TE Vfgh Erkenntnis 1994/9/27 B2115/93

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

Tir GVG 1983 §6 Abs1 litc

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Rechtserwerbs aufgrund der Annahme mangelnder Selbstbewirtschaftung; verfassungsrechtlich unbedenkliche Bewertung der landwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks aufgrund der auf einem erheblichen Grundstücksteil erfolgten Heuernte

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das beschwerdeführende Ehepaar erwarb mit Kaufvertrag vom 29. Juni 1988 (Ergänzung vom 25. Jänner 1990) je zur Hälfte zwei Grundstücke im Ausmaß von insgesamt ca. 3 ha. in Seefeld.

Diesem Rechtserwerb versagte die Grundverkehrsbehörde Seefeld mit Bescheid vom 23. November 1992 gemäß §4 Abs1 und §6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), ihre Zustimmung.

2. Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 28. September 1993 abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß jedenfalls eine 7.100 m2 große Teilfläche der vom Kaufvertrag umfaßten Grundstücke bisher landwirtschaftlich genutzt worden sei, da sie "von mehreren Personen zur Heugewinnung (Pferdefutter) gemäht (wurde), seit dem letzten Jahr erfolgt diese Nutzung nunmehr durch den Zweitberufungswerber." Daher sei diese als landwirtschaftliches Grundstück iS des §1 Abs1 Z1 leg.cit. zu qualifizieren. Dazu führt die belangte Behörde weiter aus:

   "Soweit die Berufungswerber eine (bisherige)

landwirtschaftliche Nutzung im weiteren Verfahren bestreiten, ist

dieses Vorbringen als reine Schutzbehauptung zu qualifizieren,

zumal die Berufungswerber in der mündlichen Berufungsverhandlung

selbst anführen, daß 'schon der Eigentümer immer erst einen

Bauern habe finden müssen, der die Bewirtschaftung vorgenommen

habe' (...). Nichts zu gewinnen ist auch mit dem Hinweis und der

hiezu beigebrachten Bestätigung des Landwirtes ... auf die

schlechte Bodenbeschaffenheit, welche eine landwirtschaftliche

Nutzung unrentabel mache, da dieser Umstand - dem Sinne des GVG

entsprechend - der gegenständlichen Teilfläche den Charakter

eines landwirtschaftlichen Grundstückes nicht abzusprechen

vermag. ... Nichts zu gewinnen ist schließlich mit dem

beigebrachten Gutachten des Ing. ... betreffend eine

naturschutzfachliche Einschätzung der gegenständlichen Grundstücke, ..."

Es sei keine entsprechende Selbstbewirtschaftung der Grundstücke auf Betriebsbasis durch die Käufer gewährleistet, verfügten doch diese weder über einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb noch eine entsprechende Eigengrundausstattung und vermöchten die gekauften Grundstücke für sich allein keinesfalls die Basis für einen selbständig lebensfähigen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb abzugeben. Damit sei der Versagungstatbestand des §6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, GVG 1983 erfüllt.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

Dies wird damit begründet, die belangte Behörde habe in wesentlichen Punkten keine Ermittlungstätigkeit vorgenommen, das Parteiengehör verletzt und ihren Bescheid unzureichend begründet. Die Verkäuferin habe nämlich bestätigt, daß die seit 1951 bzw. 1973 in ihrem Eigentum stehende Teilfläche nie einer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung gedient habe, sondern bloß als Erholungsfläche für Pensionsgäste ohne jegliche landwirtschaftliche Intention gepflegt worden sei und die daraus erzielten Produkte keinem landwirtschaftlichen Betrieb gedient hätten. Aus der Feststellung, das geschnittene Gras sei an Pferde verfüttert worden, könne noch nicht die tatsächliche Verwendung für einen landwirtschaftlichen Betrieb angenommen werden. "Wenn ein Pferd Heu frißt, bedeutet dies nicht zwangsläufig eine landwirtschaftliche Nutzung signifikanter Art, da gerade in Seefeld zahlreiche Fiakergewerbe bestehen und ein Gewerbe nicht zwingend einem landwirtschaftlichen Betrieb gleichzusetzen ist" heißt es in der Beschwerde weiter. Weiters sei die tatsächliche Bewirtschaftungsmöglichkeit und -zulässigkeit gemäß dem Tiroler Naturschutzgesetz umstritten bzw. von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden.

4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung als nunmehr (s. §28 iVm. §40 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993) belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof

hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften trägt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden (vgl. zu §1 Abs1 Z1 GVG 1983 VfSlg. 11435/1987, 11952/1989, 12516/1990; zu §6 Abs1 litc GVG 1983 VfSlg. 11413/1987, 11790/1988, 12985/1992).

Die Beschwerdeführer wurden deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 8428/1978, 9127/1981) nur vorliegen, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere iVm. einem Ignorieren des Parteivorbringens oder einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980, 10338/1985, 12985/1992).

2.2. All das ist hier nicht der Fall:

Daß die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte, wird von den Beschwerdeführern selbst nicht behauptet. Auch der Verfassungsgerichtshof vermag solches nicht zu erkennen.

Der Beschwerdevorwurf aber, die belangte Behörde habe Willkür geübt, ist nicht begründet, ist der Erlassung des angefochtenen Bescheides doch ein aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen und kann sich dieser Bescheid gleicherweise verfassungsrechtlich unbedenklich auf den Akteninhalt und den ermittelten Sachverhalt stützen. Über Sachverhalt und Akteninhalt bestehen zwischen belangter Behörde und der Auffassung der Beschwerdeführer auch nur insoferne Divergenzen, als die Beschwerdeführer noch weitere Beweise zu dem ohnehin feststehenden Sachverhalt erheben lassen wollten. So wird letztlich bloß die rechtliche Würdigung des gesamten Sachverhaltes in Frage gestellt. Daß dieses Ergebnis aus der Sicht der Beschwerdeführer unbefriedigend sein mag, indiziert jedoch nicht ein willkürliches Verhalten der belangten Behörde. Denn nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist es wesentlich, ob die Grundstücke tatsächlich in einer für Land- oder Forstwirte signifikanten Art wirtschaftlich genutzt werden (vgl. zB VfSlg. 11435/1987, 12770/1991, 12986/1992). Aus verfassungsrechtlicher Sicht erscheinen jedenfalls die Feststellungen des angefochtenen Bescheides unbedenklich, daß die auf einem erheblichen Teil der Grundfläche erfolgte Heuernte als landwirtschaftliche Nutzung iS des GVG 1983 zu werten ist.

Daß die Käufer die Grundstücke iS des §6 Abs1 litc GVG 1983 im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaften werden, wird nicht einmal in der vorliegenden Beschwerde vorgebracht.

2.3. Die Beschwerdeführer wurden somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären.

4. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B2115.1993

Dokumentnummer

JFT_10059073_93B02115_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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