TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/28 LVwG-2022/25/0209-2

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Veröffentlicht am 28.01.2022
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Entscheidungsdatum

28.01.2022

Index

60/04 Arbeitsrecht allgemein
E000 EU- Recht allgemein

Norm

AZG §28 Abs5 Z8
VO (EU) Nr. 165/2014 Art3 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren am XX.XX.XXXX, Adresse 1, **** Z, vom 18.01.2022, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 15.12.2021, Zl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Arbeitszeitgesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das bekämpfte Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Im bekämpften Straferkenntnis wird der Beschuldigten folgender Sachverhalt angelastet und Strafe über sie verhängt:

„1. Datum/Zeit:                    25.10.2021, 14:51 Uhr

Ort:                            **** X, auf dem Adresse 2,

Anhalteort: BB

Betroffenes Fahrzeug:          Anhänger, Kennzeichen: *** (A)

LKW, Kennzeichen: *** (A)

Sie haben als Verantwortliche(r) der Firma AA in Z Adresse 1, folgende Verwaltungsübertretungen zu verantworten.

Der Arbeitnehmer wurde als Lenker eines Kraftfahrzeuges, das der Güterbeförderung im Straßenverkehr dient und dessen höchst zulässiges Gesamtgewicht (einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger) 3.5 t übersteigt beschäftigt.

Das angeführte Fahrzeug wurde von CC gelenkt, obwohl kein Kontrollgerät eingebaut

war, das Fahrzeug aber nicht unter die im Art. 3 genannten Ausnahmen fällt. Dies stellt anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der VO (EU) 2016/403, einen Mangel, wodurch eine unmittelbare Gefahr für die Straßenverkehrssicherheit gegeben ist, dar.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

1. § 28 Abs. 5 Ziffer 8 Arbeitszeitgesetz i.V.m. Art. 3 Abs. 1 EG-VO 165/2014

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von

falls diese uneinbringlich ist,

Ersatzfreiheitsstrafe von

Freiheitsstrafe von

Gemäß

1. € 400,00

2 Tage(n) 13 Stunde(n)

0 Minute(n)

 

§ 28 Abs. 6 Ziffer 4

Arbeitszeitgesetz

Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 40,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 440,00“

Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher Frau AA zusammengefasst ausführt, dass sie die Fahrzeugkombination zu rein privaten Zwecken ihrem Vater CC unentgeltlich überlassen habe. Beim Transport des auf ihn zugelassenen Fahrzeuges habe es sich um keine gewerbliche Tätigkeit gehandelt, CC habe sich zu dieser Zeit bereits in Pension befunden und sei im keinen Arbeitsverhältnis zu ihr bzw ihrer Firma gestanden. Die im Straferkenntnis angewandte Norm § 28 Abs 5 Z 8 AZG iVm Art 3 Abs 1 EG-VO 165/2014 sei nicht anzuwenden, da nach Art 3 lit h EG-VO 561/2006 Fahrzeugkombinationen mit einer zulässigen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 t, die zur nichtgewerblichen Güterbeförderung verwendet werden, ausgenommen sind. Sie beantrage die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnisses.

Dazu wurden dem Verwaltungsgericht noch der Pensionsbescheid von CC, die Gewerbeanmeldung, die Anmeldebestätigung des DD, die Abmeldebestätigung des EE sowie die Zulassungsbescheinigungen des LKW *** und des Anhängers *** übermittelt.

II.      Sachverhalt:

CC, der Vater der Beschwerdeführerin, lenkte am 25.10.2021 um 14:51 Uhr den Kraftwagenzug bestehend aus dem LKW N1, Gruppe III, mit dem Kennzeichen *** und dem damit gezogenen Zentralachsanhänger mit dem Kennzeichen *** in X auf dem Parkplatz der Autobahnraststätte BB. Auf dem Anhänger wurden zwei damals CC gehörende Personenkraftwagen transportiert, nämlich ein FF und ein DD. Sowohl das Zugfahrzeug als auch der Anhänger weisen jeweils ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht von 3.500 kg auf.

CC befindet sich seit 01.07.2013 in Erwerbsunfähigkeitspension. Die Beschwerdeführerin AA meldete am 11.07.2013 das Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe am Standort **** Z, Adresse 3, an. Am 25.10.2021 waren der LKW *** und der Anhänger *** auf AA zugelassen. Sie hatte diese Fahrzeugkombination unentgeltlich ihrem Vater überlassen, damit dieser zwei ihm gehörende PKW transportieren konnte. CC stand weder in einem Dienstverhältnis zu seiner Tochter noch führte er diesen Transport in deren Auftrag aus.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den Akten der Bezirkshauptmannschaft Y und des Landesverwaltungsgerichtes Tirol.

Die Beschwerdeführerin dokumentierte ihre Ausführungen durch Beilagen, wonach ihr Vater, der die auf sie zugelassene Fahrzeugkombination lenkte, in Pension war, eigene Fahrzeuge transportierte und die auf sie zugelassene Fahrzeugkombination zusammen ein höchstes zulässiges Gesamtgewicht von 7 t aufwies. Ihre Ausführung, wonach ihr Vater in keinem Arbeitsverhältnis zu ihr oder ihrer Firma stand, ist damit nachvollziehbar bzw nicht widerlegbar.

IV.      Rechtslage:

Im gegenständlichen Verfahren sind folgende Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes von Bedeutung:

㤠28.

Strafbestimmungen

[…]

(5) Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die

1. Lenker über die gemäß Art. 6 Abs. 1 bis 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;

2. Lenkpausen gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 nicht gewähren;

3. die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs. 2, 4 oder 5 oder Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 nicht gewähren;

4. die Pflichten gemäß Art. 6 Abs. 5 oder Art. 12 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verletzen;

5. die Pflichten gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verletzen;

6. nicht gemäß Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 dafür gesorgt haben, dass die Lenkerinnen und Lenker ihre Verpflichtungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 sowie des Kapitels II der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 einhalten;

7. die Pflichten betreffend den Linienfahrplan und den Arbeitszeitplan gemäß Art. 16 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 verletzen;

8. die Pflichten betreffend das Kontrollgerät, das Schaublatt, den Ausdruck oder die Fahrerkarte gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 26 ausgenommen Abs. 4 und 9, Art. 27, Art. 28, Art. 29 Abs. 2 bis 5, Art. 32 Abs. 1 bis 4 sowie Art. 33 bis 37 der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 verletzen,

sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe gemäß Abs. 6 zu bestrafen.

(6) Sind Übertretungen gemäß Abs. 5 nach Anhang III der Richtlinie 2006/22/EG als

1. leichte Übertretungen eingestuft oder in diesem Anhang nicht erwähnt, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber

a) in den Fällen der Z 1 bis 7 mit einer Geldstrafe von 72 Euro bis 1 815 Euro, im Wiederholungsfall von 145 Euro bis 1 815 Euro,

b) im Fall der Z 8 mit einer Geldstrafe von 145 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 200 Euro bis 3 600 Euro;

2. schwerwiegende Übertretungen eingestuft, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit einer Geldstrafe von 200 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 250 Euro bis 3 600 Euro;

3. sehr schwerwiegende Übertretungen eingestuft, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit einer Geldstrafe von 300 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 350 Euro bis 3 600 Euro,

4. schwerste Übertretungen eingestuft, sind die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit einer Geldstrafe von 400 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 450 Euro bis 3 600 Euro,

zu bestrafen.

[…]“

V.       Erwägungen:

§ 28 Abs 5 AZG normiert Strafen gegen den Arbeitgeber. Im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses wäre daher nicht „als Verantwortliche“, sondern zutreffendenfalls „als Arbeitgeberin“ anzulasten gewesen.

Nachdem das Beweisverfahren keinen Hinweis darauf ergeben hat, dass der in Pension befindliche CC in einem Beschäftigungsverhältnis zur Beschwerdeführerin stand bzw den Transport im Auftrag der Zulassungsbesitzerin durchgeführt hätte, konnte nicht festgestellt werden, dass die Rechtsmittelwerberin als Arbeitgeberin die Pflichten betreffend das Kontrollgerät gemäß Art 3 Abs 1 EG-VO 165/2014 verletzt hätte. Damit kann die der Beschuldigten angelastete Tat nicht erwiesen werden.

Art 3 Abs 1 EG-VO 165/2014 bestimmt, dass der Fahrtenschreiber in Fahrzeugen einzubauen und zu benutzen ist, die in einem Mitgliedstaat zugelassen sind, der Personen- oder Güterbeförderung im Straßenverkehr dienen und für die die Verordnung (EG) Nr 561/2006 gilt. Nach Art 3 lit h dieser letzt erwähnten Verordnung gilt diese nicht für Beförderungen im Straßenverkehr mit Fahrzeugen oder Fahrzeugkombinationen mit einer zulässigen Höchstmasse von nicht mehr als 7,5 t, die zur nichtgewerblichen Güterbeförderung verwendet werden.

Im gegenständlichen Fall wies die von CC gelenkte Fahrzeugkombination eine zulässige Höchstmasse von 7 t auf. Da keine gewerbliche Güterbeförderung erwiesen werden konnte, war diese Verordnung für gegenständliche Fahrt nicht anzuwenden und bestand daher keine Verpflichtung zum Einbau des Fahrtenschreibers, weshalb die Beschuldigte die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben angeführten Frist für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beim Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof ist, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hohenhorst

(Richter)

Schlagworte

Einbaupflicht
Fahrtenschreiber
Gewerbliche Güterbeförderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.25.0209.2

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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