TE Lvwg Beschluss 2022/3/11 LVwG-Q-50/001-2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2022
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Entscheidungsdatum

11.03.2022

Norm

EpidemieG 1950 §7a Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §31
AVG 1991 §9
ZustG §9

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch seinen Präsidenten MMag. Dr. Segalla als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch die Erziehungsberechtigte Frau B, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 07. März 2022, Zl. ***, betreffend Absonderung aufgrund des Verdachts Ihrer COVID-19-Erkrankung, den

BESCHLUSS

1.      Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 7. März 2022 wird wegen Fehlens eines tauglichen Anfechtungsobjekts zurückgewiesen.

2.      Der Antrag auf Ausstellung eines Genesungszertifikats wird gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten weitergeleitet.

3.      Der Antrag auf Kostenersatz wird abgewiesen.

4.      Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 9 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

§ 9 Zustellgesetz – ZustG

§ 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Begründung:

1.   Verfahrensgang und Feststellungen:

1.1. Mit Bescheid vom 7. März 2022, Zl ***, ordnete die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten die Absonderung des Beschwerdeführers, geboren am ***, vom 7. März 2022 bis längstens einschließlich 17. März 2022 wegen des Verdachts der Erkrankung mit COVID-19 an.

1.2. Dieser Bescheid wurde adressiert an „A z.Hd. der Erziehungsberechtigten“ und per E-Mail an die Adresse des Beschwerdeführers selbst, ***, zugestellt.

1.3. Mit E-Mail vom 9. März 2022 teilte die Mutter und Erziehungsberechtigte des Beschwerdeführers, B, der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten folgendes mit:

„Im Anhang sende ich Ihnen zur Information die Beschwerde zu Absonderungsbescheid und bitte ich Sie die aktuellen Änderungen an die Behörden weiterzumelden:

Absonderungsadresse von A ist: ***, ***.“

1.4. Mit Bescheid vom 9. März 2022 zur selben Zl *** ordnete die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten wiederum die Absonderung des Beschwerdeführers vom 7. März 2022 bis längstens einschließlich 17. März 2022 wegen des Verdachts der Erkrankung mit COVID-19 an, diesmal an der von der Mutter des Beschwerdeführers angegebenen Wohnanschrift. Der Bescheid enthält in seinem Spruch den Satz „Eine allfällig bereits bestehende Absonderung und Testverpflichtung wird durch diesen Bescheid ersetzt.“ Dieser Bescheid war wiederum an „A z.Hd. der Erziehungsberechtigten“ adressiert, wurde aber diesmal per E-Mail an die Adresse der Mutter des Beschwerdeführers, ***, zugestellt.

1.5. Mit E-Mail vom 9. März 2022 brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, Beschwerde gegen den Bescheid vom 7. März 2022 ein und führte dazu aus:

- Der Bescheid sei nur dem 16jährigen Beschwerdeführer selbst per Mail und nicht an die Erziehungsberechtigten zugestellt worden und es liege ein Zustellmangel vor.

- Die Absonderungsadresse sei zu korrigieren, da zwischen der Mutter und dem Vater des Beschwerdeführers geteiltes Sorgerecht vorliege und der Sohn je eine Woche beim Vater und bei der Mutter verbringe.

- Die Durchführung der PCR-Testung am 8. März 2022 sei aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheids nicht möglich gewesen.

Beantragt werde:

-    Berichtigung des Zustellmangels;

-    Berichtigung der Absonderungsadresse;

-    Ausstellung eines Genesungszertifikats;

-    Kostenzuspruch.

2.   Beweiswürdigung

2.1. Die Feststellungen gründen sich auf den vorgelegten Verfahrensakt. Dass sich die Beschwerde gegen den Bescheid vom 7. März 2022, und nicht gegen jenen vom 9. März 2022 richtet, ergibt sich aus dem Wortlaut der Beschwerde und dem Umstand, dass dieser der Bescheid vom 7. März 2022 beigelegt wurde.

2.2 Die Umstände der Zustellung der beiden Bescheide ergeben sich aus den von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vorgelegten Zustellnachweisen.

3.   Erwägungen:

3.1. Vorweg ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer minderjährig ist. Ein Absonderungsbescheid wäre daher nicht ihm persönlich, sondern seinem gesetzlichen Vertreter zuzustellen.

3.2. Adressiert waren beide Bescheide – jener vom 7. März und jener vom 9. März 2022 – an „A z.Hd. der Erziehungsberechtigten“. Die nicht-namentliche Nennung eines erziehungsberechtigten Elternteils ist an sich für die wirksame Zustellung nicht ausreichend. In Bezug auf den Bescheid vom 9. März 2022 ist jedoch durch die verfügte und tatsächlich erfolgte Zustellung an die Mutter des Beschwerdeführers, B, gem. § 7 Zustellgesetz die Heilung des Zustellmangels eingetreten (vgl LVwG NÖ vom 07.05.2021, LVwG-Q-4/001-2021).

3.3. Mit dem Bescheid vom 9. März 2022 wurde der Bescheid vom 7. März 2022 (arg: „Eine allfällig bereits bestehende Absonderung und Testverpflichtung wird durch diesen Bescheid ersetzt.“) – unausgesprochen offenkundig auf Grundlage von § 68 Abs. 2 AVG – ex nunc aufgehoben. Die spezifische Konstellation des § 7a EpiG bringt es jedoch mit sich, dass Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens auch die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides sein kann, der nicht mehr in rechtlicher Geltung steht (arg. § 7a Abs. 5 EpiG: „Sofern die Absonderung noch andauert“). Aus diesem Grund allein kann daher keine Zurückweisung der Beschwerde erfolgen.

3.4. Allerdings war die Zustellung des Bescheids vom 7. März 2022 tatsächlich, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, fehlerhaft. Dieser Bescheid wurde, wie dargestellt, an den Beschwerdeführer selbst ohne namentliche Nennung des Erziehungsberechtigten adressiert. Die Zustellung wurde im Übrigen an die E-Mail-Adresse des minderjährigen Beschwerdeführers verfügt und auch (nur) an diesen durchgeführt. Diese Zustellung an den Beschwerdeführer selbst und nicht an dessen gesetzlichen Vertreter konnte daher für sich keine Rechtswirkungen erzeugen. Da aber ein gesetzlicher Vertreter weder in der Adressierung des Bescheids noch in der Zustellverfügung genannt wurde und an einen Erziehungsberechtigten tatsächlich auch nicht zugestellt wurde, kam eine Heilung des Zustellmangels schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht hervorgeht, welche namentlich bestimmte Person als gesetzliche Vertreterin Empfängerin des Bescheides hätte sein sollen (vgl VwGH, 28.07.2010, 2009/02/0270).

3.5. Eine wirksame Zustellung des Bescheids vom 7. März 2022 an den Beschwerdeführer hat daher nicht stattgefunden und ist dieser Bescheid – beim Absonderungsverfahren durch die Behörde handelt es sich um ein Einpersonenverfahren – rechtlich nicht in Existenz getreten.

3.6. Gegen einen Nicht-Bescheid kann Beschwerde nicht erhoben werden; es ist daher mit Zurückweisung vorzugehen. Mangels wirksamer Beschwerde kommen auch keine Berichtigung des Zustellmangels und der Absonderungsadresse in Betracht.

3.7. Der Antrag auf Ausstellung eines Genesungszertifikats ist an die belangte Behörde weiterzuleiten, weil jedenfalls keine Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vorliegt. Sachnächste Behörde – ohne damit darüber abzusprechen, ob überhaupt ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines solchen Zertifikats besteht – ist die zuständige Gesundheitsbehörde.

3.8. Der Beschwerdeführer hat den Zuspruch von Kosten beantragt. Gemäß § 7a Abs. 3 EpiG iVm § 35 Abs. 2 VwGVG wäre der Beschwerdeführer nur dann obsiegende Partei, wenn der Beschwerde stattgegeben würde; daher kann der beantragte Kostenzuspruch nicht erfolgen. Da die belangte Behörde keinen Kostenantrag gestellt hat, sind im Ergebnis keiner Partei Kosten zuzusprechen.

4.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Gesundheitsrecht; COVID-19; Absonderung; Genesungszertifikat; Verfahrensrecht; Minderjähriger; Zustellung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.Q.50.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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