TE Lvwg Erkenntnis 2022/2/9 LVwG-2021/37/1817-15

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Veröffentlicht am 09.02.2022
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Entscheidungsdatum

09.02.2022

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

EpidemieG 1950 §15
EpidemieG 1950 §40
COVID-19-NotmaßnahmenV 2020 §12
COVID-19-NotmaßnahmenV 2020 §15
VStG §5
VStG §19
VStG §44a
VStG §45
VwGVG 2014 §47
VwGVG 2014 §50
VwGVG 2014 §52

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch BB, Rechtsanwälte in **** Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z (= belangte Behörde) vom 02.06.2021, Zahl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Epidemiegesetz 1950, nach Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.       Der Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der
Bezirkshauptmannschaft Z vom 02.06.2021, Zl ***, wird Folge gegeben, Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Z vom 02.06.2021, Zl ***, aufgehoben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.       Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Z vom 02.06.2021, Zl ***, wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

2.1.     dass die Tatbeschreibung dieses Spruchpunktes wie folgt zu lauten hat:

„2.  Sie haben am 23.01.2021 als Teilnehmer der Veranstaltung ‚CC‘, in **** Z, Adresse 2, zwischen 15:35 Uhr und 16:00 Uhr nicht durchgehend eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung getragen, obwohl gemäß § 12 Abs 2 zweiter Satz der 2. COVID-19-NotMV, BGBl II Nr 598/2020, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 17/2021, in der Zeit vom 26.12.2020 bis einschließlich 24.01.2021 bei Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl Nr 98/1953, eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen war.“

2.2      dass es im Spruch 

bei der Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist
(§ 44a Z 2 VStG):

„2.  § 40 Abs 1 lit c EpiG, BGBl Nr 186/1950 idF BGBl I Nr 136/2020, in Verbind-ung mit § 12 Abs 2 zweiter Satz der 2. COVID-19-NotMV, BGBl II
Nr 598/2020, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 17/2021

und bei der Strafsanktionsnorm (§ 44a Z 3 VStG):

„2.  § 40 Abs 1 lit c EpiG, BGBl Nr 186/1950 idF BGBl I Nr 136/2020

zu lauten hat.

3.       Der Beitrag zu den Kosten des behördlichen Strafverfahrens wird mit Euro 30,00 neu festgesetzt.

4.       Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 60,00 zu leisten.

5.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B- VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Straferkenntnis vom 02.06.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Z AA, Adresse 1, **** Z, zur Last gelegt, am 23.01.2021 zwischen 15:35 Uhr bis 16:00 Uhr in **** Z, Adresse 2, 1. als Teilnehmer an einer näher bezeichneten Veranstaltung entgegen § 15 Abs 1 Z 2 und Abs 2 Z 1 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) in Verbindung mit (iVm) § 10 Abs 6 der COVID-19-Maßnahmenverordnung (COVID-19-MV) den Ein-Meter-Mindestabstand zu anderen Personen nicht eingehalten zu haben und 2. als Teilnehmer einer näher bezeichneten Veranstaltung entgegen § 15 Abs 1 Z 2 und Abs 2 Z 2 EpiG 1950 iVm § 10 Abs 7 der COVID-19-MV keine den Mund- und Nasenbereich abdeckende oder eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung getragen zu haben. Wegen dieser beiden Verwaltungsübertretungen wurde über den Beschuldigten gemäß § 40 EpiG jeweils eine Geldstrafe in Höhe von Euro 300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 139 Stunden) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis hat AA, vertreten durch BB, Rechtsanwälte in **** Y, mit Schriftsatz vom 01.07.2021 Beschwerde erhoben und beantragt, „der Beschwerde Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.“

Mit Schriftsatz vom 06.07.2021, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Z den Gegenstandsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 02.06.2021 dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.

Über Ersuchen des Landesverwaltungsgerichts Tirol hat die Bezirkshauptmannschaft Z die Anzeige der Versammlung in Z am 23.01.2021 „CC" vom 19.01.2021 und die dazu ergangene Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Z vom 20.01.2021 übermittelt.

Mit Schriftsatz vom 17.08.2021, Zl ***, hat das Landesverwaltungsgericht Tirol die Polizeiinspektion (PI) Z ersucht, jene Polizeibeamten/Polizeibeamtinnen namhaft zu machen, die die angezeigte Übertretung wahrgenommen haben. Darüber hinaus erging das Ersuchen, die Beweisbilder dem Landesverwaltungsgericht Tirol zu übermitteln. Zu diesem Ersuchen hat die PI Z mit Schriftsatz vom 17.08.2021, Zl ***, Stellung genommen und dieser Stellungnahme die Lichtbildbeilage vom 23.01.2021 und ein Informationsschreiben beigefügt.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat den Schriftsatz der PI Z mit Schreiben vom 18.08.2021, Zl ***, an den Beschwerdeführer mit der Möglichkeit der Stellungnahme weitgeleitet und zudem unter Hinweis auf das Beschwerdevorbringen ersucht, das am 23.01.2021 mitgeführte ärztliche Attest vorzulegen. Mit Schriftsatz vom 31.08.2021 hat sich der Beschwerdeführer zu den Ergebnissen des ergänzenden Ermittlungsverfahrens geäußert und das vom Arzt DD ausgestellte Attest vom 11.03.2021 vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 01.09.2021 hat der Beschwerdeführer das ärztliche Attest des Lungenfacharztes EE vom 20.08.2021 übermittelt.

Am 30.11.2021 hat die öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden und wurde diese am 12.01.2022 fortgesetzt. Der Beschwerdeführer hat dabei im Wesentlichen auf das bisherige schriftliche Vorbringen, insbesondere in der Beschwerde vom 28.07.2021 und in der Stellungnahme vom 31.08.2021, verwiesen.

Beweis wurde aufgenommen durch die Einvernahme des Beschwerdeführers als Partei, durch die Einvernahme der Zeugen FF – ergänzend zu seiner Aussage hat der Behördenvertreter während der mündlichen Verhandlung am 30.11.2021 sechs Lichtbilder übermittelt –, GG, JJ und KK sowie durch Einsichtnahme und Verlesung des Aktes der Bezirkshauptmannschaft Z und des Aktes des Landesverwaltungsgerichts Tirol, jeweils samt Beilagen.

Im Hinblick auf die Verhinderung des für die Verhandlung am 12.01.2022 geladenen Zeugen LL hat das Landesverwaltungsgericht Tirol dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einer abschließenden Stellungnahme, allenfalls unter Beifügung einer schriftlichen Äußerung des LL, eingeräumt. Der Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 31.01.2022 die eidesstattliche Erklärung des LL vom 15.01.2022 vorgelegt und sich zu den Verfahrensergebnissen abschließend geäußert.

II.      Beschwerdevorbringen:

Laut dem Vorbringen des Beschwerdeführers ist der Tatvorhalt schon deshalb offenkundig falsch, weil es faktisch nicht möglich sei, am 23.01.2021 gegen ein „in der Zeit vom 21.09.2020 bis 31.12.2020“ bzw gegen ein „in der Zeit vom 07.11.2020 bis 31.12.2020“ in Geltung gestandenes Gebot verstoßen zu haben. Der konkrete Tatvorhalt sei daher gänzlich unklar.

Der Beschwerdeführer betont, am 23.01.2021, in der Zeit von 15:35 Uhr bis 16:00 Uhr, nicht in **** Z, Adresse 2, gewesen zu sein, jedenfalls nicht über den gesamten, ihm vorgehaltenen Tatzeitraum. Ohne eine konkretere Angabe der Tatzeit sei es ihm unmöglich mitzuteilen, welche Personen sich in seiner unmittelbaren Umgebung befunden hätten. Er habe jedenfalls ausreichend Abstand gehalten und wären die Personen in seinem Umfeld allesamt Personen, „die im gemeinsamen Haushalt leben oder der gemeinsamen Besuchergruppe angehören“. Außerdem habe er eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und enganliegende mechanische Schutzvorrichtung – soweit erforderlich – getragen. Entgegen den Spruchpunkten des angefochtenen Straferkenntnisses habe es sich bei der Veranstaltung
„CC“ nicht um eine Veranstaltung mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen gehandelt.

Der Beschwerdeführer verweist zudem auf die Ausnahmebestimmung des § 15 Abs 3 Z 2 der 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (2. COVID-19-NotMV) und die dort umschriebenen Voraussetzungen, bei deren Vorliegen eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende mechanische Schutzvorrichtung nicht getragen werden müsse. Ein entsprechendes ärztliches Attest habe er bei sich gehabt, sei aber zu dessen Vorlage nie aufgefordert worden.

Der Beschwerdeführer behauptet zudem, die allenfalls anwendbaren Bestimmungen der
2. COVID-19-NotMV – deren Anwendung würde allerdings einen unzulässigen Tataustausch darstellen – seien gesetzwidrig. Sie seien durch § 15 EpiG nicht gedeckt.

Der Beschwerdeführer hält zudem fest, die verhängte Strafe wäre drastisch überhöht, es hätte mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden können.

In der Äußerung vom 31.08.2021 setzt sich der Beschwerdeführer mit der Stellungnahme der PI Z vom 17.08.2021 auseinander, die in weiten Teilen unrichtig und in sich selbst widersprüchlich sei. In der Stellungnahme werde etwa angeführt, dass er [= der Beschwerdeführer] nicht persönlich angesprochen worden sei. In einem solchen Fall könne er sich auch nicht „beharrlich“ einer Anweisung widersetzt haben. Darüber hinaus bringt der Beschwerdeführer vor, die von der PI Z vorgelegte Lichtbildbeilage würde den tatsächlichen Geschehensablauf nicht wiedergeben, und führt dies näher aus.

In der abschließenden Stellungnahme vom 31.01.2022 betont der Beschwerdeführer, den Mindestabstand an der Adresse 2 eingehalten zu haben. Sollte der Mindestabstand von einer Person nicht eingehalten worden sein, so sei dies nicht er [= der Beschwerdeführer], sondern (wenn überhaupt) der Zeuge LL gewesen. LL habe dadurch kein verwaltungsstrafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt, da der Zeuge davon ausgegangen sei, dass er [= der Beschwerdeführer] Atemprobleme gehabt hätte. Der Beschwerdeführer betont in der abschließenden Stellungnahme nochmals, auch eine Mund-Nasenschutzmaske getragen zu haben. Zudem sei ihm ärztlich attestiert worden, dass aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer FFP2-Maske nicht zumutbar sei. Am 23.01.2021 habe er auch ein solches Attest bei sich gehabt, sei jedoch nicht gefragt worden, ob ein Ausnahmetatbestand auf ihn zutreffe.

III.     Sachverhalt:

1.       Allgemeine Feststellungen zum Beschwerdeführer:

AA, geb am XX.XX.XXXX, wohnhaft Adresse 1, **** Z, übt den Beruf eines Busmechanikers aus. Sein monatliches Nettoeinkommen beträgt Euro 1.670,00. AA ist gegenüber zwei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig, die Unterhaltsleistung für beide Kinder beträgt insgesamt Euro 660,00 pro Monat.

Betreffend den Beschwerdeführer ist eine Vorstrafe nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) vorgemerkt.

Der Beschwerdeführer leidet an Asthma, im März 2021 wurde auch eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) diagnostiziert.

2.       Zur Veranstaltung „CC“:

Mit Schriftsatz vom 19.01.2021 hat MM, Adresse 3, **** X, die Versammlung „CC" mit anschließendem Spaziergang am 23.01. und 06.02.2021 in Z angemeldet. Diesem Schriftsatz war ein Anhang beigefügt, aus dem hervorgeht, wie die Veranstaltung in NN und den sozialen Medien beworben werde. Aus dem Anhang ergab sich auch die Route des Spazierganges (Treffpunkt: Adresse 4, Endpunkt: Adresse 2).

Die (nicht untersagte) Veranstaltung fand am 23.01.2021 statt. Eine Überwachung erfolgte durch den Behördenvertreter FF in Absprache mit den Einsatzkräften der Polizei (Bezirkspolizeikommando Z und Polizeiinspektion Z).

Die Veranstalter haben um 15.00 Uhr am Ausgangspunkt ? Adresse 4 (OO) ? die Teilnehmer über die Beschallungsanlage angesprochen und ihre Forderungen kundgemacht. Nach dieser Ansprache setzte sich der Demonstrationszug um 15.12 Uhr in Bewegung. Die Route der Teilnehmer führte über einen Abschnitt der Adresse 5 in der Adresse 4, von dort über den Hauptkreisverkehr (B***) bis zur Adresse 2 im W. Während des Marsches wurden über Lautsprecher die Forderungen der Versammlung verkündet. Um 15.35 Uhr trafen die Teilnehmer am Adresse 2 im W ein. Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten immer wieder auf die Maskenpflicht hingewiesen werden. Die Veranstalterin wurde mehrfach darauf hingewiesen, Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Maskenpflicht aufmerksam zu machen und sie zur Einhaltung aufzufordern. Dem wurde auch per Megafon/Lautsprecher nachgekommen. Den Teilnehmern wurde auch mitgeteilt, dass bei Nichteinhaltung Anzeigen erstattet oder Organstrafen verfügt würden.

Die Veranstalterin beendete offiziell die Versammlung um 16:00 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch ca 15 bis 20 Personen vor Ort. Nach der Verkündung des Endes verließen weitere Personen den Adresse 2, sodass sich um 16:15 Uhr nur noch ca zehn Personen vor Ort aufhielten.

3.       Zum Tatvorwurf:

AA hat am 23.01.2021 an der Veranstaltung „CC“ teilgenommen. Er war bereits um 14:40 Uhr am Ausgangsort – Adresse 4 in **** Z – und ging mit den weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Versammlung bis zur Adresse 2. Bis zum Erreichen der Adresse 2 trug der Beschwerdeführer eine FFP-2-Maske.

PP, eine nicht im Haushalt des Beschwerdeführers lebende Person, wohnhaft in **** Z, Adresse 6, nahm ebenfalls an der Veranstaltung am 23.01.2021 teil. Am Beginn der Veranstaltung ging LL neben dem Beschwerdeführer von der Adresse 4 Richtung Adresse 2 am W. Vor Erreichen des Adresse 2es verloren sich der Beschwerdeführer und LL aus den Augen.

An der Adresse 2 trat LL an den Beschwerdeführer heran, um sich zu erkundigen, ob er Hilfe benötigen würde, da er meinte, der Beschwerdeführer hätte Atemprobleme. Unmittelbar danach nahm der Beschwerdeführer ein ihm verschriebenes Medikament ein. Nach der Einnahme des Medikamentes trennten sich der Beschwerdeführer und LL.

Der Beschwerdeführer trug jedenfalls um 15:38 Uhr als Teilnehmer der Kundgebung am Adresse 2 in W **** Z keinen Mund-Nasenschutz. Das Nichttragen der Maske war zum angeführten Zeitpunkt nicht auf die Einnahme eines Medikamentes zurückzuführen.

Während der Veranstaltung wurde der Beschwerdeführer von keiner der Polizeikräfte auf ein etwaiges Fehlverhalten angesprochen und ermahnt oder über die Erstattung einer Anzeige informiert.

Ein vor dem 23.01.2021 ausgestelltes ärztliches Attest betreffend die Befreiung des Beschwerdeführers von der Maskenpflicht liegt nicht vor.

IV.      Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers in Kapitel 1. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses ergeben sich aus dessen Angaben. Ausdrücklich hat der Beschwerdeführer auf sein Asthmaleiden und die im März 2021 diagnostizierte chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) hingewiesen. Zudem konnte auf den Auszug aus dem Verwaltungsstrafregister – Bestandteil des behördlichen Aktes – zurückgegriffen werden.

Die Bezirkshauptmannschaft Z hat die Anzeige der Versammlung „CC“ vom 19.01.2021 und das von ihr an verschiedene Dienststellen gerichtete Schreiben vom 20.01.2021 übermittelt. GG hat in seiner Stellungnahme vom 17.08.2021 den Ablauf der Versammlung „CC“ und die Kontrollen detailliert geschildert. Zum Ablauf der Versammlung hat er sich zudem im Rahmen der mündlichen Verhandlung geäußert und das Anfertigen der Lichtbildbeilage vom 23.01.2021 erläutert. Den Ablauf der Kundgebung „CC“ hat auch der Behördenvertreter FF geschildert und seine Funktion bei dieser Veranstaltung näher erläutert. Ergänzend zu seiner Aussage hat der Behördenvertreter während der mündlichen Verhandlung am 30.11.2021 sechs Lichtbilder übermittelt, auf denen der Beschwerdeführer erkennbar ist. Das Datum und der Zeitpunkt der jeweiligen Aufnahme ergibt sich aus dem Dateinamen, unter dem die Lichtbilder abgespeichert sind. Der Beschwerdeführer hat sich zu den Fotos im Rahmen der Verhandlung geäußert.

Die Stellungnahme des DD vom 17.08.2021, dessen Aussage im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie die Aussagen des Behördenvertreters als auch die vom Behördenvertreter übermittelten Lichtbilder bilden die wesentliche Grundlage für die Feststellungen in Kapitel 2. des gegenständlichen Erkenntnisses.

Auf dem von der Polizeiinspektion Z zur Verfügung gestellten Lichtbild (vgl Stellungnahme vom 17.08.2021) sind der Beschwerdeführer und PP zu erkennen. Das Bild macht deutlich, dass der Abstand zwischen den beiden genannten Personen weniger als 1 m beträgt.

Allerdings hat PP schriftlich erklärt, dass die Unterschreitung des Mindestabstandes ausschließlich auf sein Verhalten zurückzuführen sei. Er sei überraschend an den Beschwerdeführer herangetreten, um ihn zu fragen, ob er medizinische Hilfe benötige. LL hat in seiner Erklärung auch bestätigt, dass der Beschwerdeführer an der Adresse 2 ein Medikament eingenommen hat.

Auf dem von der PI Z, aber auch auf dem vom Behördenvertreter zur Verfügung gestellten, um 15:38 Uhr des 23.01.2021 aufgenommenen Lichtbild 6 ist klar erkennbar, dass der Beschwerdeführer an der Adresse 2 keine Maske trägt. Die Einnahme eines Medikamentes durch den Beschwerdeführer ist allerdings auf keinem der Lichtbilder, insbesondere dem vom Behördenvertreter zur Verfügung gestellten Lichtbild 6, nicht ersichtlich. Dass der Beschwerdeführer ausschließlich zwecks Einnahme eines Medikaments die Maske abgenommen hat, lässt sich somit nicht feststellen. Die vorgelegten Lichtbilder machen deutlich, dass der Beschwerdeführer – unabhängig von einer Medikamenteneinnahme – an der Adresse 2 nicht durchgehend einen ausreichenden Mund-Nasenschutz getragen hat.

Der Beschwerdeführer selbst hat im Rahmen seiner Einvernahme eingeräumt, über jenes Attest, das er am 23.01.2021 bei sich gehabt hätte, nicht zu verfügen. Dass der Beschwerdeführer während der Veranstaltung von keiner der Polizeikräfte auf ein etwaiges Fehlverhalten angesprochen wurde, haben die einvernommenen Polizeibeamten nicht in Abrede gestellt.

Dementsprechend lauten die Feststellungen des Kapitels 3. der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.

V.       Rechtslage:

1.       Epidemiegesetz 1950:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG),
BGBl Nr 186/1950 in den Fassungen BGBl I Nr 136/2020 (§ 40) und BGBl I Nr 23/2021 (§ 15), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Maßnahmen gegen das Zusammenströmen größerer Menschenmengen.

§ 15. (1) Sofern und solange dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, sind Veranstaltungen, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen,

         1.       einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen,

         2.       an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen zu binden oder

         3.       auf bestimmte Personen- oder Berufsgruppen einzuschränken.

Erforderlichenfalls sind die Maßnahmen gemäß Z 1 bis 3 nebeneinander zu ergreifen. Reichen die in Z 1 bis 3 genannten Maßnahmen nicht aus, sind Veranstaltungen zu untersagen. […]“

(2) Voraussetzungen oder Auflagen gemäß Abs. 1 können je nach epidemiologischen Erfordernissen insbesondere sein:

         1.       Vorgaben zu Abstandsregeln,

         2.       Verpflichtungen zum Tragen einer mechanischen Mund-Nasen-Schutzvorrichtung,

[…]

(5) Die Bezirksverwaltungsbehörde kann die Einhaltung von Voraussetzungen und Auflagen ? auch durch Überprüfung vor Ort ? kontrollieren. Dazu sind die Organe der Bezirksverwaltungsbehörde und die von ihnen herangezogenen Sachverständigen berechtigt, Veranstaltungsorte zu betreten und zu besichtigen, sowie in alle Unterlagen, die mit der Einhaltung von Voraussetzungen und Auflagen nach diesem Bundesgesetz im Zusammenhang stehen, Einsicht zu nehmen und Beweismittel zu sichern. Der Veranstalter hat den Organen der Bezirksverwaltungsbehörde und den von diesen herangezogenen Sachverständigen das Betreten und die Besichtigung des Veranstaltungsortes zu ermöglichen, diesen die notwendigen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen.

[…]“

„Sonstige Übertretungen

§ 40. (1) Wer durch Handlungen oder Unterlassungen

         […]

         b)       den auf Grund der in den §§ 7, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 19, 20, 21, 22, 23 und 24 angeführten Bestimmungen erlassenen behördlichen Geboten oder Verboten oder

c)       den Geboten oder Verboten, die in den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen enthalten sind, zuwiderhandelt oder

[…]

macht sich, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen.

(2) Wer einen Veranstaltungsort gemäß § 15 entgegen den festgelegten Voraussetzungen oder Auflagen betritt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen.“

2.       2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen der 2. COVID-19-Notmaßnahmenverordnung (2. COVID-19-NotMV), BGBl II Nr 598/2020, zuletzt geändert durch BGBl II Nr 17/2021, lauten samt Überschriften wie folgt:

„Veranstaltungen

§ 12. (1) Das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen ist nur für folgende Veranstaltungen zulässig:

         […]

2.       Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr. 98/1953,

         […]

(2) Beim Betreten von Orten zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen gemäß Abs. 1
Z 1, 2 und 4 bis 9 ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten. Zusätzlich ist bei Veranstaltungen gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 4 bis 7 und 9 eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung zu tragen.

[…]“

„Ausnahmen

§ 15. […]

(3) Die Pflicht zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden und eng anliegenden mechanischen Schutzvorrichtung und die Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske), einer Corona SARS-CoV-2 Pandemie Atemschutzmaske (CPA) oder jeweils einer äquivalenten bzw. einem höheren Standard entsprechenden Maske gelten nicht

         […]

2.       für Personen, denen dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Diesfalls darf auch eine nicht eng anliegende, aber den Mund- und Nasenbereich vollständig abdeckende mechanische Schutzvorrichtung getragen werden. Eine vollständige Abdeckung liegt vor, wenn die nicht eng anliegende Schutzvorrichtung bis zu den Ohren und deutlich unter das Kinn reicht. Sofern den Personen auch dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, gilt die Pflicht zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht,

         […]

(4) Die Pflicht zur Einhaltung des Mindestabstandes nach dieser Verordnung gilt nicht

         […]

8.       zwischen Personen, die zeitweise gemeinsam in einem Haushalt leben und

         […]“

[Die 2. COVID-19-NotMV, BGBl II Nr 598/2020, ist am 26.12.2020 in Kraft getreten. Mit der ersten und zweiten Novelle zur 2. COVID-19-NotMV, BGBl II Nr 2/2021 und BGBl II Nr 17/2021, wurde die Geltung dieser Verordnung bis einschließlich 24.01.2021 verlängert.]

3.       Verwaltungsstrafgesetz 1991:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) in der Stammfassung BGBl Nr 52/1991 (§ 44a) sowie in den Fassungen BGBl I Nr 33/2013
(§§ 19 und 45) und BGBl I Nr 57/2018 (§ 5), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Schuld

§ 5. (1) Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder der Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungs-vorschrift kein Verschulden trifft.

(1a) Abs. 1 zweiter Satz gilt nicht, wenn die Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von über 50 000 Euro bedroht ist.

(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.“

„Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

[…]“

㤠44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

         1.       die als erwiesen angenommene Tat;

         2.       die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

         3.       die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

         4.       den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

         5.       im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.“

„§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.   die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.   die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.   die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.“

4.       Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 57/2018, lauten samt Überschriften auszugweise wie folgt:

„Schluss der Verhandlung

§ 47. (1) Das Verfahren ist möglichst in einer Verhandlung abzuschließen. Wenn sich die Vernehmung des der Verhandlung fern gebliebenen Beschuldigten oder die Aufnahme weiterer Beweise als notwendig erweist, dann ist die Verhandlung zu vertagen.

[…]

(4) Hierauf ist die Verhandlung zu schließen. Im Verfahren vor dem Senat zieht sich dieser zur Beratung und Abstimmung zurück. Der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung sind nach Möglichkeit sofort zu beschließen und zu verkünden.“

„Erkenntnisse

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

[…]“

„Kosten

§ 52. (1) In jedem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, ist auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

(2) Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen; bei Freiheitsstrafen ist zur Berechnung der Kosten ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro anzurechnen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichtes zu tragen hat.

[…]“

VI.      Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Das angefochtene Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter am 08.06.2021 zugestellt. Die Beschwerde ist am 02.07.2021 und damit innerhalb der vierwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Z eingelangt. Die Beschwerde wurde daher fristgerecht erhoben.

2.       In der Sache:

2.1.    Zur behaupteten Gesetzwidrigkeit:

Der Beschwerdeführer bringt unter Hinweis auf § 15 Abs 1 Z 2 EpiG vor, der Verordnungsgeber werde mit der zitierten Bestimmung lediglich ermächtigt, Veranstaltungen an bestimmte Voraussetzungen oder Auflagen zu binden. Eine Verordnungsermächtigung zur direkten Vorschreibung von (strafbewehrten) Maßnahmen an die einzelnen Teilnehmer von Veranstaltungen enthalte die zitierte Bestimmung nicht. Eine Bestrafung könne damit auf diese Bestimmung nicht gestützt werden.

Dazu hält das Landesverwaltungsgericht Tirol Folgendes fest:

Die in § 15 Abs 1 Z 1 bis 3 EpiG umschriebenen Maßnahmen für Veranstaltungen werden in
§ 15 Abs 2 Z 1 bis 6 EpiG näher konkretisiert. Gemäß § 15 Abs 2 EpiG können Voraussetzungen oder Auflagen gemäß § 15 Abs 1 EpiG je nach epidemiologischen Erfordernissen insbesondere Vorgaben zur Abstandsregel (Z 1) oder/und Verpflichtungen zum Tragen einer mechanischen Mund-Nasen-Schutzvorrichtung (Z 2) sein. Bei den in § 12 Abs 2 der 2. COVID-19-NotMV umschriebenen Maßnahmen handelt es sich um Voraussetzungen oder Auflagen im Sinne des § 15 Abs 2 Z 1 und 2 EpiG. § 12 Abs 2 der 2. COVID-19-NotMV ist daher nicht gesetzwidrig.

2.2.    Zum Günstigkeitsprinzip:

§ 1 Abs 1 VStG sieht vor, dass sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht richtet, es sei denn, dass das zur Zeit der Entscheidung geltende Recht in seiner Gesamtauswirkung für den Täter günstiger wäre. Dieses in der zitierten Bestimmung normierte „Günstigkeitsprinzip“ gilt allerdings nicht für „Zeitgesetze“. Dabei handelt es sich um Gesetze, die von vornherein nur für einen bestimmten Zeitraum gegolten haben und der Wegfall der Regelung somit nicht auf einem geänderten Unwerturteil des Normgebers basiert (vgl dazu etwa generell VwGH 22.07.2019, Ra 2019/02/0107).

Die 2. COVID-19-NotMV ist zwar mit Ablauf des 24.01.2021 außer Kraft getreten. Die nachfolgenden Regelungen ? 3. und 4. COVID-19-NotMV sowie die ab 08.02.2021 geltende
4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – enthielten für Veranstaltungen inhaltsgleiche Regelungen. Die 4. COVID-19-SchuMaVO ist zwar (endgültig) am 18.05.2021 außer Kraft getreten, das Außerkrafttreten ist aber auf die zu diesem Zeitpunkt deutlich verbesserte Gesamtsituation betreffend die Verbreitung des SARS-CoV-2 Virus im Bundesgebiet zurück-zuführen. Im Hinblick auf das dem Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt ? 23.01.2021 ? vorgeworfene Verhalten ist das Außerkrafttreten der 4. COVID-19-SchuMaVO mit Ablauf des 15./18.05.2021 unbeachtlich.

2.3.    Zu den Tatvorwürfen:

2.3.1.  Zum Mindestabstand:

An der Adresse 2 kam es zu einem Unterschreiten des vorgeschriebenen Mindestabstandes zwischen dem Beschwerdeführer und LL. Die Unterschreitung des Mindestabstandes ist aber auf das alleinige Verhalten des LL zurückzuführen, da dieser überraschend an den Beschwerdeführer herangetreten ist. Die in Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnissess dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ist dem Beschwerdeführer somit subjektiv nicht vorwerfbar.

2.3.2.  Zum verpflichtenden Mund-Nasenschutz:

Der Beschwerdeführer hat am 23.01.2021 an der Veranstaltung „CC“ ab deren Beginn bis jedenfalls 15:38 Uhr teilgenommen. Ab 15:35 Uhr war er als Teilnehmer der Kundgebung an der Adresse 2 in W. An der Adresse 2 trug der Beschwerdeführer zeitweise keinen Mund-Nasenschutz. Als Teilnehmer an der zulässigen Veranstaltung gemäß § 12 Abs 1 Z 2 der 2. COVID-19-NotMV war der Beschwerdeführer verpflichtet, durchgehend eine FFP2-Maske zu tragen.

Der Beschwerdeführer behauptete zwar, zum damaligen Zeitpunkt von der Maskenpflicht befreit zu sein. Ein entsprechendes ärztliches Attest für den Tag der Kundmachung
„CC“ konnte der Beschwerdeführer allerdings nicht vorlegen. Damit scheidet die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 15 Abs 3 Z 2 der 2. COVID-19-NotMV aus.

Der Beschwerdeführer hat somit objektiv die Rechtsvorschrift des § 12 Abs 2 zweiter Satz der 2. COVID-19-NotMV verletzt.

Die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist als „Ungehorsamsdelikt“ zu qualifizieren. Gemäß § 5 Abs 1 VStG tritt somit insofern eine Verlagerung der Behauptungslast ein, als die Behörde lediglich die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes zu beweisen hat, während es Sache des Täters ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Gemäß § 5 Abs 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Die Verbotsunkenntnis ist vorwerfbar, wenn sich der Täter trotz Veranlassung über den Inhalt der einschlägigen Norm nicht näher informiert hat. Es besteht also insoweit eine Erkundungspflicht.

Während der Veranstaltung „CC“ wurden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen auf die entsprechenden Vorschriften hingewiesen. Der Beschwerdeführer selbst hat bei seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgesagt, über die Verpflichtung zur Einhaltung des Mindestabstandes und zum Tragen einer Maske informiert gewesen zu sein. Der Beschwerdeführer hat mangelndes Verschulden geltend gemacht, als er die Maske lediglich zur Einnahme eines Medikamentes heruntergenommen habe. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat eine dementsprechende Feststellung auch getroffen, allerdings hat der Beschwerdeführer unabhängig von der Einnahme des Medikaments die Maske nicht getragen. Die Verletzung der Rechtsvorschrift des § 12 Abs 2 zweiter Satz der
2. COVID-19-NotMV hat der Beschwerdeführer somit auch subjektiv zu verantworten.

Der Beschwerdeführer hat folglich durch das beschriebene Verhalten eine Verwaltungsübertretung gemäß § 40 Abs 1 lit c EpiG iVm § 12 Abs 2 zweiter Satz der 2. COVID-19-NotMV begangen.

2.3.3.  Zur Strafbemessung:

Ausgehend von dem gemäß § 40 Abs 1 lit c EpiG zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu Euro 1.450,00 hat die belangte Behörde für die Verletzung der Maskenpflicht eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 300,00 und damit im Ausmaß von 20 % des vorgesehenen Strafrahmens verhängt. Mildernd konnte aufgrund einer Strafvormerkung nichts gewertet werden, erschwerend war ebenfalls nichts zu werten. Beim Verschulden ist jedenfalls von Fahrlässigkeit auszugehen.

In Anbetracht des Umstandes, dass bei einer Veranstaltung die Verletzung der Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske ein relevantes Infektionsrisiko darstellt, kommt eine Herabsetzung der verhängten Strafe nicht in Betracht. Dies gilt umso mehr, als während der Veranstaltung laufend auf die Maskenpflicht hingewiesen wurde. Die verhängte Strafe für die Verletzung der Maskenpflicht im Ausmaß von Euro 300,00 war daher schuld- und tatangemessen. Die von der Bezirkshauptmannschaft Z verhängte Ersatzfreiheitsstrafe entspricht den Vorgaben des § 16 iVm § 19 VStG.

Die Voraussetzungen für die Umwandlung der verhängten Geldstrafe in eine Ermahnung liegen nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung zu § 45 Abs 1 Z 4 VStG müssen die dort genannten Umstände ? geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden ? kumulativ vorliegen. Fehlt es an einer der in § 45 Abs 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, kommt auch keine Ermahnung nach § 45 Abs 1 letzter Satz VStG in Frage (vgl VwGH 14.09.2021, Ra 2018/06/0240, mit Hinweis auf VwGH 18.12.2019, Ra 2019/02/0180). Ausgehend vom Verschulden des Beschwerdeführers und dem hohen Unrechtsgehalt der Rechtsverletzung liegen die in § 45 Abs 1 Z 4 VStG normierten Voraussetzungen nicht vor.

4.     Ergebnis:

4.1.   Zum Erkenntnis:

Das Unterschreiten des Mindestabstandes ist ausschließlich auf das Verhalten eines anderen Kundgebungsteilnehmers zurückzuführen und daher dem Beschwerdeführer subjektiv nicht vorwerfbar. Der Beschwerdeführer hat somit keine Verwaltungsübertretung gemäß § 12 Abs 2 erster Satz der 2. COVID-19-NotMV iVm § 40 Abs 1 lit c EpiG begangen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses war daher Folge zu geben, der Spruchpunkt aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß
§ 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses.

Der Beschwerdeführer hat als Teilnehmer der Veranstaltung „CC“, und zwar konkret an der Adresse 2 und damit an der Adresse 2, **** Z, nicht durchgehend eine FFP2-Maske getragen. Durch dieses ihm auch subjektiv vorwerfbares Verhalten hat er die Rechtsvorschrift des § 12 Abs 2 zweiter Satz der 2. COVID-19-NotMV verletzt. Diese Rechtsverletzung bildet eine Verwaltungsübertretung nach § 40 Abs 1 lit c EpiG.

Der Beschwerdeführer weist in diesem Zusammenhang daraufhin, dass die Angabe der Tatzeit im angefochtenen Straferkenntnis – 23.01.2021, 15:35 Uhr bis 16:00 Uhr – entgegen
§ 44a Z 1 VStG nicht hinreichend konkretisiert sei. Eine mangelnde Konkretisierung nach
§ 44 a Z 1 VStG sei auch deswegen gegeben, weil die belangte Behörde beim formulierten Tatvorwurf von einer Veranstaltung mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen ausgegangen sei. Gerade das sei jedoch bei der Kundgebung „CC“ am 23.01.2021 nicht der Fall gewesen. Darüber hinaus werde ihm vorgehalten, am 23.01.2021 gegen ein „in der Zeit vom 21.09.2020 bis 31.12.2020“ sowie gegen ein „in der Zeit vom 07.11.2020 bis 31.12.2020“ geltendes Gebot verstoßen zu haben.

Gemäß § 44a VStG – der gemäß § 38 VwGVG auch für Entscheidungen der Verwaltungsgerichte gilt – ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, fehlerhafte Bescheidsprüche der Behörde zu ergänzen oder richtig zu stellen. Allerdings beschränkt sich eine derartige Berichtigung auf die Konkretisierung des Tatvorwurfs oder die rechtlich richtige Subsumtion des der Bestrafung zugrunde gelegten Verhaltens. Nach der herrschenden Rechtsprechung ist eine Präzisierung der rechtlichen Grundlagen der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und der angewendeten Strafnorm) zulässig, wenn es nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes kommt (VwGH 14.09.2020, Ra 2020/02/0032, mit weiteren Hinweisen; vgl auch VwGH 15.10.2021, Ra 2021/02/0158).]

Mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, als Teilnehmer der Veranstaltung „CC“ die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht befolgt zu haben. Dem angefochtenen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnis ist somit klar zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer als Teilnehmer einer näher bezeichneten Veranstaltung an einem genau bezeichneten Tatort während eines eingegrenzten Zeitraumes die Nichtbefolgung einer konkret umschriebenen Verpflichtung vorgehalten wird. Der Beschwerdeführer war jedenfalls in der Lage, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten. Es bestand auch nicht die Gefahr einer Doppelbestrafung. Daran ändert auch nichts, dass es sich bei der Veranstaltung, an der der Beschwerdeführer teilgenommen hat, um – entgegen den Angaben der belangten Behörde – keine solche mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen gehandelt hat.

Nach § 44 a Z 1 VStG hat die Umschreibung der Tat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte einerseits seine Verteidigungsrechte wahren und im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren (und gegebenenfalls in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und er andererseits nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird [Fister in Lewisch/Fister/Weilguni VStG2 § 44a Rz 2 mit weiteren Nachweisen (Stand 1.5.2017, rdb.at)].

Die Bezirkshauptmannschaft Z hat als Tatzeit eine genau definierte Zeitspanne am 23.01.2021 festgestellt. Zudem hat die Bezirkshauptmannschaft Z im angefochtenen Straferkenntnis klar zum Ausdruck gebracht, dass der Beschwerdeführer das ihm zur Last gelegte Verhalten als Teilnehmer der Veranstaltung „CC“ gesetzt hat. Unter Berücksichtigung der weiteren Beschreibung der Tat ? genau definierter Tatort, Umschreibung des Verhaltens des Beschwerdeführers als Teilnehmer einer genau bezeichneten Veranstaltung ? vermag das Landesverwaltungsgericht Tirol einen Verstoß gegen § 44a Z 1 VStG nicht zu erkennen. Die belangte Behörde hat die dem Beschwerdeführer in Spruch-
punkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegte Tat so umschrieben, dass dieser jedenfalls seine Verteidigungsrechte wahrnehmen konnte und der Gefahr einer Doppelbestrafung nicht ausgesetzt war. Der in Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses enthaltene Hinweis auf „Veranstaltungen mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen“ sowie den Geltungszeitraum „in der Zeit vom 21.09.2020 bis 31.12.2020“ sowie „in der Zeit vom 07.11.2020 bis 31.12.2020“ ist auf die zu Unrecht erfolgte Anwendung der bereits am 03.11.2020 außer Kraft getretene COVID-19-Maßnahmenverordnung, BGBl II 197/2020 zuletzt geändert durch BGBl II Nr 463/2020, insbesondere deren § 10 Abs 6 und 7, zurückzuführen.

Die Richtigstellung des Spruchpunktes 2. des angefochtenen Straferkenntnisses durch die Zitierung der korrekten Rechtsvorschriften, nämlich jene der 2. COVID-19-NotMV anstelle jene der COVID-19-MV, und durch Konkretisierung des Tatvorwurfs ist daher geboten.

Die Beschwerde des AA gegen Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Z vom 02.06.2021, Zahl ***, war folglich als unbegründet abzuweisen, allerdings war der Tatvorwurf als auch die verletzte Rechtsvorschrift zu berichtigen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses.

Aufgrund der Aufhebung des Spruchpunktes 1. des angefochtenen Straferkenntnisses waren die Kosten des behördlichen Verfahrens mit Euro 30,00 neu festzusetzen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 3. des gegen

Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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