TE Vwgh Erkenntnis 1986/10/15 85/01/0329

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Veröffentlicht am 15.10.1986
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Index

Staatsbürgerschaft
41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

StbG 1965 §10 Abs1 Z8

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Hoffmann, Dr. Herberth und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wrulich, über die Beschwerde des Dr. AL in W, vertreten durch Dr. Karl Bollmann, Rechtsanwalt in Wien I, Krugerstraße 8, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. Oktober 1985, Zl. MA 61/IV-E 13/85, betreffend Staatsbürgerschaftsverleihung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer suchte mit Eingabe vom 11. Februar 1985 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an. Er ist jordanischer Staatsangehöriger.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (StbG), das Ansuchen des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z. 8 StbG abgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer lebe seit Oktober 1978 ununterbrochen in Österreich, nachdem er bereits von Oktober 1960 bis Dezember 1974 in Wien gemeldet gewesen sei. Er sei seit 7. August 1971 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Der Ehe entstammten zwei Kinder, die zufolge Erklärung nach Art. II der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983, BGBl. Nr. 170, seit 24. Oktober 1983 die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen. Im Hinblick auf die Dauer der Ehe hätte der Beschwerdeführer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 und Abs. 2 StbG Anspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §11a StbG. Im Ermittlungsverfahren sei von der Bundespolizeidirektion Wien, Staatspolizeiliches Büro, am 17. Mai 1985 mitgeteilt worden, daß der Staatsbürgerschaftswerber rege Beziehungen zu fremden Staaten aufrechterhalte, die das Ansehen der Republik Österreich schädigen könnten. Er sei Schriftführer der „Arabischen Kulturgesellschaft, Mitglied des Arabischen Clubs und Mitglied des Lybischen Clubs“. Der Verleihung der Staatsbürgerschaft könne aus staatspolizeilicher Erwägung nicht zugestimmt werden. Auf Grund dieser negativen Stellungnahme sei das Bundesministerium für Inneres, Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit, um Überprüfung gebeten worden. Die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit habe am 26. August 1985 hiezu mitgeteilt, daß die Bedenken der Bundespolizeidirektion Wien voll und ganz aufrechterhalten würden. Gemäß § 10 Abs 1 Z. 8 StbG dürfe einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur dann verliehen werden, wenn er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen stehe, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigen würde. Zur Beurteilung, ob diese Einbürgerungsvoraussetzung gegeben sei, seien insbesondere die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden heranzuziehen. Da im vorliegenden Fall auf Grund der von der Bundespolizeidirektion Wien festgestellten regen Beziehungen des Beschwerdeführers zu fremden Staaten schwerwiegende Bedenken gegen die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft geäußert worden seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Durch den angefochtenen Bescheid sei der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob auf den Beschwerdeführer die im § 10 Abs. 1 Z. 8 des Staatsbürgerschaftsgesetzes umschriebene Einbürgerungsbedingung zutrifft oder nicht.

Diese setzt voraus, der Fremde dürfe nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen stehen, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigen würde.

Mit Recht rügt der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich Bedenken der Bundespolizeidirektion Wien wiedergibt, wonach der Beschwerdeführer rege Beziehungen zu fremden Staaten aufrechterhalte, die das Ansehen der Republik schädigen könnten. Auch die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit habe diese Bedenken aufrechterhalten. Dagegen fehlt der Bescheidbegründung jede eigene Tatsachenfeststellung der belangten Behörde, durch welche konkrete Verhaltensweise des Beschwerdeführers die Interessen oder das Ansehen der Republik Österreich geschädigt würde. Die von der Bundespolizeidirektion Wien der belangten Behörde dem Akteninhalt und der Bescheidbegründung nach mitgeteilte Tätigkeit des Beschwerdeführers in verschiedenen Vereinen stellt an sich weder eine Beziehung zu fremden Staaten dar, noch kann daraus - insbesondere wenn es sich um in Österreich zugelassene Vereinigungen handelt - schon abgeleitet werden, daß die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer die Interessen und das Ansehen der Republik schädigen würde.

Der angefochtene Bescheid enthält somit keine für die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ausreichenden Ausführungen über die Grundlagen der Entscheidung. Der im angefochtenen Bescheid enthaltene Hinweis auf die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden kann eigene Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde, die sich auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren stützen, nicht ersetzen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985. Das Mehrbegehren auf Ersatz von Gebühren mußte abgewiesen werden, weil ein Kostenanspruch nur im Ausmaß der zu entrichtenden Gebühren zuzuerkennen war.

Wien, am 15. Oktober 1986

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1986:1985010329.X00

Im RIS seit

21.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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