TE Vwgh Erkenntnis 1996/7/11 94/18/1151

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Veröffentlicht am 11.07.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs1;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
MRK Art8;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. M. Fellner, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. November 1994, Zl. 102.783/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines ägyptischen Staatsbürgers, vom 20. Juli 1993 auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit fünf anderen Personen in einer Wohnung mit einer Nutzfläche von 40 m2 lebe. Ausgehend von einem grundsätzlichen Mindestbedarf von 10 m2 Nutzfläche pro Person könne im Hinblick auf eine derartige Beengtheit eine für Inländer ortsübliche Unterkunft jedenfalls nicht vorliegen. Auch das Einkommen des Beschwerdeführers könne im Hinblick auf die anfallenden Lebenshaltungskosten für seine Familie nicht als gesichert angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sie sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde zu Unrecht angenommen habe, daß er über keine ortsübliche Unterkunft verfüge. Er lebe mit seiner Familie bestehend aus Frau und zwei Kindern in einer Wohnung von 40 m2; es liege kein Überbelag vor. Eine ortsübliche Unterkunft sei gegeben. Die Feststellungen der belangten Behörde seien nicht nachvollziehbar.

Die belangte Behörde habe keine Begründung dafür gegeben, weshalb sein Einkommen als Kolporteur nicht geeignet sei, seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Die belangte Behörde habe auch nicht darauf Bedacht genommen, daß sich der Beschwerdeführer seit 17 Jahren in Österreich ununterbrochen aufhalte und die Verleihung der Staatsbürgerschaft beantragt habe. Die Versagung der Bewilligung greife "vehement" in seine persönlichen Lebensumstände ein, worauf die belangte Behörde keine Rücksicht genommen habe.

Die Beschwerde ist berechtigt. Die belangte Behörde hat nämlich auf nachprüfbare Weise weder im Hinblick auf das Kriterium der ortsüblichen Unterkunft gemäß § 5 Abs. 1 AufG festgestellt, mit wievielen Personen der Beschwerdeführer im gemeinsamen Haushalt lebt, noch dargetan, für wieviele Personen der Beschwerdeführer sorgepflichtig und wie hoch das Familieneinkommen ist. Soweit die belangte Behörde von einem "grundsätzlichen Mindestbedarf von 10 m2 Nutzfläche pro Person" für das Vorliegen einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft ausging, kann der Begründung des angefochtenen Bescheides auch nicht entnommen werden, welche Erwägungen dieser Auslegung des Begriffes "ortsübliche Unterkunft" zugrundeliegen. Hiebei handelt es sich keineswegs um eine offenkundige Tatsache, weshalb das Fehlen der Bekanntgabe der dafür maßgebenden Erwägungen die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 94/18/0979).

Im Hinblick auf den - schon in der Berufung vorgebrachten - jahrzehntelangen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet wäre die belangte Behörde bei Anwendung der im § 5 Abs. 1 AufG besonders hervorgehobenen Versagungstatbestände auch verhalten gewesen, die Notwendigkeit der Versagung der Bewilligung aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen zu prüfen und dabei auch auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 95/18/0936). Diese - im vorliegenden Fall gebotene - Interessenabwägung hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage unterlassen.

Der angefochtene Bescheid leidet damit sowohl unter Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, als auch unter inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der Aufhebungstatbestand des § 42 Abs. 2 Z. 1 geht jenem des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG vor, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994181151.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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