TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/12 LVwG 30.27-1599/2020

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Veröffentlicht am 12.08.2020
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Entscheidungsdatum

12.08.2020

Index

90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

KFG 1967 §43 Abs4 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch den Richter Dr. Marschall über die Beschwerde des Mag. AB, geb. am ****, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 09.06.2020, GZ: VStV/919302251837/2019,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.   Gemäß § 50 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde

s t a t t g e g e b e n ,

das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.

II.  Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 07.02.2020, GZ: VK-6375-2019, wurde der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ermahnt (§ 45 Abs 1 VStG), weil diesem zur Last gelegt wurde, er habe als Zulassungsbesitzer das Fahrzeug PKW, Kennzeichen ****, bei der Behörde nicht abgemeldet, obwohl er den dauernden Standort des Fahrzeuges von Reutte nach Salzburg und anschließend nach Graz und somit in den örtlichen Wirkungsbereich einer anderen Behörde verlegt habe. Dadurch habe er die Rechtsvorschriften des § 43 Abs 4 lit b und § 134 Abs 1 Kraftfahrgesetz 1967 (KFG) verletzt. Als Tatzeit wurde der 30.01.2018 angegeben. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 11.02.2020 zugestellt und ist in Rechtskraft erwachsen.

2. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 09.06.2020, GZ: VStV/919302251837/2019, wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 13.11.2019 (Zeitpunkt der Feststellung) in G, P (Ort der Feststellung), als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges PKW, Kennzeichen ****, nicht dafür Sorge getragen, dass die Vorschriften des Kraftfahrgesetzes eingehalten werden, indem er es unterlassen habe, das Fahrzeug zumindest bis zum 13.11.2019 abzumelden, obwohl der dauernde Standort des Fahrzeuges am 30.01.2018 von Reutte nach Salzburg und in weiterer Folge am 20.07.2019 nach Graz und somit in den Bereich der Landespolizeidirektion Steiermark verlegt wurde. Dadurch habe er die Rechtsvorschrift des § 43 Abs 4 lit b KFG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 200,00 gemäß § 134 Abs 1 KFG, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitstrafe von einem Tag und 16 Stunden, verhängt wurde.

3. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, fristgerecht erhobene Beschwerde vom 07.07.2020, in der der Beschwerdeführer mit näherer Begründung die Behebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

II. Beweiswürdigung:

Die getroffenen und insoweit unstrittigen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt der Landespolizeidirektion Steiermark sowie der Auskunft der Bezirkshauptmannschaft Reutte zu Zustellung und Rechtskraft.

III. Rechtsgrundlagen:

1. Die hier maßgebliche Bestimmung des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) lautet:

"§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

[…]

3.       Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

[…]"

2. Die hier maßgebliche Bestimmung des Protokolls Nr. 7 der Europäischen Menschenrechtskonvention (7. ZPEMRK) lautet:

"Artikel 4 - Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden

1. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

[…]"

IV. Rechtliche Beurteilung:

1. Die Beschwerde ist fristgerecht, entspricht den Form- und Inhaltserfordernissen des § 9 Abs 1 VwGVG und ist daher zulässig. Sie ist auch begründet:

2. Art 4 Abs 1 7. ZPEMRK bestimmt, dass niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf. Art 4 Abs 1 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung – Freispruch oder Verurteilung – ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, das heißt wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (vgl. etwa VwGH 10.01.2017, Ra 2016/02/0230).

3. Das ordentliche Verwaltungsstrafverfahren kann durch Erlassung des Bescheides, mit dem der Beschuldigte unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ermahnt wird, abgeschlossen werden; der Ermahnungsbescheid ergeht "im Verwaltungsstrafverfahren" (VwGH 08.02.1988, 87/10/0188), beinhaltet notwendigerweise einen Schuldspruch und unterliegt denselben Vorschriften wie Straferkenntnisse.

4. Bei Dauerdelikten wird der Tatbestand durch die Herbeiführung und Aufrechterhaltung eines bestimmten Zustandes erfüllt. Die Tat wird so lange begangen, als der verpönte Zustand dauert. Wie etwa das Unterlassen einer polizeilichen Meldung (VwGH 29.09.2000, 98/02/0449), gehört auch das Unterlassen der Abmeldung eines KFZ gemäß § 43 Abs 4 lit b KFG zu den Dauerdelikten.

5. Bei einem Dauerdelikt sind Anfang und Ende des strafbaren Verhaltens im Spruch des Bescheides anzuführen. Wurde allerdings bei einem Straferkenntnis, das über ein Dauerdelikt abspricht, der Tatzeitraum nicht ausdrücklich anders umschrieben, erfasst das Straferkenntnis die Begehung der Tat bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides. Einer neuerlichen Verfolgung wegen desselben Dauerdelikts für die Zeit bis zur Erlassung des Straferkenntnisses durch die Behörde erster Instanz kann mit Erfolg diese bereits vorgenommene verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung entgegenhalten werden. Gegen den Täter darf wegen desselben Delikts für den Zeitraum bis zur Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz nicht neuerlich eine Strafe verhängt werden (VwGH 31.05.2008, 2007/02/0165).

6. Mit Zustellung an den Beschwerdeführer wurde der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 07.02.2020, GZ: VK-6375-2019, diesem gegenüber rechtskräftig (vgl. VwGH 13.09.2016, Ro 2015/03/0045). Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 07.02.2020, GZ: VK-6375-2019, ist damit das gesamte deliktische Verhalten bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids (Zustellung am 11.02.2020) abgegolten, weil der Tatzeitraum nicht ausdrücklich anders umschrieben wurde und das Tatende offengelassen wurde.

7. Das gegenständliche angefochtene Straferkenntnis nennt als Zeitpunkt der Feststellung den 13.11.2019 und bezieht sich insofern auf denselben Sachverhalt, wie das durch Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 07.02.2020 rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren, weil dieses über den Beschwerdeführer wegen derselben Tathandlung zur selben Tatzeit (Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids der Bezirkshauptmannschaft Reutte mit Übernahme am 11.02.2020, Zeitpunkt der Feststellung des Bescheids Landespolizeidirektion Steiermark am 13.11.2019) eine Verwaltungsstrafe verhängte.

8. Da das angefochtene Straferkenntnis somit dieselbe strafbare Handlung im Sinne des Art 4 Abs 1 7. ZPEMRK betrifft (vgl. etwa VwGH 10.01.2017, Ra 2016/02/0230, mwN), würde eine weitere verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung nach rechtskräftig beendetem Strafverfahren eine – unzulässige – Verletzung des Art 4 Abs 1 7. ZPEMRK darstellen.

9. Die mit Erlassung des Bescheids der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 07.02.2020, GZ: VK-6375-2019, rechtskräftige Ermahnung des Beschwerdeführers entfaltet daher bis zum Zeitpunkt der Erlassung Sperrwirkung für das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren und verhindert die weitere verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung.

10. Der Beschwerde war daher Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen, weil die Verfolgung auf Grund des Doppelbestrafungsverbots des Art 4 Abs 1 7. ZPEMRK ausgeschlossen ist (vgl. Kneihs in Raschauer/Wessely, VStG2 § 45 Rz 7; Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 45 Rz 3).

Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

11. Da das angefochtene Straferkenntnis bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben ist, konnte gemäß § 44 Abs 2 VwGVG eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen.

V. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Unterlassen der Abmeldung eines KFZ, Dauerdelikt, Abmeldung KFZ

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2020:LVwG.30.27.1599.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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