TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/25 LVwG-2022/22/0175-1

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Veröffentlicht am 25.01.2022
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Entscheidungsdatum

25.01.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §359b

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Triendl über die Beschwerde des Herrn AA, Adresse 1, **** Z, gegen den auf § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 gestützten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 11.11.2021, Zl. *** wegen Errichtung und Betrieb eines „Abstell- und Freilagerplatz“ am Standort Adresse 2, **** Z, auf einer Teilfläche der Bp **1 KG Z

zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird, soweit sie sich auf die Zulässigkeit der Durchführung des vereinfachten Verfahrens nach § 359b Abs 1 GewO 1994 bezieht, als unbegründet abgewiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde Herrn BB die auf § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 gestützte gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Errichtung und Betrieb eines „Abstell- und Freilagerplatz“ am Standort Adresse 2, **** Z, auf einer Teilfläche der Bp **1 KG Z erteilt. Eine Beschreibung dieses Projektes ist dem angefochtenen Bescheid unter der Rubrik „Betriebsbeschreibung“ auf den Seiten 1ff zu entnehmen. Hervorzuheben ist dabei, dass die der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Betriebsflächen insgesamt 350 m² betragen. Für den gegenständlichen Abstell- und Freilagerplatz ist kein Stromanschluss geplant. Das Anwesen des Beschwerdeführers ist ca 350 m von der Betriebsanlage entfernt gelegen (Auszug aus dem TIRIS vom 24.1.2022).

In der rechtzeitig gegen den zitierten Bescheid erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Voraussetzungen für die Durchführung eines sog. vereinfachten Genehmigungsverfahrens nach § 359b Abs 1 GewO 1994 seien bei der gegenständlichen Betriebsanlage nicht vorgelegen. Es seien Kundmachungsmängel in Bezug auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie Mängel bei den Einreichunterlagen vorgelegen.

Beweis wurde weiters aufgenommenen durch Einsichtnahme in den behördlichen Akt sowie in Auszüge aus dem TIRIS.

II.      Sachverhalt und Beweiswürdigung

Auf Ebene des Sachverhaltes wird – soweit entscheidungsrelevant – festgestellt wie folgt:

Das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Betriebsflächen beträgt 350 m². Für den gegenständlichen Abstell- und Freilagerplatz ist kein Stromanschluss geplant

Diese Feststellungen ergeben sich zum einen aus dem Akteninhalt (insb. den Projektunterlagen) der belangten Behörde.

III.     Rechtsgrundlagen

Die hier maßgebliche Bestimmung der Gewerbeordnung 1994, BGBl 194 idF BGBl I 2017/96 lautet wie folgt:

„§ 359b.

(1) Ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren gemäß Abs. 2 bis 4 ist durchzuführen, wenn

         1.       jene Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, deren Verwendung die Genehmigungspflicht begründen könnte, ausschließlich solche sind, die in Verordnungen gemäß § 76 Abs. 1 oder Bescheiden gemäß § 76 Abs. 2 angeführt sind oder die nach ihrer Beschaffenheit und Wirkungsweise vornehmlich oder auch dazu bestimmt sind, in Privathaushalten verwendet zu werden, oder

         2.       das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 800 m² beträgt und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 300 kW nicht übersteigt oder

         3.       die Art der Betriebsanlage in einer Verordnung nach Abs. 5 genannt ist oder

         4.       das Verfahren eine Spezialgenehmigung (§ 356e) betrifft oder

         5.       bei einer nach § 81 genehmigungspflichtigen Änderung hinsichtlich der Betriebsanlage einschließlich der geplanten Änderung einer der in Z 1 bis 4 festgelegten Tatbestände erfüllt ist.

(2) Ergibt sich aus dem Genehmigungsansuchen und dessen Beilagen (§ 353), dass zumindest eine der Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt ist, so hat die Behörde das Projekt mit dem Hinweis bekanntzugeben, dass die Projektunterlagen innerhalb eines bestimmten, drei Wochen nicht überschreitenden Zeitraumes bei der Behörde zur Einsichtnahme aufliegen und die Nachbarn innerhalb dieses Zeitraumes von ihrem Anhörungsrecht Gebrauch machen können. Für diese Bekanntgabe ist § 356 Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. Innerhalb dieser Frist können Nachbarn (§ 75 Abs. 2) einwenden, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nicht vorliegen. Erheben sie innerhalb der gesetzten Frist keine diesbezüglichen Einwendungen, endet die Parteistellung. Auf diese Rechtsfolge ist in der Bekanntmachung ausdrücklich hinzuweisen. § 42 Abs. 3 AVG gilt sinngemäß. Darüber hinaus gehend steht den Nachbarn keine Parteistellung zu.

(3) Nach Ablauf der in der Bekanntgabe angeführten Frist hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die eingelangten Äußerungen der Nachbarn und, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden, die die Anwendung des vereinfachten Verfahrens begründende Beschaffenheit der Anlage mit Bescheid festzustellen und erforderlichenfalls Aufträge zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 sowie der gemäß § 77 Abs. 3 und 4 wahrzunehmenden Interessen zu erteilen.

(4) Der Bescheid gemäß Abs. 3 gilt als Genehmigungsbescheid für die Anlage. Die Behörde hat binnen zwei Monaten nach Einlangen des Genehmigungsansuchens und dessen Beilagen (§ 353) zu entscheiden. Die Verwaltungsgerichte der Länder haben spätestens zwei Monate nach Einlangen der Beschwerde gegen den Bescheid zu entscheiden. IPPC-Anlagen und Betriebe im Sinne des § 84b Z 1 sind nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen.

(5) Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft hat durch Verordnung Arten von Betriebsanlagen zu bezeichnen, die dem vereinfachten Verfahren gemäß Abs. 2 bis 4 zu unterziehen sind, weil auf Grund der vorgesehenen Ausführung der Anlagen (insbesondere der Beschaffenheit und Wirkungsweise der Maschinen, Geräte und Ausstattungen der Anlage, der elektrischen Anschlussleistung der eingesetzten Maschinen und Geräte, der Betriebsweise, der räumlichen Ausdehnung der Anlage, der Art und Menge der in der Anlage gelagerten, geleiteten, umgeschlagenen, verwendeten oder hergestellten Stoffe) nach Art, Ausmaß und Dauer der Emissionen dieser Anlagen zu erwarten ist, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt und Belastungen der Umwelt (§ 69a) vermieden werden.

(6) Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft hat im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft durch Verordnung jene Arten von Betriebsanlagen zu bezeichnen, die aus Gründen des vorsorgenden Umweltschutzes jedenfalls nicht dem vereinfachten Genehmigungsverfahren zu unterziehen sind, auch wenn im Einzelfall eine derartige Anlage die Voraussetzungen für die Anwendung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens erfüllt.

IV.      Rechtliche Erwägungen

Nach § 359b Abs 1 GewO 1994 ist ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren u.a. dann durchzuführen, wenn das Ausmaß der der Betriebsanlage zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten und sonstigen Betriebsflächen insgesamt nicht mehr als 800 m2 beträgt und die elektrische Anschlussleistung der zur Verwendung gelangenden Maschinen und Geräte 300 kW nicht übersteigt (Z 2). Nach der GewRNov 2017 II ist die Prognose der Unbedenklichkeit der Immissionen nicht mehr Teil der Prüfung der zutreffenden Verfahrensart (sog Einzelfallprüfung), sondern zentraler Teil der inhaltlichen Bewertungen im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens (EB 2017). Es kommt somit nur mehr auf die Erfüllung einer der in Abs 1 Z 1 bis 5 genannten Voraussetzungen an.

Im vereinfachten Betriebsanlagengenehmigungsverfahren kommt den Nachbarn nicht die Stellung als Partei, sondern nur ein Anhörungsrecht zu. Dieses Anhörungsrecht vermittelt ihnen aber keinen Anspruch auf die Berücksichtigung bestimmter (materieller) Interessen. Lediglich zur Frage, ob überhaupt die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens gegeben sind, kommt den Nachbarn eine insoweit eingeschränkte Parteistellung zu. Diese eingeschränkte Parteistellung ist auf die Frage beschränkt, ob die Voraussetzungen und in diesem Sinne die Kriterien für die Anwendung des vereinfachten Verfahrens nach § 359b GewO 1994 erfüllt sind. Darüber hinaus kommen dem Nachbarn keine weiteren subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte zu; insb. kein Recht auf Nichtgenehmigung der Betriebsanlage wegen Nichtvorliegens der in § 74 Abs 2 normierten Voraussetzungen (vgl. Wendl in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler (Hrsg), Die gewerbliche Betriebsanlage4, 2016, Rz 271 mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur des VwGH).

Aufgrund der getroffenen Feststellungen, die auf den ausführlichen und unmissverständlichen Einreichunterlagen basieren, ergibt sich unzweifelhaft, dass die gegenständliche Betriebsanlage die in § 359b Abs 1 Z 2 leg cit genannten Parameter bei weitem nicht überschreitet (Ausmaß der Betriebsanlage 350 m2, keine elektronische Anschlussleistung). Daraus folgt, dass das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 359b Abs 1 GewO 1994 jedenfalls zu Recht durchgeführt wurde.

Dabei ist allerdings kritisch anzumerken, dass die Kundmachung zur mündlichen Verhandlung vom 12.7.2021 nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Tirol Mängel aufweist. Dies beginnt bereits bei der Textierung „…hat bei der Bezirkshauptmannschaft Y …. um die Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 359b GewO 1994 …. angesucht“. Dem Genehmigungswerber steht es nämlich nicht zu, die Verfahrensart zu wählen sondern ist dies, aufbauend auf das konkrete Projekt, allein Aufgabe der Behörde. Kritsch wird auch die Angabe von zahllosen „Projektinhalten“ gesehen, die nicht (!) geplant sind (besonders eklatant auf den Seiten 11, 12 und 13 – diese für die Genehmigung als solches sinnentleerten Angaben werden auch im angefochtenen Bescheid wiederholt). Diese Angaben mögen für die Einreichung selbst richtig sein, für das weitere Genehmigungsverfahren führen sie zu einer Unübersichtlichkeit des Verfahrens und schlussendlich auch des Genehmigungsbescheides. Auch die „Rechtsbelehrung“ ist insofern missverständlich, als dort lediglich der Gesetzestext („Ergibt sich aus dem Genehmigungsansuchen …“) wiederholt wird. Tatsächlich hätte aber die Behörde darlegen müssen, dass ein vereinfachtes Verfahren durchgeführt wird. In weiterer Folge hätten die Nachbarn ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass sie innerhalb der genannten Frist einwenden können, dass die Voraussetzungen für die Durchführung des vereinfachten Verfahrens nicht vorliegen und dass ihre Parteistellung endet, wenn sie innerhalb der gesetzten Frist keine diesbezüglichen Einwendungen erheben. Vor dem Hintergrund der mangelhaften Rechtsbelehrung ist in Einklang mit dem Beschwerdevorbringen davon auszugehen, dass keine Präklusion des Beschwerdeführers eingetreten ist.

Im Ergebnis ist damit aber für den Beschwerdeführer nichts gewonnen. Er hat zwar in Bezug auf die Thematik, ob die Behörde zu Recht das sog. vereinfachte Genehmigungsverfahren durchgeführt hat, weiterhin ein Mitspracherecht, der diesbezüglich Einwand erweist sich jedoch – wie oben eingehend ausgeführt - als unbegründet. Sollten mit der vorliegenden Beschwerde auch materiellrechtliche Einwendungen gegen die vorliegende Genehmigung erhoben worden seien, erweist sie sich mangels diesbezüglichem Mitspracherecht als unzulässig.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

In der gegenständlichen Beschwerdesache konnte im Sinne des § 24 Abs 4 VwGVG eine Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol ungeachtet des diesbezüglichen – unbegründeten - Antrages der Beschwerdeführerin deshalb entfallen, da vorliegend bloß reine Rechtsfragen, nämlich die Anwendbarkeit des § 359b Abs 1 GewO 1994 - zu beantworten waren, wogegen der Sachverhalt in den entscheidungsrelevanten Punkten als geklärt angesehen werden konnte, sodass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der vorliegenden Rechtssache nicht erwarten ließ.

Einem Entfall der Verhandlung standen auch weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221 und 21.03.2014, 2011/06/0024).

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist sowohl im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren als auch im gegenständlichen führerscheinrechtlichen Verfahren unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision war daher auszuschließen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Triendl

(Richter)

Schlagworte

Vereinfachtes Verfahren
Betriebsanlagengenehmigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.22.0175.1

Zuletzt aktualisiert am

02.03.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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