TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/20 96/16/0081

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Veröffentlicht am 20.08.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
27/04 Sonstige Rechtspflege;

Norm

GEG §1;
GEG §6;
GEG §7;
GGG 1984 §8 Abs1;
GGG 1984 §9 Abs1;
GGG 1984 §9 Abs2;
VwRallg;
ZPO §68 Abs1;
ZPO §68 Abs2;
ZPO §71 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDDr. Jahn, über die Beschwerde der E in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt vom 15. Februar 1996, Zl. Jv 270-33/96-6, betreffend Gerichtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin begehrte im Zuge des von ihr als Klägerin eingeleiteten Zivilprozesses 29 Cg 275/92 (früher: 29 Cg 193/91) des Landesgerichtes Klagenfurt, wegen S 2,048.134,--, mit Schriftsatz ON. 9 die Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang; das Gericht bewilligte mit Beschluß vom 27. April 1992 die Verfahrenshilfe antragsgemäß.

Mit Beschluß und Urteil vom 7. April 1993 entzog das Gericht die am 27. April 1992 gewährte Verfahrenshilfe und wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab. Begründend wurde ausgeführt, daß die geltend gemachte Forderung auf einer sittenwidrigen Zession beruhe, weshalb die Prozeßführung aussichtslos war. Dieser Umstand sei schon bei Gewährung der Verfahrenshilfe eingetreten, aber erst nachträglich hervorgekommen, weshalb über Antrag der beklagten Partei die Verfahrenshilfe zu entziehen war.

Der dagegen erstatteten Berufung gab das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom 2. September 1993 keine Folge und bestätigte die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung, was wieder die Entziehung der Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt habe.

Mit Zahlungsauftrag vom 5. Jänner 1996 schrieb der Kostenbeamte die Pauschalgebühr für die Berufung (S 54.000,--) samt Einhebungsgebühr vor. In ihrem Berichtigungsantrag stellte sich die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, daß die Verfahrenshilfe erst mit Rechtskraft des Beschlusses über die Aberkennung erloschen sei, weshalb die Berufung noch von der Verfahrenshilfe erfaßt gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag nicht statt. Es sei nicht ein ex nunc wirkendes Erlöschen, sondern eine ex tunc wirkende Entziehung der Verfahrenshilfe ausgesprochen worden. Das über die Gerichtsgebührenpflicht entscheidende Justizverwaltungsorgan sei an die Gerichtsentscheidung gebunden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Inanspruchnahme der Verfahrenshilfe und in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Ausfertigung des Bescheides i.S.d. § 18 AVG verletzt. Sie begehrt die Aufhebung wegen "formaler Rechtswidrigkeit", den weiteren Beschwerdeausführungen ist zu entnehmen, daß auch inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als "formale Rechtswidrigkeit" wird geltend gemacht, daß der angefochtene Bescheid im Original nicht unterfertigt worden wäre. Diese Behauptung ist aktenwidrig; die Urschrift ist von dem im Auftrag der belangten Behörde tätigen Justizverwaltungsorgan eigenhändig unterfertigt.

Gemäß § 68 Abs. 1 zweiter Satz ZPO hat das Prozeßgericht erster Instanz von Amts wegen oder auf Antrag die Verfahrenshilfe soweit für erloschen zu erklären, als Änderungen in den Vermögensverhältnissen der Parteien dies erfordern, oder die weitere Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat das Prozeßgericht von Amts wegen oder auf Antrag die Verfahrenshilfe soweit zu entziehen, als sich herausstellt, daß die seinerzeit angenommenen Voraussetzungen nicht gegeben gewesen sind. In diesem Fall hat die Partei die im § 64 Abs. 1 Z. 1 genannten Beträge (das sind u.a. die Gerichtsgebühren), von deren Bestreitung sie einstweilen befreit gewesen ist, insoweit zu entrichten bzw. zu ersetzen und den ihr beigegebenen Rechtsanwalt nach dem Tarif zu entlohnen.

I.S.d. Gesetzesbestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 30. Juni 1988, Zl. 87/16/0066, ausgeführt, daß die Entziehung der Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs. 2 ZPO die rückwirkende Beseitigung der Begünstigungen (ex tunc) ab der Bewilligung, hingegen das Erlöschen der Verfahrenshilfe gemäß § 68 Abs. 1 ZPO den Fortfall der Begünstigung vom Zeitpunkt des Erlöschens an (ex nunc) bewirkt. Im gegenständlichen Fall wurde mit dem in das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 7. April 1993 aufgenommenen Beschluß die Verfahrenshilfe

ENTZOGEN.

Es entspricht weiters der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß der Kostenbeamte an die Entscheidung des Gerichtes über die Bewilligung der Verfahrenshilfe gebunden ist und die Voraussetzungen nicht selbständig prüfen kann; weiters ist in gleicher Weise auch der über einen Berichtigungsantrag gegen einen Zahlungsauftrag des Kostenbeamten als Justizverwaltungsorgan entscheidende Gerichtshofpräsident gebunden (siehe die Nachweise bei Tschugguel-Pötscher, Gerichtsgebühren5, 40). Die belangte Behörde hatte daher nicht zu prüfen, wie dies die Beschwerde offenbar im Auge hat, ob die Verfahrenshilfe zu Recht oder zu Unrecht entzogen wurde, sie war vielmehr an den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 7. April 1993 gebunden.

Dem Umstand, daß das Oberlandesgericht über das von der Beschwerdeführerin gegen die Entziehung der Verfahrenshilfe im Wege der Berufung erhobene Rechtsmittel nicht mit gesondertem Beschluß, sondern im Rahmen des - zufolge der Zurückweisung der außerordentlichen Revision in Rechtskraft erwachsenen - Berufungsanteiles absprach, kommt keine Bedeutung zu.

Unter Bindung an diese Gerichtsentscheidung hat die belangte Behörde somit völlig zu Recht dem Berichtigungsantrag nicht stattgegeben, weshalb die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war. Die Entscheidung konnte zufolge geklärter Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Zufolge Entscheidung in der Sache selbst erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996160081.X00

Im RIS seit

24.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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