesen sei, weil sie unstrittig keinen Beherbergungsbetrieb (§ 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994) im Sinn des § 2 dieser Verordnung betreibe, sondern einen Gastgewerbebetrieb. Die [auf § 24 EpiG gestützte] Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend Betretungsverbote für die Ortschaften Lech und Klösterle (Ortsteil Stuben), ABl. Nr. 14/2020, sei am 17. März 2020 um 12:00 Uhr in Kraft getreten und bereits am 18. März 2020 mit dem Inkrafttreten der [auf § 2 Z 3 COVID-19-Maßnahmengesetz, BGBl. I Nr. 12/2020 gestützten] Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend Betretungsverbote für die Ortschaften Lech und Klösterle (Ortsteil Stuben), ABl. Nr. 15/2020, wieder außer Kraft getreten. Am 17. März 2020 sei jedoch bereits die hier maßgebende Bestimmung des § 3 Abs. 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, BGBl. II Nr. 96/2020, in Kraft getreten, die sich nicht auf das Epidemiegesetz 1950, sondern auf § 1 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) gestützt habe.

6        Die revisionswerbende Partei könne weder aus der Verordnung ABl. Nr. 13/2020 einen Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG ableiten, weil sie keinen Beherbergungsbetrieb im Sinn des § 2 dieser Verordnung betreibe, noch aus der Verordnung ABl. Nr. 14/2020, weil bis zu deren Außerkrafttreten - also im Zeitraum vom 17. März 2020, 12:00 Uhr, bis 18. März 2020 - bereits § 3 Abs. 1 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 Gültigkeit gehabt habe.

7        Vor dem 17. März 2020 könne bei der revisionswerbenden Partei noch kein Verdienstentgang eingetreten sein. Zu einem solchen sei es erst dadurch gekommen, dass das Restaurant aufgrund des Betretungsverbots gemäß § 3 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96, also aufgrund einer Maßnahme nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz, ab 17. März 2020 nicht mehr habe betrieben werden können.

8        Zu einer Betriebsschließung nach § 20 EpiG sei es nicht gekommen. Nur eine solche würde jedoch den Tatbestand des § 32 Abs. 1 Z 5 EpiG erfüllen. Somit liege keiner der in § 32 Abs. 1 Z 1 bis 7 EpiG angeführten Tatbestände vor.

9        Der Verfassungsgerichtshof (Hinweis auf VfGH 14.7.2020, G 202/2020, u.a.) wie auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018) hätten zudem bereits das Bestehen eines Anspruchs auf Ersatz von Verdienstentgang nach § 32 EpiG wegen auf Basis des § 1 COVID-19-MG angeordneter Betretungsverbote verneint.

10       Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage.

11       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.

12       Die revisionswerbende Partei sieht die Zulässigkeit ihrer Revision zusammengefasst im Hinblick darauf für gegeben an, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Oktober 2020, V 405/2020-14, ausgesprochen habe, dass § 3 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl. II Nr. 130/2020 gesetzwidrig gewesen sei. Diese Bestimmung habe das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten des Gastgewerbes untersagt. Die Aufhebung bewirke die rückwirkende Außerkraftsetzung dieses Paragraphen. Es sei daher zu beurteilen, wie sich diese rückwirkende Außerkraftsetzung des § 3 COVID-19-Maßnahmenverordnung-96 idF BGBl. II Nr. 130/2020 auf den geltend gemachten Anspruch auf Zuerkennung einer Vergütung gemäß dem Epidemiegesetz aber auch gemäß anderer Anspruchsgrundlagen auswirke. Zu eben dieser Rechtsfrage existiere bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung.

13       Die vorhandene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (etwa VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018) beschäftige sich lediglich mit der Frage, ob Einschränkungen nach den auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Verordnungen einen Anspruch im Sinn des § 32 iVm § 20 EpiG auslösten und verneine dies. Es bestehe jedoch keine Rechtsprechung dazu, ob durch eine rückwirkende Außerkraftsetzung einer solchen auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Verordnung wieder das Epidemiegesetz und dessen Vergütungsbestimmungen anwendbar würden oder eine Vergütung auf einer anderen gesetzlichen Grundlage zuzusprechen wäre.

14       Die Revision ist zulässig und teilweise auch begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15       Die wesentlichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl. Nr. 186/1950, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 90/2021, lauten (auszugsweise):

„Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen.

§ 20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde. (BGBl. Nr. 449/1925, Artikel III Abs. 2, und BGBl. Nr. 151/1947, Artikel II Z 5 lit. h.)

(2) Beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden.

(3) Die Schließung einer Betriebsstätte ist jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.

(4) Inwieweit die in den Abs. 1 bis 3 bezeichneten Vorkehrungen auch beim Auftreten einer anderen anzeigepflichtigen Krankheit getroffen werden können, wird durch Verordnung bestimmt.

...

Verkehrsbeschränkungen in Bezug auf Epidemiegebiete

§ 24. (1) Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, sind für die in Epidemiegebieten aufhältigen Personen Verkehrsbeschränkungen anzuordnen. Ebenso können Beschränkungen für das Betreten von Epidemiegebieten angeordnet werden.

(2) Verkehrsbeschränkungen für in Epidemiegebieten aufhältige Personen gemäß Abs. 1 sind insbesondere:

1.   Voraussetzungen und Auflagen für das Verlassen des Epidemiegebietes, wie

a)   das Vorliegen bestimmter Zwecke für das Verlassen des Epidemiegebietes,

b)   das Erfordernis eines Nachweises über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr und

c)   das Antreten einer selbstüberwachten Heimquarantäne nach Verlassen des Epidemiegebietes,

2.die Untersagung des Verlassens des Epidemiegebietes, sofern Maßnahmen nach Z 1 nicht ausreichen, wobei solche Maßnahmen erforderlichenfalls nebeneinander zu ergreifen sind.

(3) Beschränkungen für das Betreten von Epidemiegebieten gemäß Abs. 1 sind insbesondere:

1.   Voraussetzungen und Auflagen für das Betreten des Epidemiegebietes, wie

a)   das Vorliegen bestimmter Zwecke für das Betreten des Epidemiegebietes,

b)   das Erfordernis eines Nachweises über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr und

c)   zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19: die Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung,

2.die Untersagung des Betretens des Epidemiegebietes, sofern Maßnahmen nach Z 1 nicht ausreichen, wobei solche Maßnahmen erforderlichenfalls nebeneinander zu ergreifen sind.

(4) Im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gelten für das Erfordernis eines Nachweises über eine lediglich geringe epidemiologische Gefahr § 1 Abs. 5 Z 5 und Abs. 5a bis 5e COVID-19-MG sinngemäß.

(5) Im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gelten als Epidemiegebiete gemäß Abs. 1 bestimmte örtlich abgegrenzte oder abgrenzbare Teile des Bundesgebietes, in denen außergewöhnliche regionale Umstände im Hinblick auf die Verbreitung von SARS-CoV-2 vorliegen. Außergewöhnliche regionale Umstände liegen etwa vor, wenn aufgrund der Bewertung der epidemiologischen Situation gemäß § 1 Abs. 7 COVID-19-MG im bundesweiten Vergleich ein besonders hohes Risiko der Verbreitung von SARS-CoV-2 anzunehmen ist oder wenn aufgrund wesentlich veränderter Eigenschaften des Virus die bereits gesetzten Bekämpfungsmaßnahmen oder die weitere Bekämpfungsstrategie erheblich gefährdet sind.

...

Vergütung für den Verdienstentgang.

§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1.sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

2.ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder

3.ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder

4.sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder

5.sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder

6.sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder

7.sie in einem Epidemiegebiet, über das Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind, aufhältig sind oder Beschränkungen hinsichtlich des Betretens unterworfen sind,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.

(3) Die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, ist nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, BGBl. Nr. 399/1974, zu bemessen. Die Arbeitgeber haben ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen. Der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund geht mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über. Der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972, BGBl. Nr. 414, ist vom Bund zu ersetzen.

(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen.

(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen.

(7) Auf Grund dieser Bestimmung erlassene Bescheide, denen unrichtige Angaben eines Antragstellers über anspruchsbegründende Tatsachen zugrunde liegen, leiden an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler im Sinne des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG.“

16       Mit der auf § 20 Abs. 4 EpiG gestützten Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“) vom 28. Februar 2020, BGBl. II Nr. 74/2020, wurde die Möglichkeit des Setzens der in § 20 Abs. 1 bis 3 EpiG bezeichneten Vorkehrungen auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-CoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“) geschaffen.

17       In der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 90/2021, und damit zum Zeitpunkt der Erlassung der nachgenannten Verordnungen, lautete § 24 EpiG:

„Verkehrsbeschränkungen für die Personen, die sich in Epidemiegebieten aufhalten

§ 24. Sofern dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, sind für die in Epidemiegebieten aufhältigen Personen Verkehrbeschränkungen zu verfügen. Ebenso können Beschränkungen für den Verkehr mit den Bewohnern solcher Gebiete von außen angeordnet werden.“

18       Das COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), BGBl. I Nr. 12/2020, lautete (auszugsweise):

„Betreten von Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren- und Dienstleistungen

§ 1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind.

Betreten von bestimmten Orten

§ 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1.vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

2.   vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder

3.   von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken.

...

Inkrafttreten

§ 4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.

(2) Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.

(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.“

19       Im hier gegenständlichen, weil vom Anspruchszeitraum 14. März 2020 bis 26. April 2020, umfassten Zeitraum waren (auch) das Gemeindegebiet, in dem sich der Sitz der revisionswerbenden Partei befindet, betreffend, folgende Einschränkungen verfügt:

20       Die hier maßgebliche Bestimmung der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020 lautete (auszugsweise):

„Auf Grund § 1 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19 Maßnahmengesetz), BGBl. I Nr. 12/2020 wird verordnet:

...

§ 3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Gastgewerbetriebe, welche innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1.Kranken-und Kuranstalten;

2.Pflegeanstalten und Seniorenheime;

3.Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;

4.Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen.

(3) Abs. 1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.

(4) Abs. 1 gilt nicht für Campingplätze und öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn dort Speisen und Getränke ausschließlich an Gäste des Campingplatzes bzw. öffentlicher Verkehrsmitteln verabreicht und ausgeschenkt werden.

(5) Abs. 1 gilt nicht für Lieferservice.“

21       Diese Verordnung trat mit 16. März 2020 in Kraft und am 30. April 2020 außer Kraft (BGBl. II Nr. 151/2020 und BGBl. II Nr. 197/2020); § 3 wurde davor mit BGBl. II Nr. 130/2020 novelliert.

22       Die im Amtsblatt für das Land Vorarlberg vom 14. März 2020, Nr. 13, kundgemachte Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend die Schließung des Seilbahnbetriebes und von Beherbergungsbetrieben zur Verhinderung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 im gesamten Bezirk hatte folgenden Inhalt:

„Gemäß § 20 Abs. 1 und 4 sowie § 26 Epidemiegesetz 1950, BGBl. Nr. 186, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARS-CoV-2 (‚2019 neuartiges Coronavirus‘), BGBl. II Nr. 74/2020, wird verordnet:

§ 1 (1) Der Betrieb von Seilbahnen (§ 2 Abs. 1 Seilbahngesetz 2003) ist gemäß § 26 Epidemiegesetz 1950 einzustellen.

(2) Das Betriebsverbot nach Abs. 1 gilt nicht für Einzelfahrten in Notfällen oder im Fall einer im öffentlichen Interesse erforderlichen Anordnung der Bezirksverwaltungsbehörde.

§ 2 (1) Beherbergungsbetriebe (§ 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994) sind gemäß § 20 Abs. 1 und 4 Epidemiegesetz 1950 und der Verordnung BGBl. II Nr. 74/2020 zu schließen.

(2) Die Bezirksverwaltungsbehörde kann Ausnahmen vom Gebot nach Abs. 1 gewähren, soweit sich die Schließung einzelner Betriebe als unverhältnismäßige Maßnahme erweist.

§ 3 (1) § 1 tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung dieser Verordnung, frühestens jedoch am 15. März 2020, 17.00 Uhr, in Kraft.

(2) § 2 tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung dieser Verordnung, frühestens jedoch am 16. März 2020, 12.00 Uhr, in Kraft.

(3) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 13. April 2020 außer Kraft.“

23       Im Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 14 vom 17. März 2020 wurde folgende Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend Verkehrsbeschränkungen für die Ortschaften Lech und Klösterle (Ortsteil Stuben) kundgemacht:

„Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz verordnet als zuständige Behörde gemäß § 24 Epidemiegesetz, BGBl. Nr. 186/1950 in der geltenden Fassung, folgende Maßnahmen zum Schutz vor der Weiterverbreitung des Corona-Virus (SARS-CoV-2) für die Ortschaften Lech und Klösterle (Ortsteil Stuben):

§ 1 Verkehrsbeschränkungen

(1) Die Zu- und Abfahrt in diese Ortschaften wird verboten.

(2) Vom Verbot nach Abs. 1 ausgenommen werden:

a)   (Einsatz-) Fahrten der Blaulichtorganisationen,

b)   allgemeine Versorgungsfahrten durch Zulieferer (z.B. Lebensmitteltransporte) und Fahrten zur Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Daseinsvorsorge (z.B. Straßendienst, Müllabfuhr) und im Bereich der versorgungskritischen öffentlichen Infrastruktur (z.B. Strom- und Wasserversorgung),

c)   Fahrten zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsfürsorge und Alten- und Krankenpflege, insbesondere diesbezügliche individuelle unaufschiebbare Fahrten (z.B. zur Dialyseversorgung).

(3) Fahrten innerhalb der von dieser Verordnung betroffenen Ortschaften sind zulässig.

§ 2 Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Beschränkungen zu überwachen und sicherheitspolizeilich einzuschreiten (§ 28a Epidemiegesetz).

§ 3 Strafbestimmungen

Wer gemäß § 1 dieser Verordnung zuwiderhandelt, begeht gemäß § 40 Epidemiegesetz 1950 eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu EUR 1.450,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen.

§ 4 Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag der Kundmachung um 12.00 Uhr in Kraft und mit Ablauf des 3. April 2020 außer Kraft.“

24       Diese Verordnung wurde durch die im Amtsblatt für das Land Vorarlberg Nr. 15 vom selben Tag kundgemachte Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend Betretungsverbote für die Ortschaften Lech und Klösterle (Ortsteil Stuben) abgelöst:

„Verordnung

Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz verordnet als zuständige Behörde gemäß § 2 Z. 3 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. I Nr. 12/2020, folgende Maßnahmen zum Schutz vor der Weiterverbreitung des Corona-Virus (SARS-CoV-2) für die Ortschaften Lech und Klösterle (Ortsteil Stuben):

§ 1 Betretungsverbote

(1) Das Betreten und Verlassen dieser Ortschaften wird verboten.

(2) Vom Verbot nach Abs. 1 ausgenommen werden:

a)   (Einsatz-) Fahrten der Blaulichtorganisationen,

b)   allgemeine Versorgungsfahrten durch Zulieferer (z.B. Lebensmitteltransporte) und Fahrten zur Erbringung von Dienstleistungen im Bereich der Daseinsvorsorge (z.B. Straßendienst, Müllabfuhr) und im Bereich der versorgungskritischen öffentlichen Infrastruktur (z.B. Strom- und Wasserversorgung),

c)   Fahrten zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsfürsorge und Alten- und Krankenpflege, insbesondere diesbezügliche individuelle unaufschiebbare Fahrten (z.B. zur Dialyseversorgung).

(3) Bezüglich des Betretens öffentlicher Orte in diesen Ortschaften und zwischen diesen Ortschaften wird auf die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z. 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. I Nr. 98/2020, hingewiesen.

§ 2 Mitwirkung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Beschränkungen zu überwachen und sicherheitspolizeilich einzuschreiten (§ 2a Covid-19-Maßnahmengesetz).

§ 3 Strafbestimmungen

Wer gemäß § 1 dieser Verordnung zuwiderhandelt, begeht gemäß § 3 Abs. 3 Covid-19-Maßnahmengesetz eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu EUR 3.600,00 zu bestrafen.

§ 4 Inkrafttreten und Außerkrafttreten

(1) Diese Verordnung tritt an dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft und mit Ablauf des 3. April 2020 außer Kraft.

(2) Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz betreffend Verkehrsbeschränkungen für die Ortschaften Lech und Klösterle (Ortsteil Stuben), Amtsblatt Nr. 14/2020, tritt zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung außer Kraft.“

25       Die Verordnung des Landeshauptmannes von Vorarlberg nach § 2 Z 2 des COVID-19-Maßnahmengesetzes betreffend das Betreten von Seilbahnanlagen und von Beherbergungsbetrieben zu touristischen Zwecken, Vorarlberger LGBl. Nr. 16/2020, vom 27. März 2020 lautete:

„Auf Grund von § 2 Z. 2 des Covid-19-Maßnahmengesetzes, BGBl. I Nr. 12/2020 in der Fassung BGBl. I Nr. 16/2020, wird verordnet:

§ 1 (1) Das Betreten von Seilbahnanlagen ist im gesamten Landesgebiet verboten.

(2) Das Verbot nach Abs. 1 gilt nicht in Notfällen, bei Aufbau-, Wartungs- oder Reparaturarbeiten oder im Fall einer vom Landeshauptmann im öffentlichen Interesse getroffenen Anordnung.

§ 2 Das Betreten von Beherbergungsbetrieben (§ 111 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994) als Touristin oder Tourist ist im gesamten Landesgebiet verboten.

§ 3 Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit dem Ablauf des 13. April 2020 außer Kraft.“

26       Aus dieser Rechtslage ist für den verfahrensgegenständlichen Vergütungsanspruch der revisionswerbenden Partei das Folgende zu gewinnen:

27       Vorweg ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Ersatzanspruch nach § 32 EpiG ausscheidet, wenn keine der in § 32 Abs. 1 Z 1 bis 7 EpiG aufgezählten Maßnahmen vorliegt, die zu einem Verdienstentgang geführt hat (siehe VwGH 26.3.2021, Ra 2021/03/0017, unter Hinweis auf VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018; vgl. auch VwGH 13.4.2021, Ra 2021/09/0020; 7.4.2021, Ra 2021/09/0051, mwN).

28       Auf die Bestimmungen der Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Bludenz ABl. 13/2020 und der Verordnung des Landeshauptmanns von Vorarlberg, LGBl. Nr. 16/2020, kann die revisionswerbende Partei - wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausführte - einen Vergütungsanspruch nicht stützen, weil sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnungen fällt. Durch diese Verordnungen wurden keine Einschränkungen ihres Restaurantbetriebs verfügt. Die revisionswerbende Partei betreibt auch weder ein Seilbahnunternehmen noch einen Beherbergungsbetrieb im Sinn des § 111 Abs. 1 Z 1 GewO.

29       Eine bloß mittelbare Auswirkung der mit diesen Verordnungen verfügten Maßnahmen der Schließung der Seilbahnen und der Beherbergungsbetriebe auf den Gastgewerbebetrieb der revisionswerbenden Partei führt zu keinem eigenen Vergütungsanspruch (VwGH 29.11.2021, Ro 2021/03/0011, mit Hinweis auf etwa VwGH 22.4.2021, Ra 2021/09/0005).

30       Mit Erkenntnissen vom 1. Oktober 2020, V 405/2020, und vom 29. September 2021, V 188/2021, u.a., erkannte der Verfassungsgerichtshof, dass § 3 der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19, BGBl. II Nr. 96/2020, und diese Bestimmung in der Fassung BGBl. II Nr. 130/2020, gesetzwidrig waren. Ferner sprach er jeweils aus, dass die als rechtswidrig festgestellte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.

31       Die revisionswerbende Partei argumentiert unter diesem Gesichtspunkt nun dahingehend, dass nach dem Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes, dass § 3 dieser Verordnung des Bundesministers gesetzwidrig war und die als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist, eine andere Grundlage für das Betretungsverbot zu suchen sei.

32       Mit diesem Vorbringen übersieht sie jedoch, dass der Verfassungsgerichtshof nicht die Grundlage, auf der die Verordnung erlassen worden war, aufgehoben hat, sodass - wie offenbar die revisionswerbende Partei dies vermeint - eine neue Grundlage für die Verordnung gesucht (und im Epidemiegesetz 1950 gefunden) werden könnte. Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf die Verordnung selbst (also die Maßnahme an sich) ausgesprochen, dass sie gesetzwidrig war. Ferner hat er verfügt, dass die als gesetzwidrig erkannte Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist. Diese Bestimmung ist daher auch in einem Verwaltungs-(gerichts-)verfahren über einen Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG nicht mehr anzuwenden. Auf diese Bestimmung lässt sich daher auch deshalb ein Ersatzanspruch im Verwaltungsweg nicht mehr stützen (vgl. VwGH 23.4.2021, Ra 2021/09/0042; 7.4.2021, Ra 2021/09/0048, mwN).

33       Diese Verordnung hat bei der Prüfung des von der revisionswerbenden Partei geltend gemachten Vergütungsanspruchs somit außer Betracht zu bleiben. Dieser Umstand führt aber auch dazu, dass die Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Bludenz - wie das Verwaltungsgericht annahm - nicht (mehr) durch diese Bestimmung der Verordnung des Gesundheitsministers verdrängt werden. Mit anderen Worten: Ein aus diesen Verordnungen ableitbarer Anspruch besteht daher nicht deshalb nicht mehr, weil gleichzeitig die auf § 1 COVID-19-MG gestützte Verordnung des Bundesministers in Geltung stand.

34       Auch weil die Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft, mit der die Zu- und Abfahrt bzw. das Betreten und Verlassen bestimmter Ortschaften verboten wurde, neben der Verordnung des Gesundheitsministers, mit der das Betreten von Betriebsstätten des Gastgewerbes verboten wurde, sowie der Verordnung des Landeshauptmanns, mit der das Betreten von Seilbahnanlagen und von Beherbergungsbetrieben verboten wurde, infolge unterschiedlicher Regelungsgegenstände nebeneinander bestehen können, stellt sich das Problem der materiellen Derogation hier nicht (siehe dazu ausführlich VwGH 16.11.2021, Ro 2021/03/0018).

35       Die auf § 24 EpiG gestützte Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bludenz, die ab 17. März 2020, 12:00 Uhr, in Geltung stand, wurde durch die auf § 2 Z 3 COVID-19-MG gestützte Verordnung dieser Bezirkshauptmannschaft, die ab 18. März 2020 in Geltung gesetzt worden war, abgelöst.

36       Bei der Bestimmung des § 2 COVID-19-MG handelt es sich um eine lex specialis gegenüber § 24 EpiG (VfGH 14.7.2020, V 363/2020). Wie der Verfassungsgerichtshof zu dieser Bestimmung weiter ausgeführt hat, kann mit einer auf dieser Grundlage erlassenen Verordnung das Betreten regional begrenzter Gebiete wie etwa Ortsgebiete oder Gemeinden untersagt werden. Auf Grundlage des § 2 COVID-19-MG können Menschen aber nicht dazu verhalten werden, an einem bestimmen Ort, insbesondere auch in ihrer Wohnung, zu verbleiben (VfGH 14.7.2020, V 363/2020, Rn. 45, 53 ff).

37       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist jedoch nicht entscheidend, auf welche Rechtsgrundlage eine Verordnung förmlich (z.B. in ihrer Promulgationsklausel) gestützt wird. Gesetzwidrigkeit einer Verordnung liegt vielmehr nur dann vor, wenn sie sich auch nicht auf eine andere gesetzliche Grundlage stützen konnte (VfGH 23.6.2021, E 4044/2020).

38       Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass mit einer auf § 2 COVID-19-MG gestützten Verordnung das Verbot des Betretens eines bestimmten Orts, worunter auch eine Ortgemeinde zu verstehen ist, erlassen werden durfte, hingegen Menschen nicht dazu verhalten werden konnten, an einem bestimmten Ort zu verbleiben (siehe nochmals VfGH 23.6.2021, E 4044/2020; 10.12.2020, V 535/2020; V 512/2020).

39       Mit § 1 der in Rede stehenden Verordnung wurde das Betreten und Verlassen u.a. der Ortschaft Lech verboten. Ein solches Verbot konnte sich nach dem Gesagten nicht auf § 2 COVID-19-MG stützen. Es wurde daher auch mit § 1 dieser Verordnung von der - dafür auch zuständigen - Bezirkshauptmannschaft Bludenz eine Verkehrsbeschränkung verfügt, die in § 24 EpiG ihre Grundlage hatte (vgl. auch VwGH 28.10.2021, Ro 2021/09/0006).

40       Für den Zeitraum des Bestehens der (materiell) auf § 24 EpiG beruhenden Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Bludenz ist daher ein Vergütungsanspruch nach § 32 Abs. 1 Z 7 EpiG zu prüfen. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es sein Erkenntnis in diesem Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

41       Soweit die revisionswerbende Partei hingegen zur Begründung ihres Ersatzanspruchs in der Revision noch auf Zusagen des Landeshauptmannes von Vorarlberg rekurriert und moniert, dass das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg auf mögliche andere Anspruchsgrundlagen nicht Bezug nehme, wird eine relevante Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht aufgezeigt. Schon im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 B-VG und mangels gesetzlich angeordneter bindender Wirkung der vorgebrachten Zusicherungen eines Landeshauptmannes, vermögen solche Äußerungen die (Nicht-)Anwendung bindender gesetzlicher Regelungen nicht zu rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 2.9.1998, 98/12/0099, zu einer unrichtigen Auskunft betreffend Studienbeihilfe; 20.12.1995, 95/12/0325, zu öffentlich-rechtlichen Gehaltsansprüchen). Welche anderen Anspruchsgrundlagen zu einem im Verwaltungsweg geltend zu machenden Ersatzanspruch führen sollten, wird in der Revision nicht konkret dargelegt. Solche sind auch nicht zu ersehen.

42       Das angefochtene Erkenntnis war daher, weil die Vergütung nach § 32 Abs. 2 EpiG für jeden von einer in Abs. 1 leg. cit. genannten behördlichen Verfügung umfassten Tag zu leisten ist (siehe auch VwGH 3.2.2022, Ra 2021/09/0230), im dargestellten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Revision als unbegründet abzuweisen.

43       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Der gesonderte Zuspruch von Umsatzsteuer findet in diesen Bestimmungen keine Deckung, weshalb das darauf gerichtete Mehrbegehren abzuweisen war.

Wien, am 28. Februar 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090229.L00

Im RIS seit

28.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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