TE Vwgh Beschluss 2022/2/3 Ra 2019/17/0102

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Veröffentlicht am 03.02.2022
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Index

E1E
E1P
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren
59/04 EU - EWR

Norm

B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §52
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §16
VStG §64
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
12010E056 AEUV Art56
12010P/TXT Grundrechte Charta Art49 Abs3
62020CJ0231 M.T. VORAB

Beachte


Vorabentscheidungsverfahren:
* Ausgesetztes Verfahren:
Ra 2019/17/0102 B 04.01.2021
* EuGH-Entscheidung:
EuGH 62020CJ0231 B 14.10.2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des J F in S vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 22. August 2019, 405-10/558/1/13-2019, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis vom 7. Mai 2018 erkannte die belangte Behörde den Revisionswerber der dreizehnfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild Glücksspielgesetz - GSpG schuldig. Sie verhängte über ihn dreizehn Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 4.000,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) und schrieb ihm einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor. Dem Revisionswerber wurde vorgeworfen, am 15. November 2017 als Gewerbeinhaber und Betreiber des Lokals C.P. in S mit dreizehn näher bezeichneten Glücksspielautomaten verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht zu haben.

2        Das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) wies mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde ab. In Spruchpunkt II. schrieb es dem Revisionswerber überdies einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor. Das LVwG sprach in Spruchpunkt III. aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        Dagegen richtet sich die vorliegende Revision. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

4        Mit Beschluss vom 27. April 2020, Ra 2020/17/0013, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV im Zusammenhang mit dem - auch im vorliegenden Revisionsfall anzuwendenden - § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG stehende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

5        In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. Jänner 2021 das Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH in der Rechtssache C-231/20 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2020, EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), vorgelegten Fragen ausgesetzt.

6        Der EuGH hat aufgrund des genannten Vorlagebeschlusses mit Urteil vom 14. Oktober 2021, MT, C-231/20, über die ihm vorgelegten Fragen entschieden.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof nur im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Zum Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision ist zunächst festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17, Rn. 22 ff). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Die angefochtene Entscheidung steht daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

11       Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C-3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff, und VfGH 12.6.2018, E 885/2018).

12       Anders als der Revisionswerber vermeint, kann sich das GSpG selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre - etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung - nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0459, 0460, sowie 16.11.2018, Ra 2017/17/0947, 0948). Dass das LVwG von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, wird mit dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt.

13       Wenn zur Zulässigkeit der Revision weiters vorgebracht wird, das LVwG sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Beweisanträgen abgewichen und habe keine Feststellungen zur Beurteilung der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG getroffen, ist dem entgegenzuhalten, dass das LVwG diesbezügliche Feststellungen getroffen hat. Überdies ist die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht ersichtlich.

14       Mit dem Vorbringen, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic u.a., C-64/18 u.a., wird ebenfalls keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Der EuGH hat mit Urteil vom 14. Oktober 2021, MT, C-231/20, ausgesprochen, dass die Rechtsgrundlagen für die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG, für die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen wegen Übertretungen des § 52 GSpG gemäß § 16 VStG im Zusammenhang mit der Verhängung solcher Geldstrafen und für die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 VStG grundsätzlich mit dem Unionsrecht (insbesondere Art. 56 AEUV und Art 49 Abs. 3 GRC) vereinbar sind (vgl. dazu näher VwGH 10.12.2021, Ra 2020/17/0013). Dass im Revisionsfall außerordentliche Umstände vorgelegen seien, die zu einer anderen Beurteilung führen müssten, wird in der Revision nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

15       Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit überdies vor, es sei in dem Straferkenntnis vom 7. Mai 2018 die als erwiesen angenommene Tat nicht ausreichend bezeichnet worden. Es sei dem Revisionswerber dadurch nicht möglich gewesen, dem Tatvorwurf in begründeter Weise entgegenzutreten.

16       Das unternehmerisch Zugänglichmachen einer verbotenen Ausspielung iSd dritten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht eine Person, die etwa ein Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und damit Spielern die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen ermöglicht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirt die Aufstellung eines solchen Glücksspielgerätes durch einen Dritten duldet, weil er dafür eine Miete erhält oder sich zumindest durch das Vorhandensein dieses Gerätes in seinem Lokal eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft (vgl. VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0474, 0475, mwN).

17       Dem Revisionswerber wurde im Straferkenntnis - zusammengefasst - vorgeworfen, er habe den Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG erfüllt, indem er als Gewerbeinhaber und Betreiber des Lokals C.P. in S zu verantworten habe, dass in diesem Lokal am 7. Mai 2018 näher beschriebene „zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen“ mit näher genannten Glücksspielgeräten unternehmerisch zugänglich gemacht worden seien.

18       Damit wurden sämtliche für die Erfüllung des Tatbestandes des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG erforderlichen Tathandlungen bereits im Straferkenntnis angeführt. Dieser Tatvorwurf wurde vom LVwG in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses genauer gefasst. Durch diese Präzisierung wurde aber kein anderer Sachverhalt herangezogen, als dem Straferkenntnis zugrunde lag. Das LVwG vertrat im angefochtenen Erkenntnis die Auffassung, dass es lebensfremd wäre, stellte ein Unternehmer in einem Teil seines Betriebes Glücksspielgeräte auf, ohne damit die Absicht zu verknüpfen, Einnahmen aus deren Betrieb zu erzielen, womit die Unternehmereigenschaft und die Nachhaltigkeit gegeben wären. Dem tritt die Revision nicht entgegen. Das LVwG durfte angesichts der vorliegenden Sachverhaltskonstellation davon ausgehen, dass es dem Revisionswerber zumindest um die Belebung seiner eigenen Umsätze gegangen ist und er unternehmerisch tätig wurde. Der im Hinblick auf die Verfolgungsverjährung erstattete Einwand der Revision, die belangte Behörde habe dem Revisionswerber nicht vorgehalten, worin sein unternehmerisch Zugänglichmachen bestanden hätte, geht schon deshalb fehl, weil die belangte Behörde diesem das Zugänglichmachen ausdrücklich als Gewerbeinhaber und Betreiber des Lokals C.P. vorgeworfen hat, womit auch der Vorwurf verbunden war, dass er als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG tätig geworden ist. Dass der Revisionswerber dadurch in seinen Verteidigungsrechten gehindert gewesen oder der Gefahr der Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen wäre, wird im Übrigen nicht nachvollziehbar aufgezeigt.

19       In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Februar 2022

Gerichtsentscheidung

EuGH 62020CJ0231 M.T. VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019170102.L00

Im RIS seit

14.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

14.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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