TE Vfgh Erkenntnis 1994/9/27 B1243/93

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art11 Abs2
StGG Art5
Nö JagdG 1974 §14 Abs3
Nö JagdG 1974 §16
AVG §68

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Aufhebung eines Vorpachtrechts mangels Vorliegen eines Jagdeinschlusses; keine Bedenken gegen die im Nö JagdG 1974 vorgesehene Möglichkeit der Aufhebung eines rechtskräftig zuerkannten Vorpachtrechts im Falle eines Irrtums oder Versehens der Behörde; keine Beeinträchtigung des Vertrauensschutzes

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs anerkannte mit Bescheid vom 7. Dezember 1983 (welcher die Jagdgebietsfeststellungen in einem Teil der Gemeinde St. Anton für die Jagdperiode 1984 bis 1992 betraf) ua. Grundstücke der Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers als Eigenjagdgebiet und erkannte ihr das Vorpachtrecht an bestimmten Grundstücken der KG Angern im Gesamtausmaß von 108,4795 ha (Jagdeinschluß "Eiben") zu. Mit dem die darauffolgende Jagdperiode (1993 bis 2001) betreffenden Bescheid vom 14. Dezember 1992 anerkannte die Bezirkshauptmannschaft wiederum das Eigenjagdgebiet des Beschwerdeführers, hob aber unter einem das erwähnte Vorpachtrecht unter Berufung auf §14 iVm §16 des NÖ Jagdgesetzes 1974 auf. Die Bezirkshauptmannschaft begründete die Aufhebung damit, daß die Grundfläche nicht zur Gänze von Eigenjagdgebieten umschlossen sei; sie grenze in einer Länge von ca. 1.100 m an die Große Erlauf, nämlich an die zum Genossenschaftsjagdgebiet gehörige Parzelle 4212 KG Angern im Ausmaß von 7,3239 ha. Im übrigen setze die Zuerkennung eines Vorpachtrechtes voraus, daß sämtliche den Jagdeinschluß bildenden Grundstücke vom Antrag erfaßt seien; im diesbezüglichen Antrag des Beschwerdeführers sei das Grundstück 4212 (Große Erlauf) jedoch nicht angeführt.

2. Gegen diesen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er sich gegen die Aufhebung des Vorpachtrechtes wendete. Die NÖ Landesregierung wies sein Rechtsmittel mit dem (auch die Berufungen anderer Rechtsmittelwerber erledigenden) Bescheid vom 17. Mai 1993 ab. Sie rechnete dem Flächenausmaß des bisherigen Jagdeinschlusses "Eiben" die Grundfläche der angrenzenden Parzelle 4212 hinzu und gelangte auf diese Weise zu einem Gesamtausmaß von 115,8036 ha; auf dem Boden dieser Ermittlung verneinte sie das Vorliegen eines Jagdeinschlusses nach §14 Abs3 NÖ JagdG 1974, weil der betreffende Teil des Genossenschaftsjagdgebietes 115 ha übersteige. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Vorpachtrechtes gemäß §16 lägen vor, weil die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs in den vorangegangenen Jagdperioden von der unrichtigen Annahme eines Flächenausmaßes von (bloß) 108,4795 ha ausgegangen sei.

3. Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Beschwerdeführer eine Verletzung des Gleichheitsrechtes und des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums sowie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung des von ihm als verfassungswidrig angesehenen §16 NÖ JagdG 1974 geltend macht; er begehrt die Bescheidaufhebung und - hilfsweise - die Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof.

Die NÖ Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Auch die beteiligte Jagdgenossenschaft begehrte in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

II. Die Beschwerde ist nicht

gerechtfertigt. Es liegt weder die geltend gemachte noch eine sonstige Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte vor noch hat eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm stattgefunden.

1.a) Gemäß §16 NÖ JagdG 1974, LGBl. 6500-9, bleiben (ua.) die nach Maßgabe der Bestimmungen des §14 getroffenen Verfügungen, mithin auch die Zuerkennung von Vorpachtrechten, solange aufrecht, bis sie von der Bezirksverwaltungsbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Der zweite Satz dieses Paragraphen bestimmt folgendes: "Die Aufhebung oder Abänderung erfolgt nach Anhörung der Jagdgenossenschaften oder Eigenjagdberechtigten über Antrag mindestens eines der Beteiligten oder von Amts wegen dann, wenn die Voraussetzungen für die Vereinigung, Zerlegung oder Abrundung der Jagdgebiete oder der Zuerkennung von Vorpachtrechten weggefallen sind oder sich geändert haben, oder nach neueren jagdwissenschaftlichen Erkenntnissen anders zu beurteilen oder wenn diese Verfügungen durch einen offenbaren Irrtum oder ein Versehen der Behörde zustande gekommen sind." Der Beschwerdeführer kritisiert diese Regelung insoweit als verfassungswidrig, als sie im Fall eines "offenbaren Irrtum(s) oder Versehen(s) der Behörde" die Aufhebung eines rechtskräftig zuerkannten Vorpachtrechtes vorsieht. Es liege eine nicht erforderliche Abweichung von §68 AVG und damit ein Widerspruch zu Art11 Abs2 B-VG sowie überdies ein verfassungswidriger Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes vor.

Mit diesen Vorwürfen übergeht der Beschwerdeführer jedoch geradezu das der Bildung von Jagdgebieten zugrundeliegende System. Während die Jagdgebietsfeststellung nur für die (neun Jahre dauernde) Jagdperiode gilt, gelten andere Gebietsfestlegungen, so auch die Verfügung über die Zuerkennung eines Vorpachtrechtes, so lange bis sie von der Jagdbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Wenn der kritisierte §16 NÖ JagdG 1974 eine solche Aufhebung oder Abänderung wegen eines offenbaren Irrtums oder Versehens der Behörde zuläßt, so wird dadurch bloß ein weiterer Fall der Jagdgebietsänderung geschaffen, der sich bloß formal als Eingriff in die Rechtskraft eines in Wahrheit nicht auf Dauer angelegten Bescheides darstellt (und zu den Fällen des Wegfalls oder der Änderung der Voraussetzungen sowie dem einer anderen Beurteilung aufgrund neuer jagdwissenschaftlicher Erkenntnisse hinzutritt). Aus diesem Grund ist es überhaupt zweifelhaft, ob der Gesetzgeber eine dem §68 AVG vergleichbare Eingriffsmöglichkeit in die Rechtskraft eines Bescheides geschaffen hat. Selbst wenn man dies aber - im Sinne des Beschwerdevorwurfs - annehmen wollte, läge ein Verstoß gegen Art11 Abs2 B-VG nicht vor, weil es §68 Abs6 AVG dem Materiengesetzgeber freistellt, weitere Durchbrechungen der Rechtskraft vorzusehen (VfSlg. 4986/1965 S. 256 sowie Ringhofer, Verwaltungsverfahren I S. 667, Anm. 35 zu §68 AVG). Von einer Beeinträchtigung des Vertrauensschutzes - im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (vgl. dazu zum rückwirkenden Eingriff in Rechtspositionen durch den Gesetzgeber VfSlg. 12688/1991 oder VfSlg. 13020/1992) - kann im Hinblick auf den geschilderten Gesamtzusammenhang und unter Bedachtnahme auf den Umstand nicht die Rede sein, daß es sich voraussetzungsgemäß um eine rechtswidrige Verfügung handelt.

b) Der Beschwerdeführer behauptet überdies eine denkunmögliche Handhabung des §16 NÖ JagdG 1974 und begründet diesen Vorwurf im wesentlichen damit, daß die Wortfolge "durch einen offenbaren Irrtum oder ein Versehen der Behörde" weitgehend mit §62 Abs4 AVG übereinstimme, demzufolge jedoch ein offenbares Versehen nur dann vorliege, wenn dieses für die Partei klar erkennbar sei.

Wie schon der vom Beschwerdeführer im Rahmen seiner Argumentation für erforderlich gehaltene Vergleich mit §62 Abs4 AVG zeigt, handelt es sich bei der von ihm aufgeworfenen Frage bloß um eine solche der richtigen Handhabung einfachgesetzlicher Vorschriften; ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler der Behörde wird dadurch nicht aufgezeigt.

2. Eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte leitet der Beschwerdeführer auch daraus ab, daß die belangte Behörde es in Ansehung des Grundstücks 4212 unterlassen habe, §15 Abs3 NÖ JagdG 1974 anzuwenden, demzufolge Grundflächen gemäß §9 Abs3 (darunter natürliche Wasserläufe), die ein Eigenjagdgebiet durchschneiden oder zwischen Eigenjagdgebieten liegen, von Amts wegen nach jagdfachlicher Zweckmäßigkeit zugunsten der Eigenjagdgebiete abzurunden sind.

Dem hält die belangte Behörde entgegen, daß für die Beurteilung des Vorliegens eines Jagdeinschlusses - der vorhin erwähnte - §14 Abs3 ohne Rücksicht darauf maßgebend sei, ob die Voraussetzungen für eine amtswegige Abrundung gegeben sind.

Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß diese Meinungsverschiedenheit zwischen den Prozeßparteien lediglich eine Frage der richtigen Gesetzesauslegung betrifft; im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut und die Systematik des NÖ JagdG 1974 ist - wenn überhaupt - jedenfalls kein in die Verfassungssphäre reichender Gesetzesverstoß erkennbar.

3. Die nicht berechtigte Beschwerde war sohin abzuweisen und antragsgemäß nach Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

III. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Jagdrecht, Jagdgebiete, Vorpachtrechte (Jagdrecht), Bescheid Rechtskraft, Rechtskraft Bescheid, Verwaltungsverfahren, Abänderung und Behebung von amtswegen, Kompetenz Bund - Länder, Bedarfskompetenz, Kompetenz Bund - Länder Jagdwesen, Vertrauensschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1243.1993

Dokumentnummer

JFT_10059073_93B01243_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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