TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/3 LVwG-2022/26/0473-1

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Veröffentlicht am 03.03.2022
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Entscheidungsdatum

03.03.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §49

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Aicher über die Beschwerde der AA, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 27.01.2022, Zl ***, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Tiroler Landes-Polizeigesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und das bekämpfte Straferkenntnis behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß § 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem in Beschwerde gezogenen Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27.01.2022 wurde der Beschwerdeführerin wie folgt zur Last gelegt:

„Sie haben durch ihre Aussage gegenüber den Beamten den öffentlichen Anstand verletzt, indem Sie gegenüber den Beamten die folgende Aussage: „Sie sollten mir nicht auf den Sack gehen!“ tätigten. Dieses Verhalten konnte von mehreren Personen wahrgenommen werden.“

Dadurch habe die Beschwerdeführerin eine Verwaltungsübertretung nach § 11 Abs 1 LPolizeiG begangen, weswegen über sie gemäß § 13 LPolizeiG eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 150,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage und 4 Stunden) verhängt wurde. Zudem wurde gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) ein Beitrag zu den behördlichen Verfahrenskosten in der Höhe von Euro 15,00 festgesetzt.

Mit E-Mail vom 10.02.2022 erhob die Beschwerdeführerin zum einen Einspruch gegen die Strafverfügung vom 18.01.2022, GZ ***, und zum anderen Beschwerde gegen das verfahrensgegenständliche Straferkenntnis vom 27.01.2022, GZ ***.

Zusammengefasst bestritt die Beschwerdeführerin die Verwaltungsübertretung und ergänzte, dass ihr das gegenständliche Verfahren nicht klar sei, da das Straferkenntnis bereits ausgestellt worden sei, bevor sie Einspruch (gegen die Strafverfügung) erheben hätte können.

II.      Sachverhalt:

Mit Strafverfügung vom 18.01.2022, GZ ***, wurde der Beschwerdeführerin der idente Tatvorwurf wie im nunmehr bekämpften Straferkenntnis angelastet. Die Strafverfügung wurde der Beschwerdeführerin mittels Hinterlegung am 24.01.2022 zugestellt und wurde diese von der Beschwerdeführerin am 25.01.2022 behoben.

Das verfahrensgegenständliche Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27.01.2022, GZ ***, wurde der Beschwerdeführerin am 02.02.2022 mittels Hinterlegung zugestellt. Das Straferkenntnis wurde von der Beschwerdeführerin am 04.02.2022 behoben.

Mit E-Mail vom 10.02.2022 erhob die Beschwerdeführerin den Einspruch gegen die Strafverfügung und die Beschwerde gegen das Straferkenntnis an die belangte Behörde.

III.     Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweifelhaft aus dem Behördenakt.

IV.      Erwägungen:

Die Strafverfügung, welche eine Rechtsmittelbelehrung iSd § 49 VStG enthält, wurde der Beschwerdeführerin – wie bereits oben ausgeführt – am 24.01.2022 zugestellt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist gegen diese Strafverfügung endete sohin am 07.02.2022, 24:00 Uhr. Innerhalb der Rechtsmittelfrist erfolgte nach dem Ausweis der Aktenunterlagen kein Einspruch durch die Beschwerdeführerin und erwuchs die Strafverfügung vom 18.01.2022 sohin in Rechtskraft.

Soweit die Landespolizeidirektion Tirol augenscheinlich das E-Mail vom 23.01.2022 als Einspruch gewertet hat, ist auszuführen, dass dieses E-Mail denkunmöglich ein Einspruch sein kann, zumal die Beschwerdeführerin vor Zustellung der Strafverfügung am 24.01.2022 von derselben noch gar keine Kenntnis hatte, sich mit dem E-Mail vom 23.01.2022 also noch gar nicht gegen die (ihr unbekannte) Strafverfügung wenden hat können und schließlich auch keine Einspruchsberechtigung gegen die (noch nicht zugestellte) Strafverfügung haben konnte.

Der von der Beschwerdeführerin am 10.02.2022 eingebrachte Einspruch gegen die Strafverfügung erfolgte nach Ablauf der Einspruchsfrist, somit verspätet.

Die Zurückweisung des Einspruchs als verspätet obliegt jedoch der belangten Behörde und hatte das Landesverwaltungsgericht gegenständlich ausschließlich über die Beschwerde gegen das Straferkenntnis zu entscheiden (VwGH 22.02.2013, 2010/02/0168).

Die Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 27.01.2022 ist – im Gegensatz zur Einspruchserhebung - rechtzeitig.

Obwohl gegen die Strafverfügung kein rechtzeitiger Einspruch erhoben wurde und diese sohin in Rechtskraft erwachsenen ist, wurde im angefochtenen Straferkenntnis dieselbe Tat nochmals angelastet und erfolgte somit eine unzulässige Doppelbestrafung, weshalb der Beschwerde Folge zu geben und das Straferkenntnis aufzuheben war.

Im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses kam der belangten Behörde auch noch gar keine Zuständigkeit zu, ein Straferkenntnis zu erlassen, da zu diesem Zeitpunkt die Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung noch offen war und ein Einspruch noch nicht erhoben gewesen war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiteres ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinwiese au feine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Aicher

(Richter)

Schlagworte

Doppelbestrafung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.26.0473.1

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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