TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/23 Ra 2020/17/0024

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Veröffentlicht am 23.02.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §3
GSpG 1989 §4
GSpG 1989 §50 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z5
VStG §19
VStG §24
VStG §32 Abs1
VStG §32 Abs2
VStG §33 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §42

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/17/0076

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J F in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg jeweils vom 4. Februar 2020, 1. 405-10/756/1/5-2020 (Ra 2020/17/0024), und 2. 405-10/757/1/5-2020 (Ra 2020/17/0076), jeweils betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das zweitangefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruches über die verhängte Strafe, die Kosten des behördlichen Strafverfahrens und die Kosten des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis vom 26. August 2019 erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber der siebzehnfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG schuldig. Sie verhängte über ihn siebzehn Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 4.000,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) und schrieb ihm einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor. Der Revisionswerber habe am 17. Mai 2018 als Gewerbeinhaber und Betreiber des Lokals C.P. in S mit dreizehn näher bezeichneten Glücksspielautomaten, einem Beobachtungsroulette und drei Pokertischen verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht.

2        Mit einem weiteren Straferkenntnis vom 26. August 2019 erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber als Gewerbeinhaber und Betreiber des Lokals C.P. in S der Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG schuldig, weil er bei der Kontrolle am 17. Mai 2018 trotz Aufforderung keinen Einblick in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die aufzulegenden Spielbeschreibungen gewährt habe. Sie verhängte über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.000,-- (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) und schrieb ihm einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor.

3        Das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) wies mit Spruchpunkt I. des erstangefochtenen Erkenntnisses die vom Revisionswerber gegen das erstgenannte Straferkenntnis erhobene Beschwerde unter Modifikation des Spruches ab. In Spruchpunkt II. schrieb es dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor. Das LVwG sprach in Spruchpunkt III. aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das LVwG wies mit Spruchpunkt I. des zweitangefochtenen Erkenntnisses die vom Revisionswerber gegen das zweitgenannte Straferkenntnis erhobene Beschwerde unter Modifikation des Spruches ab. In Spruchpunkt II. schrieb es dem Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor. Das LVwG sprach in Spruchpunkt III. aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Die vorliegende Revision richtet sich sowohl gegen das erst- als auch gegen das zweitangefochtene Erkenntnis. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

6        Mit Beschluss vom 27. April 2020, Ra 2020/17/0013, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV im Zusammenhang mit dem - auch im vorliegenden Revisionsfall in Bezug auf das erstangefochtene Erkenntnis anzuwendenden - § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG stehende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

7        In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. Dezember 2020 das das erstangefochtene Erkenntnis betreffende Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH über die ihm vorgelegten Fragen ausgesetzt.

8        Der EuGH hat mit Urteil vom 14. Oktober 2021, MT, C-231/20, über die ihm vorgelegten Fragen entschieden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof nur im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Die angefochtene Entscheidung steht daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

13       Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff, und VfGH 12.6.2018, E 885/2018).

14       Anders, als der Revisionswerber vermeint, kann sich das GSpG selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre - etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung - nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0459, 0460, sowie 16.11.2018, Ra 2017/17/0947, 0948). Dass das LVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, wird mit dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt.

15       Wenn zur Zulässigkeit der Revision weiters vorgebracht wird, das LVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Beweisanträgen abgewichen und habe keine Feststellungen zur Beurteilung der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG getroffen, ist dem entgegenzuhalten, dass das LVwG diesbezügliche Feststellungen getroffen hat. Überdies ist die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht ersichtlich.

16       Mit dem Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic u.a., C-64/18 u.a., wird ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Der EuGH hat mit Urteil vom 14. Oktober 2021, MT, C-231/20, ausgesprochen, dass die Rechtsgrundlagen für die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG, für die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen wegen Übertretungen des § 52 GSpG gemäß § 16 VStG und für die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 VStG grundsätzlich mit dem Unionsrecht (insbesondere Art. 56 AEUV und Art 49 Abs. 3 GRC) vereinbar sind (vgl. dazu näher VwGH 10.12.2021, Ra 2020/17/0013). Dass im Revisionsfall Umstände vorgelegen wären, die zu einer anderen Beurteilung führen müssten, wird in der Revision nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich.

17       In Bezug auf das zweitangefochtene Erkenntnis ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass eine Kontrolle nach § 50 Abs. 4 GSpG grundsätzlich der Überwachung der Bestimmungen des GSpG und nicht nur ausschließlich der Überwachung der Einhaltung des in den §§ 3 und 4 GSpG normierten Glücksspielmonopols dient. Sinn und Zweck einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG ist es, einen Sachverhalt festzustellen, der die Beurteilung ermöglicht, ob die Bestimmungen des GSpG und nicht nur jene das Glücksspielmonopol des Bundes betreffenden Bestimmungen eingehalten werden. Eine Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols des Bundes und eine etwa daraus folgende Unanwendbarkeit der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen des GSpG, insbesondere der sich darauf beziehenden Strafbestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG, würden daher nicht zwangsläufig die Rechtswidrigkeit einer Kontrolle gemäß § 50 Abs. 4 GSpG und ein unionsrechtlich begründetes Anwendungsverbot des § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG bewirken. Fragen der Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des GSpG stellen sich daher in einem Verfahren betreffend die Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 5 iVm § 50 Abs. 4 GSpG nicht, weshalb ein Abweichen des LVwG von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Beurteilung der Unionsrechtskonformität in einem solchen Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen vermag (vgl. dazu VwGH 19.3.2018, Ra 2017/17/0871, mwN).

Zur Bestrafung wegen Übertretungen des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG (Ra 2020/17/0024)

18       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das erstangefochtene Erkenntnis habe keine Feststellungen dahingehend getroffen, dass den (bei den Pokertischen verwendeten) Jetons ein Vermögenswert zugekommen wäre. Aus den vom LVwG getroffenen Feststellungen, wonach die Spieler an den Kartentischen eine Gebühr von 10 EUR (je Spieler) als Tischmiete bzw. für die Bereitstellung eines Kartengebers zu zahlen hätten, erschließe sich „eindeutig“, dass die Spieljetons den Spielern unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden seien. Auch aus den Aussagen der vom LVwG vernommenen Personen ergebe sich nicht, dass Spieler Jetons gegen Entgelt erworben hätten bzw. dass bei Pokerspielen den Spieljetons ein Vermögenswert beigemessen worden wäre. Es seien keine Pokerspiele mit vermögenswerten Einsätzen in Form von Spieljetons veranstaltet worden. Anderes ergebe sich auch nicht aus den Aussagen der Organe der Finanzpolizei, des Spielleiters bzw. des Revisionswerbers.

19       Ob das VwG in jeder Hinsicht seiner Begründungs- und Ermittlungspflicht gerecht wurde, berührt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG. Die Frage, ob ein Verwaltungsgericht seiner Begründungspflicht in Ansehung der Tatfrage genügt, stellt eine einzelfallbezogene Frage des Verfahrensrechtes dar, welcher nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen kann, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stehen (vgl. VwGH 23.7.2019, Ra 2018/17/0160, mwN). Dass bei der Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts durch das LVwG solche tragenden Grundsätze des Verfahrensrechts verletzt worden wären, wurde in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt.

20       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit überdies vor, es sei im Straferkenntnis die als erwiesen angenommene Tat nicht ausreichend bezeichnet worden. Es sei dem Revisionswerber dadurch nicht möglich gewesen, dem Tatvorwurf in begründeter Weise entgegenzutreten.

21       Das unternehmerisch Zugänglichmachen einer verbotenen Ausspielung iSd dritten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht eine Person, die etwa ein Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und damit Spielern die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen ermöglicht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirt die Aufstellung eines solchen Glücksspielgerätes durch einen Dritten duldet, weil er dafür eine Miete erhält oder sich zumindest durch das Vorhandensein dieses Gerätes in seinem Lokal eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0474, 0475, mwN).

22       Dem Revisionswerber wurde im Straferkenntnis - zusammengefasst - vorgeworfen, er habe den Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG erfüllt, indem er als Gewerbeinhaber und Betreiber des Lokals C.P. in S zu verantworten habe, dass in diesem Lokal am 17. Mai 2018 näher beschriebene „zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen“ mit näher präzisierten Glücksspielgeräten unternehmerisch zugänglich gemacht worden seien.

23       Damit wurden sämtliche für die Erfüllung des Tatbestandes des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG erforderlichen Tathandlungen bereits im Straferkenntnis angeführt. Dieser Tatvorwurf wurde vom LVwG in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses genauer gefasst. Durch diese Präzisierung wurde aber kein anderer Sachverhalt herangezogen, als dem Straferkenntnis zugrunde lag. Das LVwG vertrat im angefochtenen Erkenntnis die Auffassung, dass es lebensfremd wäre, stellte ein Unternehmer in einem Teil seines Betriebes Glücksspielgeräte auf, ohne damit die Absicht zu verknüpfen, Einnahmen aus deren Betrieb zu erzielen, womit die Unternehmereigenschaft und die Nachhaltigkeit gegeben wären. Dem tritt die Revision nicht entgegen. Das LVwG durfte angesichts der vorliegenden Sachverhaltskonstellation davon ausgehen, dass es dem Revisionswerber zumindest um die Belebung seiner eigenen Umsätze ging und er unternehmerisch tätig wurde. Der im Hinblick auf die Verfolgungsverjährung erstattete Einwand der Revision, die belangte Behörde habe dem Revisionswerber nicht vorgehalten, worin sein unternehmerisch Zugänglichmachen bestanden hätte, geht schon deshalb fehl, weil die belangte Behörde diesem das Zugänglichmachen ausdrücklich als Gewerbeinhaber des Lokals C.P. vorgeworfen hat, womit auch der Vorwurf verbunden war, dass er als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG tätig geworden ist. Dass der Revisionswerber dadurch in seinen Verteidigungsrechten gehindert gewesen oder der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre, wird im Übrigen nicht nachvollziehbar aufgezeigt.

24       Die Revision rügt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen weiters, der Spruch des Straferkenntnisses lasse hinsichtlich der dort angeführten Tatzeit verschiedene Deutungen zu. Im Spruch des Straferkenntnisses werde zwar als „Zeit der Begehung: 17.05.2018, 20:20 Uhr“ angeführt, bei den einzelnen Geräten werde aber festgestellt, dass diese „zumindest seit 01.08.2017“ (Geräte 1-13), „zumindest seit 01.05.2017“ (Gerät 14) bzw. „zumindest seit 01.09.2014“ (Pokertische) aufgestellt gewesen seien.

25       Nach der ständigen hg. Rechtsprechung stellen Bescheidauslegungen in aller Regel einzelfallbezogene Rechtsfragen dar, die nicht revisibel sind. Für die Deutung eines auslegungsbedürftigen Begriffs in einem Bescheidspruch ist neben dem Wortsinn der jeweilige Bescheid als Ganzes, wie etwa der Kontext mit dem übrigen konkreten Spruchinhalt und der Bescheidbegründung, wesentlich. Die Auslegung eines Bescheidspruchs hängt somit jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. VwGH 21.10.2021, Ra 2021/07/0087, mwN).

26       Die Revision zeigt mit diesem Vorbringen nicht auf, dass eine über den vorliegenden Revisionsfall hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorläge. Im Übrigen vermag auch der Umstand, dass nach den Feststellungen der belangten Behörde die in Rede stehenden Eingriffsgegenstände zum Teil schon lange vor dem ausdrücklich als „Zeit der Begehung“ bezeichneten Tatzeitpunkt 17. Mai 2017, 20:20 Uhr, „aufgestellt“ gewesen sind, keinen Zweifel daran zu erwecken, dass dem Revisionswerber lediglich das Zugänglichmachen der verbotenen Ausspielungen im oben genannten Zeitpunkt (der Kontrolle) zum Vorwurf gemacht wurde. Dass der Spruch diesbezüglich mehrdeutig wäre, ist ebensowenig ersichtlich wie ein behaupteter Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des Straferkenntnisses bzw. des angefochtenen Erkenntnisses. Im Zulässigkeitsvorbringen der Revision wird nicht aufgezeigt, dass der Spruch nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG genüge.

27       In der Revision werden somit in Bezug auf das erstangefochtene Erkennntnis keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in dieser Hinsicht zurückzuweisen.

Zur Bestrafung wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs. 4 iVm § 52 Abs. 1 Z 5 GSpG (Ra 2020/17/0076)

28       Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu überprüfen (vgl. z.B. VwGH 23.7.2020, Ra 2020/17/0051, mwN).

29       Gemäß § 50 Abs. 4 GSpG sind die Behörden gemäß § 50 Abs. 1 GSpG (die Bezirksverwaltungsbehörden bzw. die Landespolizeidirektionen) und die in § 50 Abs. 2 und 3 GSpG genannten Organe (insbesondere die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Abgabenbehörden) zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist. Veranstalter und Inhaber sowie Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs. 1 GSpG, dem Amtssachverständigen und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele unter Bereitstellung von Geld oder Spieleinsätzen zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen, in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die nach dem GSpG aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren sowie dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person diesen Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.

30       Zur Auslegung des Inhaltes dieser Bestimmung ist ihr Sinn und Zweck heranzuziehen. Mit den in § 50 Abs. 4 GSpG enthaltenen Duldungs- und Mitwirkungspflichten wollte der Gesetzgeber dem Versuch der Glücksspielanbieter begegnen, durch mangelnde Kooperation die Behörden an der Erlangung hinreichender Verdachtsmomente zu hindern und so bereits im Ansatz die Einleitung von Strafverfahren zu vereiteln. Nicht nur, dass den Kontrollorganen Testspiele unentgeltlich ermöglicht werden sollten, es sollten sich die Verpflichteten auch nicht durch mangelnde Vorkehrungen ihrer Mitwirkungspflicht entziehen können. Ohne diese Pflichten wäre es den Behörden nicht oder nur mit unangemessen hohem Aufwand möglich, Verstöße gegen das GSpG festzustellen und entsprechend zu ahnden. Bereits aus § 50 Abs. 4 GSpG ergibt sich daher, dass der Gesetzgeber möglichst umfassende Mitwirkungspflichten vorsehen wollte (vgl. VwGH VwGH 3.9.2019, Ra 2018/15/0120, mwN).

31       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der Revisionswerber sei eine halbe Stunde nach Beginn der Kontrolle aufgefordert worden, Einblick in die Gerätebuchhaltung zu gewähren. Zu diesem Zeitpunkt seien ihm aber bereits Garantien nach Art. 6 EMRK zugekommen, sich nicht selbst als Beschuldigter belasten zu müssen, was auch § 33 Abs. 3 VStG widerspräche.

32       Nach dem von der Revision ausgesprochenen § 33 Abs. 3 VStG (in der im Zeitpunkt der Kontrolle geltenden Fassung) durfte eine Mutwillensstrafe gegen den Beschuldigten nicht verhängt werden.

33       Beschuldigter ist nach § 32 Abs. 1 VStG die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.

34       Verfolgungshandlung ist nach § 32 Abs. 2 VStG (idF BGBl. I Nr. 33/2013) jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

35       Der bloße Umstand, dass - nach dem Revisionsvorbringen - an den Revisionswerber eine halbe Stunde nach Beginn der Kontrolle die Aufforderung, Einblick in die Gerätebuchhaltung zu gewähren, erging, vermag noch nicht zu bewirken, dass diese Aufforderung als Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG anzusehen wäre.

36       Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei einer Kontrolle zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG (noch) keine Situation vor, in der ein Aussageverweigerungsrecht im Falle der Selbstbezichtigung überhaupt zum Tragen kommt (vgl. wieder VwGH 3.9.2019, Ra 2018/15/0120, mwN). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Revision ins Treffen geführten hg. Beschluss vom 24. Februar 2014, 2013/17/0834. Dass das zweitangefochtene Erkenntnis von dieser Rechtsprechung abweichen würde, legen die Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision nicht dar und ist auch nicht ersichtlich.

37       Im Zulässigkeitsvorbringen rügt die Revision weiters, die dem Revisionswerber vorgeworfene Tathandlung sei weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch im Straferkenntnis hinreichend konkretisiert worden. Die Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hätte daher wegen des Eintritts der Verjährung nach § 31 Abs. 1 VStG nicht erfolgen dürfen.

38       In der Aufforderung zur Rechtfertigung wie auch im Straferkenntnis wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, „keinen Einblick in die Aufzeichnungen der Glücksspieleinrichtungen und in die aufzulegenden Spielbeschreibungen gewährt“ zu haben. Damit bezieht sich der Vorwurf auf die verweigerte Einsichtnahme in sämtliche Aufzeichnungen über die vorgefundenen Eingriffsgegenstände, mögen diese automatisiert durch die Geräte selbst oder durch im Lokal anwesende Personen geführt worden sein. In diesem Zusammenhang, aber auch hinsichtlich der aufzulegenden Spielbeschreibungen vermochte die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen keine Zweifel über den Umfang des erstinstanzlichen Vorwurfs zu erwecken. Vom Eintritt einer Verfolgungsverjährung ist somit nicht auszugehen.

39       Das zweitangefochtene Erkenntnis hat diesen umfassenden Vorwurf durch jenen, „trotz Aufforderung durch ein Organ der Finanzpolizei keinen Einblick in die Gerätebuchhaltung“ gewährt zu haben, ersetzt. Nach Auffassung der Revision ist unklar, worauf sich dieser Vorwurf konkret beziehe. Es sei wenig nachvollziehbar, wie in eine Gerätebuchhaltung der Eingriffsgegenstände Pokertische Einsicht hätte gewährt werden können.

40       Aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides und nach der zur Deutung des Spruches zulässigen Heranziehung der Begründung des zweitangefochtenen Erkenntnisses ergibt sich aber mit hinreichender Deutlichkeit, dass sich der Tatvorwurf nunmehr lediglich auf die verweigerte Gewährung der Einsichtnahme in die Gerätebuchhaltung der Glücksspielgeräte FA Nr. 1 bis 14 bezieht, nicht hingegen auf Aufzeichnungen zu anderen Eingriffsgegenständen und auch nicht auf die nach dem GSpG aufzulegenden Spielbeschreibungen. Mit seiner Modifikation des Spruchs des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hat das LVwG den Tatvorwurf unter Beibehaltung der verhängten Strafe eingeschränkt.

41       Die Revision bringt in diesem Zusammenhang vor, das LVwG hätte aufgrund dieser Einschränkung auch die Strafe herabsetzen oder Gründe für die Beibehaltung des Strafausmaßes anführen müssen. Damit erweist sich die Revision als zulässig und auch als begründet.

42       Das Verbot der „reformatio in peius“ („Verschlimmerungsverbot“), geregelt in § 42 VwGVG, normiert, dass auf Grund einer vom Beschuldigten oder auf Grund einer zu seinen Gunsten erhobenen Beschwerde in einem Erkenntnis oder in einer Beschwerdevorentscheidung keine höhere Strafe verhängt werden darf als im angefochtenen Bescheid. Der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius verlangt die Herabsetzung der Höhe der Strafe im Fall einer Einschränkung des Tatzeitraums oder einer sonstigen „qualitativen oder quantitativen Reduktion“ des Tatvorwurfs, sofern nicht andere Strafbemessungsgründe heranzuziehen sind, die eine Beibehaltung der festgesetzten Strafhöhe dennoch rechtfertigen (vgl. etwa VwGH 28.5.2019, Ra 2019/15/0019, mwN).

43       Diesen Anforderungen hat das LVwG im zweitangefochtenen Erkenntnis nicht entsprochen. Es hat durch die Modifikation des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses den Tatvorwurf zwar eingeschränkt, die Strafhöhe aber beibehalten, ohne aber die Gründe für die Beibehaltung offenzulegen.

44       Da das LVwG in Verkennung der Rechtslage das Verbot der „reformatio in peius“ nicht berücksichtigt hat, hat es das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich seines Strafausspruches mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Ausspruchs über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des behördlichen Strafverfahrens und die Kosten des Beschwerdeverfahrens (vgl. dazu etwa VwGH 15.9.2021, Ra 2019/17/0118, mwN) gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

45       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Februar 2022

Schlagworte

Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020170024.L00

Im RIS seit

23.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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