RS Vfgh 2022/3/2 WI6/2021

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Veröffentlicht am 02.03.2022
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Index

L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art26a Abs1
B-VG Art141 Abs1 lita
Oö KommunalwahlO §18, §19, §20, §25
Oö LandtagswahlO §22
ParteienG 2012 §2
VfGG §7 Abs1, §67 Abs2

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung der Wahlen zum Gemeinderat der Oberösterreichischen Stadtgemeinde Eferding; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Verknüpfung der Einbringung eines Wahlvorschlags an die Übermittlung des Wählerverzeichnisses zum Zweck der Wahlwerbung; Recht auf Einsichtnahme in das Wählerverzeichnis dient der Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit desselben; kein Recht auf unbeschränkte Einsicht in das gesamte Wählerverzeichnis zur Erlangung der Daten wahlberechtiger Personen

Rechtssatz

Der Begriff der "wahlwerbenden Partei" in einer Wahlordnung ist im verfassungsrechtlichen Sinn zu verstehen (vgl VfSlg 13004/1992), sofern der jeweils konkreten Bestimmung der Wahlordnung nicht eindeutig ein anderes Verständnis zugrunde liegt und ist von der "politischen Partei" zu unterscheiden. Dieser Begriff setzt daher die Einbringung eines Wahlvorschlags nach den dafür in der Wahlordnung vorgesehenen Bestimmungen voraus, die insofern konkretisieren, ab wann eine wahlwerbende Partei vorliegt bzw ab wann einer solchen Partei die ihr in der Wahlordnung eingeräumten Rechte zustehen.

§18 Abs3 Oö KWO sieht eine Übermittlung des Wählerverzeichnisses nur an die "wahlwerbenden Parteien" vor. Zwar wird dieser Begriff in mehreren Bestimmungen dieses Gesetzes verwendet, eine Begriffsdefinition sehen jedoch weder die Oö KWO noch ein anderes Landesgesetz vor.

Die Übermittlung des Wählerverzeichnisses an eine "wahlwerbende Partei" iSd §18 Abs3 Oö KWO setzt voraus, dass im Namen dieser Partei bereits ein Wahlvorschlag gemäß §25 ff Oö KWO eingebracht worden ist. Die anfechtungswerbende Partei hat ihren Wahlvorschlag am 06.08.2021 eingebracht. Dass die Gemeindewahlbehörde dem Antrag der anfechtungswerbenden Partei auf Ausfolgung des Wählerverzeichnisses vom 08.07.2021 keine Folge gegeben hat, erweist sich damit als rechtmäßig.

Aus den Bestimmungen zum Wählerverzeichnis nach §§18 ff Oö KWO ist ersichtlich, dass die Auflage des Wählerverzeichnisses zur öffentlichen Einsicht nach §19 Abs1 Oö KWO ausschließlich der Richtigkeit und Vollständigkeit des Wählerverzeichnisses hinsichtlich der Erfassung aller tatsächlich wahlberechtigten Personen dient. Die Möglichkeit zur Einsichtnahme ist nämlich eine notwendige Voraussetzung für die zweckdienliche Wahrnehmung des Rechts, einen Berichtigungsantrag nach §20 ff Oö KWO zu stellen, und insofern (auch im Hinblick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben) zweckgebunden. Eine Verletzung des §19 Abs1 Oö KWO könnte daher - unabhängig davon, dass für Berichtigungsanträge ein eigenes Rechtsschutzverfahren nach Art141 Abs1 liti bzw litj B-VG besteht - eine Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens nur begründen, wenn die Wahlbehörde die öffentliche Auflage unterlassen oder eine begehrte Einsichtnahme zum Zweck der Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Wählerverzeichnisses nicht gewährt hätte. Ein von diesem Zweck losgelöstes Recht auf unbeschränkte Einsicht in das gesamte Wählerverzeichnis - etwa um die Daten wahlberechtigter Personen zum Sammeln von Unterstützungserklärungen für einen Wahlvorschlag zu erhalten - räumt §19 Abs1 Oö KWO jedoch - entgegen dem entsprechenden Hinweis in der Gegenschrift der Gemeindewahlbehörde - nicht ein.

Dass in diesem Sinn eine Einsichtnahme zum Zweck der Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Wählerverzeichnisses im vorliegenden Fall nicht möglich gewesen oder nicht gewährt worden wäre, hat die anfechtungswerbende Partei weder im Allgemeinen noch in Bezug auf die Einsichtnahme durch ihren Zustellungsbevollmächtigten am 27.07.2021 behauptet. Vielmehr sollte diese Einsichtnahme nach den insoweit unstrittigen Ausführungen in der vorliegenden Anfechtung nur erfolgen, um die Wahlberechtigung potentieller Unterstützungswerber zu prüfen und daran anknüpfend deren Adressen zur Werbung um eine Unterstützungserklärung zu erlangen. Diesem Zweck dient die Auflage zur öffentlichen Einsicht nach §19 Abs1 Oö KWO jedoch - wie zuvor dargelegt - nicht. Im vorliegenden Fall kann daher kein Verstoß gegen §19 Abs1 Oö KWO gesehen werden.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Wahlanfechtung, Wählerevidenz, Gemeinderat, Wahlen, Wahlwerbung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:WI6.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.03.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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