TE OGH 2022/1/27 9Ob82/21f

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Veröffentlicht am 27.01.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei * B*, vertreten durch Wallner Jorthan Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N* GmbH, *, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, wegen Unterlassung, in eventu Feststellung (Interesse: 16.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 23. September 2021, GZ 4 R 32/21m-26, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 12. Jänner 2021, GZ 2 Cg 75/20v-16, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.175,22 EUR (darin 195,87 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1]       Nach dem Begehren der Klägerin (Endverbraucherin iSd ElWOG 2010) habe es die Beklagte (Netzbetreiberin für elektrischen Strom und Verantwortliche iSd Art 4 Z 7 DSGVO) zu unterlassen, das an der Messstelle der Klägerin installierte „Ferraris“-Messgerät durch ein intelligentes Messgerät („Smart-Meter“) zu ersetzen; hilfsweise stellte die Klägerin einen entsprechenden, auf eine fehlende Berechtigung der Beklagten gestützten Feststellungsantrag.

[2]       Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben des § 83 Abs 1 ElWOG 2010 und des § 1 Abs 6 IME-VO (Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung) ab. Das Berufungsgericht ließ aber die ordentliche Revision zu, weil den Rechtsfragen im Hinblick auf die verordneten Roll-out-Vorgaben (§ 1 Abs 1 IME-VO) über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Die Revision der Klägerin, mit der sie die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe begehrt und in eventu Aufhebungsanträge stellt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[4]       1. Die bereits vom Berufungsgericht dargelegten, hier maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 83 ElWOG

§ 83. (1) Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie kann nach Durchführung einer Kosten/Nutzanalyse die Einführung intelligenter Messeinrichtungen festlegen. Dies hat nach Anhörung der Regulierungsbehörde und der Vertreter des Konsumentenschutzes durch Verordnung zu erfolgen. Die Netzbetreiber sind im Fall der Erlassung dieser Verordnung zu verpflichten, jene Endverbraucher, deren Verbrauch nicht über einen Lastprofilzähler gemessen wird, mit intelligenten Messgeräten auszustatten, … und die Endverbraucher zeitnah über den Einbau eines intelligenten Messgeräts sowie die damit verbundenen Rahmenbedingungen zu informieren. Im Rahmen der durch die Verordnung bestimmten Vorgaben für die Installation intelligenter Messgeräte hat der Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen. …“

[5]       § 7 ElWOG 2010

§ 7. (Grundsatzbestimmung) (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes bezeichnet der Ausdruck

...

31. „intelligentes Messgeräts“ eine „technische Einrichtung, die den tatsächlichen Energieverbrauch und Nutzungszeitraum zeitnah misst, und die über eine fernauslesbare, bidirektionale Datenübertragung verfügt“.

[6]            § 1 Abs 6 Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung (IME-VO, BGBl II 2012/138 idF BGBl II 2017/383):

„(6) Lehnt ein Endverbraucher die Messung mittels eines intelligenten Messgerätes ab, hat der Netzbetreiber diesem Wunsch zu entsprechen. Der Netzbetreiber hat in diesem Fall einzubauende oder bereits eingebaute intelligente Messgeräte derart zu konfigurieren, dass keine Monats-, Tages- und Viertelstundenwerte gespeichert und übertragen werden und die Abschaltfunktion sowie Leistungsbegrenzungsfunktion deaktiviert sind, wobei die jeweilige Konfiguration der Funktionen für den Endverbraucher am Messgerät ersichtlich sein muss. Eine Auslesung und Übertragung des für Abrechnungszwecke oder für Verbrauchsabgrenzungen notwendigen Zählerstandes und, soweit das Messgerät technisch dazu in der Lage ist, der höchsten einviertelstündlichen Durchschnittsbelastung (Leistung) innerhalb eines Kalenderjahres muss möglich sein. …“

[7]       2. Die Klägerin bestreitet auch in der Revision nicht, dass die von der Beklagten als Reaktion auf ihre Opt-out-Erklärung (Schreiben vom 16. 1. 2020) angekündigte Vorgangsweise, bestimmte („smarte“) Funktionen am erst einzubauenden neuen Messgerät zu deaktivieren, den Vorgaben des § 1 Abs 6 IME-VO entspricht, der insoweit das in § 83 Abs 1 ElWOG 2010 normierte Opt-out-Recht der Endverbraucher umsetzt.

[8]       Die Argumentation ihrer Revision geht aber dahin, dass es datenschutzrechtlich auch bei deaktivierter Funktion zu einer Speicherung im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten komme, müssten diese doch zumindest einmal jährlich ausgelesen und elektronisch an den Netzbetreiber übertragen werden. Fraglich könne dann nur mehr die Intensität des Eingriffs sein, sowie ob es sich um personenbezogene Daten handle. Da beides zu bejahen sei, bedürfe der Eingriff einer Rechtfertigung.

[9]       Allerdings hat schon der Verfassungsgerichtshof (Beschluss vom 30. 9. 2021, V178/2021-12) zu der dort behaupteten Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Datenschutz (§ 1 DSG) und im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK) ausgeführt, das Vorbringen lasse die behaupteten Rechtsverletzungen als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass der Antrag keine Aussicht auf Erfolg habe. „In der Opt-Out-Konfiguration gemäß § 1 Abs 6 IME-VO, in der ein (intelligentes) Messgerät nur die Funktion eines (digitalen) Standardstromzählers erfüllt, wird den berechtigten Interessen an einer Auslesung und Abgrenzung des jährlichen Stromverbrauchs im Hinblick auf die durch § 1 DSG bzw Art 8 EMRK geschützten (personenbezogenen) Daten der Antragstellerin in verhältnismäßiger Weise Rechnung getragen.“ Von einer Behandlung des Antrags wurde abgesehen.

[10]     Gründe dafür, die zu einer anderen Interessenabwägung führen könnten, liegen auch hier nicht vor. Auf die vorgelagerten Fragen der Klägerin, ob bei der genannten deaktivierten Funktion eines Smart-Meters überhaupt eine Datenspeicherung vorliege, kommt es danach nicht an.

[11]     3. Die Klägerin hegt auch Bedenken gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass das Eingriffsziel nach dem Tatbestandsmerkmal der „Unabdingbarkeit für die Aufrechterhaltung eines sicheren und effizienten Netzbetriebs“ in der Sicherung des wirtschaftlichen Wohls des Landes iSd Art 8 Abs 2 EMRK liege. Mit dem dafür ins Treffen geführten Vorbringen, dass die Einführung der neuen Messgeräte zufolge der Kritik des Rechnungshofs an einer anderen Netzgesellschaft wirtschaftlich nicht vorteilhaft gewesen und die Stromausfallszeit noch angestiegen sei (wobei noch nicht beurteilbar sei, ob es sich lediglich um Korrelation oder um Kausalität handle), ließe sich hier aber noch kein rechtswidriger Verstoß gegen Art 8 EMRK begründen.

[12]     4. Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zu einem Kontrahierungszwang der Beklagten einen sachlichen Grund für die Installation eines intelligenten Messgeräts am Standort der Klägerin vermisst, weil das Kontingent von 5 %, zu dem keine Ausrollung erfolgen müsse, nicht erschöpft sei, ist auf die Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 3 IME-VO zu verweisen (arg: „im Rahmen der technischen Machbarkeit, bis Ende 2022 mindestens 95 vH“).

[13]     5. Die Revision der Klägerin ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[14]     Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Textnummer

E134229

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00082.21F.0127.000

Im RIS seit

28.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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