TE Vwgh Erkenntnis 1996/7/31 94/13/0161

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Veröffentlicht am 31.07.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §115 Abs1;
EStG 1972 §7 Abs1;
EStG 1988 §7 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der G GmbH in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IIIa) vom 18. Mai 1994, Zlen. 6/2 - 2017/90-13 und 6/2 - 2220/91-13, betreffend Körperschaft- und Gewerbesteuer für die Jahre 1987 bis 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.345,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mit Gesellschaftsvertrag vom 27. November 1986 gegründete Beschwerdeführerin erwarb Anfang 1987 das bisher von einer ihrer (nunmehrigen) Gesellschafterinnen betriebene Unternehmen eines Blumenhandels. Für einen im Jahresabschluß zum 31. Dezember 1987 ausgewiesenen Zugang eines "Firmenwertes" in Höhe von S 1,813.078,-- war eine Normal-AfA von S 253.831,-- ausgewiesen.

Im Zuge der Veranlagung für das Jahr 1987 richtete das Finanzamt am 21. Februar 1989 an die Beschwerdeführerin einen Vorhalt, in dem u.a. gefragt wurde, wie der Firmenwert "begründet" werde (z.B. Lage, Kundenstock, persönliche Leistungen des Rechtsvorgängers), wie sich dieser zusammensetze bzw. rechnerisch ermittelt worden sei und warum eine AfA gerechtfertigt erscheine.

Diesen Vorhalt beantwortete die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 5. April 1989 dahingehend, daß der Firmenwert durch die persönliche Leistung der Rechtsvorgängerin begründet worden sei, die durch die Qualität ihrer Ware und des Leistungsangebotes eine "respektable Stammkundschaft" habe erwerben können. Die Abschreibung des Firmenwertes erscheine somit als gerechtfertigt, wobei ein Teil des Firmenwertes, der dem Ausmaß der Beteiligung der Rechtsvorgängerin an der Beschwerdeführerin entspreche, vorläufig nicht abgeschrieben werde. Der Firmenwert errechne sich als Unterschiedsbetrag zwischen den "übernommenen Aktiva und den dafür übernommenen Verbindlichkeiten".

Einen neuerlichen Vorhalt des Finanzamtes vom 12. April 1989 beantwortete die Beschwerdeführerin dahingehend, daß sie das gesamte Unternehmen mit sieben Betriebsstätten von der nunmehrigen Gesellschafterin, die bei der Beschwerdeführerin keine Tätigkeit mehr ausübe und an dieser mit einer Stammeinlage von S 150.000,-- beteiligt sei, erworben habe (Geschäftsleitung des Unternehmens sei nach wie vor in der W.-Straße 32). Die übernommenen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens seien nach dem Wert nach Bewertungsgesetz fortgeführt worden, für alle anderen Wirtschaftsgüter sei der Ansatz mit den Buchwerten erfolgt. Eine der Vorhaltsbeantwortung angeschlossene Rechnungskopie vom 31. Jänner 1987 weist betreffend die Geschäftsveräußerung folgende Positionen auf: Betriebs- und Geschäftsausstattung ("Wert nach Bew. Gesetz") S 226.586,--, Warenvorräte S 226.080,-- und Firmenwert S 1,813.078,-- (Gesamtbetrag sohin S 2,265.744,-- netto).

Bei der Veranlagung der Körperschaft- und Gewerbesteuer für das Jahr 1987 anerkannte das Finanzamt die geltend gemachte Abschreibung des Firmenwertes in Höhe von S 253.831,-- nicht. Zur Begründung wurde ausgeführt, durch die Übernahme der gesamten "Klientel" sowie insbesondere die Beibehaltung des günstigen Standortes in der W.-Straße 32 (ständig steigende Umsätze in den Vorjahren) und eine sich dadurch anhaltend verbessernde Ertragslage sei ein "Leistungsabfall" nicht zu erwarten und es könne daher geschlossen werden, daß der Firmenwert einer Abnutzung nicht unterliege.

In der Berufung vom 21. Dezember 1989 machte die Beschwerdeführerin geltend, daß die Kunden eines Gewerbebetriebes üblicherweise nicht vertraglich an den Betriebsinhaber gebunden seien und somit die Tatsache, daß Stammkunden vorhanden seien, ausschließlich auf die persönliche Leistung des Betriebsinhabers zurückzuführen sei, der durch die Qualität seiner Leistungen seine Kunden überzeuge. Ein durch den Rechtsvorgänger aufgebautes Vertrauensverhältnis zu den Kunden sei allerdings das "Musterbeispiel eines abschreibbaren Firmenwertes". Es sei richtig, daß die Beschwerdeführerin alle Verkaufsgeschäfte der Rechtsvorgängerin übernommen habe. Speziell zum Standort W.-Straße 32 müsse allerdings bemerkt werden, daß dieser Betrieb durch seine Lage keineswegs begünstigt sei, weil vielmehr mit Stammkunden der Umsatz erreicht werde und praktisch keine Laufkunden vorhanden seien. Bei den anderen Verkaufsgeschäften, von denen inzwischen zwei wegen der schlechten Ertragslage hätten geschlossen werden müssen, sei der zunehmende Konkurrenzkampf verschärft spürbar, sodaß mit immer geringeren Rohaufschlägen gearbeitet werden müsse. Außerdem entbehre das Argument, wonach steigender Umsatz eine nachhaltig verbesserte Ertragslage erbracht habe, jeder Grundlage (dazu werden in der Berufung verschiedene Daten der Umsatz- und Gewinnentwicklung für die Jahre 1983 bis 1986 dargestellt). Aus dieser Entwicklung könne sicherlich nicht auf eine standortbedingte, sich ständig verbessernde Ertragslage geschlossen werden und sei daher die Ablehnung der Abschreibung des Firmenwertes nicht berechtigt.

Nachdem das Finanzamt auch im Zuge der Veranlagungen 1988 und 1989 "analog dem Körperschaftssteuerbescheid 1987" die Abschreibung des Firmenwertes nicht anerkannt hatte, dagegen unter Verweis auf die Berufungsschrift vom 21. Dezember 1989 Berufung erhoben worden war, erging ohne weitere Verfahrensschritte der nunmehr angefochtene Bescheid.

Zur Frage der Firmenwertabschreibung wurde im angefochtenen Bescheid zunächst die Feststellung getroffen, daß von der Rechtsvorgängerin das gesamte Unternehmen mit sieben Betriebsstätten erworben worden sei. Die Leitung des Unternehmens sei in der W.-Straße 32 gewesen, die Zweigstellen seien am Bahnhof F., Bahnhof W.-M., Bahnhof F.-J., Bahnhof H. sowie in der E.K.-Straße 68, am H.-M. Stand 50 und in St. am Bahnhof betrieben worden. Weitere Verkaufstände seien auch am Vorplatz vor dem Friedhof G.J. und am Friedhof A. unterhalten worden. Ob ein Firmenwert abschreibbar sei oder nicht, sei in jedem Einzelfall sachverhaltsbezogen zu prüfen. Ein auf der persönlichen Leistung des Betriebsinhabers beruhender Firmenwert werde bei einer Geschäftsveräußerung regelmäßig sinken und sei daher als abnutzbar zu betrachten. Begrifflich setze die spätere Absetzbarkeit des Firmenwertes allerdings eine persönliche Leistung des Betriebsveräußerers voraus. Dies werde aber regelmäßig nur auf EINEN Standort zutreffen. Im Jahr der Unternehmensveräußerung habe die Rechtsvorgängerin u.a. auf den Bahnhöfen F., W.-M., F.-J., St. und H. Zweigstellen ihres Unternehmens betrieben. Geschäfte auf Bahnhöfen profitierten von der hohen Kundenfrequenz, bedingt durch die Zahl der ankommenden oder abfahrenden Fahrgäste. Diese Kundengruppe sei aber keine Stamm-, sondern Laufkundschaft und zeichne sich durch ständig wechselnde Kunden aus. Die persönliche Leistung des Unternehmers trete an einem solchen Standort in den Hintergrund. Der Firmenwert setze sich aus einer Vielzahl von Faktoren zusammen, er stelle aber dennoch ein einheitlich zu bewertendes Wirtschaftsgut dar, das je nach Art und Gewichtung der Faktoren entweder zur Gänze als abnutzbares oder zur Gänze als nicht abnutzbares Wirtschaftsgut anzusehen sei. Es komme dabei auf die Gewichtung der abnutzbaren und nicht abnutzbaren Komponenten an und damit auf ein Überwiegen der einen oder anderen Faktoren. Die Beschwerdeführerin führe zu Recht aus, daß am Standort W.-Straße 32 hauptsächlich Stammkundschaft das Geschäft frequentiere. Dieser Standort sei Zentrale des Unternehmens und auch Wohnort der Rechtsvorgängerin gewesen und es werde daher ein Großteil des Geschäftes auch aufgrund des persönlichen Bekanntheitgrades mit den Kunden geschlossen worden sein. Daraus folge aber, daß bei den anderen Filialen, insbesondere bei jenen auf den Bahnhöfen, dieser Faktor keine Rolle spiele. Gewichte man die persönliche Leistung der Rechtsvorgängerin in ihrem gesamten Unternehmen, so liege der Schluß nahe, daß der Firmenwert insgesamt nicht auf der persönlichen Leistung der Unternehmerin beruhe, sondern vielmehr von "der guten frequentierten" Lage der einzelnen Verkaufsstände profitiert habe. Finde auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die gute Lage ihren wertmäßigen Niederschlag nicht im Firmenwert, so vertrete die belangte Behörde im gegenständlichen Fall doch die Ansicht, daß ausnahmsweise der Standort dann Teil des Firmenwertes sein könne, wenn der Vorteil daraus nicht bereits Verkehrsgeltung habe, sich deshalb nicht im Wert des Grund und Bodens niederschlage, sondern Teil der Unternehmensplanung oder branchenspezifisch sei. Solche Standortvorteile lägen bei einer Blumenhandlung vor einem Friedhof oder ähnlichen Örtlichkeiten vor. Da die Verhältnisse während des gesamten zu beurteilenden Zeitraumes im wesentlichen unverändert geblieben seien, sei von der "Nichtabschreibbarkeit" des Firmenwertes auszugehen. Zum Argument der Beschwerdeführerin, daß aus der Entwicklung der Gewinnsituation zwischen 1983 und 1986 nicht auf eine standortbedingte sich verbessernde Ertragslage geschlossen werden könne, sei zu sagen, daß dieser Zeitraum allein für einen solchen Vergleich nicht herangezogen werden könne. Vielmehr könnten zum Zweck der Beurteilung der Abschreibbarkeit eines Firmenwertes nur Ertragszahlen aus dem Tätigkeitszeitraum der Einzelfirma der Rechtsvorgängerin mit denen der Beschwerdeführerin verglichen werden, wobei bei letzterer die vorgenommene AfA des Firmenwertes sowie ein angemessenes Geschäftsführergehalt zu berücksichtigen seien. Einem Vergleich der beiden Zeiträume komme zwar eine Indizwirkung zu, doch könne dessen Aussagekraft "im Lichte der obigen Ausführungen" dahingestellt bleiben.

In der Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt. Die Beschwerdeführerin fühlt sich durch die Nichtanerkennung des "Absetzungsbetrages gemäß § 7 Abs. 1 EStG" für den in der Bilanz (lt. Beschwerde "fälschlich") als "Firmenwert" bezeichneten Unterschiedsbetrag zwischen Aktiva und Passiva zum Übernahmsstichtag 1. Februar 1987 in Höhe von S 1,813.078,-- in ihren Rechten verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 7 Abs. 1 EStG 1972 und § 7 Abs. 1 EStG 1988

(BGBl. Nr. 400/1988, nach seinem § 125 Z. 1 erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1989 anzuwenden) enthalten die Grundregeln für die Absetzung für Abnutzung von Wirtschaftsgütern. Demnach ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, der bei gleichmäßiger Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer sich ergebende Betrag als Absetzung für Abnutzung (AfA) abzusetzen. Die in § 8 Abs. 3 EStG 1988 für die Abschreibung eines Firmenwertes vorgesehene Sonderregelung einer Absetzung auf 15 Jahre ist gemäß § 114 Abs. 3 leg. cit. erst auf Firmenwerte anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 1988 entgeltlich erworben wurden.

Zu Recht weist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid darauf hin, daß die Frage, ob ein Firmenwert abschreibbar oder nicht abschreibbar ist, in jedem Einzelfall sachverhaltsbezogen gesondert zu prüfen ist. Dabei ist davon auszugehen, daß im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht nach § 115 Abs. 1 BAO die Abgabenbehörden grundsätzlich von amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln haben, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind.

Die belangte Behörde unterließ es, den lediglich als Differenzbetrag zwischen übernommenen Aktiva und Passiva bezeichneten "Firmenwert" auf seine objektive Wertermittlung hin zu überprüfen bzw. auch festzustellen, ob und inwieweit dieser eine Abgeltung für die Überlassung eines Miet- oder sonstigen Nutzungsrechtes darstellte (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 1992, 88/13/0099, mit Hinweis auf Vorjudikatur), zumal aus den Bilanzen (und auch der Vorhaltsbeantwortung vom 5. April 1989, in der u.a. der Empfänger der Miete für die Bahnhofsfilialen angegeben ist) der Beschwerdeführerin die Nutzung von Mietobjekten für den Blumenhandel eindeutig hervorging. Das in diesem Zusammenhang in der Beschwerde enthaltene Vorbringen, wonach die Bezeichnung "Firmenwert" eine unglücklich gewählte Bezeichnung gewesen sei, die sieben Geschäftsfilialen (Bahnhof F., Bahnhof W.-M., Bahnhof F.-J., Bahnhof H., E.K.-Straße 68 und H.-M. Stand 50) sämtliche Mietobjekte seien und dafür richtigerweise der Aufwand für die Erwerbung der Nutzungsrechte zu aktivieren gewesen wäre, ist entgegen den Ausführungen in der Gegenschrift keine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung, sondern Hinweis auf der belangten Behörde unterlaufene relevante Verfahrensmängel. Da bei deren Unterbleiben nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsverletzung der Abnutzbarkeit des "Firmenwertes" zu einer anderen Beurteilung hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 59 Abs. 1) VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994130161.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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