TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/24 LVwG-1-650/2020-R18

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Veröffentlicht am 24.01.2022
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Entscheidungsdatum

24.01.2022

Norm

GewO 1994 §32 Abs1 Z6

Text

Im Namen der Republik!

Erkenntnis

Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Magdalena Honsig-Erlenburg über die Beschwerde des C N, S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hubert Kinz, Bregenz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 18.11.2020 betreffend Übertretungen nach der Gewerbeordnung 1994, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die Tatbildumschreibung zu Spruchpunkt 1. wie folgt zu lauten hat: „Sie haben als Verantwortlicher der Firma N (N H K) in S folgende Übertretung der Gewerbeordnung zu verantworten. Die genannte Firma übt auf dem Standort S das reglementierte Gewerbe gemäß § 94 Z 43 GewO „Kraftfahrzeugtechnik verbunden mit Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker“ selbständig, regelmäßig und in der Absicht aus, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl weder Sie noch die genannte Firma dafür eine Gewerbeberechtigung besitzen. Bei der Kontrolle am 28.02.2020 wurden Rechnungen an Kunden vom 12., 17. und 18.02.2020 festgestellt, wonach bei einem PKW die Frontscheibe mit Scheibenheizung und Regensensor repariert und bei anderen Fahrzeugen Blechreparaturen und Arbeiten an den Bremsen durchgeführt wurden.“ und die zu Spruchpunkt 1. verhängte Geldstrafe auf 750 Euro und die für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe auf drei Tage herabgesetzt werden.

Im Übrigen wird der Beschwerde keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in Spruchpunkt 2. bei der Tatbildumschreibung nach der Wortfolge „[…] Ausschank von nichtalkoholischen Getränken […]“ die Wortfolge „und von Bier“ einzufügen ist.

Der gemäß § 64 Abs 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 38 VwGVG zu leistende Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens verringert auf 125 Euro.

Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 % der über ihn verhängten Geldstrafe (betreffend Spruchpunkt 2.), mindestens jedoch 10 Euro zu bezahlen. Daher ergibt sich ein Kostenbeitrag von 100 Euro. Dieser Betrag ist zusammen mit den Geldstrafen und dem Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens an die Bezirkshauptmannschaft B zu entrichten.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

Begründung

1.              Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe am 28.02.2020, um 14.55 Uhr (Zeitpunkt der Kontrolle), als Verantwortlicher der Firma N (N H K) auf dem Standort S folgende Übertretungen der Gewerbeordnung zu verantworten:

1.) Die genannte Firma übe auf dem Standort S das reglementierte Gewerbe gemäß § 94 Z 43 GewO „Kraftfahrzeugtechnik verbunden mit Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker“ selbständig, regelmäßig und in der Absicht aus, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl weder der Beschuldigte noch die genannte Firma dafür eine Gewerbeberechtigung besitze. Bei der Kontrolle am 28.02.2020 seien Rechnungen an Kunden vom 12., 17. und 18.02.2020 festgestellt worden, wonach bei einem PKW die Frontscheibe mit Scheibenheizung und Regensensor repariert und bei anderen Fahrzeugen Arbeiten wie Ölwechsel, Kraftstofffilterwechsel, Luftfilterwechsel, Blechreparaturen und Arbeiten an den Bremsen durchgeführt worden seien.

2.) Die genannte Firma übe auf dem Standort S das Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nichtalkoholischen Getränken in handelsüblichen Gefäßen mit nicht mehr als acht Verabreichungsplätzen (§ 111 Abs 2 Z 3 GewO)“ selbständig, regelmäßig und in der Absicht aus, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl weder er noch die genannte Firma dafür eine Gewerbeberechtigung besitze. In der Werkstatt sei ein Automat mit Kaffee und ein Automat für Limonaden und Bier aufgestellt, wobei der Kaffee 1,0 Euro, die Limonade 1,50 Euro und das Bier 2,0 Euro kosten würden. Neben den Automaten befinde sich ein Tisch mit acht Hockern, welche augenscheinlich der Konsumierung der Getränke dienen würden.

Die Bezirkshauptmannschaft erblickte hierin jeweils eine Übertretung des § 366 Abs 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994. Es wurde eine Geldstrafe von 1.) 1.000 Euro und 2.) 500 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1.) vier Tagen und 2.) zwei Tagen festgesetzt.

2.              Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, dass das Handeln mit Getränken in verschlossenen Gefäßen, welche über einen Automaten ausgegeben werden würden, keinen Kleinhandel mit Lebensmitteln darstelle. Der Beschuldigte sei aber als Handelsgewerbetreibender mit offenem Handelsgewerbe berechtigt, diese Getränke zu verkaufen. Die vorhandenen acht Sitzplätze würden in erster Linie dem Aussuchen von Handelsware – im Bereich von landwirtschaftlichen Maschinen und Fahrzeugen für die ländliche Umgebung – dienen. Es seien keine Verabreichungsplätze für Getränke oder Speisen vorhanden. Diese Tätigkeit sei zulässig und stelle keine Ausübung des Gastgewerbes in der Betriebsart „Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschenkung von nichtalkoholischen Getränken in handelsüblichen Gefäßen“ dar, sondern finde man in fast allen Betrieben im Lande, in welchen Autoersatzteile und KFZ-Ersatzteile erworben werden könnten, solche „Warte- und Aussuchbereiche“. Derartige Tätigkeiten seien durch das Handelsgewerbe gedeckt.

Gemäß § 33 Abs 1 Z 6 (gemeint wohl: § 32 Abs 1 Z 6) und § 32 Abs 1 Z 11 GewO könnten die ausgeführten Tätigkeiten, nämlich das Aufstellen, die Montage, der Austausch schadhaft gewordener Bestandteile, die Nachfüllung von Behältnissen, das Anbringen von Zubehör und die regelmäßige Wartung der verkauften Gegenstände (landwirtschaftliche Maschinen und Kraftfahrzeuge), als auch einfache Tätigkeiten von reglementierten Gewerben, deren fachgemäße Ausführung den sonst vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erfordern würde, ausgeübt werden. Kein einziger Fall der festgestellten Tätigkeiten beinhalte etwas Anderes. Der Austausch von Bremsscheiben, Bremsbelägen sowie der Austausch einer handelsüblichen Frontscheibe seien einfache Tätigkeiten nach § 32 Abs 1 Z 2 (gemeint wohl: § 32 Abs 1 Z 11) GewO und dürften diese als ergänzende Leistungen erbracht werden.

3.              Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Beschuldigte betreibt am Standort S ein Unternehmen für den Handel von landwirtschaftlichen Maschinen bzw Kraftfahrzeugen sowie von Kraftfahrzeugen für die ländliche Umgebung und deren Ersatzteile („N C H K“).

Unbestritten ist, dass das genannte Unternehmen zum Tatzeitpunkt nur über eine Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe verfügte. Das Unternehmen war zur Tatzeit jedoch nicht im Besitz einer Gewerbeberechtigung für das Gewerbe „Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker; Kraftfahrzeugtechnik“ (§ 94 Z 43 GewO 1994) bzw für das freie Gewerbe hinsichtlich der gastgewerblichen Tätigkeit „Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen mit nicht mehr als acht Verabreichungsplätzen“.

Bei einer behördlichen Kontrolle am 28.02.2020 wurde festgestellt, dass der Beschuldigte in seinem Handelsbetriebsraum Reparaturen und Servicearbeiten bei diversen Kraftfahrzeugen durchführte. Laut vorgefundenen Rechnungen vom 12.02.2020, 17.02.2020 und 18.02.2020, welche auf das Unternehmen des Beschuldigten ausgestellt waren, wurde bei einem Kraftfahrzeug die Frontscheibe mit Scheibenheizung und Regensensor repariert und bei anderen Fahrzeugen Arbeiten an der Bremsscheibe, den Bremsklötzen, den Bremsbelägen, dem Bremssattel und der Achsmanschette sowie Arbeiten wie Ölwechsel, Kraftstofffilterwechsel, Luftfilterwechsel und Blechreparaturen durchgeführt. Die Kraftstofffilter bzw Luftfilter, die bei den betroffenen Kraftfahrzeugen erneuert wurden, wurden beim Beschuldigten gekauft.

Weiters wurde bei dieser Kontrolle festgestellt, dass im Handelsbetrieb ein Automat für Kaffee und ein Automat für Limonade und Bier aufgestellt waren. Es wurden Kaffee zu 1,0 Euro, Limonade zu 1,50 Euro und Bier zu 2,0 Euro angeboten. Die Getränke wurden zu den Öffnungszeiten verkauft. Die Kunden konnten die Getränke im Handelsbetriebsraum an den bereitgestellten Verabreichungsplätzen konsumieren. Im Handelsbetriebsraum befanden sich zum Tatzeitpunkt nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (ein Tisch mit acht Barhockern).

4.              Dieser Sachverhalt wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der Aktenlage, der im Behördenakt befindlichen Rechnungen und Lichtbilder, der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 13.01.2022 und eines Auszugs aus dem GISA (Gewerbeinformationssystem Austria) als erwiesen angenommen. Der Sachverhalt ist soweit auch unstrittig.

Dass die Kraftstofffilter bzw Luftfilter, die bei den betroffenen Kraftfahrzeugen erneuert wurden, beim Beschuldigten gekauft wurden, ergibt sich aus den im behördlichen Akt befindlichen Rechnungen.

5.1. Nach § 366 Abs 1 Z 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Der Umfang des Gewerbes definiert sich gemäß § 29 GewO 1994 nach dem Gewerbewortlaut sowie den einschlägigen Rechtsvorschriften. Demnach war der Beschuldigte zu dem ihm vorgeworfenen Tatzeitraum grundsätzlich zu Handelstätigkeiten befugt.

In § 32 GewO 1994 sind die Nebenrechte aller Gewerbetreibenden (unabhängig von deren Einstufung als Erzeuger, Händler oder Dienstleister) normiert. Für die Ausübung von Tätigkeiten dieser Nebenrechte bedarf es keiner eigenen Gewerbeberechtigung.

Gemäß § 32 Abs 1 Z 6 und 11 GewO 1994 stehen den Gewerbetreibenden auch folgende Rechte zu:

? das Aufstellen, die Montage, der Austausch schadhaft gewordener Bestandteile, die Nachfüllung von Behältern, das Anbringen von Zubehör und die regelmäßige Wartung der hergestellten, verkauften oder vermieteten Gegenstände (Z 6);

? einfache Tätigkeiten von reglementierten Gewerben, deren fachgemäße Ausübung den sonst vorgeschriebenen Befähigungsnachweis nicht erfordert, auszuüben (Z 11).

Gemäß § 32 Abs 2 GewO 1994 müssen bei der Ausübung der Rechte gemäß Abs 1 der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes erhalten bleiben. Soweit dies aus Gründen der Sicherheit notwendig ist, haben sich die Gewerbetreibenden entsprechend ausgebildeter und erfahrener Fachkräfte zu bedienen.

5.2.1. Unstrittig ist, dass das Unternehmen des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt über eine Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe verfügte und berechtigt war, Kraftfahrzeuge und diverse Ersatzteile zu verkaufen. Strittig ist, inwieweit die von dem Unternehmen des Beschuldigten in Rechnung gestellten Tätigkeiten (Reparatur der Frontscheibe mit Scheibenheizung und Regensensor, Arbeiten an der Bremsscheibe, den Bremsklötzen, den Bremsbelägen, dem Bremssattel und der Achsmanschette, Arbeiten wie Ölwechsel, Kraftstofffilterwechsel, Luftfilterwechsel und Blechreparaturen) als mit seiner Handelsgewerbeberechtigung verbundene Nebenrechte nach § 32 GewO zu werten sind. Es war daher zu prüfen, ob diese Gewerbeberechtigung im Zusammenhang mit § 32 Abs 1 GewO 1994 die durchgeführten Tätigkeiten rechtfertigt oder nicht.

Gemäß § 32 Abs 1 Z 6 GewO 1994 sind mit den Begriffen „Aufstellen“, „Montage“, „Austausch schadhaft gewordener Bestandteile“ etc Tätigkeiten mit ausschließlichem Servicecharakter angesprochen. Im Rahmen der Ziffer 6 sind folglich darüberhinausgehende Tätigkeiten, wie insbesondere Instandsetzungs- oder etwa Reparaturarbeiten an verkauften oder vermieteten Gegenständen nicht erlaubt (vgl Grabler/Stolzlechner/Wendl, GewO § 32 Rz 15). Diese Tätigkeiten sind zudem im Sinne des Gesetzeswortlautes auf die durch den Händler verkauften Waren (Kraftfahrzeuge, Ersatzteile) beschränkt; eine Montage/Wartung bei fremden Fahrzeugen ist nicht möglich. Schon aufgrund der Tatsache, dass die vom Beschuldigten getätigte Reparatur der Frontscheibe mit Scheibenheizung und Regensensor (mit Eingriff in die elektrische Anlage), die Arbeiten an der Bremsscheibe, den Bremsklötzen, den Bremsbelägen, dem Bremssattel und der Achsmanschette sowie die Blechreparaturen typischerweise nicht als Wartungs- oder Montagearbeiten zu werten sind, fallen diese Tätigkeiten nicht unter das Nebenrecht nach § 32 Abs 1 Z 6 GewO 1994. Zudem können diese eindeutigen Kerntätigkeiten des reglementierten Gewerbes „Kraftfahrzeugtechnik verbunden mit Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker“ auch nicht nach § 32 Abs 1 Z 11 GewO als einfache Tätigkeiten des reglementierten Gewerbes gewertet werden.

Dass im Übrigen diese Tätigkeiten selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wurden, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, wurde nicht in Abrede gestellt und ergibt sich aus dem Strafakt.

Die dem Beschuldigten vorgeworfenen Arbeiten des Ölwechsels, des Kraftstofffilterwechsels und des Luftfilterwechsels sind jedoch im Sinne des § 32 Abs 1 Z 6 GewO 1994 sehr wohl zulässige Wartungsarbeiten mit Servicecharakter. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen der Wirtschaftskammer Oberösterreich, Landesgremium Oberösterreich des Fahrzeughandels, zu Nebenrechten im Fahrzeughandel (abrufbar unter http://www.wko.at/ooe/fahrzeughandel, Stand: Oktober 2020). Zu den Nebenrechten nach § 32 Abs 1 Z 6 wird ua schlüssig ausgeführt:

„[…] Beispiele für zulässige Wartungs- und Montagearbeiten:

[…] Betriebsflüssigkeiten (mineralische): Fehlende oder verklemmte Schmiernippel ersetzen. Kontrolle, erneuern und nachfüllen des Motor-, Getriebe-, Differential-, Automatik- und Kupplungsöles sowie der Bremsflüssigkeit und der Hydraulikflüssigkeit der Servolenkung.

[…] Motor: Motorwäsche, Erneuerung des Ölfilters. Reinigung und Erneuerung der Zündkerzen. Reinigung des Zündverteilers und des Unterbrechers, eventuell Verteilerkopf ersetzen. Erneuerung des Keilriemens und Einstellen der Keilriemenspannung. Luftfilter reinigen und Einsatz wechseln. Kraftstofffilter erneuern. Diagnose und Aufbereitung von Partikelfiltern und Katalysatoren ohne Ein- und Ausbauarbeiten.“

Diese erbrachten ergänzenden Leistungen halten sich noch im Rahmen des § 32 Abs 1 Z 6 GewO 1994 und stellen ein Nebenrecht des Handelsgewerbetreibenden dar. Dass bei Ausübung eines solchen Nebenrechtes der wirtschaftliche Schwerpunkt und die Eigenart des Betriebes nicht erhalten geblieben sind und die Servicetätigkeiten den wirtschaftlichen Schwerpunkt der Tätigkeiten gebildet hätten, kann nach der Aktenlage nicht festgestellt werden. So wurden die beim Anlassfall erneuerten Kraftstoff- und Luftfilter auch beim Beschuldigten gekauft.

Da somit im Ergebnis festzustellen ist, dass das Unternehmen des Beschuldigten hinsichtlich der Reparatur der Frontscheibe mit Scheibenheizung und Regensensor, hinsichtlich der Arbeiten an der Bremsscheibe, den Bremsklötzen, den Bremsbelägen, dem Bremssattel und der Achsmanschette sowie hinsichtlich der Blechreparaturen das reglementierte Gewerbe „Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker; Kraftfahrzeugtechnik“ nach § 94 Z 43 GewO 1994 ausübte, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben, machte sich der Beschuldigte als deren Verantwortlicher nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 strafbar. Der Beschuldigte hat nur im Hinblick auf diese Tätigkeiten die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung tatbildmäßig erfüllt.

5.2.2. Da zum Tatbestand der dem Beschuldigten zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei der Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 VStG. Es besteht daher von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche von ihm aber widerlegt werden kann. Es obliegt dem Beschuldigten, initiativ alles darzutun, was für seine Entlastung spricht.

Wenn der Beschuldigte den Schuldausschließungsgrund des Irrtums über die Rechtswidrigkeit des Verhaltens ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass nach § 5 Abs 2 VStG die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann entschuldigt, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Unkenntnis eines Gesetzes kann nur dann als unverschuldet angesehen werden, wenn jemandem die Verwaltungsvorschrift trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist (VwGH 14.12.2015, Ra 2015/11/0083; VwGH 27.01.2011, 2010/03/0179). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich jedermann mit den einschlägigen Normen seines Betätigungsfeldes ausreichend vertraut zu machen (VwGH 14.01.2010, 2008/09/0175). Es besteht die Verpflichtung, sich hinsichtlich der geltenden Rechtvorschriften kundig zu machen. Die mangelnde Erkundigung ist dem Beschuldigten vorzuwerfen, wenn ihm zumindest Zweifel über die Rechtslage kommen mussten. Mussten dem Beschuldigten solche Zweifel über die Rechtmäßigkeit seines Handelns kommen, so haben ihn die Zweifel zu veranlassen, hierüber bei der zuständigen Behörde anzufragen. Unterlässt der Beschuldigte bei gebotener Informationspflicht derartige Erkundigungen, so ist ein einschlägiger Verbotsirrtum – weil nicht erwiesenermaßen unverschuldet – jedenfalls vorwerfbar (VwGH 10.02.1999, 98/09/0298); er trägt diesfalls das Risiko des Rechtsirrtums (VwGH 30.11.1981, 81/17/0126).

Der Beschuldigte führte in diesem Zusammenhang in der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus, er habe Erkundigungen bei der Wirtschaftskammer eingeholt und diese habe die Auskunft erteilt, dass er diese einfachen Tätigkeiten durchführen dürfe. Eine Anfrage bei der zuständigen Behörde (Bezirkshauptmannschaft B) als geeignete Stelle unterließ der Beschuldigte jedoch. Dieses Vorbringen des Beschuldigten, welches zudem erstmals in der mündlichen Beschwerdeverhandlung erstattet wurde, vermag ihn somit nicht zu entlasten.

6.1. Gemäß § 1 Abs 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl Nr 194/1994, gilt dieses Bundesgesetz, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.

Nach § 1 Abs 2 GewO 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vor-teil zu erzielen, gleichgültig, für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hiebei macht es keinen Un-terschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll.

Nach § 1 Abs 3 GewO 1994 liegt Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird.

Gemäß § 111 Abs 1 Z 2 GewO 1994 bedarf es einer Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe (§ 94 Z 26) für die Verabreichung von Speisen jeder Art und den Ausschank von Getränken.

Gemäß § 111 Abs 2 Z 3 GewO 1994 bedarf es keines Befähigungsnachweises für das Gastge-werbe für die Verabreichung von Speisen in einfacher Art und den Ausschank von nichtalkoholischen Getränken und von Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen, wenn hiebei nicht mehr als acht Verabreichungsplätze (zum Genuss von Speisen und Getränken bestimmte Plätze) bereitgestellt werden.

Gemäß § 111 Abs 3 GewO 1994 ist unter Verabreichung und unter Ausschank jede Vorkehrung oder Tätigkeit zu verstehen, die darauf abgestellt ist, dass die Speisen oder Getränke an Ort und Stelle genossen werden.

Gemäß § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3.600 € zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

6.2. Dem Beschuldigten wurde in Spruchpunkt 2. vorgeworfen, er habe zu verantworten, dass die genannte Firma auf dem Standort S das Gewerbe „Gastgewerbe in der Betriebsart Verabreichung von Speisen in einfacher Art und Ausschank von nichtalkoholischen Getränken in handelsüblichen Gefäßen mit nicht mehr als acht Verabreichungsplätzen (§ 111 Abs 2 Z 3 GewO)“ selbständig, regelmäßig und in der Absicht ausübe, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, obwohl weder der Beschuldigte noch die genannte Firma dafür eine Gewerbeberechtigung besitze.

Im gegenständlichen Fall wurden nichtalkoholische Getränke und Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen über zwei Automaten ausgeschenkt; es geht – entgegen der Behauptung des Beschuldigten - nicht nur um die bloße Aufstellung von Getränkeautomaten, sondern darum, dass es den Kunden des Handelsbetriebs ermöglicht wurde, im Betrieb bei den aufgestellten Getränkeautomaten Getränke zu kaufen und diese Getränke an den bereitgestellten acht Verabreichungsplätzen (Sitzplätze mit Tisch) zu konsumieren. Dies stellt ohne Zweifel einen Ausschank iSd § 111 Abs 3 GewO 1994 dar.

Eine Tätigkeit wird nach § 1 Abs 2 GewO 1994 bereits dann gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie neben anderen Kriterien in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welchen Zweck dieser bestimmt ist. Es ist somit nicht erforderlich, dass sich aus der Tätigkeit ein geldwerter Gewinn ergibt. Eine Tätigkeit wird auch dann gewerbsmäßig ausgeübt, wenn mit ihr ein sonstiger wirtschaftlicher Vorteil verbunden ist. Auch sonstige den Geschäftszielen dienende positive Effekte stellen einen wirtschaftlichen Vorteil dar (vgl etwa VwGH 22.04.1994, 94/02/0098). Der Verkauf von Getränken im Handelsbetrieb hat zweifellos auch den Zweck, die Kunden zu einem längeren Verweilen im Betrieb zu animieren, indem ihnen der Aufenthalt im Betrieb angenehmer gemacht wird, und dadurch den Verkauf von Produkten zu steigern. Selbst wenn sich unmittelbar mit dem Getränkeverkauf kein Gewinn ergeben sollte, ist die Absicht jedenfalls darauf gerichtet, die Erträge aus dem Handelsbetrieb zu vergrößern. Die Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit liegt selbst dann vor, wenn die in Rede stehenden Getränke nur abgegeben wurden, um einen längeren bzw angenehmeren Verbleib der Kunden, welche sich eine Produktberatung einholen, zu fördern. Davon ist im gegenständlichen Fall jedenfalls auszugehen. Somit ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit gewerblich ausgeübt wurde.

Dass im Übrigen die Tätigkeit des Ausschankes von Getränken selbständig und regelmäßig erfolgte, wurde nicht in Abrede gestellt und ergibt sich aus dem Strafakt.

In Abs 2 des § 111 GewO findet sich eine taxative Aufzählung von gastgewerblichen Tätigkeiten, für die es keiner Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe (§ 94 Z 26) bedarf. Bei diesen handelt es sich daher um freie Gewerbe. Wird ein freies Gewerbe gemäß Abs 2 angemeldet, so hat sich der Gewerbeinhaber an die gesetzlich normierten Einschränkungen zu halten (vgl Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO § 111 Rz 19, Stand 01.01.2015, rdb.at). Nach Abs 2 bedarf es für die angeführten gastgewerblichen Tätigkeiten somit zwar keines Befähigungsnachweises, wohl aber einer Gewerbeberechtigung (freies Gewerbe).

In den Betriebsräumlichkeiten wurden nur acht Hocker (mit Ablagemöglichkeit an dem davor stehenden Tisch) als Verabreichungsplätze bereitgestellt, sodass es sich um eine gastgewerbliche Tätigkeit nach § 111 Abs 2 Z 3 GewO 1994 (freies Gewerbe) handelt. Dieses freie Gewerbe wurde unstrittigerweise nicht angemeldet, sodass das Unternehmen des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt keine Gewerbeberechtigung erlangte und sich der Beschuldigte als deren Verantwortlicher nach § 366 Abs 1 Z 1 GewO 1994 folglich strafbar machte.

7.              Gemäß § 19 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die übertretenen Rechtsvorschriften sollen Kunden davor schützen, dass Gewerbe von einem Nichtbefugten ausgeübt werden. Diesem Schutzzweck wurde erheblich zuwidergehandelt. Als Verschuldensform wird zumindest von Fahrlässigkeit ausgegangen. Es sind weder Erschwerungs- noch Milderungsgründe hervorgekommen.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab der Beschuldigte an, dass er eine kleine Landwirtschaft und den Handelsbetrieb habe. Das Landesverwaltungsgericht würde die verhängte Geldstrafe bei einer Person mit einem monatlichen Nettoeinkommen von ungefähr 1.500 Euro nicht als überhöht ansehen. Bei einer Einschätzung der diesbezüglichen Verhältnisse des Beschuldigten, der Einzelunternehmer ist, gelangt das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass dieser jedenfalls nicht schlechter gestellt ist als die erwähnte Vergleichsperson.

Die Strafe war hinsichtlich Spruchpunkt 1. herabzusetzen, da der Vorwurf der Ausübung des reglementierten Gewerbes „Karosseriebau- und Karosserielackiertechniker; Kraftfahrzeugtechnik“ nach § 94 Z 43 GewO 1994 ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung auf die Reparatur der Frontscheibe mit Scheibenheizung und Regensensor, die Arbeiten an der Bremsscheibe, den Bremsklötzen, den Bremsbelägen, dem Bremssattel und der Achsmanschette sowie die Blechreparaturen einzuschränken war.

Unter Würdigung des vorgetragenen Sachverhaltes und unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers findet das Landesverwaltungsgericht die nunmehr festgesetzte Strafe (Spruchpunkt 1.) sowie die von der Behörde festgesetzte Strafe (Spruchpunkt 2.) schuld-, tat-, vermögens- und einkommensangemessen.

8.              Die Änderung der Tatbildumschreibung in Spruchpunkt 1. erfolgte zum Zwecke der Einschränkung des Tatvorwurfes.

Die Änderung der Tatbildumschreibung in Spruchpunkt 2. erfolgte zur Präzisierung.

9.              Da der Beschwerde betreffend Spruchpunkt 1. teilweise Folge gegeben wurde, entfällt gemäß § 52 Abs 8 VwGVG hinsichtlich dieses Spruchpunktes die Vorschreibung eines Betrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch auf 10 Euro. Außerdem verringert sich der Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens auf 10% der nunmehr herabgesetzten Strafe zu Spruchpunkt 1., mindestens jedoch auf 10 Euro.

10.             Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Gewerberecht, Nebenrechte, Service

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGVO:2022:LVwG.1.650.2020.R18

Zuletzt aktualisiert am

22.02.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Vorarlberg LVwg Vorarlberg, http://www.lvwg-vorarlberg.at
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