TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/9 Ro 2022/15/0004

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Veröffentlicht am 09.02.2022
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §224 Abs1
BAO §7 Abs1
EStG 1988 §30b Abs2
EStG 1988 §30c Abs3
KStG 1988 §21 Abs3 Z4
KStG 1988 §24 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Dr. A W, Rechtsanwalt in B, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. September 2021, Zl. RV/1100616/2016, betreffend Haftung für Immobilienertragsteuer für den Zeitraum Dezember 2015, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 240,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1        Mit Kaufvertrag vom 23. Dezember 2015 verkaufte HS eine in Vorarlberg gelegene Liegenschaft um einen Kaufpreis von rund 990.000 €. Der Revisionswerber, ein Rechtsanwalt, nahm für diesen Grundstücksverkauf als Parteienvertreter die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer, der Immobilienertragsteuer und der Eintragungsgebühr vor.

2        Im Rahmen der Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer (ImmoESt) ermittelte der Revisionswerber die Bemessungsgrundlage gemäß § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 unter Zugrundelegung von Anschaffungskosten in Höhe 86% des Veräußerungserlöses.

3        Das Finanzamt vertrat den Standpunkt, zwecks Ermittlung der Bemessungsgrundlage der ImmoESt hätten gemäß § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 die Anschaffungskosten nur mit 40% des Veräußerungserlöses angesetzt werden dürfen. Deshalb erließ es gegenüber dem Revisionswerber einen mit 24. März 2016 datierten Bescheid, mit dem es ihn gemäß § 30c Abs. 3 EStG 1988 und § 202 BAO für den Mehrbetrag an ImmoESt von 113.893 € zur Haftung heranzog. In der Bescheidbegründung führte es aus, die Haftung sei erforderlich gewesen, weil die selbstberechnete ImmoESt zu niedrig sei. Bei Umwidmungen nach dem 31. Dezember 1987 reduzierten sich nämlich die fiktiven Anschaffungskosten nach § 30 Abs. 4 EStG 1988 auf 40%. Im Revisionsfall sei die Umwidmung am 17. September 2015 erfolgt.

4        In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wandte der Revisionswerber ein, Voraussetzung für die Anwendung von § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 sei, dass durch die Widmungsänderung erstmals eine Bebauung ermöglicht werde, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche entspreche. Vor Erlassung des Raumplanungsgesetzes (RPG), LGBl für Vorarlberg Nr. 15/1973, sei das Wohnsiedlungsgesetz (WSG) des Landes Vorarlberg idF der Neukundmachung LGBI Nr. 67/1962 in Geltung gestanden. Das WSG habe eine Regelung in Form von Flächenwidmungsplänen nur (ausnahmsweise) für den Fall vorgesehen, dass in einem Gebiet einer Gemeinde durch eine Bebauung ohne besondere Ordnung der Besiedlung das allgemeine Interesse oder das Wohl der Siedler beeinträchtigt würde. Wo Letzteres nicht der Fall gewesen sei, sei die Bebauung ausschließlich durch die Baugesetze, zum Geltungszeitpunkt des WSG also durch die Vorarlberger Landesbauordnung (LBO), LGBI Nr. 49/1962, geregelt worden.

5        Sowohl nach den Bestimmungen des WSG als auch nach der LBO sei das gegenständliche Grundstück im selben Umfang bereits vor Erlassung des Flächenwidmungsplanes bebaubar gewesen. Dies zeigten schon die zahlreichen Wohnbauten, die im Geltungszeitraum des WSG und davor dort errichtet worden seien. Die Umwidmung am 17. September 2015 habe somit nicht die erstmalige Bebaubarkeit iSd § 30 Abs. 4 EStG bewirkt, weshalb die ImmoESt nach § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 bemessen werden könne. Zum Beweis werde die Vernehmung des Leiters des Bauamtes der betreffenden Gemeinde und die Einholung eines rechtshistorischen Gutachtens angeboten und beantragt.

6        § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 stelle zudem darauf ab, dass eine Umwidmung „nach dem letzten entgeltlichen Erwerb“ stattgefunden habe. Das gegenständliche Grundstück sei in der Familie des Verkäufers von Generation zu Generation unentgeltlich weitergegeben worden. Ein entgeltlicher Erwerb durch HS oder seine Rechtsvorgänger habe niemals stattgefunden bzw. lasse sich nicht mehr nachweisen.

7        Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Seit Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes gelte, dass auf dem gegenständlichen Grundstück erst durch die 2015 erfolgte Umwidmung eine Bebauung möglich sei. Es sei nicht von Bedeutung, ob die Umwidmung vor oder nach einem unentgeltlichen Erwerb erfolgt sei.

8        Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

9        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge und führte zur Begründung aus:

10       Das gegenständliche Grundstück sei bis zum im Dezember 2015 erfolgten Verkauf ausschließlich im Erbwege weitergegeben worden und damit am 31. März 2012 nicht gemäß § 30 EStG 1988 alte Fassung steuerverfangen gewesen. Es liege somit Altvermögen vor.

11       Das Bundesfinanzgericht schließe sich der Einschätzung des Finanzamtes an, dass die von der Gemeindevertretung der Gemeinde R am 17. September 2015 beschlossene Änderung der Widmung des Grundstückes von Freifläche Freihaltegebiet in Baufläche Wohngebiet als Umwidmung iSd § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 zu werten sei.

12       Der Umwidmungstatbestand des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 betreffe im Wesentlichen Grundstücke, die nach 1987 erstmalig in Bauland umgewidmet worden seien. Die durch die Umwidmung eingetretene Wertsteigerung solle damit auch im Rahmen der pauschalen Einkünfteermittlung erfasst werden.

13       Sei bereits vor dem 1. Jänner 1988 eine Umwidmung in Bauland erfolgt, die aber später wieder rückgängig gemacht worden sei, stelle die neuerliche Widmung nach dem 31. Dezember 1987 keine Umwidmung iSd § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 dar. Würde eine solche neuerliche Umwidmung für die Berechnung der fiktiven Anschaffungskosten beachtlich sein, käme es zu einer massiven Schlechterstellung des von der Rückwidmung betroffenen Steuerpflichtigen gegenüber jenen, deren Grundstück durchgehend als Bauland gewidmet geblieben sei. Eine solche Schlechterstellung werde durch die Einschränkung auf „erstmalige Widmung nach 1987“ verhindert (Hinweis auf Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 30 Tz 277).

14       Das Bundesfinanzgericht pflichte dem Revisionswerber in Bezug auf seine Ausführungen zu den Vorgängerbestimmungen des geltenden Raumplanungsgesetzes (WSG, LBO) bei, sodass sich eine Einvernahme des Bauamtsleiters der Gemeinde R und die Einholung eines rechtshistorischen Gutachtens erübrige. Daraus sei aber für die Beschwerde nichts zu gewinnen, zumal es sich bei der in Rede stehenden Umwidmung vom 17. September 2015 eben gerade um die erstmalige Änderung der Widmung in Bauland handle. Ein Abstellen auf die mögliche Bebaubarkeit der gegenständlichen Grundfläche in der Vergangenheit (in Zeiten, in denen es keine Flächenwidmungspläne gegeben habe) widerspräche ohne Vorliegen einer konkreten, diese Bebaubarkeit verursachenden formellen Widmung (etwa auch durch einen konkreten Baubescheid) dem Willen des Gesetzgebers. Im gegenständlichen Fall sei das Grundstück - abgesehen vom einem Geräteschuppen - unbebaut gewesen.

15       Mit der Bezugnahme auf den letzten entgeltlichen Erwerb wolle das Gesetz verhindern, dass eine Umwidmung, die vor der Anschaffung des Grundstückes erfolgt sei und somit bereits im damaligen (höheren) Kaufpreis Niederschlag gefunden habe, nicht zu einer Absenkung der fiktiven Anschaffungskosten führe. Bei einer Kette von unentgeltlichen Erwerben sei daher bis zur Anschaffung zurück zu gehen, um zu beurteilen, ob die Umwidmung für den Veräußerer steuerliche Folgen nach sich ziehe. Angesichts des Gesetzeszweckes sei es für die Anwendung des Umwidmungstatbestandes nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts nicht erforderlich, dass das Grundstück in der Vergangenheit von irgendeinem Rechtsvorgänger entgeltlich erworben worden sei. Auch Grundstücke, welche - wovon im konkreten Fall auszugehen sei - niemals entgeltlich erworben worden seien, unterlägen damit dem Umwidmungstatbestand.

16       Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision für zulässig, weil im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffes Umwidmung im Sinne des § 30 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 idF 2. AbgÄG 2014, BGBl. I Nr. 105/2014, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

17       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

18       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19       § 30c Abs. 3 dritter Satz EStG 1988 idF 1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, lautet:

„Zusätzlich haften die Parteienvertreter für die Richtigkeit der Immobilienertragsteuer nur, wenn diese wider besseren Wissens auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen berechnet wird.“

20       Aufgrund des Grundsatzes der materiellen Akzessorietät der Haftung setzt die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung voraus, dass eine Abgabenschuld (gegenüber dem Abgabenschuldner) entstanden und noch nicht erloschen ist (vgl. VwGH 19.3.2015, 2013/16/0200; sowie Ritz/Koran, BAO7, § 7 Tz 10).

21       Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26. Mai 2021 Ra 2019/15/0046, in Bezug auf private Grundstücksveräußerungen eines Vereins ausgesprochen: „Mit der Entrichtung der Immobilienertragsteuer in der korrekten Höhe gilt die Körperschaftsteuer aus privaten Grundstücksgeschäften als abgegolten (vgl. § 24 Abs. 2 KStG 1988 sowie § 21 Abs. 3 Z 4 KStG 1988 iVm § 30b Abs. 2 EStG 1988).“ Auch in Bezug auf private Grundstücksveräußerungen durch Einkommensteuersubjekte setzt die Abgeltungswirkung die gesetzlich richtige ImmoESt voraus (vgl. hiezu auch Jakom/Kanduth-Kristen, EStG 2021, § 30c Rz 14). § 30b Abs. 2 erster Satz EStG 1988 stellt auf die ImmoESt in der dem Gesetz entsprechenden Höhe ab.

22       Die Haftungstatbestände des § 30c Abs. 3 EStG 1988 werden im angefochtenen Erkenntnis niemals erwähnt. Dem Haftungsbescheid des Finanzamtes ist allerdings zu entnehmen, dass sich die Geltendmachung der Haftung auf § 30c Abs. 3 EStG 1988 stützt, weil im Spruch des Bescheides „§ 30c Abs. 3 Einkommensteuergesetz“ genannt ist. Aus dem Umstand, dass das Finanzamt eine Unrichtigkeit in der Ermittlung der Höhe der ImmoESt annimmt, kann geschlossen werden, dass es den Bescheid auf § 30c Abs. 3 dritter Satz EStG 1988 stützen wollte. Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesfinanzgericht war sohin die Haftung nach § 30c Abs. 3 dritter Satz EStG 1988.

23       Zu den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Haftung nach § 30c Abs. 3 dritter Satz EStG 1988 gehört, dass die ImmoESt „wider besseren Wissens auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen berechnet wird.“

24       Im angefochtenen Erkenntnis finden sich zur Frage, ob die Berechnung der ImmoESt wider besseres Wissen auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen erfolgt ist, weder Sachverhaltsfeststellungen noch rechtliche Überlegungen. Das Bundesfinanzgericht geht - wie zuvor das Finanzamt bei Erlassung des Haftungsbescheides und der Beschwerdevorentscheidung - mit keinem Wort auf diese Voraussetzung für das Entstehen der Haftung nach § 30c Abs. 3 dritter Satz EStG 1988 ein.

25       Das Bundesfinanzgericht hat somit verkannt, dass es zu den Voraussetzungen für die Geltendmachung einer Haftung gehört, dass ein konkreter Haftungstatbestand erfüllt ist.

26       In Verkennung der Rechtslage hat sich das Bundesfinanzgericht nicht damit auseinandergesetzt, ob der Revisionswerber als Parteienvertreter die Berechnung auf der Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen wider besseres Wissen vorgenommen hat.

27       Schon deshalb erweist sich das angefochtene Erkenntnis als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

28       Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

29       Das Mehrbegehren betreffend Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil nach § 48 Abs. 1 Z 2 VwGG nur der Ersatz des Aufwandes gebührt, der für den Revisionswerber als obsiegende Partei mit der Einbringung der Revision durch einen Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) verbunden war. Ersatz für Schriftsatzaufwand kommt daher dann nicht in Betracht, wenn ein Rechtsanwalt - wie im Revisionsfall - in eigener Sache einschreitet.

Wien, am 9. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022150004.J00

Im RIS seit

22.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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