TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/17 95/05/0204

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Veröffentlicht am 17.09.1996
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des Dr. H in K, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg vom 23. Mai 1995, Zl. 10-A/94, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. R-Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W; 2. Stadtgemeinde Korneuburg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 15. Oktober 1993 hat die erstmitbeteiligte Partei um die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung einer Reihenwohnhausanlage (12 Reihenhäuser mit 18 Abstellplätzen) auf dem Grundstück Nr. n/4, EZ nn, KG Korneuburg, angesucht. Das verfahrensgegenständliche Grundstück liegt im Bauland-Wohngebiet. Gemäß dem Bebauungsplan in der für das verfahrensgegenständliche Grundstück noch immer geltenden Stammfassung (beschlossen vom Gemeinderat am 7. Oktober 1977, kundgemacht vom 28. Februar 1979 bis 14. März 1979 an der Amtstafel der mitbeteiligten Stadtgemeinde) ist eine Bebauungsdichte von 25 %, eine offene Bebauungsweise und die Bauklasse II vorgesehen. In der mündlichen Verhandlung vom 25. November 1993 erhob der Beschwerdeführer, dessen Grundstück Nr. n/11 südwestlich an das verfahrensgegenständliche Grundstück bis zur Hälfte grenzt, u.a. die Einwendung, daß eine Bebauung von etwa 860 m2 des insgesamt 2.077 m2 ausmachenden Grundstückes vorgesehen sei. Dies sei etwa 30 % der zur Verfügung stehenden Fläche. Es verstoße gegen die in Niederösterreich üblicherweise geltenden Bestimmungen hinsichtlich der Verbauung eines Grundstückes. Es sei unzumutbar, mitten in der bestehenden Siedlungsart eine Reihenhausanlage mit 12 Häusern und 18 Abstellplätzen sowie zwei Müllplätze unterzubrigen, die den typischen Charakter der vorhandenen Wohnobjekte in diesem Bereich empfindlich störten. Als Folgewirkung der geplanten Bebauung würden auch die Lärmhöchstwerte im Sinne des § 1 der aufgrund des § 14 Abs. 3 Nö Raumordnungsgesetzes erlassenen Verordnung überschritten. Weiters mache er die Einwendung hinsichtlich des Umweltschutzes geltend, zumal wegen der 18 geplanten KFZ-Abstellplätze eine Emissionsbelastung für ihn auftrete.

Im Protokoll der mündlichen Verhandlung ist in der Sachverhaltsdarstellung festgehalten, daß in "Korrektur der ursprünglich zur Einreichung gelangten Unterlagen ... die Breite der einzelnen Häuser um 27 cm verringert" werde, "sodaß sich für die zehn Reihenhäuser eine gesamte verbaute Fläche von 24,98 % von der Grundstücksfläche" ergebe. Der Sachverständige stellte zur Rüge in bezug auf die Baudichte und zur Emissionsbelastung durch die Abstellplätze folgendes fest: Der Vorwurf der Überschreitung der Baudichte könne als saniert betrachtet werden, da die nunmehr verringerte Breite der Häuser eine Bebauungsdichte von weniger als 25 % zur Folge habe. Es würden in dieser Hinsicht die Bestimmungen des Bebauungsplanes eingehalten. In bezug auf die Lärm- und Emissionsbelastung führte der Sachverständige aus, daß die Schaffung von PKW-Abstellplätzen auf Eigengrund eine verpflichtende Forderung der Nö Bauordnung bzw. Nö Garagenordnung sei. Diese Stellplätze seien im entsprechenden Verhältnis zu den Wohneinheiten zu schaffen und in diesem Maße durch die Anrainer auch zu dulden. Eine gutächtliche Beurteilung erscheine daher in diesem Zusammenhang durch Verkehrs- und Umweltsachverständige nicht notwendig.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der zweitmitbeteiligten Partei vom 29. November 1993 wurde die Baubewilligung "zur Errichtung einer Reihenhausanlage (10 Reihenhäuser) mit Abstellplätzen und straßenseitiger Einfriedung" auf dem angeführten Grundstück erteilt. Das in beglaubigter Abschrift beiliegende Verhandlungsprotokoll über die Bauverhandlung bilde einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides. Bei der Ausführung des Bauvorhabens seien die rückgemittelten, mit der Genehmigungsklausel versehenen Baupläne (die auf Grund von Überklebungen von jeweils einem Reihenhaus nur mehr 10 Reihenhäuser aufweisen, je 5 pro Reihenhausblock), die im Verhandlungsprotokoll gegebene Baubeschreibung und die dort angeführten Bedingungen und statischen Berechnungsunterlagen genauest einzuhalten.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung. In einer mündlichen Stellungnahme der Parteien am 18. Mai 1994 beantragte der Beschwerdeführer u.a. zur Beurteilung der Belastung der Anrainer durch die PKW-Abstellplätze in bezug auf Lärm- und Staubentwicklung ein Gutachten eines Sachverständigen für Umweltschutz.

Mit Bescheid des Gemeinderates der zweitmitbeteiligten Partei vom 3. August 1994 wurde u.a. die Berufung des Beschwerdeführers unter zusätzlicher Vorschreibung folgenden Auflagepunktes abgewiesen:

"-

Entgegen der Darstellung vom vorliegenden Auswechslungsplan ist auf die Müllsammelplätze in dem jeweiligen Vorgartenbereich zu verzichten und statt dessen eine Aufstellungsfläche für die Müllbehälter vor den einzelnen Reihenhäusern vorzusehen."

In der Begründung dieses Bescheides wird im Zusammenhang mit der gerügten Bebauungsdichte ausgeführt, daß für die geänderte Ausführung durch die Baubehörde die Vorlage neuer Planunterlagen verlangt worden sei. Diese Auswechslungspläne lägen nunmehr vor und würden im Zuge des Parteiengehörs den Anwesenden vorgelegt. Durch diese Projektänderung werde nunmehr auch die Einhaltung des Bebauungsplanes in Hinsicht auf die Bebauungsdichte gesichert. Im Akt befinden sich zwei Auswechslungspläne (betreffend einerseits Grundrisse und Lageplan, andererseits Ansichten, Schnitt A-A) mit Genehmigungsvermerken unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 3. August 1994.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wird im wesentlichen damit begründet, ein Gutachten eines Sachverständigen für den Umweltschutz zu der Frage der Belastung der Anrainer durch die PKW-Abstellplätze (Lärm- und Staubentwicklung) werde nicht als erforderlich erachtet, da "Emissionen", die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes hielten, nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von den Nachbarn hingenommen werden müßten. Weiters sei die Problematik der Überschreitung der Bebauungsdichte von maximal 25 % bereits ausgiebig erörtert worden und habe letztlich zu der Auflage geführt, daß durch eine geringfügige Verringerung der Breite der einzelnen Häuser ohne weitere Veränderung der sonstigen Abmessungen die Bebauungsdichte auf unter 25 % verringert werden solle. Im Zusammenhang mit der Müllentsorgung sei im Berufungsbescheid die Auflage aufgenommen worden, daß entgegen der Darstellung im vorliegenden Auswechslungsplan auf die Müllsammelplätze im jeweiligen Vorgartenbereich zu verzichten sei und Aufstellungsflächen für die Müllbehälter vor den einzelnen Reihenhäusern vorzusehen seien.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die erstmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 118 Abs. 8 Nö Bauordnung, LGBl. 8200-0 i.d.F. LGBl. 8200-6 (im folgenden: BO), genießen alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Gemäß § 118 Abs. 9 BO werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

1.

den Brandschutz;

2.

den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

3.

die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

4.

die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Sofern der Beschwerdeführer zunächst eine Verletzung des § 61 BO betreffend den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes geltend macht, hat ihm die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend entgegengehalten, daß die Vorschriften zur Wahrung des örtlichen Stadtbildes (Ortsbildes) und der schönheitlichen Rücksichten nicht zu jenen Bestimmungen gehören, die im Sinne des § 118 Abs. 9 BO nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 15. Jänner 1985, Zl. 84/05/0185, BauSlg. Nr. 367, und vom 26. März 1985, Zl. 84/05/0233, BauSlg. Nr. 418).

Sofern der Beschwerdeführer rügt, daß im Lichte des § 62 BO zu Unrecht kein medizinischer Sachverständiger bestellt worden sei, ist ihm - abgesehen davon, daß es sich dabei um ein erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgetragenes Vorbringen handelt, das gemäß dem vom Verwaltungsgerichtshof aus § 41 Abs. 1 VwGG in Fällen eines mängelfreien Verfahrens abgeleiteten Neuerungsverbot keine Berücksichtigung mehr finden kann - entgegenzuhalten, daß er auch die Wesentlichkeit dieses allfälligen Verfahrensmangels nicht dartut, wenn er behauptet, die Begründung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich "des örtlich zumutbaren Maßes von Staub- und Lärmbelästigung" decke sich nicht mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die belangte Behörde hat sich vielmehr zutreffend auf die hg. Judikatur (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1991, Zl. 91/05/0083, und vom 15. Dezember 1992, Zl. 90/05/0097) berufen, nach der Imissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, von den Nachbarn hingenommen werden müssen. Insbesondere wurde dies auch für von Wohnhausanlagen üblicherweise ausgehende Lärmbelästigungen ausgesprochen (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 91/05/0083)

Es ist auch nicht zutreffend, daß das verfahrensgegenständliche Bauobjekt die Bebauungsdichte von maximal 25 % wesentlich überschreite. Die mit Genehmigungsvermerk vom 3. August 1994 versehenen Auswechslungspläne sehen eine verbaute Fläche im Ausmaß von 691,92 m2 im Verhältnis zu einer Gesamtgrundfläche von 2.770 m2 vor, woraus die belangte Behörde zutreffend eine Bebauungsdichte von 24,98 % ermittelt hat. Abgesehen davon ist in diesem Zusammenhang auch festzustellen, daß nach der hg. Judikatur (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0012) dem Nachbarn nur dann ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung einer vorgeschriebenen Bebauungsdichte zusteht, wenn die Abstände zu den Grundstücksgrenzen und die Gebäudehöhe nicht festgelegt sind. Der für das verfahrensgegenständliche Grundstück maßgebliche Bebauungsplan legt aber einerseits die zulässige Bebauungshöhe fest (Bauklasse II: gemäß § 5 Abs. 2 Z. 4 BO 5 - 7 m iVm § 22 Abs. 6 BO) und andererseits ergeben sich die Abstände zu den Nachbargrundgrenzen, da der Bebauungsplan nur Straßenfluchtlinien festlegt, aus § 22 Abs. 4 BO an Hand der Gebäudehöhe (die Hälfte der Gebäudehöhe, mindestens drei Meter). Die Bestimmung im Bebauungsplan betreffend die Bebauungsdichte ist somit im vorliegenden Fall nicht als eine Bestimmung zu qualifizieren, die nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch im Interesse des Nachbarn liegt. Dem Beschwerdeführer stand in dieser Hinsicht kein Nachbarrecht zu.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, daß Änderungen des Bauvorhabens bzw. Auflagen zu konkretisieren und nicht pauschal anzuordnen seien. Die erstinstanzliche und die belangte Behörde hätten diese Grundsätze verletzt. Dieser Rüge kommt keine Berechtigung zu. Die in der mündlichen Verhandlung erwähnte Verringerung der Breite der einzelnen Häuser fand in den mit dem erstinstanzlichen Bescheid genehmigten geänderten Plänen ihren Niederschlag und überdies wurden im Berufungsverfahren entsprechende Auswechslungspläne vorgelegt, die im Zusammenhang mit dem Berufungsbescheid mit Genehmigungsvermerken versehen wurden.

Der Beschwerdeführer führt weiters ins Treffen, daß eine globale Verringerung der Dimension der einzelnen Häuser ohne eine neuerliche statische Berechnung § 100 BO verletze. Eine Rechtsverletzung kommt in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht in Betracht, weil dem Nachbarn in bezug auf die Statik nur insoweit ein Nachbarrecht zusteht, als sich eine Gefahr von der zu bebauenden Liegenschaft auf sein Grundstück zu erstrecken vermag (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. August 1996, Zl. 96/05/0096, und die in diesem zitierte Vorjudikatur). Derartige Auswirkungen wurden vom Beschwerdeführer nie behauptet.

Aus dem vom Beschwerdeführer gerügten Umstand, im vorliegenden Bauplan seien die Müllplätze nicht festgelegt, sodaß es jedenfalls für einen Sachverständigen unmöglich gewesen wäre, die Frage der "Emissionen" rechtlich zu beurteilen, ergibt sich keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, da gemäß dem Berufungsbescheid vom 3. August 1994 auf die in den vorliegenden Auswechslungsplänen enthaltenen Müllsammelplätze zu verzichten und stattdessen eine Aufstellungsfläche für die Müllbehälter vor den einzelnen Reihenhäusern vorzusehen ist. Auch wenn es einen Verfahrensmangel darstellt, daß diese Änderung des Bauvorhabens nicht in den bewilligten Auswechslungsplänen ihren Niederschlag gefunden hat, ist dieser Verfahrensmangel nicht wesentlich, weil die von der Berufungsbehörde genehmigten Auswechslungspläne in Verbindung mit der angeführten Auflage im Berufungsbescheid ergeben, daß die in diesen vorgesehenen Müllsammelplätze nicht bewilligt wurden. Die Frage der Belästigung durch von diesen ausgehende Immissionen stellt sich somit gar nicht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995050204.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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