TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/1 Ra 2021/13/0134

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Veröffentlicht am 01.03.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

ALSAG 1989 §3 Abs1 Z2
BAO §295a
BAO §295a Abs2
VwGG §13
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der W GmbH in G, vertreten durch Mag. Gerd Weidacher, Rechtsanwalt in 8200 Gleisdorf, Business Park 8/7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. Juli 2021, Zl. RV/2200027/2019, betreffend Antrag gemäß § 295a BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 15. April 2016 setzte das Zollamt für eine im zweiten Kalendervierteljahr 2015 auf einem Grundstück der Revisionswerberin vorgenommene Geländeanpassung einen Altlastenbeitrag in näher bezeichneter Höhe fest.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesfinanzgericht mit Erkenntnis vom 19. Oktober 2017 als unbegründet ab. Das Bundesfinanzgericht verwies in dieser Entscheidung u.a. darauf, dass für die vorgenommene Geländeanhebung eine baurechtliche Bewilligung erforderlich sei. Im Zeitpunkt der Vornahme der Geländeanhebung sei eine derartige Bewilligung aber nicht vorgelegen, sodass der Befreiungstatbestand des § 3 Abs. 1a Z 6 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) nicht in Anspruch genommen werden könne.

3        Mit Eingabe vom 17. April 2018 begehrte die Revisionswerberin die Abänderung des Bescheids des Zollamts vom 15. April 2016 gemäß § 295a BAO, da ein Ereignis eingetreten sei, das abgabenrechtliche Wirkung für den Bestand des Abgabenanspruchs habe. Mittlerweile liege die rechtswirksame Baubewilligung vom 20. April 2017 vor. Diese Baubewilligung sei als rückwirkendes Ereignis zu berücksichtigen, sodass der Befreiungstatbestand des § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG anzuwenden sei.

4        Das Zollamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 12. Oktober 2018 ab.

5        Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht - nach abweisender Beschwerdevorentscheidung des Zollamts und Vorlageantrag der Revisionswerberin - die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, gemäß § 295a BAO könne auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen ein Bescheid insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintrete, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs habe. Eine nachfolgende Baubewilligung habe aber auf den Bestand und Umfang eines Abgabenanspruchs keine Auswirkungen. Selbst wenn dies der Fall wäre, wäre der Beschwerde der Erfolg zu versagen. Eine Abänderung nach § 295a BAO stehe im Ermessen der Behörde; im Rahmen der - näher begründeten - Ermessensübung sei eine Abänderung nach § 295a BAO nicht vorzunehmen. Des Weiteren verwies das Bundesfinanzgericht darauf, dass die Bewilligungen für die mit der Geländeanpassung in Zusammenhang stehenden Baumaßnahmen bereits vor der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens betreffend die Vorschreibung des Altlastenbeitrags vorgelegen seien; § 295a BAO könne nur im Falle von sich nachträglich ereignenden Umständen ein Verfahrenstitel zur Durchbrechung der materiellen Rechtskraft von Erledigungen sein; eine Anwendung des § 295a BAO scheide im vorliegenden Fall daher jedenfalls aus.

8        Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Zur Zulässigkeit wird insbesondere geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 295a BAO betreffend die Befreiung von Abgabenschulden nach dem ALSAG (Hinweis auf VwGH 23.5.2012, 2009/17/0089; 2009/17/0086; 2010/17/0057).

9        Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10       Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht begründet.

11       Gemäß § 295a Abs. 1 BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78 BAO) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs hat.

12       § 295a BAO ist nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. § 295a BAO ist anwendbar, wenn ein solches Ereignis nachträglich (nach Erlassung des Bescheids) eintritt (vgl. VwGH 24.9.2014, 2010/13/0062; vgl. weiters Ritz-Koran, BAO7, § 295a Tz 3 ff). Zuständig für die Abänderung ist stets die Abgabenbehörde; dies auch betreffend Entscheidungen der Verwaltungsgerichte (vgl. neuerlich Ritz-Koran, aaO Tz 44).

13       § 295a BAO dient nicht zur Nachholung unterlassener Rechtsbehelfe gegen eine rechtskräftige Erledigung (vgl. VwGH 8.3.2021, Ra 2018/16/0109). Die von der Revisionswerberin im Verfahren gemäß § 295a BAO auf Abänderung der Vorschreibung des Altlastenbeitrags für das zweite Kalendervierteljahr 2015 als „rückwirkendes Ereignis“ ins Treffen geführten Baubewilligungen (zuletzt vom 20. April 2017) sind bereits vor der rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens betreffend die Vorschreibung des Altlastenbeitrags (mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 19. Oktober 2017) erteilt worden. Damit scheidet eine Anwendung des § 295a BAO im vorliegenden Fall von vornherein aus, ohne dass auf die Frage einzugehen wäre, ob eine nachträgliche Baubewilligung überhaupt rückwirkend die Altlastenbeitragspflicht entfallen lassen könnte.

14       Soweit der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen (jeweils) vom 23. Mai 2012, 2009/17/0086, 2009/17/0089 und 2010/17/0057, obiter ausgeführt hat, dass während des Rechtsmittelverfahrens über die Beitragspflicht nach dem ALSAG ergangene Bewilligungen allenfalls über Antrag nach § 295a BAO zu berücksichtigen seien, ist diese - zu § 3 Abs. 1 Z 2 ALSAG vertretene - Ansicht als überholt anzusehen (vgl. nochmals VwGH 8.3.2021, Ra 2018/16/0109). Ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes iSd § 13 VwGG liegt insoweit nicht vor (vgl. etwa VwGH 31.7.2012, 2008/13/0086, und zur Rechtslagenänderung VwGH 9.9.2015, Ro 2014/16/0072).

15       Da sohin der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die von der Revisionswerberin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 1. März 2022

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021130134.L00

Im RIS seit

28.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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