TE Lvwg Erkenntnis 2022/2/21 LVwG-2021/22/2617-10

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.02.2022
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.02.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §81

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerden der Nachbarn

1.       AA, Adresse 1, **** Z

2.       BB, Adresse 2, **** Z

3.       CC, Adresse 3, **** Z

4.       DD, Adresse 3, **** Z

5.       EE, Adresse 4, **** Z

6.       FF, Adresse 5, **** Z

7.       GG, Adresse 5, **** Z

gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 6.8.2021, Zahl *** wegen diverser Änderungen der Betriebsanlage gemäß §§ 81ff GewO 1994 betreffend das Sägewerk der JJ GmbH in **** Z, Adresse 6, Gpn. **1, **2, **3, alle KG X, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung

                                                     zu Recht:                     

1.  Die Beschwerden werden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als die Projektbeschreibung zur geplanten Blockbandsäge wie folgt konkretisiert wird:

„Die Blockbandsäge weist bei Vollbetrieb einen Schalldruckpegel am Bedienplatz von 90 dB, A bewertet, auf. Die Blockbandsäge ersetzt die genehmigten elektrischen Motorsägen. Die Blockbandsäge hat eine Einsatzzeit von max. 2 Stunden pro Tag.“

2.  Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die auf §§ 81ff GewO 1994 gestützte Änderung der Betriebsanlage der JJ GmbH in **** Z, Adresse 6, Gpn. **1, **2, **3, alle KG X genehmigt. Unter der Rubrik „Beschreibung“ findet sich eine eingehende Darlegung der beantragten Änderungen (siehe Bescheid Seite 1ff – beachte die nunmehr erfolgte Konkretisierung in Bezug auf die Blockbandsäge)

Dagegen wendeten sich namentlich genannte Nachbarn wegen Beeinträchtigung durch Lärm, Erschütterungen und Geruch. In weiterer Folge klärte das erkennende Gericht die historische Genehmigungslage für den gegenständlichen Betrieb ab (siehe Schreiben der belangten Behörde vom 19.11.20211 mit der genauen chronologischen Aufzählung aller Genehmigungsbescheide). Sodann erging der Gutachtensauftrag an den gewerbetechnischen Amtssachverständigen vom 30.11.2021. In diesem Zusammenhang war eine Projektkonkretisierung, was den Betrieb der Blockbandsäge bzw. der elektrischen Motorsägen (siehe dazu oben im Spruchpunkt 1. „Die Blockbandsäge ersetzt die genehmigten elektrischen Motorsägen“), erforderlich.

In seinem Gutachten vom 12.1.2022, das allen Verfahrensparteien übermittelt wurde, kommt der gewerbetechnische Amtssachverständige KK (im folgenden „Gutachten KK“) zusammenfassend (jeweils mit eingehender Begründung) zu folgendem Ergebnis:

„1. Holztrocknungssanlage samt Elektro-Frontgabelstapler:

Erschütterungsemissionen sind aus dem Betrieb der Trocknungsanlage und des Staplers nicht zu erwarten. Die Lärmemissionen der Trocknungsanlage sind derart gering, dass die berechneten Immissionspegel bei den im Beschwerdeverfahren zu betrachtenden Nachbarn sowohl im Tagzeitraum mit bis zu 35 dB, im Abendzeitraum mit 32 dB und im Nachtzeitraum mit unter 30 dB deutlich unter sämtlichen Planungsrichtwerten und unter dem Umgebungsgeräusch liegt und damit aus fachlicher Sicht als irrelevant bezeichnet werden kann. Eine Änderung der akustischen Ist-Situation ist durch derart geringe Schallimmissionen nicht zu erwarten. Der planungstechnische Grundsatz der ÖAL-Richtlinie 3 [18] ist eingehalten.

Der planungstechnische Grundsatz ist ein auf der Basis von Beurteilungspegeln gebildeter, entsprechend strenger Beurteilungsmaßstab, bei dessen Einhaltung davon ausgegangen werden kann, dass die zu beurteilende Schallimmission zu keiner über die Schwankungsbreite der ortsüblichen Schallimmission hinausgehenden Veränderung derselben führt. Damit kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass die Veränderung wahrnehmbar ist, sie kann aber im Rahmen der jederzeit erwartbaren Variabilität von Umweltbedingungen als für die Betroffenen akzeptabel angesehen werden. Für die Betrachtung über die gesamte Bezugszeit bedeutet die Einhaltung des planungstechnischen Grundsatzes keine messbare Veränderung des Mittelungspegels.

2. Betrieb einer Blockbandsäge:

Im Vergleich mit der elektrisch betriebenen Motorsäge weist die Blockbandsäge damit keine höhere Schallemission auf. Ersetzt die Blockbandsäge die elektrische Motorsäge, wird das Emissionsverhalten der Betriebsanlage nicht verändert. Zudem ergibt sich durch die geringere Einsatzzeit in der Gesamtschau eine Verringerung des auf die Beurteilungszeit bezogenen Schalleistungspegels LW,r von 102 dB (elektrische Motorsäge, LW = 104 dB, Einsatzzeit 8 Stunden, Beurteilungszeitraum 13 Stunden) auf 93 dB (Blockbandsäge, LW = 101 dB, Einsatzzeit 2 Stunden, Beurteilungszeitraum 13 Stunden). Erschütterungsemissionen sind durch den Betrieb der Blockbandsäge nicht gegeben. Nachdem die Blockbandsäge den Betrieb der elektrisch betriebenen Motorsägen im Freien ersetzt, stellt sich dies als emissionsneutrale Änderung bzw. emissionstechnische Verbesserung dar.

3. Austausch der Fahrzeuge im Außenbereich:

Vergleicht man die energetische Summe der neu beantragten Maschinen unter Berücksichtigung der beantragten Einsatzzeiten so zeigt sich, dass diese im Vergleich zur genehmigten Schallemission von 112,9 dB auf 107 dB sinkt. Der Austausch der Maschinen ist damit emissionsneutral. Hinsichtlich der Erschütterungsemissionen ist durch den Austausch der Fahrzeuge keine Änderung gegeben.“

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 15.2.2022 erörterte der gewerbetechnischen Amtssachverständige KK sein Gutachten. Nachbarn sind zu dieser mündlichen Verhandlung keine erschienen.

II.      Rechtsgrundlagen:

Die maßgebliche Bestimmung der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl 194 idF BGBl I 2017/96 lautet wie folgt:

㤠81.

(1) Wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen erforderlich ist, bedarf auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen. Diese Genehmigung hat auch die bereits genehmigte Anlage so weit zu umfassen, als es wegen der Änderung zur Wahrung der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gegenüber der bereits genehmigten Anlage erforderlich ist.

(2) Eine Genehmigungspflicht nach Abs. 1 ist jedenfalls in folgenden Fällen nicht gegeben:

         1.       bescheidmäßig zugelassene Änderungen gemäß § 79c Abs. 2,

         2.       Änderungen zur Einhaltung von anderen oder zusätzlichen Auflagen gemäß § 79 Abs. 1 oder § 79b,

         3.       Änderungen zur Anpassung an Verordnungen auf Grund des § 82 Abs. 1,

         4.       Bescheiden gemäß § 82 Abs. 3 oder 4 entsprechende Änderungen,

         5.       Ersatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen durch gleichartige Maschinen, Geräte oder Ausstattungen; Maschinen, Geräte oder Ausstattungen sind gleichartig, wenn ihr Verwendungszweck dem der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen entspricht und die von ihnen zu erwartenden Auswirkungen von den Auswirkungen der in der Anlage befindlichen Maschinen, Geräte oder Ausstattungen nicht so abweichen, daß der Ersatz als genehmigungspflichtige Änderung gemäß Abs. 1 zu behandeln ist.

         6.       Änderungen durch den Einsatz von Maschinen, Geräten oder Ausstattungen, die unter Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 fallen oder in Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind, sofern § 76 Abs. 3 nicht entgegensteht,

         7.       Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden,

         8.       Sanierung gemäß § 12 des Luftreinhaltegesetzes für Kesselanlagen, BGBl. Nr. 380/1988,

         9.       Änderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht nachteilig beeinflussen,

         10.      Fortschreibung des Abfallwirtschaftskonzeptes (§ 353 Z 1 lit. c),

         11.      Änderungen von vorübergehender, vier Wochen nicht überschreitender Dauer, die keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Personen bewirken und aus Anlass von Ereignissen oder Veranstaltungen, die in kulturellem oder sportlichem Interesse überregional breiter Kreise der Bevölkerung stattfinden, vorgenommen werden.

(3) Änderungen gemäß Abs. 2 Z 7 sind der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen.

(…)“.

III.     Rechtliche Erwägungen:

Das durchführte Ermittlungsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol hat gezeigt, dass sich die Annahme der belangten Behörde, es käme durch die beantragten Änderungen der gegenständlichen Betriebsanlage zu keinen negativen Auswirkungen, insbesondere zu keinen unzumutbaren Lärm- und Erschütterungsbelästigungen, bei den Beschwerdeführern, bestätigt hat. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerde in Bezug auf die Einwendung wegen Geruchsbelästigung als unzulässig erweist, zumal diesbezüglich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde kein Vorbringen erstattet wurde und sohin Präklusion eingetreten ist.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat nun nicht die geringsten Bedenken, sich den schlüssigen und gut nachvollziehbaren Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen in seinem Gutachten vom 12.1.2022, die er zudem in der mündlichen Verhandlung vom 15.2.2022 erörtert hat, vollinhaltlich anzuschließen. Einwendungen gegen dieses Gutachten, insbesondere solche auf gleichem fachlichem Niveau, liegen nicht vor.

Der Sachverständige konnte insbesondere klar und unmissverständlich darlegen, dass es aufgrund der geplanten Änderungen, und nur darauf kommt es in rechtlicher Hinsicht an, zu keiner Verschlechterung der Istsituation kommt. Vielmehr tritt in Bezug auf die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse sogar z.T. eine Verbesserung ein. Den Einwendungen der Beschwerdeführer, auch jenen in den ergänzenden Eingaben im Hinblick auf die mündliche Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol, ist zu entnehmen, dass aus Sicht der Nachbarn offenkundig die Bestandssituation zu diversen Belästigungen führt. Die in diesen Eingaben geforderte § 82b-Prüfbescheinigung liegt lt. Auskunft der Vertreterin der belangten Behörde aktuell vor. Des Weiteren ist auf das Verfahren nach § 79 GewO 1994 zur Vorschreibung zusätzlicher Auflagen und die entsprechende Antragsmöglichkeit nach § 79a Abs 3 GewO 1994 hinzuweisen.

Ergibt sich demnach nach Genehmigung der Anlage, dass die gemäß § 74 Abs 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde näher definierte andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben. Dieses Verfahren ist u.a. auf Antrag eines Nachbarn einzuleiten. Der Nachbar hat dabei jedoch nach § 79a Abs 3 GewO 1994 glaubhaft zu machen, dass er vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt ist und nachweisen, dass er bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage oder der betreffenden Betriebsanlagenänderung Nachbar im Sinne des § 75 Abs 2 und 3 war.

Die gegenständlichen Änderungen führen, wie vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen dargelegt, zu keinen negativen Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse. Die Beschwerden der Nachbarn waren daher spruchgemäß abzuweisen.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Tirol ist die hier strittige Rechtsfrage aufgrund der geltenden Rechtslage und deren Sinngehalts völlig klar und unmissverständlich. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

Nachbarbeschwerde
Änderung einer Betriebsanlage
Betriebsanlagenänderung
Schutzinteressen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.22.2617.10

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten