TE Vwgh Beschluss 2022/2/17 Ra 2021/07/0089

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Veröffentlicht am 17.02.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §66 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VStG §44a Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers MMag. Dr. Gotsbacher, über die Revision des C F in S, vertreten durch Ing. Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 16. August 2021, Zl. LVwG-2021/26/1119-11, betreffend Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 16. März 2021 wurde dem Revisionswerber Folgendes zur Last gelegt:

2        Die A. GmbH verfüge aufgrund näher genannter Bescheide des Landeshauptmannes von Tirol über die Erlaubnis zum Sammeln von bestimmten (nicht gefährlichen) Abfallarten. Als verantwortliche Person für die Sammlung von nicht gefährlichen Abfällen sei N P. namhaft gemacht worden.

3        Im September 2019 sei im Zuge der Verlässlichkeitserhebung telefonisch mitgeteilt worden, dass N P. im Sommer 2019 aus dem Betrieb ausgeschieden und somit nicht mehr als verantwortliche Person tätig sei.

4        Mit Schreiben vom 16. Jänner 2020, eingelangt bei der belangten Behörde am 10. März 2020, sei B K. als verantwortliche Person namhaft gemacht worden, jedoch sei hier kein Nachweis der fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erbracht worden.

5        Am 27. Juli 2020 sei D S. als verantwortliche Person namhaft gemacht worden.

6        Der Revisionswerber habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der A. GmbH und somit als Vertretungsorgan der Erlaubnisinhaberin dafür zu sorgen, dass die Namhaftmachung einer verantwortlichen Person unverzüglich nach dem Ausscheiden der verantwortlichen Person aus dem Betrieb erfolge.

7        Dadurch, dass der Revisionswerber dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sei, habe er „folgende Verwaltungsübertretung begangen: I. § 26 Abs. 5 in Verbindung mit § 79 Abs. 2 Z 6 Abfallwirtschaftsgesetz 2002.“ Über den Revisionswerber wurde eine Geldstrafe in Höhe von € 2.100,00 (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 168 Stunden) verhängt.

8        Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Verwaltungsgericht.

9        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde teilweise insofern Folge, als die Ersatzfreiheitsstrafe auf 3 Tage und 12 Stunden herabgesetzt wurde.

10       Im Übrigen wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und das Straferkenntnis der belangten Behörde unter anderem mit der Maßgabe bestätigt, dass der „Schuldspruch“ wie folgt abgeändert wurde:

11       Erst mit der am 13. Dezember 2019 bei der zuständigen Behörde eingelangten Eingabe der A. GmbH sei eine neue verantwortliche Person nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nämlich A F. namhaft gemacht worden.

12       Obwohl nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Ausscheiden von N P. eine neue verantwortliche Person nach dem AWG 2002 namhaft gemacht worden sei, habe die A. GmbH die Tätigkeit der Sammlung von (nicht gefährlichen) Abfällen nach Ablauf von drei Monaten nach dem Ausscheiden von N P. nicht eingestellt. Vielmehr sei diese Tätigkeit im Zeitraum vom 21. Juni 2019 (Sommerbeginn) bis 13. Dezember 2019 (Zeitpunkt der erstmaligen Namhaftmachung einer verantwortlichen Person) durch Entgegennahme von auf Baustellen angefallenen Abfällen der in den Bewilligungsbescheiden des Landeshauptmannes von Tirol angeführten Art weiterhin ausgeübt worden.

13       Dadurch habe der Revisionswerber eine „Verwaltungsübertretung nach § 26 Abs 5 AWG 2002 iVm § 79 Abs 2 Z 6 AWG 2002 begangen.“

14       Die ordentliche Revision gegen dieses Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

15       In den Entscheidungsgründen des angefochtenen Erkenntnisses führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, dass in Verbesserung des Spruches des Straferkenntnisses der belangten Behörde die Tat hinsichtlich der Tatumstände genauer zu umschreiben gewesen sei, wozu es nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen sei. Es seien nämlich sämtliche im nunmehr präzisierten Schuldspruch der belangten Behörde angeführten Sachverhaltselemente innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dem Revisionswerber mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 9. September 2020 zur Last gelegt worden.

16       Nach dem Verwaltungsstraftatbestand des § 79 Abs. 2 Z 6 AWG 2002 sei die „Nichteinstellung der Tätigkeit entgegen § 26 Abs 5 AWG 2002“ strafbedroht, nicht hingegen die „nicht unverzügliche Namhaftmachung einer verantwortlichen Person nach dem AWG 2002“, wobei allerdings die Pflicht zur Tätigkeitseinstellung nach § 26 Abs. 5 AWG 2002 durch die nicht rechtzeitige - also nicht innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten nach dem Ausscheiden der bisherigen verantwortlichen Person erfolgende - Namhaftmachung begründet werde. Dieser Umstand komme im Schuldspruch der belangten Behörde nicht ausreichend klar zum Ausdruck.

17       Das Verwaltungsgericht habe sich daher in Bezug auf die Umschreibung der Tatumstände zu einer entsprechenden Spruchverbesserung veranlasst gesehen. In der Strafverfügung der belangten Behörde vom 9. September 2020 sei dem Revisionswerber zum Vorwurf gemacht worden, dass die A. GmbH den Verpflichtungen gemäß § 26 Abs. 5 AWG 2002 nicht nachgekommen sei, wobei in der Anlastung auch angeführt sei, dass sonst (bei ungenütztem Ablauf von drei Monaten) die Tätigkeit einzustellen sei. Insofern seien in der mit der Strafverfügung vom 9. September 2020 bewirkten Verfolgungshandlung sämtliche Voraussetzungen erfüllt, um durch das entscheidende Verwaltungsgericht eine „entsprechende Spruchverbesserung“ vornehmen zu können.

18       Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

19       Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

20       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

21       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

22       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

23       Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

24       In seinen Zulässigkeitsausführungen hält der Revisionswerber unter Anführung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fest, dass das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Erkenntnis gegenüber dem Straferkenntnis der belangten Behörde vom 16. März 2021 „einen unzulässigen Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes vorgenommen habe. Zu einer solchen „Abänderung des Tatvorwurfes“ sei das Verwaltungsgericht nicht berechtigt gewesen.

25       Dabei übersieht der Revisionswerber, dass das Verwaltungsgericht die Argumentation für die Zulässigkeit seines Vorgehens maßgeblich auf die Strafverfügung der belangten Behörde vom 9. September 2020 stützt.

26       Ein Verwaltungsgericht ist nicht nur berechtigt, sondern vielmehr verpflichtet, einen allenfalls fehlerhaften Spruch im behördlichen Straferkenntnis richtig zu stellen oder zu ergänzen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist rechtzeitig eine alle der Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthaltene Verfolgungshandlung durch die Behörde gesetzt wurde (VwGH 21.4.2020, Ra 2019/09/0099, 0109, mwN).

27       Diese Voraussetzung sieht das Verwaltungsgericht durch die Strafverfügung der belangten Behörde vom 9. September 2020 - einer Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG - als erfüllt. Dagegen wendet sich die gesamte Revision mit keinem Wort. Wenn die Revision also ausschließlich das Verhältnis des angefochtenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes zum Straferkenntnis der belangten Behörde vom 16. März 2021 thematisiert, erweisen sich diese Ausführungen - angesichts der dargestellten hg. Rechtsprechung - fallbezogen als nicht relevant.

28       Im Übrigen stellt eine Änderung der rechtlichen Beurteilung des Verhaltens weder eine unzulässige Auswechslung der Tat noch eine Überschreitung der Sache des Verfahrens dar (vgl. VwGH 25.8.2010, 2010/03/0052, mwN).

29       In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Februar 2022

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021070089.L00

Im RIS seit

11.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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