TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/3 95/04/0148

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.1996
beobachten
merken

Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §152 Abs6;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §84;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der N-Gesellschaft m.b.H. in Innsbruck, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 26. Mai 1995, Zl. MD/-7538/1994, betreffend Vorschreibung einer früheren Sperrstunde, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 26. Mai 1995 wurde der Beschwerdeführerin bei der Ausübung ihrer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart "Bar" mit einer täglichen Sperrstunde von 03.00 Uhr im Standort Innsbruck gemäß § 152 Abs. 6 GewO 1994 eine frühere Sperrstunde, und zwar 01.00 Uhr, vorgeschrieben. Zur Begründung führte die belangte Behörde - unter Darlegung der Rechtslage - im wesentlichen aus, das erstinstanzliche Administrativverfahren durch umfangreiche Beweisaufnahmen, wie z.B. Befragung von Anrainern, Erteilung von Meßberichten und fundierte Sachgutachten des Amtes für Umweltschutz und des Gesundheitsamtes ergänzt zu haben. Die gegenständliche Diskothek "X" befinde sich im Keller des Anwesens H-Straße 2 in Y und weise ein Fassungsvermögen von ca. 450 Personen auf. Die Öffnungszeiten seien derzeit von Dienstag bis Sonntag mit 20.00 Uhr bis 03.00 Uhr festgesetzt; Montag sei Ruhetag. In nordöstlicher Richtung vom Eingangsbereich des "X" sei die H-Straße durch eine beidseitige dichte Verbauung gekennzeichnet, sodaß bei Lärmereignissen in diesem Bereich eine Lärmausbreitung hauptsächlich nach oben stattfinde (Trichterwirkung). Direkt an die Diskothek anschließend befinde sich ein Wohngebäude (Haus Nr. 4); auf der gegenüberliegenden Straßenseite sei das ehemalige Hotel "A" etabliert, in welchem seit Anfang des Jahres eine Sonderkrankenanstalt mit stationärem Aufenthalt für Tumorpatienten untergebracht sei (Haus Nr. 3). Die von der belangten Behörde durchgeführten Messungen seien vom ersten Stock des westseitig gelegenen Fensters des Hauses Nr. 3 erfolgt, weil es sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Eingangsbereich des "X" befinde und die Messungen frei von jeglichen Schallreflexionen möglich gewesen seien. Als Schallpegelmeßgerät habe bei allen Messungen ein Schallpegelanalysator BK, Type 4427, Mikrophon 4165 - 1/2 mit Windschirm gedient. Die Geräteadjustierung sei mit akustischem Kalibrator BK, Type 4230, erfolgt. Das die Schallereignisse aufnehmende Mikrophon sei in einem Abstand von 1,5 m vor der westseitigen Gebäudefront des Hauses H-Straße 3 situiert gewesen. Die zur Beurteilung der Lärmsituation aus schalltechnischer Sicht erforderlichen Grundlagen hätten die Schallpegelmeßberichte vom 22. April 1994, 29. April 1994 und 12. November 1994, jeweils bei Betrieb des "X" sowie die Meßberichte vom 2. Mai 1994 und 21. November 1994, jeweils am Ruhetag des "X" geliefert. Alle diese Meßberichte seien der Beschwerdeführerin übermittelt worden. In Ergänzung zu den vorgenannten lärmtechnischen Messungen seien zur Erhebung der akustischen Gesamtsituation im Zusammenhang mit dem Betrieb des "X" vom medizinischen Sachverständigen zudem Anrainerbefragungen und mehrmalige Schallproben (am 4., 5. sowie 10. und 11. Februar 1995) durchgeführt worden. Das Ergebnis dieser Befragungen habe insgesamt eine breite Ablehnung gegen den Betrieb der Diskothek ergeben. Diese Ablehnung liege hauptsächlich in der aus dem Betrieb des "X" resultierenden regelmäßig stattfindenden Lärmbelästigung durch das Zu- und Abgehen von Gästen des Lokales zu später Nachstunde begründet. Zum anderen hätten sich die Anrainer gegen den Betrieb der Diskothek ausgesprochen, da Belästigungen durch strafbare Handlungen der vermeintlichen Diskothekenbesucher gegeben seien, wie etwa tägliche nächtliche Wendemanöver auf Anrainergrund direkt vor deren Fenstern, Überschütten von Pkws mit Bier, Luftauslassen aus Reifen etc. Diese Vorfälle hätten jedoch bei der rechtlichen Beurteilung des gegenständlichen Beschwerdefalles keine Berücksichtigung gefunden. Die laut Anrainerbefragungen im Regelfall bis zur Sperrstunde andauernden Lärmbelästigungen würden in den Sommermonaten ihren Höhepunkt erreichen, wobei Lärmemissionen sowohl von der Vorderseite - dem eigentlichen Eingang - des "X" ausgingen, als auch von dessen Hinterseite, wo sich der Parkplatz und ein Hintereingang des Lokales befänden. Auf Grund der sensorischen Schallproben durch den medizinischen Sachverständigen im näheren Umgebungsbereich der Diskothek komme dieser zu dem Schluß, daß primäre Ursache der zu beurteilenden Schallemissionen der Betrieb des "X" darstelle. Demnach würden die betriebsbedingt zu- und abgehenden Gäste im Eingangsbereich des Lokales aber auch an dessen Hinterseite alleine durch normale Gespräche zu wesentlichen Lärmzuwächsen in der betreffenden Umgebung führen. Bereits Gespräche normaler Lautstärke seien auf Grund des sonst sehr ruhigen Umgebungsgeräuschpegels bzw. Grundgeräuschpegels störend. Im Zusammenhang mit den durchgeführten Lokalaugenscheinen sei immer wieder beobachtet worden, daß sich Gruppen von Jugendlichen vor dem Lokal aufhielten bzw. zum Teil auf dem davor liegenden Geländer gesessen seien und längere Zeit angeregt miteinander diskutiert hätten. Der dabei entstandene Lärmpegel reiche aus amtsärztlicher Sicht völlig aus, auf Grund der vorgerückten Zeit extrem belästigend zu wirken. Mit vorgerückter Stunde seien die Gespräche und lauten Zurufe sowie fallweises Singen häufiger geworden. Als weitere wichtige Lärmquellen seien die ständigen betriebsbedingten Fahrzeugbewegungen (einschließlich Taxis) mit Türenschlagen, Anstarten usw. zu nennen. Gemäß den Hörproben seien zwischen 00.00 Uhr und 01.00 Uhr sowie zwischen 02.30 Uhr und 03.30 Uhr die höchsten Lärmpegel erreicht worden, wobei sowohl der Vorder- als auch der Hintereingangsbereich der Diskothek Quellen permanenter Schallemissionen darstellen würden. Zur bestehenden akustischen Gesamtsituation sei auf Grund der durchgeführten Lokalaugenscheine und Hörproben festzuhalten, daß vor dem Nordeingang eine äußerst ruhige Ausgangssituation vorliege; so seien etwa in der Nacht von Sonntag auf Montag, wo der Betrieb der Diskothek geschlossen sei, außer vereinzelten Fahrzeugbewegungen kaum sonstige Umgebungsgeräusche feststellbar gewesen. Südseitig des Betriebes biete sich ein ähnliches ruhiges Ausgangsbild. Die Veränderung der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse bei Betrieb des "X" sei eklatant, andauernd bis ca. 03.30 Uhr und unterscheide sich in Pegelstärke und Pegelcharakter komplett von der sonst ruhigen Ausgangssituation. Die Gutachten des lärmtechnischen und medizinischen Sachverständigen hätten sich streng an die tatbestandsmäßige Vorgabe des § 152 Abs. 6 GewO 1994 gehalten. Bei der rechtlichen Beurteilung des Anlaßfalles hätten ausschließlich jene Lärmemissionen und deren Auswirkungen auf die Nachbarschaft Berücksichtigung gefunden, welche durch das Zu- und Abgehen von Gästen im Bereich vor der Betriebsanlage notgedrungen und üblicherweise entstünden, durch nicht stafbare Handlungen verusacht würden und insgesamt wiederholte Belästigungen für die Anrainer darstellten. Dem lärmtechnischen Gutachten vom 19. Jänner 1995, basierend auf der ÖAL Richtlinie Nr. 3 (1) 1986 i.V.m. der Ö-NORM S 5004, 1985, sei zu entnehmen, daß der meßtechnisch ermittelte Grundgeräuschpegel (LA95), das sei der geringste an einem Ort während einer bestimmten Zeit gemessene Schalldruckpegel in Dezibel (dB), der durch entfernte Geräusche wie Verkehr verursacht werde und bei dessen Vorherrschen Ruhe empfunden werde, während der Nachtstunde bei 23 dB (ersichtlich aus dem Meßstreifen vom 2. Mai und vom 21. November 1994 sowie aus Tabellen und Diagrammen) liege. Dieser Wert gebe "die örtliche Ruheerwartung" der in diesem Gebiet wohnhaften Personen wieder (ÖAL-Richtlinie Nr. 3). Der für die durchgeführten Messungen gleichfalls zu beachtende A-bewertete energieäquivalente Dauerschallpegel (LAeq) diene zur Beschreibung von schwankenden Schallereignissen. Er sei jener konstante Dauerschallpegel, dessen Energiegehalt jenen der meist schwankenden Umgebungsgeräusche gleich sei. Der Beurteilungspegel (Lr) sei der auf die Bezugszeit bezogene A-bewertete energieäquivalente Dauerschallpegel des Störgeräusches, der - wenn nötig - mit Pegelzuschlägen versehen werde. Als Bezugszeit sei laut ÖAL-Richtlinie Nr. 3 (1), Punkt 5.1.2., die ungünstigste halbe Nachtstunde heranzuziehen. Zeichne sich ein Störgeräusch durch starke Tonhaltigkeit, Impulshaltigkeit oder Informationshaltigkeit aus, so werde der durch dieses Geräusch verursachte Leq mit einem Pegelzuschlag von 3 dB, 5 dB oder 6 dB gemäß Ö-NORM S 5004 Punkt 3.6. versehen. Der auf der Basis der durchgeführten Messungen ermittelte Beurteilungspegel liege zwischen 60 und 63 dB, abhängig von den Meßergebnissen und verschiedenen Tagen. Der LAeq am Ruhetag, der die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse repräsentiere, sei meßtechnisch am 2. Mai 1994 mit 45 dB und am 21. November 1994 mit 27 dB ermittelt worden. Das heiße, der Beurteilungspegel erhebe sich um 15 bis 36 dB über den LAeq am Ruhetag (tatsächliche örtliche Verhältnisse). Der Grundgeräuschpegel (LA95) sei am Ruhetag mit 23 dB ermittelt worden, somit liege der Beurteilungspegel zwischen 37 und 40 dB höher als dieser. Bei den angeführten Werten sei hervorzuheben, daß ab ca. 00.30 Uhr insbesondere ab 01.00 bis 03.00 Uhr, hinsichtlich des A-bewerteten energieäquivalenten Dauerschallpegels an den Ruhetagen im Verhältnis zum A-bewerteten energieäquivalenten Dauerschallpegel an den Betriebstagen ein immer stärkeres Auseinanderklaffen zu verzeichnen sei. Dieses lärmtechnische Gutachten habe die Grundlage für ein medizinisches Gutachten des städtischen Gesundheitsamtes gebildet. Aus diesem gehe hervor, daß Überschreitungen des Grundgeräuschpegels durch den Beurteilungspegel um mehr als 10 dB statistisch gesehen verbreitete Beschwerden zur Folge hätten und daher eine wesentliche Lärmstörung bedeuten würden. Als Richtwert für die Beurteilung der Zumutbarkeit sei daher eine Erhebung des Beurteilungspegels bis zu 10 dB über den im Einzelfall anzuwendenden Grundgeräuschpegel anzuführen (Grenze der zumutbaren Störung). Da im vorliegenden Fall sämtliche Beurteilungspegel um weit mehr als 10 dB den Grundgeräuschpegel überschreiten würden (plus 37 bis plus 40 dB), werde die Grenze der zumutbaren Störung eindeutig und exklatant überschritten. Bei der Beurteilung einzelner Schallpegelspitzen sei sowohl ihre Erhebung über den Grundgeräuschpegel als auch die absolute Höhe der Schallpegelspitzen zu beachten gewesen. Diese seien insbesondere bei der Beurteilung von nächtlichen Lärmstörungen notwendig und müßten bei der Beurteilung zusätzlich berücksichtigt werden. Sowohl die aus dem Grundgeräuschpegel errechneten (53 dB) als auch die zutreffenden höchstmöglichen Grenzwerte für die Schallpegelspitzen (70 dB) würden an allen Meßtagen mit Betrieb erreicht bzw. mehrfach überschritten. An zu erwartenden Auswirkungen des zu beurteilenden Schalles auf den betroffenen Personenkreis wären insbesondere zu nennen, extraaurale Auswirkungen, nämlich Schlafstörungen, welche zu Einbußen der Leistungsfähigkeit und des Wohlbefindens am Tage und Stoffwechselveränderungen mit akuten physiologischen und emotionalen Reaktionen führen würden. Besonders beim Personenkreis in den Objekten H-Straße 3 sowie 4 und bei den Bewohnern des Hauses P-Straße 7 ab dem 1. Stock aufwärts seien Weckreaktionen und andere extraaurale Wirkungen sicher zu erwarten. Für die Parterrebewohner im selben Haus seien diese Wirkungen nicht auszuschließen. Hinsichtlicht der Wirkungen von Schallimmissionen auf den Menschen seien von der WHO 55 dB LAeq am Tage im Freien im Sinne wirkungsbezogener Immissionsgrenzwerte des vorbeugenden Gesundheitsschutzes als Mindestforderung für Gebiete mit ständiger Wohnnutzung angegeben worden. Die im gegenständlichen Verfahren heranzuziehenden höchsten Halbstundenwerte würden diese Grenzwerte aber auch in der Nacht erreichen bzw. um 3 dB überschreiten. Weiters werde der von der UBA/Berlin geforderte Grenzwert von LA = 45 dB im Freien als Grenze für nächtliche Lärmstörungen um 10 bis 13 dB überschritten. Für jedes zusätzlich über diesem Grenzwert tatsächlich gemessene dB müsse mit weiteren 2,5 % Anteil an wesentlich gestörten Personen gerechnet werden. Somit seien die Lärmimmissionen, welche durch sich völlig normal verhaltende Gäste des "X" beim Zu- und Abgehen durch nicht strafbares Verhalten hervorgerufen würden, nach 01.00 Uhr geeignet, Gesundheitsgefährdungen an dem Personenkreis des Hauses H-Straße 3 und 4 hervorzurufen. Für die Anrainer der oberen Etage im Haus P-Straße 7 und 10 müßten "Gesundheitsbelästigungen" angenommen werden. Die erschöpfenden und schlüssigen Gutachten seien der Beschwerdeführerin übermittelt worden, doch habe sie diese in fachlicher Hinsicht in keiner Weise zu widerlegen vermocht. Auch der von ihr angestellte Türsteher habe keine Besserung dieser Situation bewirken können. Wie der Niederschrift zum Schallpegelmeßbericht vom 12. November 1994 zu entnehmen sei, sei dieser in der Zeit zwischen 20.00 Uhr und 03.00 Uhr insgesamt viermal vor der Lokaltür erschienen, wobei er nur ein einziges Mal einige Gäste - allerdings ohne Erfolg - ermahnt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ihrem gesamten Vorbringen zufolge erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Unterbleiben der in Rede stehenden, auf § 152 Abs. 6 GewO 1994 gestützten Maßnahme verletzt. Sie bringt hiezu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe trotz umfangreicher Beweisanträge durch die Beschwerdeführerin das erstinstanzliche Administrativverfahren entgegen ihren Ausführungen nicht entsprechend ergänzt. Die Erhebunben der Bundespolizeidirektion Innsbruck hätten lediglich den Zeitraum vom 11. Jänner 1994 bis 31. März 1994 erfaßt. Die Behörde habe im Schreiben vom 20. Mai 1994 selbst eingeräumt, daß ein Nachweis, die Täter der festgestellten Übertretungen seien Gäste des Lokals der Beschwerdeführerin gewesen, nicht mit Sicherheit zu erbringen sei. Unter "Zugrundelegung des vorstehenden Tätigkeitsumfanges" könnten - laut Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 19. April 1994 - sicherheitspolizeiliche Bedenken gegen das Lokal der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht werden. Trotz Antragstellung habe es die belangte Behörde unterlassen, die bisherigen Erhebungen zu präzisieren, insbesondere dahingehend, ob die Beanstandungen tatsächlich von den Besuchern des Lokals der Beschwerdeführerin ausgingen. Es werde bestritten, daß die Nachbarschaft durch Lärm aus dem Lokal in unzumutbarer Weise belästigt werde. Das beweise auch die aktenkundige Tatsache, daß der Großteil der Beschwerden, welche bei der Behörde eingegangen seien, sich nicht gegen Lärm aus dem Lokal der Beschwerdeführerin beziehe. Es werde vielmehr die Lärmentwicklung vor dem Lokal beanstandet. Zudem führe die belangte Behörde aus, daß die angeblich bestehende geringe Akzeptanz des Lokales "X" laut Aussage der Anrainer auf Belästigungen durch strafbare Handlungen durch vermeintliche Besucher zurückzuführen sei, wie etwa tägliche nächtliche Wendemanöver auf Anrainergrund direkt vor deren Fenstern, Überschütten von Pkw"s mit Bier auf Anrainergrundstücken, Luftauslassen aus Reifen und anderes mehr. Die belangte Behörde begründe die Unzumutbarkeit für die Anrainer u.a. damit, daß "allein durch normale Gespräche" es zu wesentlichen Lärmzuwächsen in der betreffenden Umgebung komme und bereits Gespräche normaler Lautstärke auf Grund des sonst sehr ruhigen Umgebungsgeräuschpegels bzw. Grundgeräuschpegels zumindest als störend bis wahrnehmbar (?) empfunden werde. Der "X" liege in einem Fremdenverkehrszentrum und zudem an einer Durchzugsstraße, welche auch von Gästen, welche das Lokal nicht frequentierten, benützt werde. Die durchgeführten Lärmmessungen, deren Richtigkeit bestritten werde, seien völlig unzureichend. Als Meßort für die durchgeführten schalltechnischen Messungen sei das auf der gegenüberliegenden Straßenseite etablierte ehemalige Hotel A ausgewählt worden, weil das Gebäude nach Ansicht der belangten Behörde als "äußerst repräsentativ" anzusehen sei. Dieses befinde sich nämlich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Eingangsbereich des "X". Schalltechnische Messungen seien lediglich an diesem einen Meßort durchgeführt worden. Die belangte Behörde vermeine damit die bestehende akustische Gesamtsituation insbesondere vor dem Nordausgang beurteilen zu können. Eine der Voraussetzungen des § 152 Abs. 6 GewO 1994 seien die unzumutbaren Belästigungen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbes. Während nach der früheren Gesetzeslage durch das nun entfallene Wort "unmittelbar" überhaupt nur Vorgänge bei der Eingangstür zu berücksichtigen gewesen seien, sei nun ein entsprechender Umkreis zu berücksichtigen. Dieser sogenannte "örtliche Bedarf" (Hinweis auf VwSlg. N.F. Nr. 12.076/A) sei von der belangten Behörde keineswegs berücksichtigt worden, weil lediglich Schallmessungen direkt gegenüber dem Eingangsbereich durchgeführt worden seien. Der ebenfalls frequentierte Nordausgang sei schalltechnisch nicht entsprechend erfaßt worden. Vergleichende Messungen anderer Lokalitäten fehlten indes völlig. Die amtsärztliche Stellungnahme vom 5. Juni 1994, welche ausdrücklich bestritten werde, lasse sowohl die Erhebung eines klaren Befundes als auch die entsprechenden wissenschaftlichen Schlüsse vermissen. Der Sachverständige müsse im Bereich der Tatsachen bleiben. Das Gesundheitsamt nehme offenbar Bezug auf eine einzige Messung, hinsichtlich derer ein Meßbericht vorliege, und komme zum Schluß, welche Auswirkungen auf den betroffenen Personenkreis zu erwarten wären. Die Behörde begnüge sich unzulässigerweise damit, daß Gesundheitsbelästigungen angenommen werden müßten; konkrete und durch ein Gutachten fundierte und entsprechend begründete Auswirkungen vermöge die Behörde jedoch nicht anzugeben und seien auch laut Gutachten nicht erwiesen. Die ärztliche Stellungnahme sei, da beantragte Ergänzungen unterblieben seien, für den Anlaßfall wertlos und nicht zu verwerten.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.

Gemäß § 152 Abs. 6 GewO 1994 hat die Gemeinde, wenn die Nachbarschaft wiederholt durch ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes unzumutbar belästigt wurde oder wenn sicherheitspolizeiliche Bedenken bestehen, eine spätere Aufsperrstunde oder frühere Sperrstunde vorzuschreiben.

Zunächst ist festzuhalten, daß die Sperrstundenvorverlegung nicht wegen sicherheitspolizeilicher Bedenken, sondern auf Grund des ersten im Gesetzeswortlaut des § 152 Abs. 6 GewO 1994 näher umschriebenen Tatbestandes der wiederholten unzumutbaren Belästigung der Nachbarschaft von Gästen vor der Betriebsanlage des Gewerbebetriebes erfolgt ist. Die Beschwerdeausführungen, soweit sie sich darauf beziehen, es lägen keine sicherheitspolizeilichen Bedenken vor, gehen somit ins Leere.

Dem Tatbestandsmerkmal der "unzumutbaren Belästigung" kann im gegebenen Zusammenhang - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 94/04/0200, und die dort zitierte Vorjudikatur) - keine im wesentlichen andere Bedeutung beigelegt werden, als dem Begriff der unzumutbaren Belästigung im Sinne der für die Betriebsanlagen geltenden Vorschriften (§ 77 Abs. 1 und § 84 GewO 1973), wobei die Frage der Zumutbarkeit einer durch die Ausübung eines Gastgewerbes bewirkten Störung der Nachbarschaft mangels einer weiteren gesetzlichen Determinierung ausschließlich unter Bedachtnahme auf die gegebenen örtlichen Verhältnisse zu beantworten ist. Ein weiteres essentielles Tatbestandsmerkmal bildet der Umstand, daß diese unzumutbare Belästigung durch "ein nicht strafbares Verhalten von Gästen vor der Betriebsanlage des Gastgewerbebetriebes" hervorgerufen wurde und weiters, daß eine derartige unzumutbare Belästigung "wiederholt" erfolgt ist.

Die Zulässigkeit der Vorverlegung der Sperrstunde für einen bestimmten Gastgewerbebetrieb hängt daher - im Sinne des ersten Falles der zitierten Bestimmung - davon ab, ob die Nachbarschaft dieses Betriebes wiederholt - wie dargelegt - belästigt wurde, und diese Belästigung ihre Ursache jeweils im (nicht strafbaren) Verhalten von Gästen dieses Betriebes und zwar vor der Betriebsanlage dieses Gastgewerbebetriebes hatte.

Daran, daß eine rechtlich relevante Verursachung der Belästigung der Nachbarschaft in der Tatsache zu suchen ist, daß ein Gastgewerbe ausgeübt wird, also ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten von Gästen vor oder nach dem Besuch der (Gaststätten-)Betriebsanlage unter Beeinträchtigung der Nachbarschaft gegeben sein muß, hat auch die Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1992 grundsätzlich nichts geändert; nur der räumliche Bereich wurde insoweit erweitert, als die Belästigung durch "Gäste" - womit sprachlich der Bezug zur (konkreten) Betriebsanlage hergestellt wird - aus einem Verhalten nicht (mehr) "unmittelbar" vor der Betriebsanlage herrühren muß. Mit anderen Worten: Auch nach der hier anzuwendenden Rechtslage muß es sich um eine Belästigung der Nachbarschaft durch Gäste vor oder nach dem Besuch eines (konkreten) Lokales handeln (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 94/04/0203). Damit ist aber nicht, wie die Beschwerdeführerin meint, die Frage eines "örtlichen Bedarfes" angesprochen, wobei von der Beschwerdeführerin übersehen wird, daß das von ihr ins Treffen geführte hg. Erkenntnis vom 18. März 1986, Zlen. 85/04/0024, 0222, nur Rechtssatz in VwSlg. N.F. Nr. 12.076/A, zur Frage des "örtlichen Bedarfes" nach § 198 Abs. 3 GewO 1973 (nunmehr: § 152 Abs. 4 GewO 1994) ergangen ist.

Ins Leere gehen aber auch die Beschwerdeausführungen soweit sie sich auf Belästigungen beziehen, die auf "strafbare Handlungen der vermeintlichen Besucher zurückzuführen" seien. Die belangte Behörde hat - in Übereinstimmung mit der oben dargestellten Rechtslage - in der Bescheidbegründung des angefochtenen Bescheides mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß die diesbezüglich angesprochenen Vorfälle bei der rechtlichen Beurteilung des Anlaßfalles eben keine Berücksichtigung gefunden hätten.

Verfehlt sind aber auch die Beschwerdeausführungen, soweit damit eine Belästigung der Nachbarschaft "durch Lärm aus dem Lokal" bestritten wird, weil es nach der oben dargestellten Rechtslage darauf nicht ankommt.

Inwiefern aber den von der Behörde getroffenen Feststellungen nicht eine den technischen Wissenschaften entsprechende Ermittlung der für die Beurteilung der "unzumutbaren" Belästigung im oben dargestellten Sinn als Ausgangspunkt heranzuziehende Lärmsituation auf Grund der gegebenen örtlichen Verhältnisse zugrunde gelegen wäre, ist der diesbezüglich nur allgemein gehaltenen Verfahrensrüge, die ein konkretes, die Wesentlichkeit des behaupteten Verfahrensmangels aufzeigendes tatsächliches Vorbringen nicht erkennen läßt, nicht zu entnehmen. Dabei ist dem Beschwerdevorwurf, die einschreitende Behörde habe selbst einräumen müssen, daß ein Nachweis, daß die Täter der festgestellten Übertretungen Gäste des Lokales der Beschwerdeführerin gewesen seien, nicht mit Sicherheit zu erbringen sei, zu erwidern, daß dieser Nachweis nur im Zusammenhang mit "strafbaren Handlungen" unterblieben ist, auf welche es eben nicht ankommt. Schließlich genügt hinsichtlich der Verfahrensrüge in Ansehung der amtsärztlichen Stellungnahme vom 5. Juni 1995 der Hinweis, daß sich die belangte Behörde nach den Begründungsdarlegungen im angefochtenen Bescheid im Hinblick auf die medizinische Komponente auf das Sachverständigengutachten vom 15. Februar 1995 gestützt hat.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995040148.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten