TE Vwgh Beschluss 2022/1/5 Ra 2021/17/0197

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Veröffentlicht am 05.01.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §30 Abs2

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/17/0198

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge der 1. M, geboren 1989 und der 2. E, geboren 2016, beide vertreten durch Dr. Stephan Vesco, LL.M., Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Oktober 2021, 1. W168 2244117-1/3E und 2. W168 2244122-1/2E, betreffend Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Asylgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird den Anträgen stattgegeben.

Begründung

1        Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31. Mai 2021 wurden die Anträge der beiden Revisionswerberinnen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Asylgesetz abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 Asylgesetz iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurden gegen die Revisionswerberinnen Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Revisionswerberinnen gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen betrage (Spruchpunkt IV.).

2        Mit Spruchpunkt A) des vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnisses wies das Bundesverwaltungsgericht die von den Revisionswerberinnen dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet ab.

3        In Spruchpunkt B) erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

4        Ihre dagegen erhobene Revision verbanden die beiden Revisionswerberinnen mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Sie begründeten ihren Antrag u.a. damit, dass sich das öffentliche Interesse auf den geordneten Vollzug des Fremdenwesens beschränke. Die sofortige Vollstreckung des angefochtenen Erkenntnisses würde hingegen bewirken, dass die Revisionswerberinnen bei einer Rückkehr nach Georgien (wieder) der Gewalt durch den nach verbüßter Strafhaft dorthin abgeschobenen Vater der Zweitrevisionswerberin ausgeliefert wären. Die Erstrevisionswerberin, Mutter der minderjährigen Zweitrevisionswerberin, habe in Österreich bereits wegen ihres gewalttätigen früheren Partners, dem Vater der Zweitrevisionswerberin, ins Frauenhaus flüchten müssen. Über den früheren Partner sei ein Betretungsverbot ausgesprochen worden. Er sei auch nach §§ 107b Abs. 1 und 83 Abs. 1 StGB verurteilt worden. Nach seiner Ausweisung nach Georgien habe er die Familie der Erstrevisionswerberin bedroht und ihren Bruder mehrfach tätlich angegriffen.

5        In ihrer Stellungnahme zu dem Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung brachte die belangte Behörde im Wesentlichen vor, die Erstrevisionswerberin sei nicht selbsterhaltungsfähig und auf Spenden bzw. Zuwendungen der Mutter aus Georgien angewiesen. Die Erstrevisionswerberin habe Auflagen und Entscheidungen seitens der Behörden und Ämter nicht beachtet. Angesichts der vielen Versuche, den Aufenthalt durch diverse Verfahren zu prolongieren, ergebe sich ein besonderes Interesse an der zeitnahen Beendigung des Aufenthaltes. Insgesamt überwiege daher das öffentliche Interesse am Vollzug der Entscheidung.

6        Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat (ab Vorlage der Revision) der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht zu prüfen, weil diese Prüfung nicht dem vorliegenden Provisorialverfahren, sondern dem ordentlichen Verfahren vorbehalten ist. Gleiches gilt nach der ständigen Rechtsprechung für die Erfolgsaussichten der Revision (vgl. etwa VwGH 2.3.2017, Ra 2017/03/0014, mwN).

8        Die Stellungnahme der belangten Behörde enthält zwar Ausführungen zum öffentlichen Interesse am Vollzug der angefochtenen Entscheidung. Warum sich aber ein zwingendes öffentliches Interesse an der sofortigen Aufenthaltsbeendigung noch vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revision ergeben sollte, ist dieser Stellungnahme nicht zu entnehmen. Zu den von den Revisionswerberinnen geltend gemachten Nachteilen, die im Wesentlichen in einer Gefährdung ihrer körperlichen Sicherheit und Unversehrtheit bestehen, unterlässt die belangte Behörde jegliches Vorbringen.

9        Die gemäß § 30 Abs. 2 VwGG gebotene Abwägung aller berührten Interessen bei besonderer Berücksichtigung der von den Revisionswerberinnen geltend gemachten Interessen ergibt daher im vorliegenden Fall, dass angesichts des den Revisionswerberinnen drohenden unverhältnismäßigen Nachteils dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben war.

Wien, am 5. Jänner 2021

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021170197.L00

Im RIS seit

09.03.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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