TE Lvwg Erkenntnis 2021/11/11 VGW-031/091/14426/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2021
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Entscheidungsdatum

11.11.2021

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ZustG §26

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Gründel über die Beschwerde der Frau A. B. gegen den Zurückweisungsbescheid der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 19.08.2021, Zl. VStV/.../2021, mit dem der Einspruch vom 18.08.2021 gegen die Strafverfügung vom 09.06.2021 gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) als verspätet zurückgewiesen wurde, zu Recht:

I. Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Zurückweisungsbescheid aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang, Beschwerde:

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 19.08.2021, Zl. VStV/.../2021, wurde der Einspruch der nunmehrigen Beschwerdeführerin vom 18.08.2021 gegen die Strafverfügung vom 09.06.2021, Zl. VStV/.../2021 gemäß § 49 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) als verspätet zurückgewiesen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtene Strafverfügung sei laut Zustellnachweis am 15.06.2021 zugestellt worden. Die zweiwöchige Einspruchsfrist habe daher am 15.06.2021 begonnen und am 30.06.2021 geendet. Trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung sei der Einspruch erst am 18.08.2021 und somit verspätet eingebracht worden.

Dagegen richtete sich die Beschwerde vom 22.09.2021 mit dem wesentlichen sinngemäßen vorbringen, die Strafverfügung sei der Beschwerdeführerin nicht per Post zugestellt worden und habe sie auch keine Benachrichtigung bzw. Abholschein erhalten. Nach Erhalt der Mahnung am 08.08.2021 habe sie mit dem Einspruch gegen die Strafverfügung reagiert.

Die Beschwerde wurde dem Verwaltungsgericht Wien mit dem bezughabenden Verwaltungsakt mit Einlaufdatum 04.10.2021 zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 18.10.2021 forderte das Verwaltungsgericht die Beschwerdeführerin auf, bekannt zu geben, wann ihr die Strafverfügung im Original zugekommen sei.

Mit E-Mail vom 11.11.2021 gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass ihr die Strafverfügung nie im Original zugekommen sei, sie habe lediglich eine Kopie der Strafverfügung nach persönlicher Vorsprache erhalten.

Sachverhalt:

Mit Strafverfügung vom Strafverfügung vom 09.06.2021, Zl. VStV/.../2021, wurden gegen die Beschwerdeführerin wegen Übertretung gemäß § 52 lit a Z 10a StVO eine Geldstrafe im Ausmaß von EUR 280,00 für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen und 13 Stunden verhängt.

Diese Strafverfügung wurde am 14.06.2021 an den Zustelldienst übergeben. Die Zustellung erfolgte ohne Zustellnachweis.

In ihrem Einspruch vom 18.08.2021 behauptete die Beschwerdeführerin die Strafverfügung nicht zugestellt erhalten zu haben und wandte sich auch inhaltlich näher ausgeführt gegen die Strafverfügung .

Ein Zustellnachweis der Strafverfügung ist dem Akt nicht zu entnehmen.

Sodann erging der angefochtene Zurückweisungsbescheid.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Verwaltungsgericht auf Grund des unbedenklichen unbestrittenen Akteninhaltes.

Dem Akt sind hinsichtlich des Zustellversuchs keine Ermittlungsschritte seitens der Landespolizeidirektion Wien, zu entnehmen.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass ihr die Strafverfügung nicht zugestellt wurde, wurde daher nicht wirksam entgegengetreten. Eine tatsächliche Zustellung der der Strafverfügung im Original fand nicht statt.

Rechtliche Beurteilung:

§ 26 des Zustellgesetzes normiert zur Zustellung ohne Zustellnachweis Folgendes:

(1) Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung

(§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.

(2) Die Zustellung gilt als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus den Aufzeichnungen der belangten Behörde betreffend die Zustellung der Strafverfügung eindeutig, dass das Schriftstück – vorerst - mit Fensterkuvert und somit ohne Zustellnachweis gemäß § 26 Zustellgesetz zugestellt wurde. In solchen Fällen greift grundsätzlich die Zustellfiktion des § 26 Abs 2 Zustellgesetz, wonach die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt gilt. Die Strafverfügung wurde laut Zustellübersicht der belangten Behörde am 14.06.2021 an den Zustelldienst übergeben. Nach der Fiktion des § 26 Abs 2 Zustellgesetz würde die Strafverfügung dementsprechend am dritten Werktag nach Übergabe, also am 17.06.2021 als zugestellt gelten. In ihrer Beschwerde machte die Beschwerdeführerin jedoch geltend, dass das Schriftstück tatsächlich nie zugestellt erhalten habe.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 Zustellgesetz hat die Behörde bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Folge zu tragen, dass der Behauptung der Partei, sie habe ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegengetreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. In diesem Fall muss - mangels Zustellnachweises - der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, muss die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig angenommen werden (vgl. VwGH, 20.12.2007, Zl. 2007/16/0175). Diese Grundsätze gelten auch für den Nachweis des Zeitpunktes einer - unstrittig erfolgten - Zustellung ohne Zustellnachweis (VwGH, 24.06.2008, Zl. 2007/17/0202).

Die höchstgerichtliche Judikatur sieht für Zweifelsfälle bei Zustellungen ohne Zustellnachweis nach § 26 Abs 2 Zustellgesetz die Pflicht der Behörde vor, die tatsächlichen Umstände der Zustellung zu ermitteln. Die Fiktion, wonach die Zustellung am dritten Werktag nach Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt gilt, greift in Zweifelsfällen - wie dem gegenständlichen Fall - nicht. Gelingt der Behörde der Beweis über den tatsächlichen Zustellzeitpunkt nicht, muss die Behauptung der Partei als richtig angenommen werden.

Da durch die Behörde kein Ermittlungsverfahren durchgeführt wurde, sondern hinsichtlich des Zustellzeitpunktes lediglich von der Zustellfiktion des § 26 Abs 2 Zustellgesetz ausgegangen wurde, vermochte es die Behörde nicht, den Beweis über den tatsächlichen Zustellzeitpunkt zu erbringen. Entsprechend der Judikatur des VwGH war daher die Behauptung der Beschwerdeführerin, wonach die Zustellung der Strafverfügung unterblieben ist, als richtig anzunehmen.

Gemäß § 49 Abs. 1 kann der Beschuldigte gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben. Mangels Zustellung der Strafverfügung im Original hat die Frist noch nicht zu laufen begonnen.

Der gegenständliche Zurückweisungsbescheid war daher aufzuheben.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Zustellung ohne Zustellnachweis; Abgabestelle; Fensterkuvert

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.031.091.14426.2021

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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