TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/17 96/05/0099

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.1996
beobachten
merken

Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §42 Abs1;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde

1. des A und 12 weiterer Beschwerdeführer, alle in Z, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. November 1995, Zl. R/1-V-94107/03, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei beantragte im Zuge der Errichtung der kommunalen Abwasserbeseitigungsanlage die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung der "Kanalisation Nebensammler K" vom Schacht Nr. 25 bis zum Schacht Nr. 28 auf den der mitbeteiligten Partei gehörigen Grundstücken Nr. 4226/1 und Nr. 4241/2, je öffentliches Gut, aufgrund der vorgelegten Pläne und der Baubeschreibung des Dipl.Ing. F. Projektsgemäß soll der Kanal zwischen 1,3 m und 6,97 m tief liegen. Das Gefälle ist zwischen den Schächten 25 und 26 mit 14,2 %o, zwischen den Schächten 26 und 27 mit 5 %o und zwischen den Schächten 27 und 28 mit 5 %o projektiert.

In der mündlichen Verhandlung wendeten die Beschwerdeführer u. a. wie folgt ein:

"1. Durch die Tiefenlage des Kanalstranges (bis zu 7 m) wird für die Grundstücke der Anrainer eine derart starke Drainagierung bzw. Entwässerung bewirkt, daß deren Grundstücke trocken fallen und eine landwirtschaftliche bzw. gärtnerische Nutzung erheblich erschwert wird. Dies stellt eine Beeinträchtigung eines subjektiv-öffentlichen Anrainerrechtes durch die geplante Kanalisationsanlage dar. Im bisherigen Ermittlungsverfahren wurde nicht erhoben und nicht festgestellt, daß die zu erwartende Drainagewirkung tatsächlich nicht eintritt, bzw. durch welche Auflagen diese in Gang gehalten werden könnte.

2. Der zur Baubewilligung beantragte Teil des Nebensammlers

K liegt im höchsten Bereich dieses Nebensammlers. Der Wassereintrag in den Kanalstrang ist derart gering, daß zufolge der Höhenlage des Teils der Kanalisation einerseits und des Gefälles der Kanalisation andererseits der Fäkaleintrag der Flüssigkeiten nicht gedeckt wird und eine gesundheitsgefährdende Geruchsemission eintritt. Die Kanalschächte sind nicht geruchsdicht geplant, sodaß über die jeweilige Entlüftung der Hauskanäle die Geruchsemissionen austreten werden. Es liegt bislang kein medizinisches bzw. hygienisches Gutachten über die Unbedenklichkeit des Nebensammlers vor.

..."

Mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 16. Dezember 1994 wurde die beantragte Baubewilligung unter Auflagen erteilt. Auflagepunkt 2. hat folgenden Wortlaut:

"In jedem Schachtbereich mit Ausnahme des Endschachtes muß eine Drainageeffektsperre eingebaut worden."

In der Begründung wird ausgeführt, daß der beigezogene Gutachter ausdrücklich festgestellt habe, daß der Kanal ein maximales Gefälle von 14,2 %o aufweise. Aufgrund des glatten Rohrmaterials könne es demnach zu keiner Fäkalablagerung kommen und sei demnach auch eine gesundheitsgefährdende Geruchsemission nicht zu erwarten. Ein entsprechendes medizinisches bzw. hygienisches Gutachten sei demnach nicht erforderlich.

Der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 15. März 1995 teilweise Folge gegeben und Auflagepunkt 2 wie folgt geändert:

"In jedem Schachtbereich, mit Ausnahme des Endschachtes, ist fachgerecht eine Drainageeffektsperre, die eine Drainagierung der anrainenden Grundstücke verhindert, durch den Einbau einer sandschüssigen Lehmsperre über die gesamte Künettenbreite, in der Stärke von Künettenunterkante bis Frostkofferunterkante zu errichten."

In der Begründung führte die Berufungsbehörde aus, die von der Baubehörde erster Instanz angeordnete Vorschreibung von Drainageeffektsperren sei zu unbestimmt gewesen; diesbezüglich sei daher der erstinstanzliche Bescheid abzuändern gewesen. Die auch in der Berufung von den Beschwerdeführern geltend gemachten gesundheitsgefährdenden Geruchsemissionen seien deshalb auszuschließen, da der Kanal mit einem maximalen Gefälle von 14,2 %o projektiert sei. Der Projektsbeschreibung lasse sich auch entnehmen, daß die Rohre glatt auszuführen seien und ein minimales Gefälle von 5 %o "vorherrsche", sodaß schon aus technischer Sicht der Abfluß gewährleistet sei und eine Geruchsbelästigung ausgeschlossen erscheine. Von der Einholung eines zusätzlichen medizinischen bzw. hygienischen Gutachtens könne daher Abstand genommen werden.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. November 1995 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Hauskanäle seien selbst entsprechend der Ö-Norm B 2501 mit Geruchsverschlüssen auszustatten. Für das öffentliche Kanalnetz seien als Planungsgrundlage die technischen Richtlinien des Wasserwirtschaftsfonds 1984 heranzuziehen, welche ein Mindestgefälle von 1 %o vorsehen. Dementsprechend seien in Niederösterreich weite Strecken des öffentlichen Kanalnetzes mit einem Gefälle von 1 %o verlegt, ohne daß es zu diesbezüglichen Beanstandungen gekommen wäre. Den Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechend und schlüssig habe der bautechnische Sachverständige dargelegt, daß es aufgrund des Mindestgefälles von 5 %o und des glatten Rohrmaterials zu keinen Geruchsbelästigungen kommen könne, die das ortsübliche Maß übersteigen. Schon bei dem im Siedlungswasserbau üblicherweise verwendeten Gefälle von 1 %o würden die Feststoffe bereits so abtransportiert werden, daß es zu keinen Ablagerungen und damit auch zu keinen Fäulnisprozessen komme. Sehe man davon ab, daß die Ausbringung der jeweiligen Senkgrubeninhalte der Anrainer auf die umliegenden Felder zu einer weitaus größeren Geruchsbelästigung führe, sei den Beschwerdeführern entgegenzuhalten, daß ihre Grundstücke überwiegend im Bauland-Agrargebiet situiert seien, wo ortsübliche Geruchsimmissionen hinzunehmen seien. Da eine allfällige, kurzfristige Geruchsentwicklung eines in einer öffentlichen Verkehrsfläche verlegten Kanalstranges nicht geeignet sein könne, das örtlich zumutbare Ausmaß zu überschreiten, sei daher die Einholung eines medizinischen Gutachtens entbehrlich gewesen. Immissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes hielten, müßten von den Anrainern hingenommen werden; dies müsse zweifellos auch für die mit dem Wohnen zwangsläufig verbundene Abwasserentsorgung gelten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 1986, B 3878/95-6, nach Ablehnung der Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem "subjektiv-öffentlichen Recht auf Schutz vor gesundheitsgefährdenden und das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigenden Immissionen, insbesondere Geruchsimmissionen" und in ihrem "subjektiv-öffentlichen Recht auf Schutz vor Gefahren infolge mangelnder statischer Sicherheit des eingereichten Projektes" verletzt.

Die belangte Behörde legte Teile des Verwaltungsaktes vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 118 Abs. 8 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. 8200-6 genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

Gemäß Abs. 9 dieses Paragraphen werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

1.

den Brandschutz;

2.

den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

              3.              die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

              4.              die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

Der Kreis der Anrainer, welche Parteistellung genießen, umfaßt gemäß § 118 Abs. 8 BO somit nicht nur die unmittelbaren Grundstücksnachbarn, sondern auch jene Grundstückseigentümer, die durch das Bauvorhaben in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten beeinflußt werden können, wobei von der Berufungs- und Vorstellungsbehörde nur diejenigen Einwendungen berücksichtigt werden dürfen, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung vom Nachbarn vorgebracht worden sind (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0284, mwN).

Das Mitspracherecht der Nachbarn im baurechtlichen Bewilligungsverfahren ist sohin in zweifacher Hinsicht beschränkt. Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva). Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Aufsichtsbehörde und die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben die Rechtsfolgen der Präklusion zu berücksichtigen.

Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Der ordnungsgemäß unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG geladene Nachbar muß spätestens bei der mündlichen Verhandlung in seiner Einwendung das Recht anführen, dessen Verletzung er behauptet. Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt somit nur vor, wenn dem Vorbringen die Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 7. November 1995, Zl. 94/05/0173).

Insoweit in der Beschwerde auf die Einwendung Punkt 1 in der mündlichen Verhandlung vom 10. November 1994 bezug genommen wird, wonach infolge der Tiefenlage des bewilligten Kanals für die Grundstücke der Beschwerdeführer eine derart starke Drainagierung bzw. Entwässerung eintreten soll, daß diese trocken fallen und deren Nutzung erheblich erschwert werde, ist auf dieses Vorbringen schon deshalb nicht näher einzugehen, weil es sich nicht auf ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 118 Abs. 9 BO bezieht. Eine mögliche Beeinflussung des Grundwasserstandes in der Umgebung des Grundstückes, auf welchem das Bauvorhaben geplant ist, wird durch keine subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer in einer im Baubewilligungsverfahren nach der niederösterreichichen Bauordnung zu vollziehenden Vorschrift geregelt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1978, Slg. Nr. 9.726/A, und das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1982, Zl. 05/0855/80).

Insoweit sich das Beschwerdevorbringen "auf die statische Gefährdung" der Liegenschaften der Beschwerdeführer bezieht, ist es dem Verwaltungsgerichtshof schon deshalb verwehrt, darauf einzugehen, weil die Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen präkludiert sind.

Mit dem Hinweis der Beschwerdeführer, sie hätten Einwendungen bezüglich "gesundheitsgefährdender Geruchsimmissionen sowie bezüglich das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigender Geruchsbelästigungen" erhoben und es seien diese Einwendungen von den Verwaltungsbehörden im Ermittlungsverfahren nicht hinreichend geklärt worden, zeigen die Beschwerdeführer aber aus folgenden Gründen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Gemäß § 62 Abs. 2 BO sind für Bauwerke, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Maß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen. Zur Vermeidung von Umweltbelastungen kann die Baubehörde auch die Pflanzung und Erhaltung von Grünanlagen vorschreiben.

§ 62 Abs. 2 leg. cit. verpflichtet somit die Baubehörde, wenn die in einer geplanten Baulichkeit nach deren Zweckbestimmung zu erwartenden Vorgänge erfahrungsgemäß das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen der Nachbarschaft erwarten lassen, durch Auflagen dafür Sorge zu tragen, daß durch eine entsprechende bautechnische Ausgestaltung der Baulichkeit ein erhöhter Schutz vor den zu erwartenden Belästigungen dieser Art sichergestellt ist. Diese Vorschrift dient nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur den öffentlichen Interessen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0284, mwN). Aus § 62 Abs. 2 BO in Verbindung mit

§ 118 Abs. 8 und 9 leg. cit. erwächst daher dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz vor z.B. Geruchsbelästigung. Der im § 62 Abs. 2 leg. cit. normierte allgemeine Schutz des Nachbarn vor Belästigungen durch Immissionen gewährt allerdings - anders als der durch einzelne Widmungs- und Nutzungsarten eingeräumte Immissionsschutz - keinen absoluten, zu einer Versagung des Bauvorhabens führenden Immissionsschutz des Nachbarn. Die Baubehörde hat aber jene Anordnungen zu treffen, die Belästigungen der Nachbarn, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, hintanhalten. Unter der Voraussetzung der Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmungs- und Nutzungsart haben die Nachbarn einen Anspruch darauf, daß sie durch die Vorschreibung nötiger Vorkehrungen vor das örtlich zumutbare Maß übersteigenden Gefahren und Belästigungen geschützt werden. Die Grenze des zulässigen Ausmaßes an Immissionen richtet sich nach dem örtlichen Ausmaß, welches je nach der Umgebung der Örtlichkeit verschieden sein kann.

Ausgehend davon, daß im Hinblick auf die für die zu bebauenden Grundstücke der mitbeteiligten Partei festgesetzte Widmungskategorie die Errichtung der hier zu beurteilenden Kanalisationsanlage zulässig ist (dies wurde von den Beschwerdeführern weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Verwaltungsgerichtshof in Zweifel gezogen und ist für ein Gebiet, das - wie im angefochtenen Bescheid ausgeführt - im Bauland-Agrargebiet liegt, grundsätzlich zu bejahen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/05/0112)), hatten die Baubehörden aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführer zu prüfen, ob diese zu Recht eine gesundheitsschädliche Geruchsbelästigung geltend gemacht haben, also von dem Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei Belästigungen der Beschwerdeführer zu erwarten sind, welche - entsprechend dem Wortlaut des § 62 Abs. 2 BO - das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, und bejahendenfalls die zur Abwehr dieser Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen. Hiebei ist zu beachten, daß den Nachbarn auch in einem Gebiet, hinsichtlich dessen ihnen bezüglich der Widmungsfrage kein Mitspracherecht zusteht, aus den konkreten Anordnungen des § 62 Abs. 2 BO ein subjektives Recht zukommt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 7. November 1995, Zl. 94/05/0173) und sie keine Belästigungen hinnehmen müssen, welche über dem Rahmen des im Widmungsmaß sonst üblichen Ausmaßes liegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1992, Slg. Nr. 13.645/A). Absolute Grenze der Immissionsbelastung ist das Widmungsmaß (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 91/06/0217, BauSlg. Nr. 1994/183), wobei die Widmung des zu bebauenden Grundstückes maßgeblich ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 93/05/0112, mwN).

Ob eine Gefahr oder Belästigung eines - als zulässig erkannten - Betriebes zu befürchten ist, hat die Behörde im Ermittlungsverfahren festzustellen. Sie hat sich hiebei im allgemeinen der Mithilfe von Sachverständigen, und zwar eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen zu bedienen, wobei es Sache des technischen Sachverständigen ist, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, seine Ansicht hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0284).

Der Verwaltungsgerichtshof hat bezüglich der Erhebung von auf Immissionen gestützten Einwendungen mehrfach ausgeführt, daß konkret dargetan werden muß, welche über das ortsübliche Maß hinausgehenden Belästigungen und/oder welche Gefährdung aus der Realisierung des in Rede stehenden Bauvorhabens für den Nachbarn entstehen könnten (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 7. November 1995, Zl. 94/05/0173, mwN). Im gegenständlichen Fall sind die Beschwerdeführer diesen Anforderungen sowohl in bezug auf unzumutbare Geruchsbelästigung als auch hinsichtlich einer Gesundheitsgefährdung des zur Beurteilung stehenden Bauprojektes nachgekommen. Im Verwaltungsverfahren hat der von der Baubehörde erster Instanz beigezogene technische Amtssachverständige dies nur insoweit berücksichtigt, als er eine Fäkalablagerung im Kanal infolge des glatten Rohrmaterials ausgeschlossen hat. Ob durch die bewilligte Kanalisationsanlage Geruchsimmissionen, die das örtlich zumutbare Maß im oben aufgezeigten Sinne übersteigen, auszuschließen sind, wurde - soweit dem vorgelegten Verwaltungsakt entnommen werden kann - von einem technischen Sachverständigen in einem begründeten Gutachten nicht ausgeführt. Die Begründung der Berufungsbehörde, bei dem geringsten Gefälle von 5 %o sei aus technischer Sicht der Abfluß der Fäkalien gewährleistet, läßt einerseits nicht zwingend den Schluß zu, daß damit auch die Geruchsbelästigung ausgeschlossen ist, andererseits wird der Einwand der Beschwerdeführer übergangen, daß der Wassereintrag in den Kanalstrang derart gering sein soll, daß dadurch der Fäkaleintrag nicht bewältigt werden kann. Ob nicht auch durch andere Ursachen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Geruchsbelästigung infolge des Betriebes der Kanalisationsanlage bewirkt werden kann, wurde ebenfalls nicht auf fachkundiger Ebene erörtert. Im angefochtenen Bescheid schließt die belangte Behörde eine "allfällige, kurzfristige Geruchsentwicklung" des bewilligten Kanalstrangs nicht aus, geht aber ohne Vorliegen entsprechender Ermittlungsergebnisse bezüglich des ortsüblichen Ausmaßes allfälliger Geruchsimmissionen davon aus, daß solche unzulässigen Immissionen nicht vorlägen.

Ob eine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Belästigung durch Geruchsimmission vorliegt, bedarf aber auf Grundlage eines die Betriebsweise des Kanals beschreibenden technischen Sachverständigengutachtens der Beantwortung durch einen medizinischen Sachverständigen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. März 1987, Zl. 86/05/0132, BauSlg. Nr. 892).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den gesetzlich nicht vorgesehenen geltend gemachten Streitgenossenzuschlag. Schriftsatzaufwand gebührt nur für die Beschwerde, nicht jedoch für weitere Schriftsätze. Im pauschalierten Schriftsatzaufwand ist die Umsatzsteuer bereits enthalten. Der Zuspruch der Stempelgebühren erfolgte im erforderlichen Ausmaß.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Technischer Sachverständiger Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverständiger Aufgaben Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996050099.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten