TE Vfgh Erkenntnis 1994/9/27 B2255/93

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Veröffentlicht am 27.09.1994
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
Tir GVG 1983 §1 Abs1 Z1
Tir GVG 1983 §2 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und im Eigentumsrecht durch Feststellung der Erforderlichkeit einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung für den Erwerb eines zu einem geschlossenen Hof gehörenden, ehemals landwirtschaftlich genutzten Grundstücks

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 3. bzw. 8. Jänner 1992 erwarb der Beschwerdeführer ein 65 m2 großes Grundstück samt darauf befindlichem Wochenendhaus in Kirchberg in Tirol. Dieses Grundstück gehörte zu einem geschlossenen Hof im Sinne des Tiroler Höfegesetzes und war vom Beschwerdeführer auf Grund teils mündlich und teils schriftlich geschlossener Vereinbarungen in den Jahren 1973 bis 1976 instandgesetzt und seither mit seiner Familie als Ferienwohnsitz benützt worden.

Über Antrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Kirchberg in Tirol vom 30. September 1992 gemäß §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), festgestellt, das Grundstück unterliege nicht den Bestimmungen des GVG 1983.

2. Der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 14. September 1993 Folge gegeben und festgestellt, daß das Grundstück mit darauf befindlichem Wochenendhaus den Bestimmungen des GVG 1983 unterliege.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß nach dem ergänzenden Ermittlungsverfahren das Grundstück im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Freiland ausgewiesen und das Gebäude bis zum Jahre 1973 - also bis zum Um- bzw. Ausbau durch den Beschwerdeführer - als Sommerstall genutzt worden sei. Sie führte dazu aus, daß diese "Überlegungen auch dadurch erhärtet werden, daß der nunmehrige Verkäufer J.H. in einer Bauanzeige vom 11.11.1975 mitgeteilt hat, daß er die Instandsetzung des Stalles ... zur Erhaltung seines Besitzes beabsichtige." Schließlich hielt sie fest, daß das Grundstück Teil eines geschlossenen Hofes nach dem Tiroler Höfegesetz sei, "was wohl nicht bedeutet, daß eine landwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes vorliegen muß, aber, wenn - wie im gegenständlichen Fall - alle anderen Beweisergebnisse dafür sprechen, ein Indiz dafür ist, daß es sich dabei um ein landwirtschaftliches Grundstück bzw. Objekt handelt."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

Dazu wird im wesentlichen ausgeführt, daß die Qualifikation des Grundstückes durch die belangte Behörde jeder Grundlage entbehre, vielmehr sei es Tatsache, daß die Hütte vom Bauern nur bis zum Jahre 1965 als Sommerstall genutzt und sodann dem Verfall preisgegeben worden sei. Dies sei in keinem Zusammenhang mit der erst acht Jahre hernach erfolgten Überlassung des Gebäudes an den Beschwerdeführer zwecks Instandsetzung des zwischenzeitlich praktisch zur Ruine gewordenen Gebäudes gestanden. Durch die Instandsetzung, Renovierung und Ausgestaltung zum Wochenendhaus (Berghütte) sei eine landwirtschaftliche Nutzung schon seit 20 Jahren gar nicht mehr möglich und auch nicht erwünscht, zumal die benachbarten Grundstücke nur der Heuproduktion dienten und jede Beweidung seit etwa zehn Jahren aufgelassen sei. Der Flächenwidmung komme jedenfalls ebensowenig Bedeutung zu wie der Nutzung der umliegenden Grundstücke.

4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (s. §§28 und 40 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993) als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften trägt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden (vgl. zu §1 Abs1 Z1 GVG 1983 VfSlg. 11435/1987, 11952/1989, 12516/1990).

1.2. Der Beschwerdeführer wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987).

2.2. Es kann nicht ernsthaft bestritten werden, daß die Grundverkehrsbehörde II. Instanz gemäß §2 Abs1 GVG 1983 zur Entscheidung darüber zuständig ist, ob die Grundverkehrsbehörde I. Instanz zu Recht angenommen hat, ein Grundstück, das Gegenstand eines ihr vorgelegten Rechtserwerbes im Sinne des §3 Abs1 GVG 1983 ist, unterliege den Bestimmungen des GVG 1983.

Was die Beschwerde in Wahrheit kritisiert, ist die inhaltliche Richtigkeit des bekämpften Bescheides. Art83 Abs2 B-VG gewährleistet jedoch nicht die Gesetzmäßigkeit des Inhaltes des angefochtenen Verwaltungsaktes; vielmehr wird die Zuständigkeit der Behörde und damit das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch eine unrichtige behördliche Entscheidung allein nicht berührt (VfSlg. 10379/1985).

2.3. Der Beschwerdeführer wurde sohin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

3.1. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte eine Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann vorliegen, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die belangte Behörde einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (vgl. VfSlg. 11470/1987, 11635/1988).

3.2. Für die Beurteilung, ob ein Grundstück ein land-(oder forst-)wirtschaftliches ist, ist nicht seine Bezeichnung im Grundsteuer- oder Grenzkataster, sondern seine Beschaffenheit oder seine bisherige Verwendung maßgebend. Verwaltungsbehördliche Beschränkungen des Verkehrs mit Grundstücken können sich nicht nur auf solche beziehen, die einem spezifisch ausgeprägten land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmet sind, sondern auch auf solche, die zwar von einer Person, die nicht Land- oder Forstwirt ist, aber doch in einer für Land- oder Forstwirte signifikanten Art wirtschaftlich genutzt werden (vgl. VfSlg. 9005/1981, 9063/1981, 10447/1985, 11435/1987, 12770/1991).

Ob die Nutzung auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Weise erfolgt, ist nach der eben zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes vor allem danach zu beurteilen, was und auf welche Weise auf dem Grundstück produziert wird und welche primären Verwendungszwecke das Grundstück hat. Die Umstände, auf die es ankommt, können hiebei nicht nach starren Regeln beurteilt werden, können also nach Maßgabe des jeweiligen Falles unterschiedliches Gewicht besitzen; entscheidend ist, daß durch sie Sachverhalte verwirklicht werden, wie sie sich in der Land- und Forstwirtschaft, wenn auch in verschiedenen Spielarten, finden.

Ein land- oder forstwirtschaftliches, dem GVG 1983 unterliegendes Grundstück ist daher ein solches, auf dem gegenwärtig Land- oder Forstwirtschaft im Sinne der vorstehenden Ausführungen betrieben wird, wobei, um Umgehungshandlungen hintanzuhalten, aber auch Grundstücke, die gegenwärtig diese Voraussetzungen nicht erfüllen, in die Grundverkehrsregelung einbezogen werden dürfen. Der Entfall der Widmung darf aber nur so lange zurückliegen, als dies aus diesem Zweck erklärbar ist (VfSlg. 7838/1976, 9063/1981, 10447/1985, 11435/1987, 12770/1991).

3.3. Im Lichte dieser Rechtsprechung hegt der Verfassungsgerichtshof gegen die bekämpfte Erledigung keine Bedenken. Es steht außer Streit, daß das Kaufobjekt Teil eines geschlossenen Hofes im Sinne des Tiroler Höfegesetzes ist und von den Hofeigentümern etwa bis zum Umbau des Gebäudes durch den Beschwerdeführer landwirtschaftlich genutzt worden war. Wenn auch dieser Umbau schon 20 Jahre zurückliegt und damit die Nutzung des Gebäudes dem geschlossenen Hof entzogen war, ist der belangten Behörde im Hinblick darauf, daß eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung hiefür vom Beschwerdeführer nicht eingeholt wurde, obwohl eine Genehmigungspflicht offenkundig nicht auszuschließen war, beizupflichten, daß es sich beim Kaufobjekt jedenfalls im Zeitpunkt der Umwidmung um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 Z1 GVG 1983 handelte, zumal unbestrittenerweise die umliegenden Grundflächen nach wie vor landwirtschaftlich genutzt werden und die Beschwerde die "Heuproduktion" ausdrücklich zugesteht. Ebenso steht außer Streit und ist durch den Akteninhalt gedeckt, daß der Verkäufer im Jahre 1975 eine Bauanzeige für umfangreiche Instandsetzungsarbeiten am "Stall" zur "Erhaltung seines Besitzes" erstattete. Unter Würdigung aller Umstände kann daher der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das Kaufobjekt als landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 Z1 GVG 1983 eingestuft hat.

3.4. Der Beschwerdeführer wurde somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

5. Die Beschwerde war deshalb als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Behördenzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B2255.1993

Dokumentnummer

JFT_10059073_93B02255_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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