TE Vwgh Erkenntnis 1981/9/9 81/03/0070

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Veröffentlicht am 09.09.1981
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Index

KFG
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

KFG 1967 §102 Abs3 Satz3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Davy, über die Beschwerde des PP in W, vertreten durch Dr. Egbert Schmid, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 113, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 24. Februar 1981, Zl. MA 70-IX/P 178/79/Str., betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Ein Beamter der Bundespolizeidirektion Wien erstattete am 18. Juni 1978 die Anzeige, er habe am selben Tag um 21.30 Uhr den Beschwerdeführer in Wien VII, Westbahnstraße 34, im Zuge eines „Planquadrates“ angehalten, da dieser einen dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw vom Gürtel kommend auf der Westbahnstraße stadteinwärts in einem zu großen Abstand vom rechten Fahrbahnrand gelenkt habe. Bei der Kontrolle habe er festgestellt, daß der Beschwerdeführer der im Führerschein eingetragenen Auflage, eine Reservebrille mitzuführen, nicht entsprochen habe. Der Beschwerdeführer habe hiezu angegeben, die Reservebrille vergessen zu haben.

Gegen die von der Bundespolizeidirektion Wien wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 102 Abs. 3 KFG und § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 7 Abs. 1 StVO in getrennten Ausfertigungen erlassenen Strafverfügungen vom 4. Juli 1978 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch, in dem er in Ansehung der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren allein bedeutsamen Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 3 KFG vorbrachte, er habe beim Lenken, da seine normale Brille beschädigt gewesen sei, die Reservebrille getragen. Da es weder zumutbar noch vorgeschrieben sei, zur Reservebrille eine weitere Reservebrille mitzuführen, habe er die Bezahlung eines Organmandates abgelehnt.

In seiner Stellungnahme vom 10. Jänner 1979 verwies der Beschwerdeführer darauf, daß eine Reservebrille dazu diene, kurze Ausfälle der Hauptbrille zu überbrücken. Es werde vom Gesetz nicht gefordert, daß ein Lenker, wenn sich die Hauptbrille kurzfristig in Reparatur befinde und er deshalb die Reservebrille trage, noch eine dritte Brille kaufen müsse, um neuerlich eine Reservebrille zu haben. Werde die Reservebrille auch kaputt, so dürfe er eben kein Kraftfahrzeug mehr lenken.

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 14. Februar 1979 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 18. Juni 1978 um 21.30 Uhr in Wien am genannten Ort das erwähnte Fahrzeug gelenkt, 1.) obwohl er eine Reservebrille nicht mit sich geführt habe und 2.) sei er mit dem Fahrzeug in zu großem Abstand vom rechten Fahrbahnrand gefahren und habe dadurch nachstehende Verwaltungsübertretungen, nämlich zu 1.) nach § 102 Abs. 3 KFG und zu 2.) nach § 7 Abs. 1 StVO begangen. Über ihn wurden Geldstrafen zu 1.) gemäß § 134 KFG und zu 2.) gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO von je S 300,-- (Ersatzarreststrafen von je 36 Stunden) verhängt. Zur Begründung wurde hinsichtlich der Verwaltungsübertretung nach dem Kraftfahrgesetz ausgeführt, daß der Tatbestand auch auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers erwiesen sei. Die Verpflichtung zur Mitnahme einer Brille und einer Reservebrille besage, daß grundsätzlich zwei Brillen mitgeführt werden müßten.

In der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer insbesondere auf seine Stellungnahme vom 10. Jänner 1979.

In der Folge veranlaßte die belangte Behörde u. a. die Vernehmung des Meldungslegers als Zeugen, der seine Angaben in der Anzeige und in einer weiteren schriftlichen Stellungnahme zu seiner Zeugenaussage erhob.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 1981 bestätigte die belangte Behörde Punkt 1 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in der Straffrage und im Ausmaß der Geldstrafe, setzte jedoch die Ersatzarreststrafe auf 18 Stunden herab. Soweit sich die Berufung gegen die Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung richtete, die aber nicht Gegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, entschied darüber die hiefür zuständige Wiener Landesregierung mit abgesondertem Bescheid.

Zur Begründung des gegenständlich angefochtenen Bescheides wurde im wesentlichen nach Wiedergabe des Vorbringens des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren ausgeführt, daß er sich während der Amtshandlung noch damit gerechtfertigt habe, die Reservebrille vergessen zu haben. Es werde jedenfalls von ihm nicht bestritten, daß er tatsächlich nur eine Brille mit sich geführt habe. Damit habe er über keine Reservebrille verfügt. Im übrigen stelle seine Behauptung, die „Reservebrille getragen zu haben“, weil seine übliche Brille beschädigt gewesen sei, ein unbewiesenes Vorbringen dar. Er habe keine näheren Angaben über die Art und den Umfang der Beschädigung gemacht, obwohl er doch im Fall einer solchen in der Lage gewesen sein müsse, eine Reparaturrechnung vorzulegen. Die Nichtvorlage einer solchen in Verbindung mit der Rechtfertigung bei der Anhaltung führe zu dem Schluß, daß die nachträgliche Behauptung unzutreffend sei. Somit sei der Tatbestand des § 102 Abs. 3 KFG erfüllt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Feststellung der belangten Behörde, er habe bei der gegenständlichen Fahrt keine Reservebrille mitgeführt, sondern bekämpft allein deren Rechtsansicht, er habe, da er der ihm erteilten Auflage, beim Lenken eine Reservebrille mitzuführen, nicht nachgekommen sei, die Bestimmung des § 102 Abs. 3 KFG verletzt, unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 28. März 1980, Zlen. 2967/78, 778/80.

Mit diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid, mit dem die Aufnahme der Auflagen, daß bei Lenkung von Kraftfahrzeugen nicht nur eine Brille zu tragen, sondern auch eine Reservebrille mitzuführen sei, in die Lenkerberechtigung des dortigen Beschwerdeführers verfügt worden ist, in Ansehung der Verpflichtung zum Mitführen einer Reservebrille wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit der Begründung aufgehoben, daß gemäß Art. 18 Abs. 1 B-VG die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden dürfe, aber weder das Kraftfahrgesetz noch die Durchführungsverordnung hiezu für die Auflage, auch eine Reservebrille mitzuführen, eine entsprechende Grundlage enthalte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im übrigen auf die Ausführungen in diesem Erkenntnis unter Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Gemäß § 102 Abs. 3 dritter Satz KFG muß der Fahrzeuglenker beim Lenken u. a. Auflagen, unter denen ihm die Lenkerberechtigung erteilt wurde, erfüllen. Diese Bestimmung verpflichtet daher den Lenker, diesen Auflagen zu entsprechen. Tut er dies nicht, so verletzt er diese Norm und ist nach der Bestimmung des § 134 KFG zu bestrafen.

Die belangte Behörde vermeint nun in ihrer Gegenschrift, daß ungeachtet der vom Verwaltungsgerichtshof in dem oben zitierten Erkenntnis vertretenen Ansicht der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 102 Abs. 3 KFG erfüllt habe, zumal ihm die Auflage, eine Reservebrille mitzuführen, bei Erteilung der Lenkerberechtigung auferlegt worden sei und er dies seinerzeit in Rechtskraft habe erwachsen lassen.

Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Unter dem Begriff der „Auflagen“ im Sinne des § 102 Abs. 3 dritter Satz KFG können nur solche verstanden werden, für die das Kraftfahrgesetz bzw. die Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung eine dem Art. 18 Abs. 1 B-VG entsprechende Grundlage enthält, die also in abstracto zulässig sind. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, daß er die Nichtbeachtung von Auflagen, deren Erteilung das Gesetz auch in abstracto, also überhaupt nicht vorsieht, einer Bestrafung zuführen wollte. Solche in abstracto unzulässigen Auflagen - mögen sie auch in Rechtskraft erwachsen sein - werden vom Tatbestand des § 102 Abs. 3 dritter Satz KFG nicht erfaßt. Von diesen Auflagen sind jene zu unterscheiden, die an sich, also in abstracto, zulässig sind. Nur in Ansehung der in abstracto zulässigen Auflagen, die also ihre Grundlage in den Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes bzw. der Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung haben, d. h. deren Erteilung nach dem Gesetz grundsätzlich zulässig ist, trifft es, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift ausgeführt hat, zu, daß, wenn sie in Rechtskraft erwachsen sind, mögen sie auch im konkreten Fall objektiv gesetzwidrig auferlegt worden sein (z. B. einem Lenker wird das Tragen einer Brille vorgeschrieben, obwohl er keiner Brille bedarf), ihre Nichtbefolgung unter Strafe gestellt ist.

Da, wie bereits oben dargelegt wurde, das Kraftfahrgesetz bzw. die Kraftfahrgesetz-Durchführungsverordnung für die Auflage, eine Reservebrille mitzuführen, keine dem Art. 18 Abs. 1 B-VG entsprechende Grundlage enthält, die Gebotsnorm des § 102 Abs. 3 dritter Satz KFG aber nur Auflagen erfaßt, für die eine solche Grundlage besteht, unterlief daher der belangten Behörde eine inhaltliche Rechtswidrigkeit, wenn sie den Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 3 KFG schuldig erkannte.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981.

Wien, am 9. September 1981

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1981:1981030070.X00

Im RIS seit

21.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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