TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/16 LVwG-3/912/1/5-2022

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Veröffentlicht am 16.03.2022
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Entscheidungsdatum

16.03.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L82005 Bauordnung Salzburg

Norm

VVG §5
BauPolG Slbg §20 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg erkennt durch den Richter Mag. Thomas Thaller über die Beschwerde von Frau AA, …, vertreten durch Rechtsanwalt AD, …, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 25.11.2021, Zahl xxxxx,

zu R e c h t:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 25.11.2021 verhängte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg (im Folgenden: belangte Behörde) über die Beschwerdeführerin gemäß § 5 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) eine Zwangsstrafe von € 550, da sie ihre Verpflichtung aus dem rechtskräftigen baupolizeilichen Auftragsbescheid vom 12.4.2013 (Vorschreibung, zu näher angeführten Baugebrechen im in ihrem Miteigentum stehenden Gebäude in der Stadt Salzburg, AE, ein Sanierungskonzept auszuarbeiten und der Behörde vorzulegen) nach Ablauf der im Zwangsstrafenbescheid vom 21.9.2020 gesetzten Nachfrist bisher nicht erfüllt habe.

Mit Schriftsatz ihres Rechtsvertreters vom 23.12.2021 brachte die Beschwerdeführerin dagegen eine fristgerechte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) ein. Sie begründete die Beschwerde zusammengefasst damit, dass der Bezug habende baupolizeiliche Auftrag nicht gerechtfertigt und zu unbestimmt sei und auch keine Erfüllungsfrist bestehe. Aus der von ihr in Auftrag gegebenen Beurteilung der Standsicherheit der Tramdecken über ihren Miteigentumsanteilen ergebe sich, dass die Baugebrechen ausschließlich die Decken im Verfügungsbereich der weiteren Miteigentümer betreffen. Sie habe aus diesem Grund auch gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 23.3.2021 eine Erkenntnisbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, die sie der Beschwerde anschließe. Sie beantrage die Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorzulegen, welches nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ihrer Beschwerde Folge geben und den Bescheid aufheben möge.

Nach Vorlage der Beschwerde samt Verwaltungsakt durch die belangte Behörde führte das Verwaltungsgericht in der Sache am 8.3.2022 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung unter Anwesenheit der Vertreter der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde durch. Der von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegte Bauverfahrensakt und der Vorakt des Verwaltungsgerichts zur Zahl 405-3/755/1-2021 (zur Beschwerde gegen den baupolizeilichen Auftragsbescheid der belangten Behörde vom 23.9.2020) wurden verlesen. Die anwesenden Vertreter der Beschwerdeführerin und der belangten Behörde legten ihre Standpunkte dar und verwiesen auf ihr bisheriges Vorbringen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin legte ergänzend eine Ausfertigung der zur Beschwerdeentscheidung zu Zahl 405-3/755/1/12-2021 erhobenen Erkenntnisbeschwerde an den VfGH vor.

Das Verwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist als Rechtsnachfolgerin der Verlassenschaft nach AF Miteigentümerin des Grundstückes yyy (EZ zz), KG Y, auf welchem das Gebäude AE errichtet ist. Sie weist Wohnungseigentum an im EG, im 1. OG und im 2. OG gelegenen Geschäftsräumen bzw. Büros auf (Geschäft 2, Büro 6 und Büro 7). Die Liegenschaft weist neben der Beschwerdeführerin noch drei weitere Miteigentümer nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) auf.

Mit rechtskräftigem Bescheid vom 12.4.2013 (ON 19 des erstinstanzlichen Verfahrensakts) erließ die belangte Behörde als Baubehörde nach Durchführung einer baupolizeilichen Überprüfung am 26.4.2012 an die Miteigentümer des Gebäudes (darunter auch an die Verlassenschaft nach AF als Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin) mehrere baupolizeiliche Aufträge (Spruchpunkte I. bis V.). In Spruchpunkt I. 1. erteilte die belangte Behörde den Miteigentümern gemäß § 20 Abs 3 Baupolizeigesetz (BauPolG) den baupolizeilichen Auftrag, zur näheren Feststellung über das Vorliegen und das Ausmaß von Baugebrechen an Bestandsdecken und tragenden Bauteilen der bei der baupolizeilichen Überprüfung am 26.4.2012 auf der angeführten Liegenschaft augenscheinlich festgestellten Schäden folgende Maßnahmen bis spätestens 1.6.2013 zu veranlassen und einen entsprechenden Befund sowie ein Sanierungskonzept eines hierzu befugten Bausachverständigen vorzulegen:

„Das gesamte statische Gefüge des Bestandsobjektes AE (Decken und Wände – insbesondere auch die Kaminanlagen) sind von einem hierzu befugten Bausachverständigen auf ihre Tragfähigkeit zu prüfen und ist das Ergebnis dieser Prüfung der Baubehörde vorzulegen. Zur Behebung statischer Mängel an Decken-und Wandkonstruktionen sowie auch an Kaminen ist von einem hierzu befugten Bausachverständigen ein Sanierungskonzept auszuarbeiten und der Behörde vorzulegen. Die Vorschreibung weiterer Instandsetzungsmaßnahmen aufgrund eines solchen Sanierungskonzeptes bleibt vorbehalten.“

Der erste Teil dieses baupolizeilichen Auftrages (Überprüfung des statischen Gefüges des Gebäudes auf die Tragfähigkeit durch einen hierzu befugten Bausachverständigen und Vorlage des Ergebnisses an die Baubehörde) wurde von den Verpflichteten zwischenzeitlich erfüllt. Die weiteren Miteigentümer des Objektes einerseits und die Beschwerdeführerin andererseits legten der belangten Behörde jeweils entsprechende Befunde ihrer (unterschiedlichen) Bausachverständigen vor (ON 35, ON 36 bzw. ON 48), in der die statischen Mängel im Bereich der Decken des Gebäudes aufgelistet wurden. Es wurden vor allem statische Mängel im Bereich der Decken über den 2., 3., 4. und 5. Obergeschoßen festgestellt. So liegt insb. auch die Decke über dem 2. Obergeschoß betreffend die im Verfügungsbereich der Beschwerdeführerin befindlichen Räume auf der AEseite infolge der Verformung in einem nicht mehr standsicheren Bereich.

Aufgrund der Feststellungen im von der Beschwerdeführerin vorgelegten statischen Befund verfügte die belangte Behörde mit Bescheid vom 2.1.2020 (ON 54) für die beiden AEseitigen Büroräume im 2. OG (Bereich der Beschwerdeführerin) gemäß § 20 Abs 4 BauPolG als Sicherungsmaßnahme ein sofortiges Betretungsverbot. Dieser Bescheid wurde nicht bekämpft.

Die weiteren Miteigentümer legten aufbauend auf den durch ihren Bausachverständigen festgestellten Baugebrechen ein durch ihren Sachverständigen erstelltes Sanierungskonzept vom 26.2.2019 (ON 57) der belangten Behörde vor. Dieses sieht konkrete Sanierungsmaßnahmen (Einbau zusätzlicher Träme) zur Verstärkung der Tragfähigkeit der Decken im 3. OG bis 5. OG des Gebäudes vor, nimmt aber die Decken über dem Verfügungsbereich der Beschwerdeführerin im 2. OG auf der AEseite ausdrücklich aus.

Mit Bescheid vom 23.9.2020 (ON 64) verfügte die belangte Behörde gegenüber sämtlichen Miteigentümern (darunter auch der Beschwerdeführerin) gemäß § 20 Abs 4 BauPolG die Umsetzung der im Sanierungskonzept des Bausachverständigen der weiteren Miteigentümer vom 26.2.2019 (ON 57) angeführten Sanierungsmaßnahmen bis längstens 1.10.2021. Dieser Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin mit Bescheidbeschwerde an das Verwaltungsgericht bekämpft. Das Verwaltungsgericht wies diese Beschwerde mit Erkenntnis vom 23.3.2021, Zahl 405-3/755/1/12-2021, als unbegründet ab. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin eine Erkenntnisbeschwerde an den Verfassungsgerichtshof, über die noch nicht entschieden ist.

Mit Bescheid vom 21.9.2020 (ON 62) verhängte die belangte Behörde in Punkt I. über die Beschwerdeführerin gemäß § 5 VVG eine (erste) Zwangsstrafe, da sie ihre Verpflichtung aus Spruchteil I.1. des baupolizeilichen Auftragsbescheides vom 12.4.2013, ein Sanierungskonzept zur Behebung der angeführten statischen Mängel auszuarbeiten und der Behörde vorzulegen, bisher nicht erfüllt habe. In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 25.3.2020 (zugestellt am 31.3.2020) für die in ihrem Eigentum stehenden Bereiche gemäß § 5 VVG eine Zwangsstrafe angedroht und für die Erbringung der fehlenden Unterlagen eine Frist von 8 Wochen ab Zustellung festgelegt worden sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin in Punkt II. für die Erbringung der Leistung eine neue Frist von 8 Wochen ab Zustellung gesetzt und für den Fall, dass diese Frist ergebnislos verstreicht, eine weitere Zwangsstrafe angedroht. Der erste Zwangsstrafenbescheid vom 21.9.2020 wurde nicht bekämpft.

Mit dem nunmehr angefochtenen (zweiten) Zwangsstrafenbescheid vom 25.11.2021 verhängte die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführerin die im (ersten) Zwangsstrafenbescheid vom 21.9.2020 angedrohte Zwangsstrafe.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und maßgeblichen Sachverhalt stützen sich auf den von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegten unbedenklichen Bauverfahrensakt, der in der Beschwerdeverhandlung verlesen wurde, auf den ebenfalls verlesenen Vorakt des Verwaltungsgerichtes betreffend das Beschwerdeverfahren gegen den baupolizeilichen Auftragsbescheid zur Umsetzung des Sanierungskonzeptes vom 23.9.2020, auf das Ergebnis der Beschwerdeverhandlung vom 8.3.2022 und die Einsicht in das Grundbuch.

Außer Streit steht, dass der Titelbescheid vom 12.4.2013, der baupolizeiliche Auftragsbescheid an die Beschwerdeführerin vom 2.1.2020 mit dem Betretungsverbot, sowie der an sie ergangene erste Zwangsstrafenbescheid vom 21.9.2020 nicht bekämpft wurden. Aus dem von der Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorgelegten statischen Befund ihres Bausachverständigen (ON 48) ergibt sich, dass die Decke über dem 2. OG (über ihren Räumlichkeiten auf der AEseite) in einem nicht mehr standsicheren Bereich liegt, weshalb die belangte Behörde mit Bescheid vom 2.1.2020 auch das Betretungsverbot dieser Räume verfügte. Das Beschwerdevorbringen, wonach die festgestellten Baugebrechen an den Bestandsdecken und tragenden Bauteilen ausschließlich die Decken im Verfügungsbereich der weiteren Miteigentümer betreffen, ist dadurch widerlegt.

Rechtliche Beurteilung:

Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist die Beschwerde gegen die Verhängung einer Zwangsstrafe zur Vollstreckung eines rechtskräftigen baupolizeilichen Auftragsbescheides. Die Verhängung der Zwangsstrafe ist eine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs 2 VVG (VwGH 30.3.2016, Ra 2016/09/0022).

Im Beschwerdeverfahren gegen eine Vollstreckungsverfügung ist es dem Verwaltungsgericht verwehrt, die Frage der Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Bescheides (des Titelbescheides) aufzurollen (vgl. VwGH 13.11.2011, 2010/07/0022, mwN) und ist es auch nicht berechtigt, im Wege einer „nachfolgenden Kontrolle“ Rechtswidrigkeiten in vollstreckbaren Bescheiden durch teilweisen Nichtvollzug zu beseitigen (VwGH 26.9.2017, Fe 2016/05/0001). Es hat daher nicht zu prüfen, ob die im rechtskräftigen Titelbescheid vom 12.4.2013 den Miteigentümern des Gebäudes gemäß § 20 Abs 3 BauPolG aufgetragene zusätzliche Verpflichtung, zu den festzustellenden Baugebrechen im Bereich der Decken, Wände und Kamine auch ein „Sanierungskonzept“ ausarbeiten zu lassen und der Baubehörde vorzulegen, zurecht (vgl. Giese, Salzburger Baurecht², BauPolG § 20, Rz 7; VwSlg 6428 A/1964) erging.

Während nach der bis zum Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 33, geltenden Rechtslage die Gründe für eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung auf den Rahmen des § 10 Abs 2 VVG idF vor Inkrafttreten dieser Novelle beschränkt waren, ist im VVG in der gegenständlich anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 33/2013 in Bezug auf Vollstreckungsverfügungen keine Beschränkung der Beschwerdegründe normiert. Soweit sich eine gegen die Vollstreckungsverfügung erhobene Beschwerde auf Gründe stützt, die inhaltlich Berufungsgründe im Sinne von § 10 Abs 2 VVG aF darstellen, kann aber auf die zu dieser Gesetzesbestimmung ergangene bisherige VwGH -Judikatur zurückgegriffen werden (wiederum VwGH 26.9.2017, Fe 2016/05/0001, mwN).

Die Vollstreckung mittels Zwangsstrafen gemäß § 5 Abs 1 VVG dient zur Durchsetzung einer Duldung oder Unterlassung oder einer Handlung, die wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit sich durch Dritte nicht bewerkstelligen lässt (unvertretbare Handlung). Eine zur Durchsetzung einer vertretbaren Handlung, die mittels Ersatzvornahme nach § 4 VVG durchzusetzen ist, verhängte Zwangsstrafe ist dagegen ein dafür vom Gesetz nicht zugelassenes Exekutionsmittel (VwGH 3.12.1985, 85/05/0152).

Das Verwaltungsgericht kann im vorliegenden Sachverhalt nicht erkennen, dass es sich bei der im Titelbescheid geforderten Leistung (Ausarbeitung und Vorlage eines Sanierungskonzeptes) um eine unvertretbare Handlung iSd § 5 Abs 1 VVG handelt. Anders als etwa bei einem baubehördlichen Auftrag zur Errichtung eines Hauskanales, der auch einen Antrag auf Erteilung der Bewilligung erfordert, welcher nicht durch Ersatzvornahme vollzogen werden kann (vgl. VwGH 29.11.2005, 2003/06/0202), kann die vorliegend aufgetragene Handlung (Ausarbeitung eines Sanierungskonzeptes) grundsätzlich auch durch einen Dritten (einen hierzu befugten Bautechniker) vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.6.1980, 0538/80). Es macht dabei auch keinen Unterschied, ob die Handlung nur einer einzelnen Person oder mehreren Personen als Miteigentümergemeinschaft (wie im vorliegenden Sachverhalt) aufgetragen wurde.

Es handelt sich bei der gegenständlich aufgetragenen Leistung somit um eine vertretbare Handlung, die mittels Ersatzvornahme nach § 4 VVG durchzusetzen ist. Die Durchsetzung dieser Leistung mittels Verhängung einer Zwangsstrafe gemäß § 5 Abs 1 VVG ist nach der angeführten höchstgerichtlichen Judikatur daher rechtswidrig, sodass der Beschwerde im Ergebnis stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe die oben angeführte VwGH Judikatur) und stützt sich auf eine schlüssige Beweiswürdigung und eine eindeutige Rechtslage (vgl. Ro 2014/07/0053, Ra 2016/06/0137 mwN).

 

Schlagworte

BauPolG, VVG, Vollstreckung eines baupolizeilichen Auftrags

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2022:LVwG.3.912.1.5.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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