TE Lvwg Erkenntnis 2021/12/10 LVwG-AV-1615/001-2021

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Veröffentlicht am 10.12.2021
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Entscheidungsdatum

10.12.2021

Norm

GewO 1994 §1 Abs4
GewO 1994 §74
GewO 1994 §360
GewO 1994 §366

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Wimmer als Einzelrichter über die Beschwerde der A, vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 30.8.2021, Zl. ***, betreffend die gewerbepolizeiliche Schließung eines Reit-, Einstell- und Ausbildungsbetriebes für Pferde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt ergibt sich aus dem von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vorgelegten Verfahrensakt:


Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 30.8.2021, Zl. ***, wurde gemäß § 360 Abs. 1 und 5 der Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994 bei der Betriebsanlage der A („Beschwerdeführerin“), im Standort ***, ***, KG ***, Grst.Nr. ***, die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes verfügt, indem die unverzügliche Schließung des Betriebes des Reit-, Einstell- und Ausbildungsbetriebes für Pferde im Standort ***, ***, KG ***, Gst.Nr. ***, angeordnet wurde. Der bestehende Reitstall, der Zubau am bestehenden Vierkanthof und das Einstellgebäude für Pferde, würden nicht mehr betrieben werden dürfen.

In der Begründung wurde dargelegt, dass mit Schreiben vom 08.06.2021 bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten Einreichunterlagen betreffend eine gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb eines Reit-, Einstall- und Ausbildungsbetriebes für Pferde eingereicht wurden.

Von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten sei der Beschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass mangels entsprechender Widmung eine allfällige Betriebsanlagengenehmigung derzeit nicht zielführend sei (da diese derzeit nicht in Anspruch genommen werden könne). Es sei daher angeregt worden, den Antrag zurückzuziehen und dann neuerlich einzureichen, wenn die bau- und raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Mit Schreiben vom 14.06.2021 wurde der Antrag zurückgezogen.

Die Baubehörde, Stadtgemeinde ***, habe mit E-Mail vom 08.06.2021 die Bezirkshauptmannschaft Amstetten u.a. über die bereits erfolgte Inbetriebnahme des gegenständlichen Reitbetriebes in Kenntnis gesetzt.

Mit Verfahrensanordnung der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 23.06.2021 wurde die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes wie folgt gefordert:

„Die in ***, ***, KG ***, Grst.Nr. *** bestehende Betriebsanlage (Reitstall, vermutlicher Zubau am bestehenden Vierkanthof, Einstellgebäude für Pferde) darf mit sofortiger Wirkung bis zur Erlangung einer gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung nicht mehr betrieben werden.“

Zudem erging in dieser Verfahrensanordnung die Anordnung einen Nachweis über die Befolgung der Anordnung binnen zwei Wochen vorzulegen. Ein solcher Nachweis sei nicht vorgelegt worden.

Nach Ersuchen durch die Bezirkshauptmannschaft Amstetten wurde von der Polizeiinspektion *** zusammengefasst erhoben, dass am 22. Juli 2021 insgesamt 52 Pferde betreut wurden und der Betrieb als Einstell-, Ausbildungs- und Reitbetrieb geführt wird. Am 22. Juli 2021 gegen 14.30 Uhr herrschte voller Reitbetrieb und waren mehrere junge Reiterinnen vor Ort.

Am 25. Juli 2021 gegen 11.15 Uhr konnte vom erhebenden Beamten festgestellt werden, dass reger Reitbetrieb herrschte und mehrere Reiterinnen anwesend waren.

Am 29. Juli 2021 gegen 10.30 Uhr wurde von der Beschwerdeführerin gegenüber den Beamten angeben, dass sie bemüht sei, den Reitbetrieb etwas einzuschränken. So sei beabsichtigt die neu errichtete Reithalle zu sperren. Aufgrund der Anzahl der dort anwesenden Pferde von 52 Stück sei es vor allem schwierig die Pferde anderswo unterzubringen. Sie sei daher gezwungen den Betrieb trotz Untersagung durch die Behörde irgendwie weiterzuführen.

Seitens der Beschwerdeführerin sei im Zuge einer Vorsprache auf der Bezirkshauptmannschaft Amstetten am 05.08.2021 das (weitere) Betreiben der verfahrensgegenständlichen Betriebsanlage nicht in Abrede gestellt worden.

Auf der Internetseite für einen „Reitbetrieb A – Einstellbetrieb-Schulbetrieb-Jungpferdausbildung“, welche unter *** aufgerufen werden könne, würden unter anderem folgende Tätigkeiten einem unbestimmten Interessentenkreis angeboten werden:

„Einstellbetrieb:

Artgerechte Fütterung (3* täglich), täglicher Koppelgang, tägliches ausmisten –Einstreu mit Stroh, Viereck 90*40m, Reithalle 60*20m, schöne Ausreitmöglichkeiten, indoor Putzplatz, Waschplatz, Sozialräumlichkeiten, Schrittmaschine

Preise:

Normale Box: € 320,-

Paddockbox: € 370,-

Schulbetrieb:

Bei uns gibt es keine Altersbeschränkung, jeder der möchte, kann das Reiten erlernen. Folgende Ausbildungen bieten wir an: kleines Hufeisen, großes Hufeisen, Reiterpass, Reiternadel, Lizenz. Unsere Reitschüler haben bei entsprechendem Ausbildungsniveau die Möglichkeit, an den zahlreichen Turnieren teilzunehmen. Für die ganz Kleinen besteht natürlich auch die Möglichkeit des Ponyreitens bzw. Ponyführens.

Aktuelles:

Ab nächster Woche ist wieder Schulbetrieb möglich. Bitte meldet euch per WhatsApp an. Anrufe können aufgrund der Menge nicht berücksichtigt werden.

Wir werden unser System umstellen. In Zukunft vergeben wir fixe Wochenstunden d.h. ihr kommt dann jede Woche am selben Tag und zur selben Zeit reiten. Im Moment sind nur Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre erlaubt! Sobald sich das ändert, werden wir wieder informieren.

Weiters werden wir aufgrund der Coronaausfälle unsere Preise auf € 25,- / Stunde erhöhen. Auch die Longen werden auf € 25,- angehoben.

Wir freuen uns auf euch“

Für gegenständliche Betriebsanlage liege keine gewerbebehördliche Genehmigung vor.

Nach Erlassung des Bescheides wurde von der PI *** noch erhoben, dass am 10.09.21 um 16:00 Uhr reger Betrieb herrschte und ca. 25 PKWs um den Hof abgestellt waren. Zurzeit seien 60 Pferde am Hof eingestellt. Am 15.09.21, 09:37 Uhr, waren ca. 8 PKWs am Hof abgestellt. Am 22.09.21 um 16:04 Uhr wurde erhoben, dass der Betrieb der Anlage weiterhin aufrecht ist. Es waren ca. 10 PKWs auf den Parkflächen abgestellt.

Seitens des Meldungslegers wurden von den Überprüfungen Lichtbilder angefertigt, welche dem Bericht angeschlossen wurden.

 

2.   Beschwerde


Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 30.8.2021, Zl. ***, wurde von der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.


Der bekämpfte Bescheid erfülle nicht im Ansatz die gesetzlichen Vorgaben. Insbesondere enthalte der Bescheid keine nachvollziehbare Sachverhaltsfeststellung, Beweiswürdigung und Beurteilung der Rechtsfrage, sodass der erlassene Bescheid in keiner Weise nachvollziehbar sei. Aufgrund dieser Mangelhaftigkeit habe der bekämpfte Bescheid der Kassation zu verfallen.

Die wider die Beschwerdeführerin erhobenen Vorwürfe, sie hätte einen Reit-, Einstell- und Ausbildungsbetrieb für Pferde errichtet und in Betrieb genommen, ohne dass dafür eine entsprechende Betriebsanlagengenehmigung vorliegt, sei unrichtig.

Im Wesentlichen führe die Erstbehörde aus, dass eine gesetzeswidrige Gewerbeausübung oder eine genehmigungspflichtige Anlage vorliegen würde, wodurch die Behörde dazu berechtigt wäre, die Schließung des Betriebes oder Teilen davon und auch die Stilllegung verfügen zu können. Diesbezüglich wäre auch seitens der Erstbehörde zu überprüfen gewesen, inwieweit dadurch eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder für das Eigentum abzuwehren oder um die durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage verursachten unzumutbare Belästigung der Nachbarn abzustellen ist. In diesem Zusammenhang sei auszuführen, dass keinerlei Erhebungen seitens der einschreitenden Behörde vorgenommen wurden. Nach entsprechender Überprüfung der Lage des Gebäudes und des - wie von der Erstbehörde vermeint wird - „Betriebes“, sei weder eine Gefahr für Leib und Leben bzw. für Nachbarn eine Geruchsbelästigung oder sonstige Lärmbelästigung relevant. Des Weiteren sei auch eine entsprechende Absicht, einen Ertrag zu erwirtschaften, eine Einschätzung der Behörde, ohne dass dafür ein entsprechendes Beweisergebnis vorliege. Es wäre daher auch seitens der Erstbehörde ein durchaus gelinderes Mittel, als eine sofortige und unverzügliche Schließung des Betriebes, anzuordnen gewesen. Beantragt wurde die Einvernahme des Zeugen C.

Es hätte daher in diesem Zusammenhang auch seitens der Erstbehörde unter Fristsetzung die Fällung der Maßnahmen mit einem gelinderen Mittel durchaus das Auslangen gefunden werden können. Des Weiteren sei auszuführen, dass seitens der Beschwerdeführerin ein Antrag auf Gewährung der Betriebsanlagengenehmigung gestellt worden sei.

Beantragt wurde, der Beschwerde nach allfälliger Verfahrensergänzung, Folge zu geben und den bekämpften Bescheid ersatzlos aufzuheben; in eventu: den bekämpften Bescheid aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erstinstanzliche Behörde zurückzuverweisen.

Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten legte die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung vor.

3.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren

Vom Landesverwaltungsgericht wurde am 19.11.2021 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser Verhandlung wurde insbesondere anhand der vorliegenden Akten sowie durch Einvernahme des C Beweis erhoben.

Der Beschwerdeführervertreter legte dar, dass zwischenzeitig auf Gemeindeebene eine Umwidmung teilweise auf Grünland/Sport bzw. eine Sonderwidmung Tourismus-Pferdesport bewilligt worden sei. Zuletzt sei diese Bewilligung vor etwa einem Monat von der Gemeinde an die NÖ Landesregierung zur Genehmigung vorgelegt worden und werde nun auf das Ergebnis gewartet. Darauf aufbauend wäre es dann möglich eine baurechtliche Bewilligung zu erhalten.

Zur Betriebsanlage sei auszuführen, dass hier ebenfalls ein Verfahren bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten anhängig ist. Hierzu seien bereits diverse Prüfungen durch Amtssachverständige erfolgt. Eine Bescheiderlassung sei jedoch noch nicht erfolgt.

 

Am Verhandlungstag war die Homepage, auf welcher der Reitbetrieb der Beschwerdeführerin dargestellt wird, nach wie vor online.

Informiert wurde vom erkennenden Gericht darüber, dass bei einem Lokalaugenschein am 18.11.2021 festgestellt werden konnte, dass etwa 25 Pferde auf der Koppel geweidet haben sowie mehrere Fahrzeuge auf dem Parkplatz abgestellt waren. Von C wurde dazu ausgeführt, dass es derzeit insgesamt 38 Pferde sind.

4.   Feststellungen:

A betreibt im Standort ***, ***, KG ***, Grst.Nr. ***, einen gewerblichen Reit-, Einstell- und Ausbildungsbetrieb für Pferde im Standort ***, ***, KG ***, Gst.Nr. ***, im bestehenden Reitstall, Zubau am bestehenden Vierkanthof und dem Einstellgebäude für Pferde.

Zuletzt waren 38 Pferde eingestellt.

Auf der Internetseite für einen „Reitbetrieb A – Einstellbetrieb-Schulbetrieb-Jungpferdausbildung“ unter *** werden unter anderem folgende Tätigkeiten einem unbestimmten Interessentenkreis angeboten:

„Einstellbetrieb:

Artgerechte Fütterung (3* täglich), täglicher Koppelgang, tägliches ausmisten –Einstreu mit Stroh, Viereck 90*40m, Reithalle 60*20m, schöne Ausreitmöglichkeiten, indoor Putzplatz, Waschplatz, Sozialräumlichkeiten, Schrittmaschine

Preise:

Normale Box: € 320,-

Paddockbox: € 370,-

Schulbetrieb:

Bei uns gibt es keine Altersbeschränkung, jeder der möchte, kann das Reiten erlernen. Folgende Ausbildungen bieten wir an: kleines Hufeisen, großes Hufeisen, Reiterpass, Reiternadel, Lizenz. Unsere Reitschüler haben bei entsprechendem Ausbildungsniveau die Möglichkeit, an den zahlreichen Turnieren teilzunehmen. Für die ganz Kleinen besteht natürlich auch die Möglichkeit des Ponyreitens bzw. Ponyführens.

Aktuelles:

Ab nächster Woche ist wieder Schulbetrieb möglich. Bitte meldet euch per WhatsApp an. Anrufe können aufgrund der Menge nicht berücksichtigt werden.

Wir werden unser System umstellen. In Zukunft vergeben wir fixe Wochenstunden d.h. ihr kommt dann jede Woche am selben Tag und zur selben Zeit reiten. Im Moment sind nur Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre erlaubt! Sobald sich das ändert, werden wir wieder informieren.

Weiters werden wir aufgrund der Coronaausfälle unsere Preise auf € 25,- / Stunde erhöhen. Auch die Longen werden auf € 25,- angehoben.

Wir freuen uns auf euch“

5.   Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt beruht auf dem Akt der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, Zl. ***, und insbesondere dem Ergebnis der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 19.11.2021. Das erkennende Gericht kann sich zudem auf die Wahrnehmungen beim vor der Verhandlung am 18.11.2021 durchgeführten Lokalaugenschein stützen.

6.   Rechtsgrundlagen von Relevanz:

§ 74 der Gewerbeordnung 1994 lautet auszugsweise:

(1) Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtlich gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit

öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

(3) Die Genehmigungspflicht besteht auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen.

[…]

§ 360 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 lautet:

Besteht der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1, 2 oder 3, so hat die Behörde unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z. 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß
§ 79c oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.

§ 360 Abs. 1a der Gewerbeordnung 1994 lautet:

In den Fällen des Verdachts einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 oder Z. 3 oder § 367 Z. 25 hat ein Bescheid gemäß Abs. 1 nicht zu ergehen, wenn und solange im konkreten Einzelfall

1. für die Behörde keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2

umschriebenen Interessen oder der Vermeidung von Belastungen der Umwelt (§ 69a) hervorkommen, und

2. innerhalb einer von der Behörde gleichzeitig mit der Verfahrensanordnung gemäß Abs. 1 bestimmten, angemessenen und nicht erstreckbaren Frist ein diesem Bundesgesetz entsprechendes Ansuchen (§ 353) um die erforderliche Genehmigung eingebracht und sodann auf Grund dieses Ansuchens ein entsprechender Genehmigungsbescheid erlassen wird. Abs. 1a gilt nicht für in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführte Betriebsanlagen.

§ 360 Abs. 5 der Gewerbeordnung 1994 lautet:

Die Bescheide gemäß Abs. 1 zweiter Satz, 2, 3 oder 4 sind sofort vollstreckbar; wenn sie nicht kürzer befristet sind, treten sie mit Ablauf eines Jahres, vom Beginn der

Vollstreckbarkeit an gerechnet, außer Wirksamkeit. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der von den einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen betroffenen Anlagen, Anlagenteile oder Gegenstände wird die Wirksamkeit dieser Bescheide nicht berührt.

§ 366 Abs. 1 Z. 2 der Gewerbeordnung 1994 lautet:

(1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, begeht,

wer

[…]

2. eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt;

7.   Erwägungen

Wie bereits von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten zutreffend dargelegt, ist gemäß § 74 Abs. 1 GewO 1994 als eine gewerbliche Betriebsanlage jede örtliche gebundene Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit nicht bloß vorübergehend zu dienen bestimmt ist.

Im gegenständlichen Fall ist von einer gewerblichen Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 bis 5 GewO 1994 auszugehen, da diese Tätigkeit selbstständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.

Selbstständigkeit bedeutet, dass die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird, wovon auszugehen ist, da im Gegenstand die Beschwerdeführerin berechtigt ist, auf Grund eigenem freien Willensentschluss betriebliche Entscheidungen zu treffen. Regelmäßigkeit ist bereits bei einer einmaligen Handlung gegeben, wenn Wiederholungsabsicht gegeben ist. Auf die oben dargelegten Berichte der PI *** sowie die Wahrnehmungen beim Lokalaugenschein am 18.11.2021 wird verwiesen; zusammengefasst konnte bis dato festgestellt werden, dass regelmäßig reger Betrieb auf dem Reitbetrieb herrscht. Von einer Regelmäßigkeit ist daher jedenfalls auszugehen.

Festzuhalten ist hinsichtlich der Ertragserzielungsabsicht, dass es mit Rücksicht auf den klaren Wortlaut („Absicht“) nicht auf einen tatsächlich erzielten Ertrag oder wirtschaftlichen Vorteil ankommt, sondern lediglich auf die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Ertragserzielungsabsicht liegt auch vor, wenn eine Betätigung auch ohne Gewinnabsicht unternommen wird, worunter zu verstehen ist, dass die Tätigkeit kostendeckend durchgeführt wird.

Aufgrund der auf der Homepage (***) angebotenen Leistungen (Einstellbetrieb, Schulbetrieb samt ausgewiesenen Preisen) liegt jedenfalls Ertragserzielungsabsicht vor.

Überdies wird gemäß § 1 Abs. 4 GewO 1994 das Anbieten einer den Gegenstand eines Gewerbes bildenden Tätigkeit an einen größeren Kreis von Personen oder bei Ausschreibungen einer Gewerbeausübung gleichgehalten. Der Tatbestand des Anbietens einer gewerblichen Tätigkeit ist erfüllt, wenn einer an einen größeren Kreis von Personen gerichteten Ankündigung die Eignung zukommt, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass eine unter den Wortlaut der Ankündigung fallende gewerbliche Tätigkeit entfaltet wird. Auch das Einrichten einer Homepage (mit werbendem Inhalt) im Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit ist als „Anbieten“ im Sinne des § 1 Abs. 4 GewO 1994 zu qualifizieren.

Das gegenständliche Areal ist als eine örtliche Einrichtung zu verstehen und dient nicht nur vorübergehend der gewerblichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin. Sohin liegt gegenständlich eine gewerbliche Betriebsanlage vor.

Gemäß § 74 GewO 1994 ist eine Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage dann gegeben, wenn sich eine konkrete Eignung der Beeinträchtigung der in § 74 Abs. 2 GewO 1994 genannten Schutzinteressen ergibt.

Der Betrieb eines Reit-, Einstell,- und Ausbildungsbetriebes für Pferde ist insbesondere geeignet unter anderem Lärmbelästigungen, Staubbelästigungen, Geruchsbelästigungen aber auch nachteilige Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer hervorzurufen.

Sohin ist aufgrund der Eignung der Anlage, die in § 74 Abs. 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen, grundsätzlich eine Genehmigungspflicht der gegenständlichen Anlage gegeben. Da eine entsprechende Genehmigung unbestritten nicht vorliegt (ein Genehmigungsverfahren ist bei der Bezirkshauptmannschaft Amstetten anhängig), besteht der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994.

Gemäß § 360 Abs. 1 erster Satz GewO 1994 wurde am 23.06.2021 von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten aufgrund des Verdachtes einer Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 eine Verfahrensanordnung erlassen, mit welcher die sofortige Schließung des gesamten Reitbetriebes (Reitstall, vermutlicher Zubau am bestehenden Vierkanthof, Einstellgebäude) angeordnet wurde.

Da der Verfahrensordnung unzweifelhaft nicht Folge geleistet wurde, wurde zu Recht gemäß § 360 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 der bekämpfte Bescheid erlassen.

Zutreffend wurde von der Bezirkshauptmannschaft Amstetten auch erwogen, dass ein Vorgehen nach § 360 Abs. 1a GewO 1994 im gegenständlich Fall nicht möglich ist, da die Voraussetzungen – insbesondere – der Z. 1 leg. cit. nicht vorlagen, da jedenfalls Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen oder der Vermeidung von Belastungen der Umwelt
(§ 69a) hervorkommen.

Insgesamt war die Beschwerde daher als unbegründet abzuweisen.

8.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Gewerberecht; Betriebsanlage; Genehmigung; gewerbepolizeiliche Schließung; Reitbetrieb;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1615.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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