TE Vwgh Beschluss 2022/2/22 Ra 2022/11/0032

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Veröffentlicht am 22.02.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §69
AVG §69 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §32

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des M P in P, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 16. Dezember 2021, Zl. LVwG-411-59/2021-R19, betreffend Wiederaufnahme iA Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bludenz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 15. Februar 2018 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber u.a. gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 iVm. § 26 Abs. 2 Z 1 FSG die Lenkberechtigung und ordnete gemäß § 24 Abs. 3 FSG begleitende Maßnahmen an. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf einen Vorfall, bei dem der Revisionswerber ein Kraftfahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigen Zustand gelenkt und sich geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen. Mit Erkenntnis vom 20. April 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab. Mit hg. Beschluss vom 11. Juni 2018, Ra 2018/11/0103, wurde die dagegen erhobene Revision zurückgewiesen.

2        Mit Straferkenntnis vom 26. Februar 2020 wurde der Revisionswerber wegen dieses Vorfalls gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 bestraft. Mit Erkenntnis vom 22. März 2021 hob das Verwaltungsgericht dieses Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein.

3        Mit an die belangte Behörde gerichtetem Schriftsatz vom 26. April 2021 beantragte der - anwaltlich vertretene - Revisionswerber die Wiederaufnahme des (mit Geschäftszahl der belangten Behörde näher bestimmten) Verfahrens betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung sowie die Aufhebung des Bescheides vom 15. Februar 2018 und die Einstellung des Verfahrens. Begründend führte der Revisionswerber aus, die Entziehung der Lenkberechtigung sei auf Grund von „falschen Behördenprotokollen“ erfolgt, weswegen der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG verwirklicht sei. Bei Anwendung dieses Wiederaufnahmegrundes gelte die dreijährige Wiederaufnahmefrist nicht.

4        Mit Schreiben vom 19. Juli 2021 übermittelte die belangte Behörde diesen Antrag an das Landesverwaltungsgericht „zur Entscheidung“. Mit Beschluss vom 4. August 2021 sprach das Landesverwaltungsgericht aus, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 6 Abs. 1 AVG iVm. § 17 VwGVG zuständigkeitshalber der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelt werde. Der Revisionswerber habe explizit die Wiederaufnahme des Verfahrens der belangten Behörde beantragt. Diese sei daher zur Entscheidung über den (allenfalls unzulässigen) Antrag zuständig.

5        Mit Bescheid vom 13. September 2021 wies die belangte Behörde den Antrag auf Wiederaufnahme des Führerscheinverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 AVG als unzulässig zurück.

6        Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in welcher er ausführte, der Wiederaufnahmeantrag sei immer bei der „erstinstanzlichen Behörde“ einzubringen, welche das Verwaltungsverfahren geführt habe. Das Verwaltungsgericht sei nicht die erste Instanz. Gemäß § 69 AVG sei vielmehr die belangte Behörde zuständig, welche eine inhaltliche Entscheidung hätte treffen müssen.

7        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe seinen Antrag auf Wiederaufnahme ausdrücklich auf § 69 AVG gestützt. Er habe damit die Wiederaufnahme eines durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde abgeschlossenen Verfahrens angestrebt und dies auch in der Beschwerde „ausdrücklich bestätigt“. Der Revisionswerber habe aber in dem wiederaufzunehmenden Verfahren eine Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 2018 erhoben, über welche das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 20. April 2018 (abweisend) entschieden habe. Die belangte Behörde habe daher den Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 69 AVG zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Der Revisionswerber hätte einen Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 32 VwGVG beim Verwaltungsgericht stellen müssen.

9        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, auf Grund der Weiterleitung des Wiederaufnahmeantrages an das Verwaltungsgericht sei dieses zur Entscheidung zuständig geworden. Das Verwaltungsgericht hätte seine Zuständigkeit von Amts wegen wahrnehmen müssen und den Wiederaufnahmeantrag nicht zur Entscheidung an die belangte Behörde weiterleiten dürfen. Es sei in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht geklärt, ob durch den rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichtes vom 4. August 2021 die Zuständigkeit der belangten Behörde zur inhaltlichen Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag bindend feststehe, auch wenn die Voraussetzungen des § 32 VwGVG gegeben seien.

14       Damit wird eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargelegt.

15       Der anwaltlich vertretene Revisionswerber hat mit seinem ausdrücklich auf § 69 AVG gestützten Antrag die Wiederaufnahme des mit Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 2018 abgeschlossenen Verfahrens betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung beantragt und den Gegenstand seines Antrages auch in seiner Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid der belangten Behörde vom 13. September 2021 bekräftigt. Die Revision macht auch nicht geltend, dass der gegenständliche Antrag anders, nämlich als Antrag auf Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung zu deuten gewesen wäre.

16       Eine Stattgebung des Antrages hätte aus dem Grunde des § 69 Abs. 1 AVG vorausgesetzt, dass das wiederaufzunehmende Verfahren „durch Bescheid abgeschlossen“ wurde, gegen welchen ein Rechtsmittel nicht oder nicht mehr zulässig war.

17       Dies trifft jedoch nicht zu: Der Revisionswerber hatte nämlich in dem wiederaufzunehmenden Verfahren gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 15. Februar 2018 eine Beschwerde erhoben, über welche das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 20. April 2018 in der Sache entschieden hat.

18       Auf das durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichts abgeschlossene Verfahren waren die §§ 69 f. AVG somit nicht anwendbar; die Wiederaufnahme wäre ausschließlich mit einem - hier von dem anwaltlich vertretenen Revisionswerber nicht gestellten - Antrag gemäß § 32 VwGVG anzustreben gewesen. Ein von einem Rechtsvertreter ausdrücklich auf § 69 AVG gestützter Antrag auf Wiederaufnahme erweist sich in einem solchen Fall als unzulässig (vgl. zu einer identen Fallkonstellation VwGH 28.2.2019, Ra 2019/12/0010, mwN).

19       Die Revision legt nicht dar, dass das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre.

20       Insoweit sich das Zulässigkeitsvorbringen der Sache nach gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. August 2021 wendet, geht es schon deswegen ins Leere, weil dieser Beschluss nicht Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens ist.

21       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022110032.L00

Im RIS seit

18.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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