TE Vfgh Beschluss 1994/9/27 B1590/94

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags

Spruch

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde wird bewilligt.

Begründung

Begründung:

1. Mit einem beim Verfassungsgerichtshof am 26. Juli 1994 eingelangten Schriftsatz beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid der Landesberufungskommission für Niederösterreich vom 6. April 1994. Er brachte unter einem die Beschwerde ein und legt dar, daß der angefochtene Bescheid seinem Vertreter am 3. Juni 1994 zugestellt worden sei. Die überaus verläßliche und korrekt arbeitende Kanzleileiterin habe das Ende der Rechtsmittelfrist versehentlich eine Woche zu spät eingetragen. Dieser Fehler sei am 18. Juli 1994 bemerkt worden, als der Akt dem Vertreter des Beschwerdeführers fünf Tage vor dem (vorgemerkten) endgültigen Fristablauf zur Bearbeitung vorgelegt worden sei. Zur unrichtigen Fristeintragung sei es offensichtlich infolge eines manipulativen Versehens beim Umblättern oder Zählen der Kalenderseiten gekommen. Dies stelle für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, an welchem ihn überhaupt kein und seinen Vertreter bzw. dessen Mitarbeiterin lediglich ein über den minderen Grad des Versehens nicht hinausgehendes Verschulden treffe.

Zur Bescheinigung dieses Vorbringens werden u.a. je eine eidesstättige Erklärung des Beschwerdeführervertreters und seiner Kanzleileiterin vorgelegt.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist begründet.

2.1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr. 135/1983, sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11706/1988).

Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muß gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von 14 Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden.

2.3. Die rechtzeitige Einbringung der Beschwerde wurde durch einen Irrtum einer Kanzleiangestellten und der daraus folgenden falschen Fristvormerkung gehindert. Dieses Hindernis fiel mit Vorlage des Aktes an den Vertreter des Beschwerdeführers am 18. Juli 1994 weg. Da der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 26. Juli 1994 beim Verfassungsgerichtshof einlangte, ist er rechtzeitig.

2.4. Nach dem glaubhaften Vorbringen des Beschwerdevertreters und der eidesstättigen Erklärung der Kanzleiangestellten kann nicht angenommen werden, daß den Beschwerdeführer oder den Bevollmächtigten des Beschwerdeführers ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden trifft. Der Verfassungsgerichtshof sieht keinen Anlaß, das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, daß nach der in längerer Zusammenarbeit gewonnenen Erfahrung für den Beschwerdevertreter kein Grund gegeben war, an der Verläßlichkeit seiner Angestellten zu zweifeln.

3. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher - gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1590.1994

Dokumentnummer

JFT_10059073_94B01590_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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