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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des H in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Februar 1995, Zl. 4.304.452/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 5. Oktober 1990 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 16. Oktober 1990 Asyl. Im schriftlichen Asylantrag gab er an, Kurde und Sympathisant, aber nicht Mitglied der PKK zu sein. Die türkischen Behörden versuchten seit Jahren, ihm die Mitgliedschaft in der PKK nachzuweisen. Da dies bis jetzt nicht gelungen sei, sei er Schikanen und Einschüchterungen ausgesetzt. Im einzelnen enthielt der Asylantrag dazu folgende Angaben:
"1984 wurden vor meinem Haus zwei Gendarmen auf offener Straße erschossen. Damals hieß es, die Schüsse wären aus den Fenstern meines Hauses abgegeben worden. Man konnte mir nichts nachweisen, doch wurde ich ständig von den Behörden kontrolliert.
Im Dezember des Vorjahres floh mein Bruder nach Österreich und suchte hier um Asyl an. Er war im Gefängnis gefoltert worden. Sein Verfahren läuft derzeit in der zweiten Instanz. Damals wurde ich für zwei Nächte festgenommen und ausgefragt. Ich wurde als Staatsfeind beschimpft und geschlagen.
Vor ungefähr drei Monaten wurde in der Gegend der Hubschrauber des Bezirkshauptmannes durch die PKK abgeschossen. Der Bezirkshauptmann selbst kam dabei ums Leben. Mutmaßliche PKK Sympathisanten wurden damals verhaftet. Ich war eine Woche im Gefängnis, wurde verhört und geschlagen. Wir erhielten kaum Essen, wir durften nicht schlafen. Solchermaßen gefoltert und geschwächt wurden wir mit Drohungen eingeschüchtert. Aus der Haft entlassen wurde eines Morgens die Tür zu meiner Wohnung aufgebrochen und das Haus durchsucht. Wiederum wurde ich abgeführt und zur Gendarmerie gebracht. Neben den Beamten erwartete mich dort auch ein Vertreter der derzeitigen Regierungspartei.
Bisher habe man mich immer auf freien Fuß setzen müssen, sagte er, mangels Beweisen. Auch habe ich all die Jahre viel gezahlt, um freizukommen. Damit sei jetzt Schluß. Wenn ich wirklich kein PKK Sympathisant sei, sollte ich mich nun offen zur Regierung bekennen und Spitzeldienste für den Geheimdienst übernehmen. Ich wurde nach Hause geschickt, ich solle überlegen, hieß es. Ein Freund von mir wurde kürzlich ermordet, weil er nicht zusammenarbeiten wollte. Und selbst wenn ich dem Schein nach zusammenarbeiten würde, nähme man mir die Ernsthaftigkeit meines Wortes nicht ab, und man würde mich aus dem Weg räumen. So verließ ich meinen Ort Bingöl und versteckte mich für zweieinhalb Monate in Istanbul bei Verwandten, mehr als eine Tagesreise entfernt. Dann kehrte ich zurück, nur um einen Paß zu beantragen. Man wollte mir keinen ausstellen, weil ich ein Verbrecher sei, ebenso wie mein Bruder, dessen Dossier man mir zeigte. Ich bezahlte eine Million türkische Lira, so bekam ich doch das Dokument.
Am Flughafen in Istanbul ließ man mich zunächst nicht ausreisen, eine Kontrolle im Computer ergab, daß ich als Krimineller geführt wurde. Ich habe jedoch nie eine Straftat begangen. Mein Fehler ist, ich habe eine andere politische Meinung als die offizielle der Regierung. Doch das ist in der Türkei ein Verbrechen.
Am zweiten Tag konnte ich, nachdem ich einen Taxichauffeur und einen Polizisten bestochen hatte, doch ausreisen. Am 5. Oktober 1990 reiste ich in Österreich ein."
Abschließend führte der Beschwerdeführer im Asylantrag aus, er sei in der Türkei Inhaber eines Installationsgeschäftes und einer Autowerkstatt gewesen und habe auch Leihwagen vermietet. Er habe ein gutes Einkommen gehabt, das er nun aufgeben wolle, weil es ihm wichtiger sei, zu leben. Auch darin zeige sich die Ernsthaftigkeit seiner Fluchtgründe.
Am 29. März 1991 wurde der Beschwerdeführer zu seinem Antrag einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen und zum Fluchtweg gab er dabei an:
"Ich bin kurdischer Nationalität und Moslem. Ich war in der Türkei kein Mitglied einer politischen Partei, jedoch Sympathisant der PKK. Ich fühle mich als Kurde in der Türkei verfolgt. Ich war in der Zeit zwischen 1985 und 1990 insgesamt fünfmal eingesperrt gewesen. Nicht deshalb, weil ich etwas angestellt habe, sondern weil ich eben Sympathisant der PKK gewesen bin. Im Jahre 1985 wurden zwei Cousins von mir durch die Gendarmerie erschossen, weil man glaubte, es sind PKK-Angehörige. Im Jahre 1987 wurde ein Werkstattmitarbeiter von der Polizei erschossen und kein Mensch kümmerte sich hierüber. Es fanden ständig Hausdurchsuchungen in meiner Wohnung statt und ich wurde mehrmals für einige Tage und Wochen eingesperrt und dort auch mißhandelt. Glaublich drei Monate vor meiner Ausreise aus der Türkei (Juli 1990) wurde ein Hubschrauber des Militärs von der PKK über unserem Ort abgeschossen, wodurch auch ein Kommunalpolitiker zu Tode kam. Sofort wurde ich wieder festgenommen und eingesperrt. Ich wurde wieder stark mißhandelt und geschlagen. Durch Bezahlung eines Bestechungsgeldes ist es mir gelungen, auf freien Fuß zu kommen und durch weitere Bestechung eines Beamten des Paßamtes erhielt ich gegen Bezahlung einer hohen Summe meinen Reisepaß ausgestellt. Ich hätte nie diesen Reisepaß erhalten, wenn ich nicht bezahlen hätte können. Aufgrund des Umstandes, daß ich zwar für türkische Verhältnisse als reich gelte, ist mir die Freiheit lieber, als die unruhige Zeit in der Türkei. Aufgrund der ewigen Verfolgungen, welche gegen mich gesetzt wurden, möchte ich nicht mehr in die Türkei zurück. Ich habe Angst, wieder in die Türkei zurückkehren zu müssen. Ich habe nach Erhalt des Reisepasses bei der österreichischen Vertretungsbehörde um die Erteilung eines Sichtvermerkes angesucht, der mir auch ausgestellt wurde. Ich möchte noch angeben, daß ich schriftlich bereits beim Stellen des Asylantrages eine genaue Sachverhaltsschilderung durchgeführt habe und bei dieser möchte ich auch bleiben. Ich flog am 5.10.1990 mit einer Linienmaschine der Turkish-Airlines von Istanbul nach Wien Schwechat."
Mit Bescheid vom 8. April 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling. Die formularmäßige Begründung enthielt keine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die im Mai 1991 erhobene Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie folgte in tatsächlicher Hinsicht den Angaben des Beschwerdeführers, welche sie als widerspruchsfrei und somit logisch nachvollziehbar einstufte, nahm davon jedoch einen Teil der Angaben aus:
"Nicht festgestellt werden konnte, daß Sie während Ihrer Haftzeiten "stark" mißhandelt und gefoltert wurden, daß Sie Spitzeldienste für den Geheimdienst übernehmen sollten und daß Sie erst nach Bestechung eines Taxifahrers und eines Polizisten am Flughafen von Istanbul ausreisen konnten."
Was die Mißhandlungen anlange, so habe der Beschwerdeführer im schriftlichen Asylantrag vorgebracht, er hätte kaum zu Essen bekommen und nicht schlafen dürfen. Er habe jedoch "mit keinem Wort nähere Umstände diesbezüglich" dargelegt und "nicht einmal andeutungsweise" erwähnt, daß er "damals auch geschlagen bzw. sonstwie stark mißhandelt" worden sei. Ein solches gesteigertes Vorbringen habe er erstmals bei seiner Einvernahme erstattet, wobei er "die Art und Weise dieser angeblich starken Mißhandlungen" ebenfalls nicht dargelegt habe. Seine "diesbezüglichen nur unbestimmten Angaben" bei der Einvernahme seien daher "bloße Behauptungen, die in dieser Schärfe nicht der Wirklichkeit entsprechen und nur der Asylgewährung dienen sollen". Drohungen und Einschüchterungsversuche seien hingegen glaubhaft.
Die Aussage des Beschwerdeführers, er habe Spitzeldienste übernehmen sollen, sei unglaubwürdig, weil er weiter ausgeführt habe, man hätte ihn ohnedies - auch für den Fall seiner "Kooperationsbereitschaft" - aus dem Weg räumen wollen. Das Anbot einer Zusammenarbeit sei unter diesen Umständen "keineswegs nachvollziehbar". Eine solche Vorgangsweise "hätte doch überhaupt keinen Sinn ergeben" und erscheine deshalb "nicht glaubwürdig". Der Geheimdienst hätte auch - wie der Beschwerdeführer selbst vermutet habe - damit rechnen müssen, daß er als Sympathisant der PKK falsche Informationen weitergeben würde, weshalb der Geheimdienst den Beschwerdeführer "schon allein aus diesem Grund wohl kaum zur Zusammenarbeit aufgefordert hätte".
Das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Umstände seiner Ausreise sei "nicht schlüssig", weil "nicht nachvollziehbar" sei, "welcher Zusammenhang zwischen insbesondere einem Taxifahrer und einem Polizisten einerseits" und der Ausreise des Beschwerdeführers mit einem Flugzeug andererseits bestehe. Es sei auch nicht glaubhaft, daß man anläßlich einer Kontrolle am Flughaften festgestellt habe, der Beschwerdeführer werde "im Computer als Krimineller geführt", und ihn daraufhin zwar nicht ausreisen, jedoch unbehelligt wieder weggehen lassen habe. Vielmehr entspreche "es der allgemeinen Lebenserfahrung, daß Personen, die am Flughafen als Kriminelle geführt und erkannt werden, festgenommen werden".
In rechtlicher Hinsicht traf die belangte Behörde zunächst folgende Aussage:
"Eine Verfolgung Ihrer Person allein wegen Ihrer Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe bzw. eine objektiv begründete Furcht vor Verfolgung aus diesem Grunde allein kann die Flüchtlingseigenschaft nicht indizieren und die Gewährung von Asyl ebensowenig rechtfertigen wie der Hinweis auf die allgemeine Lage der Kurden in der Türkei."
Weiters führte sie aus, die Erschießung zweier Cousins des Beschwerdeführers und eines seiner Mitarbeiter könne nicht zur Asylgewährung führen, weil sie sich nicht gegen den Beschwerdeführer gerichtet habe und schon mehrere Jahre zurückliege, und die Festnahmen und Verhöre des Beschwerdeführers selbst seien "im Rahmen der Aufklärung von Straftaten erfolgt". Hieran bestehe "verständlicherweise ein legitimes Interesse" seines Heimatstaates. Da vor dem Haus des Beschwerdeführers zwei Gendarmen erschossen worden seien und in seinem Heimatort ein Hubschrauber abgeschossen worden sei, könne in seiner "diesbezüglichen Festnahme und Befragung" keine asylrelevante staatliche Verfolgung gesehen werden. Anläßlich solcher Vorfälle würden "in jeder Demokratie Ermittlungen durchgeführt werden, die auch die vorübergehende Festnahme von Verdächtigen rechtfertigen". Die Festnahme des Beschwerdeführers "im Rahmen der Verbrechensaufklärung" indiziere "noch keineswegs eine politische Verfolgungsmotivation" gegenüber dem Beschwerdeführer. Schlechte Haftbedingungen, eine unzureichende Verpflegung der Festgenommenen und deren Einschüchterung durch Drohungen würden daran nichts ändern. Sie seien keine gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichteten Maßnahmen gewesen. Alle Festgenommenen seien von diesen schlechten Haftbedingungen in gleicher Weise betroffen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Vorfälle stellten "aufgrund ihrer relativ geringen Intensität keine ernsthaften Nachteile dar". Die vom Beschwerdeführer dargelegten "Einschüchterungsversuche" der Behörden anläßlich seiner Einvernahmen seien "verhältnismäßig geringe, vorübergehende Beeinträchtigungen der körperlichen Integrität" und nicht geeignet, eine Zwangslage herbeizuführen, der sich der Beschwerdeführer nur durch eine Ausreise habe entziehen können. Aus solchen Übergriffen, die regelmäßig von einzelnen Organen ausgingen und jedermann treffen könnten, könne auch "nicht sofort auf eine staatliche Verfolgungsmotivation geschlossen werden". Der Beschwerdeführer sei daher keiner politischen Verfolgung ausgesetzt gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde und führt aus, sie widerspreche den logischen Denkgesetzen. Diese Kritik ist in jedem der davon betroffenen Punkte berechtigt:
Was Mißhandlungen des Beschwerdeführers anlangt, so gab er bei seiner Einvernahme an, er sei "mehrmals für einige Tage und Wochen eingesperrt und dort auch mißhandelt" worden. Nach seiner Festnahme im Anschluß an den Abschuß eines Hubschraubers über seinem Heimatdort sei er "wieder stark mißhandelt und geschlagen" worden. Von "Folterung" sprach der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme nicht. Die belangte Behörde führt dazu aus, es könne "nicht festgestellt werden", der Beschwerdeführer sei während seiner "Haftzeiten "stark" mißhandelt und gefoltert" worden, und begründet dies damit, der Beschwerdeführer habe "ein solches gesteigertes Vorbringen erstmals anläßlich" seiner Einvernahme erstattet, während er im schriftlichen Asylantrag "NICHT EINMAL ANDEUTUNGSWEISE" (im Original nicht hervorgehoben) erwähnt habe, er sei damals (dem Zusammenhang nach gemeint: nach dem Abschuß des Hubschraubers) "auch geschlagen bzw. sonstwie stark mißhandelt" worden.
Diese Argumentation widerspricht dem Akteninhalt, weil der Beschwerdeführer in seinem schriftlichen Asylantrag AUSDRÜCKLICH behauptet hatte, er sei während seiner Haft im Dezember 1989 "beschimpft und geschlagen" und während der Haft nach dem Abschuß des Hubschraubers "verhört und geschlagen" worden. Während der zuletzt genannten Haft habe er auch "kaum Essen erhalten" und "nicht schlafen" dürfen und sei "solchermaßen gefoltert und geschwächt" mit Drohungen eingeschüchtert worden. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde geht daher von einem anderen als vom tatsächlichen Inhalt des schriftlichen Asylantrages aus. Wenn die belangte Behörde darüber hinaus noch Schlüsse daraus zu ziehen versucht, daß der Beschwerdeführer keine Details der Mißhandlungen angegeben habe, so ist sie auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Fehlen solcher Details nur dann aussagekräftig ist, wenn nach ihnen erfolglos gefragt wurde (vgl. dazu nur beispielsweise das Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 92/01/1117). Im vorliegenden Fall trifft das nicht zu.
Auf einer fehlerhaften Wiedergabe von Ausführungen des Beschwerdeführers beruht auch die Argumentation, mit der seiner Behauptung, er habe Spitzeldienste für den Geheimdienst übernehmen sollen, die Glaubwürdigkeit abgesprochen wird. Der Beschwerdeführer hat nicht angegeben, er wäre auch im Falle seiner "Kooperationsbereitschaft" von den türkischen Behörden "aus dem Weg geräumt" worden. Diese Gefahr behauptete er für den Fall, daß er "DEM SCHEIN NACH" (im Original nicht hervorgehoben) zusammengearbeitet hätte, weil man ihm "die Ernsthaftigkeit seines Wortes nicht abgenommen" hätte. Bei verständiger Würdigung kann dies nur bedeuten, er wäre mit der bloß verbalen Zusicherung seiner "Kooperationsbereitschaft" und ohne die tatsächliche Leistung von Spitzeldiensten, deren Verweigerung einer seiner Freunde nach seinem Vorbringen mit dem Leben bezahlen mußte, nicht davongekommen. Die Argumentation der belangten Behörde unterstellt diesen Angaben einen anderen als ihren erkennbaren Sinn. Nicht nachvollziehbar ist auch die Annahme, der Beschwerdeführer als PKK-Sympathisant wäre für Spitzeldienste gar nicht in Frage gekommen, weil bei einem Sympathisanten damit zu rechnen sei, daß er falsche Informationen weitergebe. Das würde bedeuten, daß Spitzeldienste nur von Personen verlangt und geleistet werden, die der zu bespitzelnden Gruppe nicht nahestehen, und widerspricht damit der Lebenserfahrung.
Was die Umstände der Ausreise anlangt, so vermißt die belangte Behörde mit Rücksicht darauf, daß der Beschwerdeführer sein Heimatland in einem Flugzeug verließ, einen für sie nachvollziehbaren "Zusammenhang zwischen insbesondere einem Taxifahrer und einem Polizisten einerseits und Ihrer Ausreise andererseits". Dem ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer, der sich nach seinem Direktflug von Istanbul nach Österreich in Wien-Schwechat der Grenzkontrolle unterzog, in seinem schriftlichen Asylantrag nicht behauptete, er habe die Türkei in einem Taxi verlassen. Wenn es der belangten Behörde daher aufklärungsbedürftig erschien, auf welche Weise ein Taxifahrer zu seiner Ausreise beitragen konnte, so wäre es an ihr gelegen, den Beschwerdeführer dazu befragen zu lassen. Unterblieb dies, so ergibt sich aus dem Fehlen diesbezüglicher Detailangaben kein Argument gegen die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers, wozu auf die schon zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen ist. Die weiteren, auf die vom Beschwerdeführer beschriebene Registrierung seiner Person "als Krimineller" bezogenen Argumente zeugen - wie die Ausführungen zur "Kooperationsbereitschaft" - von unzureichendem Bemühen um ein Verständnis der Angaben. Sie unterstellen nämlich, daß damit nichts anderes gemeint sein konnte als eine Ausschreibung zur Verhaftung wegen einer noch nicht abgeurteilten strafbaren Handlung. In Verbindung mit den nachfolgenden Erläuterungen und dem vorangegangenen Absatz im schriftlichen Asylantrag, wonach man dem Beschwerdeführer zunächst keinen Reisepaß ausstellen wollte, weil er ebenso wie sein Bruder "ein Verbrecher sei", erweist sich auch diese Annahme als Fehlinterpretation.
Der angefochtene Bescheid geht daher in bezug auf Sachverhaltselemente, die zumindest in ihrer Gesamtheit für die Entscheidung nicht ohne Bedeutung sind, von Annahmen aus, die einer Schlüssigkeitsprüfung nicht standhalten.
Der Bescheid kann aber auch noch aus anderen, vorrangig wahrzunehmenden Gründen nicht Bestand haben:
Die belangte Behörde stellt ihren rechtlichen Erwägungen die Behauptung voran, eine "Verfolgung" des Beschwerdeführers "allein wegen" seiner "Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe bzw. eine objektiv begründete Furcht vor Verfolgung aus diesem Grunde allein" könne die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers "nicht indizieren" und eine Asylgewährung "ebensowenig" rechtfertigen wie der Hinweis auf die allgemeine Lage der Kurden in der Türkei.
Diese Ausführungen widersprechen dem Gesetz. Wer wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe verfolgt wird oder objektiv begründete Furcht vor einer Verfolgung aus diesem Grunde hat, ist nach dem klaren Wortlaut und Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 unter bestimmten weiteren, hier nicht angesprochenen Voraussetzungen Flüchtling. Die genau gegenteilige, der angefochtenen Entscheidung zugrundegelegte Behauptung belastet den Bescheid der belangten Behörde daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das würde auch gelten, wenn in Wahrheit nur gemeint sein sollte, daß sich auf die bloße Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe keine objektiv begründete Furcht vor Verfolgung gründen lasse. Der Gegensatz zwischen einem solchen vielleicht vorgestellten und dem tatsächlichen Inhalt der Ausführungen ist zu eindeutig, um einer Korrektur im Wege einer "verständigen Würdigung" zugänglich zu sein.
Mit Recht macht die Beschwerde aber auch geltend, daß dem Beschwerdeführer, der die von ihm erlittenen Beeinträchtigungen damit erklärt hat, daß er als PKK-Sympathisant bekannt sei, mit Argumenten, die bloß auf seine Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe abstellen, nicht sinnvoll begegnet werden kann. Bei der Beurteilung des vom Beschwerdeführer umschriebenen Bedrohungsbildes kann weiters die Erschießung Verwandter und eines Mitarbeiters, mag sie für sich genommen auch kein asylrelevanter Fluchtgrund sein, nicht gänzlich ausgeklammert werden. Das gilt auch dann, wenn diese Vorfälle im persönlichen Umfeld des Beschwerdeführers im Zeitpunkt seiner Flucht schon mehrere Jahre zurücklagen, wenn nicht zugleich dargetan wird, daß der Beschwerdeführer aus ihnen wegen seither eingetretener Änderungen der Situation in der Türkei in bezug auf die Bedeutung der seiner Flucht vorangegangenen, ihn selbst betreffenden Vorgänge keine Schlüsse mehr ziehen konnte. In bezug auf diese Fragen, hinsichtlich derer die belangte Behörde dem Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers gefolgt ist, hat sie die Rechtslage ebenfalls verkannt.
Was die Motivation und Intensität der gegen den Beschwerdeführer gerichteten Maßnahmen anlangt, so wird sie aufgrund einer vollständigen, von Unschlüssigkeiten freien Feststellung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers, einer allfälligen Ergänzung seiner Einvernahme in bezug auf fehlende Details und gegebenenfalls der von ihm mit der Beschwerde vorgelegten - nach dem dazu erstatteten Vorbringen im übrigen erst nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides erlangten - Urkunde einer neuen, am tatsächlichen Inhalt des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes orientierten Beurteilung zu unterziehen sein. Dabei wird die belangte Behörde auch zu berücksichtigen haben, daß die Maßnahmen türkischer Behörden zur Bekämpfung der PKK nicht ohne weiteres bloß als solche der Strafrechtspflege, wie sie "in jeder Demokratie" durchgeführt werden, zu verstehen sind (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 14. März 1995, Zl. 94/20/0761).
Der angefochtene Bescheid war daher - in vorrangiger Wahrnehmung der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200193.X00Im RIS seit
20.11.2000