TE Vwgh Erkenntnis 2022/2/3 Ro 2020/15/0005

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Veröffentlicht am 03.02.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §26 Z4
EStG 1988 §3 Abs1 Z16b
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der P GmbH in L, vertreten durch die Gstöttner & Partner Steuerberatung GmbH & Co KG in 4320 Perg, Linzer Straße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 25. November 2019, Zl. LVwG-450460/16/MZ/FC, betreffend Kommunalsteuer 2015 bis 2017 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Landeshauptstadt Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Linz hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Inhalt der betrieblichen Tätigkeit der revisionswerbenden GmbH ist - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - die weltweite Planung und Errichtung von Industrieanlagen zur Eisen- und Stahlerzeugung und für die Metallindustrie, wobei die Revisionswerberin auch außerhalb Europas, vor allem in Zentral- und Südostasien und Nord- und Südamerika, tätig ist. In Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit der Revisionswerberin haben ihre Mitarbeitenden Auslandsdienstreisen getätigt und sind zu diesem Zweck mit dem Flugzeug auf Langstreckenflügen gereist. Dabei sind sie unter anderem Flugreisen in der Nacht, nämlich zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr, angetreten, wobei die Reisedauer mehr als drei Stunden in diesem Zeitraum umfasste. Für diese Flugreisen (in der Folge kurz „Flugreisen mit Nächtigung im Flugzeug“) erfolgte seitens der Revisionswerberin die Auszahlung eines Pauschalbetrags an die Mitarbeitenden („Nächtigungspauschale“). Für die Ermittlung der Höhe der ausbezahlten Nächtigungspauschale wurde von der Revisionswerberin auf die kollektivvertraglich vorgesehenen Bestimmungen abgestellt. Diese Nächtigungspauschale unterwarf die Revisionswerberin nicht der Kommunalsteuer, weil sie vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 26 Z 4 lit. e bzw. (subsidiär) des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 (iVm § 5 KommStG) ausging.

2        Im Rahmen einer im Jahr 2019 abgeschlossenen gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) wurde die Auffassung vertreten, dass die in den Jahren 2015 bis 2017 ausbezahlten Nächtigungspauschalen der Kommunalsteuer zu unterwerfen seien. Die Prüfung betraf insgesamt 4.071 Reisen, für die Nächtigungsgelder in Höhe von insgesamt 202.247,34 € ausbezahlt wurden. Dabei entfielen auf das Jahr 2015 1.201 Reisen, auf das Jahr 2016 1.591 Reisen und das Jahr 2017 1.279 Reisen.

3        Mit Bescheid vom 12. April 2019 wurde auf Basis der GPLA gegenüber der revisionswerbenden GmbH durch den Magistrat der Landeshauptstadt Linz für die Jahre 2015 bis 2017 die Kommunalsteuer neu festgesetzt. Im Vergleich zu den im Rahmen der Selbstbemessung abgeführten Kommunalsteuerbeträgen ergab sich dabei insgesamt eine Nachforderung in Höhe von 24.401,94 €. Begründend verwies die Behörde u.a. auf die Feststellungen der GPLA in Bezug auf die ausbezahlten Nächtigungspauschalen. Diese fielen nach Ansicht der Behörde nicht unter die Bestimmungen des § 26 Z 4 lit. e bzw. § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988. Aufgrund der von der Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Nächtigungsmöglichkeit im Flugzeug könnten den Mitarbeitenden keine Nächtigungskosten entstehen, weshalb eine Anwendung des § 26 Z 4 lit. e EStG 1988 ausscheide. Die vorgebrachten, die Mitarbeitenden aufgrund der Flugreisen treffenden Aufwendungen seien entweder bereits durch das Taggeld abgedeckt oder aufgrund der kollektivvertraglichen Vorschriften ohnehin gesondert zu ersetzen und unterfielen nicht § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988.

4        Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde und stellte einen Antrag auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 2 BAO, woraufhin der Magistrat die Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) vorlegte.

5        In ihrer Stellungnahme vom 19. August 2019 brachte die Revisionswerberin ergänzend vor, dass die den Mitarbeitenden entstehenden Aufwendungen für die Bezahlung des Eintritts in eine Flughafenlounge, Kosten eines Frühstücks im Transfer- oder Zielflughafen, Medikamente wie Schlafmittel, Augentropfen und Nasenspray, den Erwerb eines Nackenpolsters und der Möglichkeit der Nutzung von WLAN an Bord eines Flugzeuges nicht bei Langstreckenflügen generell anfielen, sondern insbesondere auf die Nächtigung im Flugzeug zurückzuführen seien. Die Mitarbeitenden erhielten anlässlich der Flugreisen lediglich Reisekostenvergütungen in Form von Taggeldern und Nächtigungspauschale. Persönliche Mehraufwendungen würden nicht ersetzt. Der Eintritt in Fughafenlounges an Transfer- oder Zielflughäfen sei unabhängig von der Flugkategorie (Economy oder Business Class) nicht im Ticketpreis enthalten und erhielten die Mitarbeitenden auch nicht aufgrund von Firmenkreditkarten eine Vergünstigung oder einen kostenfreien Eintritt.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision - ohne nähere Begründung - zugelassen wurde, gab das LVwG der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung teilweise Folge und änderte den Kommunalsteuerbescheid dahingehend ab, dass es die streitgegenständlichen Nächtigungsgelder zu 12% als kommunalsteuerpflichtig und zu 88% als kommunalsteuerbefreit erachtete. Begründend führte es - nach eingehenden Darlegungen zu § 26 Z 4 EStG 1988 - u.a. aus, die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 setze nach ihrem Wortlaut für die Steuerfreiheit das Vorliegen von „Nächtigungsgeldern“ voraus. Der Gesetzgeber habe sich dabei desselben Wortlauts bedient, wie er sich in § 26 Z 4 EStG 1988 finde. Aus den Materialien zu BGBl. I 133/2008 ergäben sich keine Hinweise, dass der Gesetzgeber dem durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs geprägten Begriff der Nächtigungsgelder im Zuge der Ergänzung in § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 einen anderen Bedeutungsgehalt beimessen habe wollen. Vielmehr ließen die Materialien aufgrund des Verweises auf die Aufhebung des § 26 Z 4 vierter Satz EStG 1988 durch den Verfassungsgerichtshof den Schluss zu, dass Nächtigungsgelder steuerbefreit werden sollten, wenn die Voraussetzungen des gesetzlichen Dienstreisebegriffs in § 26 Z 4 EStG 1988 nicht erfüllt würden.

Sofern die Revisionswerberin davon ausgehe, dass sich ein anderes Verständnis des Nächtigungsgelder-Begriffs daraus ergebe, dass im Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 das strenge Aufwandsprinzip nicht gelte, so sei darauf zu verweisen, dass das Entstehen von tatsächlichen Kosten der Mitarbeitenden nur eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen für die Nichtsteuerbarkeit nach § 26 Z 4 EStG 1988 darstelle. Daneben sei es erforderlich, dass Kosten jener Kategorie anfielen, die mit dem Nächtigungsgeld üblicherweise abgedeckt werden sollten. Da sich der Umfang und die Voraussetzungen der Bestimmungen des § 26 Z 4 lit. e EStG 1988 und jener des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 in Hinblick auf die verfahrensgegenständlichen Flugreisen deckten, sei aufgrund der Subsidiarität des § 3 Abs 1 Z 16b EStG 1988 auf das Vorliegen dessen übriger Anwendungsvoraussetzungen nicht mehr einzugehen.

7        Selbst wenn bei Flugreisen kein Nächtigungsquartier vorliege, weise der Fall von Flugreisen in den Nachtstunden jedoch hinsichtlich § 26 Z 4 lit. e EStG 1988 teilweise Ähnlichkeiten mit dem Fall einer durch eine Dienstreise bedingten Übernachtung auf, bei der es zur Nutzung eines Nächtigungsquartiers komme. Zwar bestehe bei diesen Flugreisen nicht die Möglichkeit der Nutzung eines Schlafquartiers. Dennoch könnten anlässlich von solchen Flugreisen Kosten anfallen, die mit denjenigen Kosten vergleichbar seien, die typischerweise mit dem Nächtigungsgeld abgedeckt sein sollten. Eine unterschiedliche Behandlung von gleichartigen Kosten, die auf einen vergleichbaren Sachverhalt (nämlich eine Dienstreise, die sich über die Tagesgrenze hinweg erstrecke,) zurückzuführen seien, sei im Lichte der nach Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG 1867 gebotenen Gleichbehandlung von gleichartigen Situation bedenklich. Aus diesem Grund erscheine es in einer gleichheitskonformen Interpretation geboten, Nächtigungspauschalen wie die hier vorliegenden insoweit steuerfrei zu belassen, als damit Kosten abgedeckt würden, die den typischerweise mit dem Nächtigungsgeld abgedeckten Kostenkategorien glichen. Dabei handle es sich um jene Kosten, die einen unmittelbaren Zusammenhang zu einer Nächtigung aufwiesen, dh einer Übernachtung direkt zurechenbar seien und typischerweise dann nicht anfielen, wenn die Arbeitergeberin den Mitarbeitenden ein Nachtquartier zur Verfügung stelle oder die Kosten eines Nachtquartiers übernehme.

8        Die Kosten, die Mitarbeitenden der Revisionswerberin für die Nutzung eines Nassbereichs (Bad, Dusche) nach einem Langstreckenflug in den Nachstunden entstünden, seien dabei als solche anzusehen, die den Kosten eines Übernachtungsquartiers vergleichbar seien. Sie seien dem Gleichbehandlungsgebot folgend als nicht steuerbar gemäß § 26 Abs. 4 lit. e EStG 1988 anzusehen. Gleiches gelte auch für die Kosten eines Frühstücks, weil diese nach dem eindeutigen Wortlaut des § 26 Abs. 4 lit. e EStG 1988 auch mit dem Nächtigungsgeld abgedeckt werden sollten.

9        Aufgrund einer näher erläuterten Stichprobe habe sich für das LVwG vor diesem Hintergrund letztlich ein Verhältnis von 3 zu 25 (12 %) ergeben, das der Schätzung des Anteils der als kommunalsteuerbefreit anzusehenden Nächtigungspauschalen zu Grunde zu legen sei. Erfolge der Nachweis dem Grunde nach, stelle sich noch die Frage, in welcher Höhe die pauschalen Nächtigungsgelder bei den Flugreisen auf die Kosten der Nutzung des Nassbereichs entfielen. Da jedoch die Kosten für die Nutzung eines Nassbereichs die Höhe des von der Revisionswerberin ausbezahlten Nächtigungspauschales überstiegen und das ausbezahlte Nächtigungspauschale die von § 26 Z 4 lit. e EStG 1988 vorgegebene Grenze nicht übersteige, erübrige sich diese Frage im Revisionsfall.

10       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Darin macht die Revisionswerberin u.a. geltend, aus den Materialien zur Einführung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 (Hinweis auf IA 220/A 123 BlgNR 23. GP, 4) ergebe sich, dass das strenge Aufwandsprinzip in dessen Anwendungsbereich nicht anzuwenden sei. Auch in der Literatur werde die Auffassung vertreten, dass § 3 Abs. l Z 16b EStG 1988 nicht vom strengen Aufwandsprinzip getragen werde, sondern eine Steuerbefreiung für bestimmte Mitarbeitende darstelle, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auch sachlich gerechtfertigt sei, weil mit den darin genannten Tätigkeiten Aufwendungen verschiedenster Art verbunden seien, die zwar für die Gruppe von Mitarbeitenden und auch innerhalb dieser Gruppe der Höhe und dem Grunde nach unterschiedlich sein könnten, aber bei ständiger Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz nicht oder nicht in dieser Art anfielen. Demgemäß grenze auch der Gesetzgeber in den Materialien zur Einführung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 die von ihm erfassten Leistungen als „Bezugsbestandteile“ von den „Kostenersätzen gemäß § 26 EStG“ inhaltlich ab. Dass der Gesetzgeber die Nächtigungsgelder selbst in § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 erst durch einen gesonderten Initiativantrag zeitnah eingefügt habe (Hinweis auf IA 915/A 23. GP, 3), ändere daran nichts. Eine andere Auslegung (wonach für Tagesgelder iSd § 3 EStG 1988 das strenge Aufwandsprinzip nicht gelten würde, für Nächtigungsgelder iSd § 3 EStG 1988 aber schon) würde einer systematisch-logischen Auslegung der gesetzlichen Bestimmung des § 3 EStG 1988 entgegenstehen.

11       Nach Ansicht der Revision seien die streitgegenständlichen Nachtgelder geradezu ein idealtypisches Beispiel des Zusammenspiels von § 26 Z 4 und § 3 Abs. l Z 16b EStG 1988. Soweit die zusätzlichen Kosten, die im Rahmen des Nachtgeldes abgegolten würden, nicht als Kostenersätze gemäß § 26 Z 4 lit e EStG 1988 zu qualifizieren seien, greife subsidiär die Steuerfreiheit des § 3 Abs. l Z 16b EStG 1988 (Hinweis auf IA 220/A 123 BlgNR 23. GP, 4: „Sofern daher Reisekostenersätze in Form von Tagesgeldern nicht bereits nach § 26 Z 4 nicht steuerbar sind, können sie gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b steuerfrei belassen werden“). Gerade die Ausführungen der Materialien zur Nichtanwendbarkeit des „strengen Aufwandsprinzips“ und den unterschiedlichen Begrifflichkeiten („Kostenersatze gemäß § 26 EStG“ vs „Bezugsbestandteile“) geböten den Rückschluss, dass sich diese Wechselwirkung zwischen den beiden Normen nicht nur auf Tatbestandselemente wie den „Mittelpunkt der Tätigkeit“, sondern auch auf die vergüteten Kosten beziehe.

12       Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz erstattete eine Revisionsbeantwortung. Darin führte er zur Wechselwirkung von § 26 Z 4 und § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 aus, dass seiner Ansicht nach von einem identen Begriff der „Nächtigungsgelder“ auszugehen sei und § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 nur für den Fall zu prüfen sei, dass Reiseaufwandsentschädigungen nach § 26 Z 4 EStG 1988 nicht nicht-steuerbar ausgezahlt werden könnten, weil beispielsweise bereits ein weiterer Mittelpunkt der Tätigkeit begründet worden sei.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14       Die Revision ist zulässig und begründet.

15       Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 sind von der Einkommensteuer befreit:

„Vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigungsgelder, soweit sie nicht gemäß § 26 Z 4 zu berücksichtigen sind, die für eine

-    Außendiensttätigkeit (zB Kundenbesuche, Patrouillendienste, Servicedienste),

-    Fahrtätigkeit (zB Zustelldienste, Taxifahrten, Linienverkehr, Transportfahrten außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers),

-    Baustellen- und Montagetätigkeit außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers,

-    Arbeitskräfteüberlassung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl. Nr. 196/1988, oder eine

-    vorübergehende Tätigkeit an einem Einsatzort in einer anderen politischen Gemeinde

gewährt werden, soweit der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 zur Zahlung verpflichtet ist. Die Tagesgelder dürfen die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen.“

16       Die Regelung geht im Wesentlichen auf die Reisekosten-Novelle 2007, BGBl. I 2007/45, zurück und war eine Reaktion des Gesetzgebers auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 22. Juni 2006, G 147/05, mit dem die unbegrenzte Möglichkeit der Erweiterung des Dienstreisebegriffs des § 26 Z 4 EStG in lohngestaltenden Vorschriften aufgehoben wurde (vgl. dazu bereits VwGH 11.1.2021, Ra 2019/15/0163).

17       Die Erläuterungen begründeten die Notwendigkeit der neuen Steuerbefreiung u.a. wie folgt:

„Anders als bei Kostenersätzen gemäß § 26, die einem strengen Aufwandsprinzip unterliegen, steht es dem Gesetzgeber frei, Bezugsbestandteile für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern und bestimmte Tatbestände steuerfrei zu behandeln. Die steuerfreie Behandlung von Tagesgeldern für

-    Außendiensttätigkeit,

-    Fahrtätigkeit,

-    Baustellen- und Montagetätigkeit,

-    Arbeitskräfteüberlassung oder

-    vorübergehende Tätigkeit an einem Einsatzort in einer anderen politischen Gemeinde

ist sachlich gerechtfertigt, weil mit diesen Tätigkeiten Aufwendungen verschiedenster Art verbunden sind, die zwar für Gruppen von Arbeitnehmern und auch innerhalb dieser Gruppen der Höhe und dem Grunde nach unterschiedlich sein können, die aber bei der ständigen Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz nicht oder nicht in dieser Art anfallen. Sofern daher Reisekostenersätze in Form von Tagesgeldern nicht bereits nach § 26 Z 4 nicht steuerbar sind, können sie gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b steuerfrei belassen werden.

Neben diesen pauschalen Aufwandsentschädigungen berücksichtigt § 3 Abs. 1 Z 16b die mit den angeführten Tätigkeiten verbundene ‚Reiseerschwernis‘ sowie Mobilitätsanreize.

Voraussetzungen für die Steuerfreiheit sind

-    das Vorliegen einer der angeführten Tätigkeiten und

-    die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung dieser Reiseaufwandsentschädigungen auf Grund einer lohngestaltenden Vorschrift. [...]

Die Obergrenze für steuerfreie Tagesgelder richtet sind nach § 26 Z 4.“

18       Mit BGBl. I Nr. 133/2008 wurden die zunächst nicht erwähnten Nächtigungsgelder in § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 ab der Veranlagung für das Kalenderjahr 2009 aufgenommen. Der diesem Bundesgesetz zugrundeliegende Initiativantrag (915/A BlgNR 23. GP, S 3) begründete dies wie folgt:

„Im § 26 EStG war verankert, dass lohngestaltende Vorschriften (Kollektivverträge) einen eigenständigen Dienstreisebegriff normieren konnten, was zur Folge hatte, dass diese Diäten generell lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei ausbezahlt werden konnten, wenn sich die ArbeitneherInnen auf Dienstreisen befanden. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Bestimmung in einem Urteil im Jahr 2006 als verfassungswidrig angesehen.

In der vorliegenden Neuregelung werden auch die Nächtigungsgelder im § 3 EStG explizit angeführt, damit können diese wieder steuerfrei ausbezahlt werden. [...]“

19       Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 11. Jänner 2021, Ra 2019/15/0163, bereits ausgesprochen hat, setzt auch die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 - ebenso wie § 26 Z 4 EStG 1988 - voraus, dass die von ihr erfassten Reiseaufwandsentschädigungen für jede Reisebetätigung einzeln abgerechnet werden und die Leistungen des Arbeitgebers sohin Ersatz für eine bestimmte Dienstreise sind.

20       Wie die Revision allerdings zutreffend ausführt, unterscheiden sich die von § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 erfassten Arbeitgeber-Leistungen insofern von den Aufwandsersätzen des § 26 Z 4 EStG 1988, als ihnen ausweislich der Gesetzesmaterialien ausdrücklich kein strenges Aufwandsprinzip zu Grunde liegen soll.

21       Die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 für „vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigungsgelder“ wird für die von ihm erfassten Gruppen von Mitarbeitenden von den Gesetzesmaterialien vielmehr damit sachlich gerechtfertigt, dass „mit diesen Tätigkeiten Aufwendungen verschiedenster Art verbunden sind, die zwar für Gruppen von Arbeitnehmern und auch innerhalb dieser Gruppen der Höhe und dem Grunde nach unterschiedlich sein können, die aber bei der ständigen Dienstverrichtung an einem festen Arbeitsplatz nicht oder nicht in dieser Art anfallen. [...] Neben diesen pauschalen Aufwandsentschädigungen berücksichtigt § 3 Abs. 1 Z 16b die mit den angeführten Tätigkeiten verbundene ‚Reiseerschwernis‘ sowie Mobilitätsanreize.“

22       Für den Revisionsfall bedeutet dies, dass das Verwaltungsgericht die Steuerfreiheit nach § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 der revisionsgegenständlichen kollektivvertraglich verpflichtend vorgesehenen Nächtigungsgelder zu Unrecht davon abhängig gemacht hat, dass es zu konkreten tatsächlichen Aufwendungen der Mitarbeitenden wie der kostenpflichtigen Nutzung von Nassbereichen (zB in einer Flughafenlounge) gekommen ist.

23       Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

24       Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Wien, am 3. Februar 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020150005.J00

Im RIS seit

11.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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