TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/2 LVwG-2021/40/2939-3

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Veröffentlicht am 02.03.2022
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Entscheidungsdatum

02.03.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §74

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Piccolroaz über die Beschwerde des AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 23.09.2021, Zl ***, betreffend die gewerberechtliche Genehmigung der Änderung einer Betriebsanlage, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung,

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 23.09.2021, Zl ***, wurde der CC GmbH & Co KG die gewerberechtliche Genehmigung für die Änderung der ursprünglich mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 05.01.1927, Zl ***, genehmigten Betriebsanlage zur Metallverarbeitung und zuletzt mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.08.1979, Zl ***, genehmigten Schlossereiwerkstätte auf Gst **1 KG Y-DD unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen erteilt.

In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde bringt der rechtsfreundlich vertretene Nachbar im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass am geplanten Waschplatz mit einem regen Betrieb und ständigem Verkehr zu rechnen sei, wodurch er sowohl durch ständigen Lärm, Geruch, Abgase und Erschütterungen unzumutbar belästigt werde. Darüber hinaus komme es durch die Wendekreise von LKWs zur tatsächlichen Inanspruchnahme der ihm zu 7/9 Anteilen gehörenden Liegenschaft Gst .**2 und **3 KG Y-DD wodurch in sein Eigentumsrecht massiv eingegriffen und sein Besitz gestört werde. Außerdem sei die Errichtung der am Waschplatz vorgesehenen Schallschutz- und Spritzwand samt Schiebeelementen unrechtmäßig. Durch die Höhe dieser Wand werde der Beschwerdeführer in der Belichtung seiner im Erdgeschoss gelegenen Wohnung des EE beeinträchtigt. Die Errichtung der Schallschutz- und Spritzwand sei gem § 28 Abs 1 e TBO bewilligungspflichtig. Ihm sei in dem Bewilligungsverfahren Parteistellung zugekommen. Tatsächlich sei er nicht einmal von der Bauanzeige verständigt worden. Zudem werde der Beschwerdeführer durch die ausschiebbaren Schiebeelemente der Schallschutz- und Spritzwand wiederum in seinem Eigentum beeinträchtigt, weil diese Wand beim Betrieb im Süden 2 m über die Grundstücksgrenze des Gst **1 in das zu 7/9 in seinem Eigentum stehende Grundstück **3 hineinrage, wodurch es dem Beschwerdeführer weder möglich sei, zu dieser ihm gehörenden Garage zu- und einzufahren noch aus der Garage aus- und wegzufahren. Der Genehmigungsbescheid verstoße somit gegen die geschützten Eigentumsrechte. Die Genehmigung der Betriebsanlage hätte nicht erteilt werden dürfen, weil die angeführte Erschließung über die B *** sowie weiters über die Adresse 2 aufgrund der nunmehrigen Größe des Betriebes des Bewilligungswerbers nicht mehr gegeben sei. Der Betrieb des Bewilligungswerbers sei mittlerweile doppelt so groß wie im Jahr 1978 mit einer Breite von ca 3,5 m weise der Adresse 2 für die Betriebserschließung nicht die ausreichende Breite von zumindest 6 m auf.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Am 28.02.2022 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol statt, in der der Beschwerdeführer einvernommen und die Akten verlesen wurden.

II.      Sachverhalt:

Für die gegenständliche Betriebsanlage existieren mehrere Betriebsanlagengenehmigungen, zuletzt der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.08.1979, Zl ***, womit die Errichtung einer Schlossereiwerkstätte genehmigt wurde. Mit dem nunmehr vorgelegten Einreichprojekt des Konsenswerbers ist eine Aufstockung des Bürogebäudes im Obergeschoss geplant. Aufgrund der Tatsache, dass seit dem letzten Bescheid auch einige Neuerungen und Änderungen vorgenommen wurden, wird die gesamte Betriebsanlage mit allen Anlagenteilen aufgenommen und beschrieben. Die gegenständliche Betriebsanlage besteht im Wesentlichen als folgenden Anlagenteilen:

1.       separate Tiefgarage für sieben PKW-Abstellplätze,

2.       Lagerräume im Kellergeschoss,

3.       Öllagerraum (Altöl) im Kellergeschoss,

4.       Aufenthaltsraum Mitarbeiter im Kellergeschoss,

5.       Heizraum im Kellergeschoss,

6.       Schlosserei und Maschinenbauwerkstätten im Erdgeschoss,

7.       Büros im Erdgeschoss,

8.       Kleinteillager im Erdgeschoss,

9.       Ausstellungs- und Verkaufsräumlichkeiten im Erdgeschoss,

10.     Aufstockung Büro im Obergeschoss (neu) und

11.      Einliegerwohnungen im OG sowie im TG.

Die Betriebsanlage befindet sich im Gewerbegebiet der Gemeinde Y auf Gst .**1 sowie teilweise auf Gst .**2 und Gst **3, alle KG Y-DD. An der westlichen Grundstücksgrenze befindet sich die öffentliche Straße „Adresse 2“ und weiters die Yer Ache, nördlich und südlich erfolgt die Zufahrt, südlich befindet sich das im Miteigentum befindliche Haus des beschwerdeführenden Nachbarn und östlich grenzt Feldlandschaft sowie weiters die Bahnstrecke der FF an. Der Beschwerdeführer ist Miteigentümer des Gst .**2 und **3 KG Y-DD. Die Betriebsanlage wird über die Bundesstraße B*** sowie weiters über die öffentliche Zufahrtsstraße Adresse 2 erschlossen. Die An- und Ablieferung aller Güter erfolgt ausschließlich zu den Betriebszeiten drei Mal täglich mit LKW bzw für diverse Paketdienste drei Mal täglich mittels PKW. Die Gesamtfläche des Betriebsgebäudes beträgt ca 1.647 m², die elektrische Anschlussleistung beträgt ca 89 kW.

Die Betriebszeiten sind von Montag bis Freitag von 06.00 bis 19.00 Uhr und Samstag von 06.00 bis 17.00 Uhr geplant. Der Waschplatz im Freien befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Haus des Beschwerdeführers. In Richtung des Grundstückes .**2 wird eine Schallschutzwand mit einer Höhe von 3,5 m und einer Länge von 9 m errichtet, die so ausgeführt werden soll, dass bei einer Nichtbenutzung des Waschplatzes zwei Teile dieser Schallschutzwand entfernt werden können, um auf diesem Teil des Betriebsareals eine Vergrößerung des zur Verfügung stehenden LKW-Wendekreises zu ermöglichen (Details sind aus der Projektsergänzung vom 11.11.2020 zu entnehmen). Die Ausführung der Schallschutzwand soll zumindest jene technischen Werte erreichen, die im schalltechnischen Projekt des Ingenieurbüro GG bei den Berechnungen berücksichtigt wurden und mit einer Masse von mindestens 10 kg/m² zur Ausführung gelangen. Diese Schallschutz- und Spritzschutzwand wird zudem mit einem verschiebbaren Element ausgestattet, welches in Richtung Süden um mindestens 2 m ausgefahren werden kann, um einerseits einen verbesserten Spritzschutz zu bewirken und andererseits eine verbesserte Lärmabschirmung zu erhalten. Dadurch ergibt sich bei Betrieb des Waschplatzes eine wirksame Breite der Schutzwand von mindestens 11 m und einer Höhe von 3,5 m. Die Fugen zwischen der fixen und den beweglichen Lärmschutzwänden werden mit dauerelastischen Dichtlippen ausgestattet und abgedichtet. Die entfern- bzw verschiebbaren Elemente der Schallschirmwand werden mit Endlagenschaltern versehen, die ein Inbetriebnehmen des Hochdruckreinigers nur bei voll ausgefahrener Breite der Schutzwand ermöglicht (elektrisch verriegelt). Weiters wird der Hochdruckreiniger mit einem Betriebsstundenzähler ausgestattet, um die Einsatzzeiten dokumentieren zu können. Mit Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Y vom 05.11.2020, Zl ***, wurde das angezeigte Bauvorhaben – Neuerrichtung Schutzwand mit Waschplatz und Fluchtweg mit Treppe auf Gst .**1 KG Y-DD gem § 30 Abs 4 TBO 2018 zur Kenntnis genommen.

Die Emissionen im Freibereich wurden auf Grundlage der durchgeführten Schallpegelmessungen und der Beschreibung der Arbeitstätigkeiten ermittelt. Im Vergleich zum Jahr 1978 haben sich die Arbeiten im Freien bis zum Jahr 2019 deutlich reduziert. Aufgrund der neu errichteten Hallte können lärmende Arbeiten hauptsächlich in den Werkstätten erfolgen. Zeiträume mit lärmenden Arbeiten im Freien und somit einer hohen Lärmbelastung in der angrenzenden Nachbarschaft haben sich dadurch deutlich reduziert. In der schalltechnischen Beurteilung werden ausschließlich Zeiträume mit hoher Lärmentwicklung im Freien betrachtet. Im Zuge der geplanten Änderung der Betriebsanlage wurden aus diesem Grund schalltechnische Maßnahmen im Bereich des Waschplatzes vorgesehen. Es wird eine Lärmschutzwand mit einer Höhe von 3,5 m errichtet, welche zwischen dem Waschplatz und dem Bauernhaus „JJ“ aufgestellt wird. Dadurch können die betriebsbedingten Schallimmissionen deutlich reduziert werden. Durch die Herstellung der Lärmschutzwand können die betriebsbedingten Schallimmissionen im Bereich des Bauernhauses JJ (Immissionspunkt IP 01) im Vergleich zum Jahr 1978 um ca 8 bis 9 dB reduziert werden. Im hinteren (nördlichen) Gebäudeteil des angrenzenden Nachbargebäudes „JJ“ befindet sich ein Eisenlager, in dem zudem auch das für den Waschplatz erforderliche Aggregat des Hochdruckreinigers zur Aufstellung gelangt. Da derartige Geräte neben den luftschalltechnischen Emissionen auch Vibrationen erzeugen, wurde vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen die Vorschreibung einer Auflage (Spruch I A a 1) gefordert.

Wie aus den schalltechnischen Projektunterlagen hervorgeht, wird der Ist-Zustand im Wesentlichen durch die Fließgeräusche der Yer Ache, dem Straßenverkehr auf der B*** Adresse 3, dem Schienenverkehr der FF-Strecke, den Geräuschen der umliegenden Gewerbebetriebe (jenseits der Yer Ache) und die Geräusche des gegenständlichen Gewerbebetriebes bestimmt. Die im lärmtechnischen Projekt beschriebenen Betriebsabläufe und Tätigkeiten sind sowohl für den ursprünglichen Betrieb als auch für den jetzigen Betrieb als realistisch und nachvollziehbar anzusehen. Die nunmehr maßgeblichste Schallimmission beim ungünstigst gelegenen Nachbarn (Wohnbereich des Gebäudes „JJ“) wird von den Tätigkeiten auf dem direkt angrenzenden Waschplatz verursacht. Dies wurde im schalltechnischen Projekt aufgezeigt, sodass diesbezüglich entsprechende Schutzmaßnahmen ausgearbeitet wurden. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um eine Schallschirmwand mit einer Höhe von 3,5 m und 9 m Länge, die entlang der gemeinsamen Grundgrenze zwischen dem Waschplatz und dem Wohnbereich des Gebäudes „JJ“ errichtet werden soll. Durch diese Lärmschutzwand und den in den Projektunterlagen beschriebenen veränderten Betriebsabläufen kann eine Verringerung der Schallimmissionen im Bereich des Wohntraktes des Gebäudes „JJ“ von ca 8 dB im Vergleich zu den vorherrschenden (genehmigten) akustischen Bedingungen erreicht werden. In Bezug auf die zu erwartenden schalltechnischen Emissionen wird vom lärmtechnischen Amtssachverständigen festgehalten, dass sich durch die Verlegung von diversen Tätigkeiten in die neu hinzukommenden Gebäude und der zum Teil veränderten Tätigkeiten, die sich in den letzten Jahren ergaben, eine verringerte schalltechnische Emission ergibt. Lediglich die Tätigkeit am Waschplatz ergibt eine sehr deutlich zuordenbare Veränderung, die jedoch durch die nunmehr projektierte Schallschirmwand reduziert werden kann und somit in Summe eine Verringerung der Schallimmissionen bei nächstgelegenen Nachbarn bewirkt.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, insbesondere in die Projektunterlagen sowie in das gewerbetechnische Gutachten vom 04.06.2021, Zl ***.

Das Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer konnte diesem Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten, auch ist es ihm nicht gelungen, Zweifel an der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit zu erwecken, sodass die Beurteilung des emissionstechnischen Amtssachverständigen in Bezug auf Lärm, Erschütterungen und Abgase der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnte. Der gewerbetechnische Amtssachverständige konnte schlüssig und nachvollziehbar darlegen, dass sich durch die geplanten Änderungen in der gegenständlichen Betriebsanlage gegenüber dem letzten Genehmigungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.08.1979, Zl ***, bei Einhaltung der vorgeschlagenen Auflagen und insbesondere unter der Voraussetzung der Errichtung der bereits mehrfach genannten Lärmschutzwand sogar eine Verbesserung der akustischen Ist-Situation für den beschwerdeführenden Nachbarn ergibt. In Bezug auf geltend gemachte Erschütterungen wurde vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen eine entsprechende Auflage gefordert, welche in den Genehmigungsbescheid vollinhaltlich aufgenommen wurde, sodass letztlich aus gewerbetechnischer Sicht von keinen anderen oder zusätzlichen Emissionen als den bisher bereits vorherrschenden und genehmigten auszugehen ist. Seitens des erkennenden Gerichts ist lediglich anzumerken, dass sowohl in den Projektunterlagen als auch in den Gutachten von einem letzten Genehmigungsbescheid vom 29.11.1978 ausgegangen wird, welcher sich jedoch im Akt der belangten Behörde nicht befindet. Diese Daten dürften offensichtlich unreflektiert aus der im Akt einliegenden Prüfbescheinigung gem §82b GewO 1994 des Planungsbüros Wieser übernommen worden sein. Im Akt der belangten Behörde liegt der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 30.08.1979, Zl ***, ein, welcher offensichtlich im Zuge der mündlichen Verhandlung am 30.08.1979 an Ort und Stelle mündlich verkündet worden ist. Die dementsprechende Niederschrift findet sich in den Akten der belangten Behörde.

IV.      Rechtslage:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194 idF BGBl I Nr 65/2020 lauten:

§ 74

„Betriebsanlagen

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.       das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.       die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3.       die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4.       die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5.       eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

…“

§ 75

„...

(2) Nachbarn im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Satzes dinglich berechtigt sind. Als Nachbarn gelten jedoch die Inhaber von Einrichtungen, in denen sich, wie etwa in Beherbergungsbetrieben, Krankenanstalten und Heimen, regelmäßig Personen vorübergehend aufhalten, hinsichtlich des Schutzes dieser Personen, und die Erhalter von Schulen hinsichtlich des Schutzes der Schüler, der Lehrer und der sonst in Schulen ständig beschäftigten Personen.

…“

§ 77

„(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, daß bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen.

…“

§ 81

„(1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

…“

V.       Erwägungen:

Die Betriebsanlage ist gem § 77 Abs 1 GewO 1994 zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a GewO 1994) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 GewO 1994 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 bis 5 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Wenn es zur Wahrung der in § 74 Abs 2 GewO 1994 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage soweit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

Nachbarn im Sinne der GewO 1994 sind gem § 75 Abs 2 GewO 1994 alle Personen, die durch die Errichtung, den Bestand oder den Betrieb einer Betriebsanlage gefährdet oder belästigt oder deren Eigentum oder sonstige dingliche Rechte gefährdet werden könnten. Als Nachbarn gelten nicht Personen, die sich vorübergehend in der Nähe der Betriebsanlage aufhalten und nicht im Sinne des vorherigen Absatzes dinglich berechtigt sind.

Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs 2 Z 2 GewO 1994 zumutbar sind, ist gem § 77 Abs 2 GewO 1994 danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Den Projektunterlagen liegt ein schalltechnisches Projekt des Ingenieurbüros GG GmbH mit einer detaillierten schalltechnischen Beurteilung des gesamten Betriebes inklusive schalltechnischer Messungen an Ort und Stelle bei. Dieses schalltechnische Projekt wurde im erstinstanzlichen Verfahren durch den gewerbetechnischen Amtssachverständigen der belangten Behörde begutachtet und kommt dieser zum Ergebnis, dass die Umgebungsgeräuschsituation detailliert ermittelt und gutachterlich festgestellt wurde und dass durch die geplanten Änderungen bei Einhaltung der von ihm vorgeschlagenen Auflagen und Bedingungen keine Veränderung der akustischen Ist-Situation beim nächstgelegenen Nachbar und Beschwerdeführer zu erwarten ist. Vielmehr erwartet der gewerbetechnische Amtssachverständige in Bezug auf Lärm sogar eine Verbesserung der akustischen Situation, wenn die in der Beschwerde auch genannte Schallschutzwand errichtet wird.

Zu dieser Schallschutzwand ist festzuhalten, dass es sich – wie der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer zutreffend ausführt – um eine bauliche Anlage handelt, welche der TBO 2018 unterliegt. Dementsprechend liegt auch den Projektunterlagen die Bauanzeige des Konsenswerbers sowie die Zur-Kenntnisnahme dieser Bauanzeige durch die zuständige Baubehörde, nämlich dem Bürgermeister der Stadtgemeinde Y vom 05.11.2020 bei. Ob diese Schallschutzmauer baurechtlich genehmigungspflichtig ist bzw dass diese zu hoch ist, ist von der zuständigen Baubehörde zu prüfen. Der Gewerbebehörde ist es diesbezüglich verwehrt, mangels Zuständigkeit über die Zulässigkeit dieser Schallschutzmauer in baurechtlicher Hinsicht abzusprechen.

Der Beschwerdeführer macht weiters unter dem Titel der Eigentumsgefährdung geltend, dass durch das Wenden von LKWs auf Fremdgrund in sein Eigentum eingegriffen werde und dass die öffenbaren Schiebeelemente in den Grund des Beschwerdeführers hineinragen würden. Dazu ist festzuhalten, dass von einer Gefährdung des Eigentums nur dann gesprochen werden kann, wenn dieses in seiner Substanz bedroht ist (vgl zB VwGH 29.01.2018, Ra 2017/04/0094). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt weiters die Auffassung, dass der Nachbar in gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nur den Schutz seines Eigentums vor der Vernichtung der Substanz, aber nicht jede Minderung des Verkehrswertes seines Eigentums geltend machen kann. Einer solcher Vernichtung der Substanz ist allerdings der Verlust deren Verwertbarkeit gleichzuhalten, der bereits dann anzunehmen ist, wenn die nach der Verkehrsauffassung übliche bestimmungsgemäße Sachnutzung oder Verwertung ausgeschlossen ist (vgl VwGH 27.08.2014, Ro 2014/05/0057 uva). Derartiges wird jedoch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf das Wenden von LKWs bzw das Hineinragen der Schiebeelemente nicht dargetan.

Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die Zulässigkeit der Erschließung des gegenständlichen Betriebsgrundstückes über den sogenannten „Adresse 2“, dies mit der Begründung, dass die Zufahrtsstraße zu schmal sei. In diesem Zusammenhang macht nun der Beschwerdeführer aber keine subjektiv-öffentlichen Rechte im Sinne des § 74 Abs 2 GewO 1994 geltend. Die Frage, ob eine öffentliche Straße als Zufahrtsstraße zum Betriebsgrundstück grundsätzlich geeignet ist, ist von der belangten Behörde von Amts wegen zu prüfen und steht dem Beschwerdeführer als Nachbar diesbezüglich kein Mitspracherecht zu.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen ins Treffen, dass die Zufahrt zum Betriebsgrundstück teilweise über das in seinem Miteigentum stehende Gst **3 KG Y-DD erfolge. Dies wird vom Vertreter der Konsenswerberin auch nicht in Abrede gestellt, jedoch darauf hingewiesen, dass er selbst Miteigentümer der Gste .**2 und **3 sei und diese Zufahrt schon seit Ende der 70er Jahre so benützt werde. Auch bei diesem Vorbringen des Beschwerdeführers handelt es sich nicht um ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 74 Abs 2 GewO. Vielmehr ist dieses Vorbringen ausschließlich dem Zivilrecht zuzuordnen.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rechtswidrigkeiten nicht vorliegen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Piccolroaz

(Richter)

 

Schlagworte

Nachbar
Nachbarrechte
Zufahrt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.40.2939.3

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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