TE Vwgh Erkenntnis 2022/1/24 Ra 2021/09/0222

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Veröffentlicht am 24.01.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
66/03 Sonstiges Sozialversicherungsrecht
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AVG §38
EFZG §3 Abs3
EpidemieG 1950 §32
EpidemieG 1950 §7
MRK Art6 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §24 Abs4
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der A AG in B, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 14. Juni 2021, LVwG-751394/2/KLi/SW, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 2021 wurde dem Antrag der revisionswerbenden Partei auf Vergütung für die Entgeltfortzahlung gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) für die Absonderung eines näher bezeichneten, bei ihr beschäftigten Arbeitnehmers insoweit stattgegeben als ihr ein Vergütungsbetrag in der Gesamthöhe von € 1.083,30 gewährt wurde; im Übrigen wurde der Antrag abgewiesen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich wurde die gegen den abweisenden Teil von der revisionswerbenden Partei erhobenen Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Einzelbeträge sowie der Gesamtbetrag verringert wurden. Im Übrigen wurde die Revision gegen diese Entscheidung für unzulässig erklärt.

3        Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Verwaltungsgericht - soweit hier von Relevanz - aus, dass eine Vergütung nach § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG während des Zeitraumes einer Absonderung gemäß § 7 oder 17 EpiG zustehe, nach § 32 Abs. 2 leg. cit. sei die Vergütung für jeden Tag zu leisten der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfasst sei. Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung sei die Vergütung für Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach dem regelmäßigen Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes zu bemessen. Die Arbeitgeber hätten ihnen den gebührenden Vergütungsbetrag an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen; der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund gehe mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber über; der für die Zeit der Erwerbsbehinderung vom Arbeitgeber zu entrichtende Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung und der Zuschlag gemäß § 21 des Bauarbeiterurlaubsgesetzes 1972 seien vom Bund zu ersetzen. Nach § 3 Abs. 3 EFZG gelte als regelmäßiges Entgelt das Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Berücksichtigt würden neben dem laufenden Lohn (Gehalt) auch noch die übrigen Leistungen wie z.B. die Entlohnung für erwartete Überstunden (Mehrstunden) bzw. Überstundenpauschalen, Zulagen, Zuschläge, Prämien, Provisionen, Sonderzahlungen, Zeitguthaben für Nachtarbeit, nicht aber echte Aufwandsentschädigungen. Der Gesetzgeber stelle auf den konkreten Zeitraum und den konkret für diesen Zeitraum bestehenden Entgeltanspruch ab. Die von einer behördlichen Verfügung betroffene Person solle durch die Vergütung nicht insgesamt schlechter gestellt werden, als ohne eine solche Verfügung und solle demnach insgesamt auch keine Vermögensnachteile auf Grund ihrer Krankheit und der dadurch notwendigen behördlichen Verfügung erleiden. Schon auf Grund des Wortlauts des § 32 Abs. 3 EpiG gehe der Anspruch auf Vergütung jedoch nur in der Höhe über, die tatsächlich ausbezahlt worden sei.

4        Im Weiteren legte das Verwaltungsgericht seine Berechnung des Vergütungsanspruches dar, wozu es monatsweise als Basis für die Ermittlung des Tagessatzes im Zeitraum der Absonderung das jeweilige Bruttoentgelt (welche auch im Monat der Auszahlung geleistete Sonderzahlungen umfasste) heranzog und den jeweiligen Dienstgeberanteil in der gesetzlichen Sozialversicherung als ersatzfähig betrachtete. Weiters gelangte es zu dem Ergebnis, dass die mittels telefonischem Bescheid verfügte Absonderung nach § 46 Abs. 2 EpiG nach 48 Stunden geendet und dem dann erst in weiterer Folge erlassenen (schriftlichen) Absonderungsbescheid keine rückwirkende Geltung zukäme, sodass sich der Zeitraum der Absonderung (und damit die daraus ermittelten Vergütungsbeträge) - abweichend von dem behördlichen Bescheid - entsprechend verringern würden.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6        Die außerordentliche Revision erweist sich bereits mit dem Vorbringen als zulässig, das Verwaltungsgericht sei bei seiner Berechnung des Vergütungsanspruches zu Unrecht vom Zeitraum des Absonderungsbescheides abgewichen. Die Revision ist auch begründet:

7        Der vorliegende Fall gleicht im Hinblick auf das in der Revision erstattete Vorbringen und den maßgeblichen Sachverhalt in den entscheidungswesentlichen Aspekten sowohl in tatsächlicher wie auch in rechtlicher Hinsicht jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 22. September 2021, Ra 2021/09/0189 und 0190, zu Grunde lag. Auf dessen Begründung wird daher gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen. Ergänzend wird zur Berechnungsgrundlage für die Vergütungsansätze gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auch auf das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2021, Ra 2021/09/0094, verwiesen.

8        Demnach ist bei der Bemessung der für jeden Tag der Absonderung nach § 7 EpiG zu leistenden Vergütung (im Regelfall) auch jenes Entgelt zu berücksichtigen, das aus kollektiv- oder einzelvertraglich eingeräumten Sonderzahlungen resultiert. Entgegen der vom Verwaltungsgericht offenbar vertretenen Ansicht lässt sich dem EpiG eine Norm des Inhalts, dass Sonderzahlungen nur dann zu vergüten seien, wenn die Absonderung in einen Monat (oder anderen Abrechnungszeitraum) fällt, in dem die Sonderzahlungen ausbezahlt werden, nicht entnehmen.

9        Im Erkenntnis vom 22. September 2021, Ra 2021/09/0189 und 0190, hat der Verwaltungsgerichtshof klargestellt, dass die Rechtsfrage, ob und in welchem zeitlichen Umfang eine anspruchsbegründende Absonderung vorlag, eine für die Berechnung von Vergütungen notwendige Vorfrage darstellt, weshalb ein Absonderungsbescheid (ungeachtet der Frage seiner Rechtmäßigkeit) das Verwaltungsgericht bindet (so auch z.B. VwGH 19.11.2021, Ra 2021/09/0233). Das Verwaltungsgericht hat dies im vorliegenden Fall verkannt und seiner Berechnung einen anderen Absonderungszeitraum zu Grunde gelegt.

10       Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aus diesen Gründen als inhaltlich rechtswidrig, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

11       Im Übrigen wird zur Frage der Verhandlungspflicht im Hinblick auf die Qualifizierung des Anspruches gemäß § 32 EpiG als „civil right“ im Sinne des Art. 6 EMRK gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2021, Ra 2021/09/0214, verwiesen.

12       Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 5 VwGG abgesehen werden.

13       Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 24. Jänner 2022

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090222.L00

Im RIS seit

25.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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