TE Vwgh Beschluss 2022/2/4 Ra 2019/13/0013

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Veröffentlicht am 04.02.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

ALSAG 1989 §3 Abs1a Z6
AVG §45 Abs2
AVG §52
VwGG §26 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der K Gesellschaft mbH in K, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 13. November 2018, Zl. KLVwG-1315/14/2017, betreffend Feststellung gemäß § 10 ALSAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Villach-Land; mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch das Zollamt Österreich, Zollstelle Klagenfurt in 9020 Klagenfurt, Siriusstraße 11), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionsbeantwortung der belangten Behörde wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin stellte am 7. März 2016 einen Antrag auf Feststellung gemäß § 10 ALSAG, dass näher bezeichnete mineralische Baurestmassen in der Menge von 8.447,48 t im 4. Quartal 2011 und im 2. Quartal 2012, die auf bestimmten Grundstücken zur Baureifmachung von Industriegrundstücken verwendet worden seien, keinen beitragspflichtigen Abfall im Sinne des ALSAG darstellten und von der Revisionswerberin keine beitragspflichtige Tätigkeit im Sinne des ALSAG ausgeübt worden sei.

2        Die belangte Behörde stellte mit Bescheid vom 28. Juni 2017 fest, dass die gegenständlichen Baurestmassen Abfall gemäß § 2 Abs. 4 ALSAG darstellten und dieser grundsätzlich dem Altlastenbeitrag unterliegen würde. Weiters stellte die belangte Behörde fest, dass die Abfälle zum Teil - insoweit sie auf den Grundstücken A eingebaut wurden, bei denen alle erforderlichen Bewilligungen vorgelegen seien - gemäß § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG von der Beitragspflicht ausgenommen seien. In der Begründung verwies die Behörde auf Gutachten des abfallfachlichen Sachverständigen. Für einen Teil der Abfälle auf den Grundstücken B wurde aufgrund des Fehlens der erforderlichen Bewilligungen die Beitragspflicht festgestellt.

3        Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und beantragte u.a. die Feststellung, dass mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG auch die Beitragspflicht für die Abfälle, die auf den Grundstücken in A eingebaut worden waren, festgestellt werde. Begründet wurde die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass die Verwendung der aufbereiteten Baurestmassen nicht im Zusammenhang mit einer Baumaßnahme erfolgt sei und kein Qualitätssicherungssystem vorgelegen habe.

4        Das Landesverwaltungsgericht führte eine mündliche Verhandlung durch, in der der abfallfachliche Sachverständige befragt wurde. Das Landesverwaltungsgericht gab der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge und änderte den Bescheid ab. Das Verwaltungsgericht traf zum Qualitätssicherungssystem die Feststellung, dass seitens der Revisionswerberin Konvolute an Prüfberichten und Probenahmeprotokollen vorgelegt worden seien, die auch die Grundlage für die Beurteilung durch den abfallfachlichen Sachverständigen gebildet hätten. Diese Prüfberichte und Probenahmeprotokolle seien mangelhaft gewesen. Der abfallfachliche Sachverständige habe im gesamten Verfahren und insbesondere in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass in den vorgelegten Berichten durchgängig die beurteilten Mengen an Baurestmassen sowie, bis auf eine Ausnahme, Lageskizzen zu den Probenahmen fehlten. Es habe Abweichungen zu den Vorgaben des Bundesabfallwirtschaftsplanes gegeben, zu denen keine Begründungen vorgelegt worden seien. Der Abfallsachverständige habe in der Verhandlung angegeben, dass eine Vielzahl an Untersuchungen in Form von Eignungsprüfungen und zusätzlichen Kontrollprüfungen stattgefunden hätte, weshalb eigentlich sichergestellt werden könne, dass nur geprüftes Material, das für die Anschüttung auch geeignet sei, zum Einsatz komme.

5        Bei den vorgelegten Berichten bestünden Mängel in Form fehlender Probenahmedokumentationen, Probenahmen durch unzuständige Personen, Nichteinhaltung der Prüfhäufigkeiten, mangelhafte Dokumentation und Organisation, weshalb daraus kein System, bestehend aus Eigen- und Fremdüberwachung, zu erkennen sei. Zudem habe eine nachträgliche Vornahme von Untersuchungen stattgefunden, weshalb insgesamt das Vorliegen eines Qualitätssicherungssystems zum relevanten Zeitpunkt zu verneinen sei.

6        In der Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht aus, es sei nicht nachvollziehbar, wie der dem Verfahren beigezogene abfallfachliche Sachverständige unter Bezugnahme auf die erfolgte Einzelchargenuntersuchung zu dem Ergebnis gelangt sei, dass das eingebaute Material eine entsprechende gleichbleibende Qualität aufgewiesen habe. Er habe selbst ausgeführt, dass die vorgelegten Prüfberichte und Probenahmeprotokolle mit Mängeln behaftet seien. Aus seiner abschließenden Stellungnahme folge, dass von der Revisionswerberin nur teilweise nachvollziehbare Aufzeichnungen der Menge der jeweils beurteilten Recyclingmaterialien vorgelegt worden seien und in den Prüfberichten durchgehend die beurteilte Menge an Baurestmassen und die Lageskizzen zu den Probenahmen fehlen würden. Daher sei der Sachverständige in seiner Beurteilung auch nur zu dem Ergebnis gelangt, dass die Mengen und die Qualität des Materials weitestgehend nachvollziehbar seien. Er habe aus diesem Grund in seinem Gutachten auch empfohlen, sämtliche nach den jeweiligen Bundesabfallwirtschaftsplänen erforderliche Nachweise und Dokumentationen im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung der eingesetzten Baustoffe einzufordern. Sollten Abweichungen bestehen, so seien diese zu begründen oder deren Gleichwertigkeit nachzuweisen. Von der Revisionswerberin seien aber keine weiteren relevanten Unterlagen vorgelegt worden. Ein gesicherter Nachweis der Anwendung eines Qualitätssicherungssystems und der Qualitätssicherung der eingesetzten Recyclingbaustoffe erschließe sich für das erkennende Gericht aus den von der Revisionswerberin insgesamt vorgelegten Unterlagen nicht.

7        Das Brechen und Aufbereiten der eingesetzten Baurestmassen sei von der BU GmbH vor Ort vorgenommen worden. In zahlreichen Prüfberichten sei die BU GmbH als Probenehmer angeführt, obwohl dies nur im Rahmen der Eigenüberwachung zulässig sei. Im Rahmen der Fremdüberwachung habe die Prüfstelle die Probenahme und Prüfung selbst durchzuführen. Die Kontrollprüfungen seien daher großteils von unzuständigen Personen durchgeführt worden. Die Dokumentation sei zudem unvollständig. Die Untersuchungen seien zudem teilweise nachträglich erfolgt.

8        In der rechtlichen Beurteilung führte das Landesverwaltungsgericht aus, dass hinsichtlich der eingebauten Baurestmassen vom Sachverständigen die Einhaltung einer gleichbleibenden Qualität nicht hinreichend attestiert werden könne, da mangelhafte Prüfberichte vorgelegt worden seien. Der Sachverständige habe nicht mit Sicherheit feststellen können, dass nur geprüftes Material zum Einsatz gekommen sei. Ebenso habe er die angeführten Materialmengen und Qualitäten nur weitestgehend nachvollziehen können. Der Revisionswerber habe daher nicht nachweisen können, dass im Zeitpunkt des Einbaus der Materialien ein Qualitätssicherungssystem, wie es die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erfordere, bestanden habe.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die Entscheidung weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Das Gericht habe selbst ausgeführt, dass die Revisionswerberin die Nachweise, dass bereits zum Zeitpunkt des Einbaus der Baurestmassen das gefordert Qualitätssicherungssystem vorlag, erbracht habe. Sämtliche geforderte Unterlagen seien vorgelegt worden. Der Amtssachverständige sei der Ansicht gewesen, dass alle geforderte Nachweise erbracht worden seien und sichergestellt sei, dass eine gleichbleibende Qualität schlussendlich verwendet worden sei. Das Verwaltungsgericht verstoße gegen die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil es der fachlichen Meinung des Amtssachverständigen widerspreche.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG verlangt im Zeitpunkt des Einbaus von Material für die Ausnahme von der Beitragspflicht das Vorliegen eines Qualitätssicherungssystems, das gewährleistet, dass eine gleichbleibende Qualität der Baurestmassen gegeben ist.

14       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss es sich bei einem Qualitätssicherungssystem um ein System handeln, das die gleichbleibende Qualität der Baurestmassen gewährleisten soll. Dieses System muss daher geeignet sein, die gesetzlich geforderte Gewährleistung gleichbleibender Qualität durch Maßnahmen organisatorischer und/oder technischer Art entsprechend abzusichern. Ein Qualitätssicherungssystem im Sinne des § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG umfasst eine Aufbauorganisation, Verantwortlichkeiten, Abläufe, Verfahren und Mittel zur Verwirklichung des Ziels der Garantie gleichbleibender Qualität. Es beinhaltet auch Vorgaben zur Eingangskontrolle, Eigen- und Fremdüberwachung, Aufzeichnungspflichten sowie gegebenenfalls zur Kennzeichnung als Information für Anwender (vgl. etwa VwGH 3.11.2021, Ra 2019/13/0011, mwN).

15       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss bereits im Zeitpunkt des Einbaus der Baurestmassen das in § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG geforderte Qualitätssicherungssystem gegeben sein und kann lediglich der Nachweis, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein solches System vorgelegen ist und dadurch seinerzeit die gleichmäßige Qualität der Baurestmassen sichergestellt war, noch nachträglich erbracht werden (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/16/0052).

16       Davon zu unterscheiden ist die nachträgliche Untersuchung des bereits eingebauten Materials dahingehend, ob es im Zeitpunkt der Verwendung bestimmten Qualitätskriterien entsprochen hat und daher gefahrlos eingebaut werden konnte. Derartige Untersuchungen und Analysen im Nachhinein können einen Nachweis eines bereits damals bestandenen Qualitätssicherungssystems nicht ersetzen (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2014/15/0022).

17       Wenn die Revision moniert, das Verwaltungsgericht habe die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Ra 2017/16/0052 nicht beachtet, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht die Beitragsfreiheit deshalb verneint hat, weil das Bestehen eines Qualitätssicherungssystems nicht nachgewiesen werden konnte. Ein Widerspruch zu Ra 2017/16/0052 liegt damit nicht vor.

18       Die Revision bringt weiters vor, das Verwaltungsgericht habe selbst ausgeführt, die Revisionswerberin habe die Nachweise, dass bereits zum Zeitpunkt des Einbaus der Baurestmassen das in § 3 Abs. 1a Z 6 ALSAG geforderte Qualitätssicherungssystem vorgelegen sei, erbracht. Dies ist nicht zutreffend. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr festgestellt, dass die von der Revisionswerberin übermittelten Unterlagen mangelhaft seien und deshalb nicht ausreichten, um ein im strittigen Zeitraum bestehendes Qualitätssicherungssystem nachzuweisen.

19       Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellung der Mangelhaftigkeit der Prüfberichte und Probenahmeprotokolle, sondern beschränkt sich auf das pauschale Vorbringen, es wären alle Nachweise vorgelegt worden, ohne auf die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass diese nicht den Vorgaben entsprochen hätten, einzugehen.

20       Wenn die Revision einen Verstoß gegen ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darin verortet, dass die Ansicht des Verwaltungsgerichts der fachlichen Meinung des Sachverständigen widerspricht, verabsäumt sie es, eine diesbezügliche Rechtsprechung konkret anzuführen. Ein Amtssachverständiger ist ein Beweismittel; nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist die Behörde bzw. das Gericht nicht verpflichtet, dem Gutachten eines Amtssachverständigen zu folgen (vgl. VwGH 28.5.2021, Ra 2019/13/0006). Das Landesverwaltungsgericht hat ausführlich begründet, wieso es die Meinung des Sachverständigen nicht nachvollziehen kann. Wenn die Revision nun auf einzelne Aussagen des Sachverständigen verweist, tritt sie damit den Feststellungen und der Beurteilung des Landesverwaltungsgerichts, das sich auf andere Aussagen des Sachverständigen gestützt hat, nicht ausreichend entgegen. Wie sich aus dem Gutachten und der Stellungnahme des Sachverständigen und seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung ergibt, ist auch dieser davon ausgegangen, dass die Prüfberichte Mängel aufgewiesen hätten und er die Nachvollziehbarkeit etwa von Mengenangaben auch nur weitestgehend und nicht generell als gegeben angesehen hat.

21       Vor diesem Hintergrund kann der Verwaltungsgerichtshof es aber nicht als rechtswidrig ansehen, wenn das Verwaltungsgericht den Nachweis des Bestehens eines Qualitätssicherungssystems als nicht erbracht angesehen und die Ausnahme von der Beitragspflicht verneint hat.

22       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG unterbleiben.

23       Die Zurückweisung der Revisionsbeantwortung der belangten Behörde beruht darauf, dass das VwGG keinen Eintritt in das Revisionsverfahren auf Seiten der revisionswerbenden Partei kennt. Wenn sich die belangte Behörde daher in ihrer Revisionsbeantwortung inhaltlich den Argumenten der revisionswerbenden Partei anschloss und die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragte, war dieser Schriftsatz der Sache nach als verspätete Revision zu werten und gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. z.B. VwGH 16.11.2021, Ra 2021/03/0044, mwN).

Wien, am 4. Februar 2022

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Gutachten Beweiswürdigung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019130013.L00

Im RIS seit

18.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

18.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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