TE Vwgh Erkenntnis 1996/8/27 95/05/0177

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Veröffentlicht am 27.08.1996
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
BauO Wr §16 Abs1;
BauO Wr §39;
BauO Wr §5 Abs4 litr;
BauO Wr §54 Abs9;
BauO Wr §69 Abs1 litf;
BauO Wr §69 Abs2;
BauO Wr §71;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des L in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 28. April 1995, Zl. MD-VfR - B XXIII - 66/94, betreffend Ausnahme gemäß § 69 Abs. 1 lit. f bzw. Bewilligung gemäß § 71 Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 8. November 1991 beantragte der Beschwerdeführer die Bewilligung eines Stellplatzes auf dem Grundstück Nr. nn/2, EZ n1, KG Liesing, für zwei Kraftfahrzeuge und die Sondergenehmigung für die Zufahrt zum Grundstück durch die YZ. Im Bauverfahren teilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/23, zu dem Ansuchen mit, daß der vorliegende Antrag eine Ausnahme gemäß § 69 Abs. 1 lit. f Bauordnung für Wien vom Verbot der Schaffung von Ein- und Ausfahrten an der relevanten Baulinie bedingen würde, was vom Verkehrsstandpunkt aus gesehen abzulehnen sei. Es solle die Verkehrsfläche "YZ" in ihrer gesamten Länge im Sinne des Gemeinderatsbeschlusses als "Fußweg" straßenpolizeilich zum Gehweg verordnet werden.

Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 28, teilte mit, daß aufgrund der Bebauungsbestimmungen an der YZ eine Ein- und Ausfahrtensperre bestehe. Aufgrund der Rechtsauslegung der Bauoberbehörde bestehe die Weisung, daß keine Auf- und Überfahrt an Fußwegen mehr genehmigt werden dürften. Der Schaffung eines Stellplatzes könne daher nicht zugestimmt werden. Die "rechtswidrig genehmigte Gehsteigauf- und Überfahrt" berechtige lediglich zu einer Grundstückszufahrt zum Ein- und Ausladen auf dem Grundstück, beinhalte jedoch keine Berechtigung für das Abstellen eines mehrspurigen Fahrzeuges.

In einer Stellungnahme dazu vom 26. Februar 1994 erläuterte der Beschwerdeführer die Gründe für sein Ansuchen näher wie folgt:

"* Ich habe das gegenständliche Grundstück im Jahre 1975 als

Baugrund gekauft. Wenn mir heute das Abstellen von Fahrzeugen auf dem Grundstück verwehrt wird, kommt das Bebauen des Grundstückes durch mich, oder durch einen unserer Nachkommen sicherlich nicht in Frage. Desgleichen ist es nicht möglich, ein Grundstück ohne Garagierungs- oder Abstellmöglichkeit für Fahrzeuge heutzutage als Bauplatz zu verkaufen. Eine totale Wertminderung wäre die Folge.

* Durch die Ansiedlung von Hunderten von Familien gegenüber

ist seit Jahren in diesem Bereich die Parkplatzsituation aufs äußerste angespannt.

* Allein innerhalb von acht Monaten hatten wir Totalverlust

von zwei Fahrzeugen, einen Totalschaden und an einem Fahrzeug erheblichen Schaden durch Diebstahl, sowie mehrere Fahrzeugeinbrüche. Zuletzt am 1994 02 17. Es ist dringendst geboten, - und was ist naheliegender, als dazu eine vorhandene Möglichkeit zu nützen - die Fahrzeuge zu verwahren und sie dem Zugriff Unbefugter zu entziehen.

* Ich habe nicht unbedingt vor, Fahrzeuge auf die Wiese zu

stellen. Ich bin auch bereit, eine Garage, allerdings, solange nicht ein konkretes Projekt besteht, als Behelf, zu errichten."

Mit Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 23. Wiener Gemeindebezirk vom 21. November 1994 wurde ausgesprochen, daß eine Abweichung von dem Verbot der Ein- und Ausfahrt an der YZ in bezug auf das angeführte Bauvorhaben nicht zulässig sei. Es würden grundsätzlich keine Auf- und Überfahrten an Fußwegen genehmigt werden und würden somit öffentliche Interessen dieser beabsichtigten Abweichung von Bebauungsvorschriften entgegenstehen.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 22. November 1994 wurde die beantragte Baubewilligung gemäß §§ 70 (in Verbindung mit 69) und 71 Bauordnung für Wien für das angeführte Bauvorhaben versagt.

Die dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Bereits im Zeitpunkt der Einbringung des Ansuchens um Baubewilligung für den Stellplatz (am 8. November 1991) habe der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan das Verbot der Herstellung von Ein- und Ausfahrten an den Fluchtlinien entlang der YZ vorgesehen. In dieser Beziehung sei durch den nunmehr maßgeblichen Flächenwidmungsplan Plandokument 6694, das der Wiener Gemeinderat am 27. Jänner 1995 beschlossen habe, keine Änderung der Rechtslage eingetreten. Die YZ sei als 5 m breiter Fußweg festgesetzt, der von Baulinien begrenzt werde, an denen keine Aus- und Einfahrten hergestellt werden dürften (§ 5 Abs. 4 lit. r Bauordnung für Wien). Auf dem Grundstück Nr. nn/2, EZ n1, Grundbuch Liesing, das als Wohngebiet der Bauklasse I gewidmet sei, dürfe ein durch Baufluchtlinien abgegrenzter Bereich bebaut werden. Die übrige Fläche sei gärtnerisch auszugestalten. Das Grundstück schließe zwar unmittelbar an die öffentliche Verkehrsfläche YZ an, sei aber von der befahrbaren Verkehrsfläche B-Straße durch die dazwischen liegende Liegenschaft EZ n2, Grundbuch Liesing, getrennt. Dem Einreichplan zufolge sei vorgesehen, auf der Liegenschaft EZ. n1, unmittelbar an der Grenze zur Liegenschaft EZ. n2, überwiegend auf einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche und teilweise auf der bebaubaren Fläche, einen Stellplatz für zwei Kraftfahrzeuge zu errichten. Die Zufahrt solle durch ein Tor an der Front YZ erfolgen, obwohl ein Verbot der Herstellung von Ein- und Ausfahrten bestehe. Dieses Verbot stehe einer Bewilligung gemäß § 70 Bauordnung für Wien solange entgegen, als es nicht für den Einzelfall durch eine Ausnahmebewilligung gemäß § 69 Bauordnung für Wien aufgehoben werde. Die Ausnahmebewilligung sei vom Bauausschuß der Bezirksvertretung des 23. Wiener Gemeindebezirkes mit dem Bescheid vom 21. November 1994 verweigert worden. Der Bauausschuß habe sich auf die Stellungnahmen zweier Magistratsabteilungen berufen, in denen die grundsätzliche Ablehnung der Gewährung von Ausnahmen vom Verbot der Schaffung von Ein- und Ausfahrten ausgedrückt werde. Zu den im § 69 Abs. 2 Bauordnung für Wien im Zusammenhang mit der Erteilung einer Ausnahme angeführten Kriterien gehöre, daß durch die Ausnahme die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden dürfe. Nach dem Willen des Verordnungsgebers des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes solle die Aufschließung der bebaubaren Fläche auf der Liegenschaft EZ n1 nicht durch eine Zufahrt über die YZ erfolgen. Daran ändere nichts, daß die straßenpolizeilichen Anordnungen, welche das Befahren des nicht als Stiege ausgestalteten Teils des Fußweges verbieten sollten, noch nicht getroffen seien. Der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan verbiete zwar nicht schlechthin die Zufahrtsmöglichkeit zu der bebaubaren Fläche auf der Liegenschaft EZ n1, die etwa durch einen Fahnenbauplatz oder duch die Vereinigung mit dem an der B-Straße gelegenen Bauplatz geschaffen werden könnte. Er wolle aber eine Zufahrt über die YZ zu der vorgenannten bebaubaren Fläche verhindern. Die kürzeste Entfernung dieser Fläche von der befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche B-Straße betrage im übrigen etwa 40 m, sei also keineswegs übermäßig groß. Der vom Beschwerdeführer zitierte Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 11. Februar 1975, mit dem eine Gehsteigauf- und -überfahrt vor der Liegenschaft YZ EZ n1 bewilligt worden sei, sei kein taugliches Argument für die Gewährung einer Ausnahme vom Verbot der Herstellung von Ein- und Ausfahrten. Dieser Bescheid sei rechtlich völlig verfehlt und letztlich ins Leere gegangen, weil es vor der Liegenschaft EZ n1 Grundbuch Liesing an der Front YZ keinen Gehsteig gebe. Die YZ sei eine 5 m breite niveaugleiche Fläche, die weder durch eine Höhendifferenzierung noch durch eine andere Gestaltung der Oberfläche in einen Geh- und einen Fahrbereich getrennt sei. Etwa 45 m von der B-Straße entfernt beginne dann die eigentliche Stiegenanlage. Die 1975 vom Magistrat der Stadt Wien bewilligte Gehsteigauf- und -überfahrt habe sich unmöglich auf einen Gehsteig "vor der Liegenschaft YZ EZ n1" beziehen können, sondern sollte offenbar die Herstellung einer Anrampung an der B-Straße bei der Einmündung der YZ decken. Diese Anrampung erleichtere in der Praxis das Befahren des unteren Teils der YZ, das derzeit durch straßenpolizeiliche Vorschriften nicht verboten sei. Ein Argument für die Bewilligung der Einfahrt von der YZ in eine bestimmte Liegenschaft oder für die Ausfahrt von einer bestimmten Liegenschaft in die YZ lasse sich daraus nicht gewinnen. Der Bauausschuß der Bezirksvertretung des 23. Wiener Gemeindebezirks habe eine Ausnahme gemäß § 69 Abs. 1 lit. f Bauordnung für Wien zu Recht verweigert. Daraus ergebe sich, daß das Bewilligungshindernis des Verbots der Herstellung von Ein- und Ausfahrten an der YZ nicht durch eine Ausnahme überwunden werde, sodaß es einer Bewilligung gemäß § 70 Bauordnung für Wien entgegenstehe.

In bezug auf eine Bewilligung gemäß § 71 Bauordnung für Wien führte die belangte Behörde aus, daß weder die vom Beschwerdeführer angeführte Wertlosigkeit eines Bauplatzes ohne Zufahrtsmöglichkeit noch ein Anmarschweg von 50 m einen derartigen Ausnahmefall darstellten. Die Bestimmungen des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes bewirkten häufig eine Wertminderung von Liegenschaften, sodaß die Wertminderung schon deshalb nicht als Ausnahmefall gelten könne. Wollte man über die Einlösungsverpflichtungen des § 59 Bauordnung für Wien hinausgehend eine Verpflichtung zur Erteilung von Bewilligungen gemäß § 71 Bauordnung für Wien immer dann annehmen, wenn der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan die Ausnützbarkeit einer Grundfläche begrenze und damit ihren Wert mindere, dann wäre die Wirkung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes in Frage gestellt. Der Einfluß von Bebauungsbestimmungen auf den Wert einer Liegenschaft sei für sich allein noch kein Grund, einen Ausnahmefall im Sinne des § 71 Bauordnung für Wien anzunehmen. Dies gelte auch für einen allfälligen Fußweg von etwa 50 m bis zur nächsten befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche. Hinzu komme, daß die erstinstanzliche Behörde zu Recht auf die Beispielsfolgen verwiesen habe, die eine Bewilligung gemäß § 71 Bauordnung für Wien hätte.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung für unwesentliche Abweichungen von Bebauungsvorschriften gemäß § 69 Abs. 1 lit. f Bauordnung für Wien und auf Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 70 bzw. § 71 Bauordnung für Wien verletzt.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 5 Abs. 4 lit. r Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 (im folgenden: BO) i.d.F. des Landesgesetzes LGBl. Nr. 18/1976, können Bebauungspläne auch Fluchtlinien, an denen keine Ein- und Ausfahrten hergestellt werden dürfen, enthalten. Gemäß § 69 Abs. 1 lit. f BO i.d.F. des Landesgesetzes LGBl. Nr. 48/1992 kann die Behörde über Abweichungen von den Bestimmungen des Bebauungsplanes u.a. gemäß § 5 Abs. 4 lit. r für jede Art von Baulichkeiten entscheiden. Die Kriterien für die Erteilung der Bewilligung für eine Abweichung enthält § 69 Abs. 2 BO; diese Bestimmung lautet wie folgt:

"(2) Durch Abweichungen nach Abs. 1 darf die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden; an Emissionen darf nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht. Im übrigen darf, abgesehen von den unter Abs. 1 lit. a bis o näher genannten Voraussetzungen, von den Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nur unwesentlich abgewichen werden; es dürfen das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflußt und die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden. Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. Insbesondere ist auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie auf den Umstand, daß die Ausnahmebewilligung nur für die Bestanddauer des Baues gilt, Bedacht zu nehmen. Vom Bauwerber geltend gemachte Verpflichtungen aus Bundes- oder anderen Landesgesetzen sind zu berücksichtigen, desgleichen, ob die Abweichung einer zeitgemäßen Ausstattung des konsensgemäßen Baubestandes oder des geplanten Baues dienlich ist."

Gemäß § 69 Abs. 3 BO ist die Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften nur auf Antrag zulässig, wobei das Ansuchen um Baubewilligung zugleich als Antrag auf Bewilligung der für das Bauvorhaben erforderlichen unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften gilt. Gemäß § 69 Abs. 8 BO darf die Baubewilligung vor der erstinstanzlichen Bewilligung der erforderlichen unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften nicht erteilt werden. Gegen einen Bescheid, mit dem über den Antrag auf Bewilligung von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften entschieden wird, ist eine abgesonderte Berufung nicht zulässig. Die Berufung kann nur mit der Berufung gegen die Entscheidung über das Ansuchen um Baubewilligung verbunden werden, die sich auf die Entscheidung über Abweichungen von Bebauungsvorschriften stützt. Gemäß § 133 BO obliegt die Entscheidung über Anträge auf Bewilligungen von unwesentlichen Abweichungen von Bebauungsvorschriften gemäß § 69 BO dem Bauausschuß der örtlich zuständigen Bezirksvertretung.

Gemäß § 70 Abs. 2 BO in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 49/1993 hat die Behörde über das Ansuchen um Baubewilligung in der Regel binnen dreier Monate durch schriftlichen Bescheid zu entscheiden. Sind Einwendungen erhoben worden, ist über sie zu erkennen, wenn deren gütliche Ausgleichung nicht gelungen ist. Der Bescheid hat jedenfalls auszusprechen, ob und wieweit das Bauvorhaben nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zulässig ist.

Gemäß § 71 BO i.d.F. des Landesgesetzes LGBl. Nr. 18/1976 kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Für sie gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes insofern nicht, als nach Lage des Falles im Bescheid auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verzichtet worden ist. Der Bewilligung dürfen durch dieses Gesetz gegebene subjektiv-öffentliche Rechte nicht entgegenstehen, es sei denn, daß der Berechtigte der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt hat oder gemäß § 42 AVG als der Bewilligung zustimmend anzusehen ist.

2. Zur Versagung der Baubewilligung gemäß § 70 i.V.m. § 69 Abs. 1 lit. f BO:

Der Beschwerdeführer macht geltend, es liege im vorliegenden Fall sowohl eine unwesentliche Änderung als auch ein Ausnahmefall, wie er nach Lehre und Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 69 BO vorliegen müsse, vor. Der Ausnahmegrund bestehe darin, daß bereits vor Festsetzung der Änderung des Bebauungsplanes eine Grundabteilung erfolgt sei und bereits bei dieser Grundabteilung offengelegt worden sei, daß an dieser Stelle ein Stellplatz errichtet werde. In diesem Zusammenhang sei eine Bewilligung zur Herstellung einer Gehsteigauf- und -überfahrt vor der Liegenschaft 23., YZ, EZ n1, bewilligt worden. Diese Bewilligung gehe vermutlich auf einen alten Konsens zurück und in Anbetracht dieses Konsenses sei die Bewilligung eine sachlich gerechtfertigte und unwesentliche Abweichung. Die Widerlegung dieses Argumentes durch die belangte Behörde mit dem Hinweis auf den angeblich rechtlich verfehlten Bescheid aus dem Jahre 1975 sei nicht zutreffend. Dieser Bescheid sei rechtskräftig und gehöre somit bis zu seiner Aufhebung der Rechtsordnung an. Es sei unzutreffend, daß es an der YZ keinen Gehsteig gebe. Diese Ausführungen der belangten Behörde bezögen sich auf den derzeit gegebenen Zustand der Grundfläche YZ, wie er in der Natur gegeben sei, ohne daß berücksichtigt werde, daß der Bescheid bereits im Jahre 1975 erlassen worden sei. Die belangte Behörde hätte daher den historischen Verlauf der YZ feststellen müssen. Weiters sei die Umdeutung dieses Bescheides dahin, daß eine Anrampung an der B-Straße damit zugelassen worden sei, um einen Teil der YZ in der Längsrichtung zu befahren im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Bescheides unzulässig. Grund für den genannten Bescheid sei offenbar ein alter Konsens gewesen, der mit dem derzeitigen Bebauungsplan, in welchem ein Verbot der Herstellung einer Aus- und Einfahrt normiert werde, kollidiere. Gerade in diesem Bescheid liege aber ein gerechtfertigter Ausnahmegrund und eine unwesentliche Abweichung vom Bebauungsplan im Sinne des § 69 BO. Es werde nicht der gesamte Teil der nur gärtnerisch auszugestaltenden Liegenschaft durch die Bebauung in Mitleidenschaft gezogen, sondern werde auch ein zur Bebauung vorgesehener Teil berührt, zum anderen habe der Beschwerdeführer bei Ankauf der Liegenschaft stets darauf vertraut, einen Stellplatz auf seinem Grundstück errichten zu dürfen, wodurch er in die Lage versetzt werde, sein Eigentum zu schützen, und andererseits öffentlichen Parkraum der Allgemeinheit zu bewahren. Der Beschwerdeführer habe seine wirtschaftlichen Dispositionen im Vertrauen auf diesen Bescheid getätigt. Dieses Grundstück sollte dem "Alterswohnsitz" des Beschwerdeführers dienen. Er hätte diese wirtschaftliche Disposition niemals getroffen, wäre ihm vom Veräußerer und von der Behörde offengelegt worden, daß das Grundstück keine Bewilligung für eine Grundstückein- und -ausfahrt erhalte. Weiters habe der Beschwerdeführer den Ausnahmefall in seiner Eingabe vom 26. Februar 1994 damit begründet, daß er unter einer konkreten Parkplatznot leide. Dies habe sich aufgrund der Ansiedlung von hunderten Familien auf der B-Straße 413 ergeben, wodurch die Parkplatzsituation aufs äußerste angespannt sei. Der Beschwerdeführer habe darüber hinaus in den letzten acht Monaten (also vor dem 26. Februar 1994) einen Verlust von zwei Kraftfahrzeugen infolge Totalschadens und von Einbrüchen in seinen Fahrzeugen bzw. Fahrzeugdiebstahl erlitten. Auch mit diesem Argument habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Er verweise in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom 27. April 1970, Zl. 126/69, aus dem hervorgehe, daß eine konkrete Parkplatznot im Rahmen des § 69 BO berücksichtigt werden müsse.

Maßgebliches Argument für die belangte Behörde in diesem Zusammenhang war, daß bei der Erteilung einer Abweichung gemäß § 69 Abs. 2 BO die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden dürfe. Durch die Gewährung einer Ausnahme vom Verbot der Ein- und Ausfahrt an der YZ würde nach Auffassung der belangten Behörde eine solche grundlegende Änderung der Aufschließung erfolgen. Nach dem Willen des Verordnungsgebers des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes solle die Aufschließung nicht durch eine Zufahrt von der YZ erfolgen. Diese Auffassung der belangten Behörde wird aus folgenden Gründen als nicht ausreichend begründet erachtet: Aus § 16 Abs. 1 bzw. § 39 BO kann abgeleitet werden, daß mit der Aufschließung eines Grundstückes einerseits die Verbindung eines Bauplatzes durch Wege zu den öffentlichen Verkehrsflächen bzw. durch Leitungen zu den öffentlichen Versorgungseinrichtungen gemeint ist. Gemäß § 16 Abs. 1 BO muß die Verbindung eines Grundstückes zur öffentlichen Verkehrsfläche eine unmittelbare sein oder mittels eines Aufschließungsweges erfolgen. Die bis zum Grundstück des Beschwerdeführers führende YZ (bis zu der dann folgenden Stiegenanlage) ist eine öffentliche Verkehrsfläche, die gemäß der StVO als Sackgasse gilt und daher bis zum verfahrensgegenständlichen Grundstück befahrbar ist, welches somit unmittelbar an einer öffentlichen Verkehrsfläche liegt, die weiters auch befahrbar ist. Warum die Gewährung einer Ausnahme vom Verbot der Ein- und Ausfahrt auf das verfahrensgegenständliche Grundstück eine GRUNDLEGENDE Änderung der Aufschließung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes darstellen soll, ist aus dem von der belangten Behörde angeführten Grund nicht ersichtlich. Die von der belangten Behörde offensichtlich vertretene Auffassung, daß allein mit der Festlegung eines solchen Verbotes in einem Raumordnungsplan die Aufschließung eines Grundstückes u.a. ohne Rücksichtnahme auf die tatsächliche Lage eines Grundstückes zu öffentlichen Verkehrsflächen und deren straßenverkehrsrechtliche Bestimmung so umfassend geregelt wird, daß damit die konkrete Zufahrtsmöglichkeit eines Grundstückseigentümers zu seinem Grundstück zu einer grundlegenden Änderung der Aufschließung führt, wird somit vom Verwaltungsgerichthof nicht geteilt. Gemäß § 60 AVG sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Diesem Begründungserfordernis entspricht der angefochtene Bescheid, soweit er die Abweisung des Antrages auf Erteilung einer Ausnahme gemäß § 69 BO betrifft, nicht. Dies stellt sich als ein Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG dar, der auch wesentlich ist, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß bei Einhaltung dieser Verfahrensbestimmung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Sofern im fortgesetzten Verfahren die gemäß § 69 Abs. 2 zweiter Satz BO vorzunehmende Abwägung zum Tragen kommt, werden die Motive des Verordnungsgebers eine ebensolche Rolle spielen, wie das öffentliche Interesse an einer geordneten Parkraumbewirtschaftung und die Interessen des Beschwerdeführers. Es wird auch darauf Bedacht zu nehmen sein, mit welcher Häufigkeit von der Ausnahme von der angeführten Verordnung voraussichtlich Gebrauch gemacht wird.

Sofern der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darlegt, daß ein sachlich gerechtfertigter Ausnahmefall vorliege, weist die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend darauf hin, daß es gemäß § 69 Abs. 1 und 2 BO i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 48/1992 nicht mehr auf das Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Ausnahmefalles ankommt.

3. Zur Baubewilligung gemäß § 71 BO:

Nach Auffassung des Beschwerdeführers liege ein begründeter Ausnahmefall im Sinne dieser Bestimmung vor. Dies ergebe sich daraus, daß eine unwesentliche Abweichung vom Bebauungsplan vorliege, und andererseits, daß der Beschwerdeführer die verfahrensgegenständliche Liegenschaft im vollen Vertrauen auf die Möglichkeit der Errichtung eines Stellplatzes erworben habe. Auch die anderen bereits ausgeführten Gründe hätten zumindest die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 71 BO gerechtfertigt.

Nach ständiger hg. Judikatur hat die Behörde bei der Beurteilung eines Ansuchens um die Erteilung einer Baubewilligung gegen Widerruf nach § 71 BO zunächst zu untersuchen, ob vom Antragsteller für die Erteilung einer solchen Ausnahmebewilligung angeführte oder doch aus seinem Vorbringen im Zusammenhang mit der jeweils gegebenen Situation erkennbare besondere Gründe vorliegen, weil andernfalls eine Abstandnahme von den Vorschriften der Bauordnung in keinem Fall als gerechtfertigt angesehen werden kann (vgl. das

hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1990, Zl. 89/05/0092, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur). Sind solche Ausnahmegründe gegeben, dann hat die Behörde weiters zu prüfen, ob, ungeachtet dieses Umstandes, öffentliche, in der Bauordnung begründete Rücksichten einer Ausnahmegewährung entgegenstehen.

Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Wertlosigkeit eines Bauplatzes ohne Zufahrtsmöglichkeit und den sich daraus ergebenden - vom Beschwerdeführer nicht ausdrücklich ins Treffen geführten - Anmarschweg von ca. 50 m nicht als einen solchen Ausnahmegrund im Sinne des § 71 BO qualifiziert. In diesem Zusammenhang ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß nicht jede sich aus einer Anordnung des Flächenwidmungs- oder Bebauungsplanes ergebende Wertminderung einer Liegenschaft als Ausnahmefall im Sinne des § 71 BO qualifiziert werden kann, weil damit die Wirkung von Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen überhaupt in Frage gestellt wäre. Auch das vom Beschwerdeführer in der Beschwerde geltend gemachte Kriterium des Vorliegens einer unwesentlichen Abweichung vom Bebauungsplan kann im Rahmen des § 71 BO keine Rolle spielen, weil dies ein maßgebliches Kriterium für eine Ausnahmebewilligung gemäß § 69 BO ist. Auch das vom Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde angeführte Vertrauen auf die Möglichkeit der Errichtung eines Stellplatzes stellt keinen begründeten Ausnahmefall dar, weil sich aus der rechtskräftig bewilligten Gehsteigauf- und -überfahrt noch kein Recht auf Errichtung eines Stellplatzes ergibt. Aus § 54 Abs. 9 BO in der im Zeitpunkt der erteilten Bewilligung geltenden Stammfassung ergibt sich, daß eine solche Bewilligung, sofern nicht auf der Liegenschaft Stellplätze bestehen oder zugleich errichtet werden, für das Beladen und Entladen von Fahrzeugen auf der Liegenschaft geschaffen wird. Im Hinblick auf das nunmehr gestellte Bauansuchen kam aber jedenfalls der nunmehr geltende Bebauungsplan zur Anwendung, der - wie dargestellt - ein Ein- und Ausfahrtenverbot anordnet.

Die belangte Behörde hat sich allerdings nicht mit der vom Beschwerdeführer vorgetragenen schwierigen konkreten Parkplatzsituation und der Gefährdung der von ihm dort abgestellten Autos durch Diebstahl und Beschädigung auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer weist zutreffend auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1970, Zl. 126/69, aus dem hervorgeht, daß die besondere Parkplatzsituation für die Annahme eines Ausnahmefalles im Sinne des § 71 BO eine Rolle spielen könne. Dies gilt auch für die weiteren vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Probleme mit von ihm abgestellten Autos. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer nicht auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück wohnt, sondern in der Nähe, steht dem grundsätzlich nicht entgegen, wobei im fortgesetzten Verfahren zu klären sein wird, warum der Beschwerdeführer mit der auf dem Grundstück, B-Straße 382a befindlichen Garage im Ausmaß von 5,70 m x 4,45 m für die ihm zur Verfügung stehenden Personenkraftwagen nicht das Auslangen findet.

Der angefochtene Bescheid stellt sich somit auch im Hinblick auf die Versagung der Baubewilligung gemäß § 71 BO infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als rechtswidrig dar und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren in bezug auf den Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, da zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995050177.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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