TE Vwgh Erkenntnis 2022/1/14 Ro 2021/10/0012

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Veröffentlicht am 14.01.2022
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Index

L92005 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Salzburg
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht
41/02 Staatsbürgerschaft
67 Versorgungsrecht

Norm

AsylG 2005 §12
AsylG 2005 §13
Sozialhilfe-GrundsatzG 2019 §4 Abs1
StbG 1985 §11a
SUG Slbg 2010 §4 Abs2 Z2
VwGG §42 Abs1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.Tscheließnig, über die Revision des A D in S, vertreten durch Mag. Veronika Sengmüller, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Bergstraße 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 27. Juli 2021, Zl. 405-9/988/1/6-2021, betreffend Sozialunterstützung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1        1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 27. Juli 2021 wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg - im Beschwerdeverfahren - einen Antrag des Revisionswerbers auf Gewährung von Sozialunterstützung gestützt auf § 4 Salzburger Sozialunterstützungsgesetz (SUG) ab, wobei es die Revision gegen diese Entscheidung zuließ.

2        Dem legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen zugrunde, der Revisionswerber und dessen näher angeführte Familienangehörige hielten sich seit 2011 in Österreich auf.

3        Im Jahr 2011 gestellte Anträge auf internationalen Schutz seien mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 2. Oktober 2017 dahin erledigt worden, dass weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, allerdings die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt worden sei. Alle Familienmitglieder seien aktuell im Besitz eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte plus“ gemäß § 41a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz.

4        Am 16. Februar 2021 habe der Revisionswerber die Gewährung von Sozialunterstützung beantragt.

5        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, erst seit der rechtskräftigen Erledigung des Asylverfahrens durch die Bescheide des BFA vom 2. Oktober 2017 sei ein dauernder rechtmäßiger Aufenthalt des Revisionswerbers und dessen Familienangehörigen in Österreich gegeben; davor sei ab der Zulassung zum Asylverfahren im Jahr 2011 bloß ein „vorläufiger“ rechtmäßiger Inlandsaufenthalt vorgelegen (Hinweis auf VwGH 19.6.2017, Ra 2016/19/0297 bis 0299, sowie 22.3.2018, Ra 2017/01/0287).

6        Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers liege bei diesem (zum Entscheidungszeitpunkt) ein „mindestens fünfjähriger dauerhafter rechtmäßiger Inlandsaufenthalt“ iSd § 4 Abs. 2 Z 2 SUG nicht vor, ebenso wenig ein anderer Tatbestand des § 4 Abs. 2 SUG.

7        2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

8        Die Salzburger Landesregierung hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Abweisung der Revision beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        1. Zur Begründung der Zulassung der Revision legte das Verwaltungsgericht dar, die Voraussetzung eines „dauerhaften tatsächlichen und rechtmäßigen“ Inlandsaufenthaltes iSd § 4 Abs. 2 Z 2 SUG („insofern wortident mit § 4 Abs 1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz“) könnte im Sinn des Standpunktes des Revisionswerbers auch „dahingehend zu lesen sein [...], dass damit nur der tatsächliche Aufenthalt dauerhaft sein muss, nicht aber der Status der Rechtsmäßigkeit des Aufenthaltes“. Eine höchstgerichtliche Entscheidung zu dieser Frage sei - soweit ersichtlich - noch nicht erfolgt.

10       Mit Blick auf diese Ausführungen ist die Revision zulässig. Sie erweist sich allerdings als nicht berechtigt.

11       2. Die vom Verwaltungsgericht zum Anlass der Zulassung der Revision genommene Bestimmung des § 4 SUG, LGBl. Nr. 63/2010 idF LGBl. Nr. 21/2020, lautet - auszugsweise - wie folgt:

„Voraussetzungen für Leistungen der Sozialunterstützung

Persönliche Voraussetzungen

§ 4

(1) Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz haben vorbehaltlich Abs 3 nur Personen gemäß Abs 2, die ihren Hauptwohnsitz und ihren tatsächlichen dauernden Aufenthalt im Land Salzburg haben.

(2) Zum bezugsberechtigen Personenkreis zählen:

1.   [...];

2.   dauerhaft niedergelassene Fremde, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Inland aufhalten;

[...]“

12       Mit der in Frage stehenden Bestimmung des § 4 Abs. 2 Z 2 SUG wurde § 4 Abs. 1 erster Satz Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl. I Nr. 41/2019, umgesetzt, wonach Leistungen der Sozialhilfe unbeschadet zwingender völkerrechtlicher oder unionsrechtlicher Verpflichtungen ausschließlich österreichischen Staatsbürgern und Asylberechtigten, im Übrigen „nur dauerhaft niedergelassenen Fremden zu gewähren“ sind, „die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten“.

13       3. Schon der Wortlaut dieser im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen legt nahe, dass sich das darin verwendete Adverb „dauerhaft“ sowohl auf einen tatsächlichen wie auch auf einen rechtmäßigen mindestens fünfjährigen Aufenthalt des „dauerhaft niedergelassenen Fremden“ bezieht. Für dieses Verständnis der Normen spricht auch der Umstand, dass diese von vornherein auf „dauerhaft niedergelassene Fremde“ (vgl. etwa § 4 Abs. 2 Z 2 erster Satzteil SUG) abstellen; angesichts der zweimaligen Verwendung des Wortes „dauerhaft“ kann weder dem Grundsatz- noch dem Landesgesetzgeber unterstellt werden, dass etwa ein Asylwerber mit einem mehr als fünfjährigem Asylverfahren ab der Erteilung eines Aufenthaltstitels anspruchsberechtigt sein solle.

14       In diesem Zusammenhang hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die Nachweise unter Rz 5) die bloße Zulassung zum Asylverfahren - welche im vorliegenden Fall im Jahr 2011 erfolgt ist - gemäß § 13 AsylG 2005 lediglich zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.

15       4. Der Revisionswerber bringt unter Berufung auf „§ 12 Abs 2 AsylG“ 2005 vor, § 4 Abs. 2 Z 2 SUG könnte auch dahin auszulegen sein, „dass die Zeit des Zulassungsverfahrens iSd § 12 Abs 2 AsylG in die Wartezeit von 5 Jahren einzuberechnen ist“; dem ist allerdings zu entgegnen, dass die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Bestimmung des § 12 AsylG 2005 ausdrücklich normiert, dass der Aufenthalt eines Fremden während der Dauer des Zulassungsverfahrens „kein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 [AsylG 2005] darstellt“ (§ 12 Abs. 2 und 3 AsylG 2005; vgl. dazu etwa auch Filzwieser u.a., Asyl- und Fremdenrecht. Kommentar [2016] K 8 zu § 12 AsylG 2005).

16       Soweit die Revision für ihren Standpunkt zum Staatsbürgerschaftsrecht ergangene hg. Rechtsprechung ins Treffen führt (Hinweis auf VwGH 19.9.2012, 2010/01/0043, sowie 27.2.2013, 2011/01/0279), genügt der Hinweis, dass die insofern maßgebliche Bestimmung des § 11a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (lediglich) auf einen „rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt“ abstellt und sich somit von den hier anzuwendenden Normen unterscheidet.

17       5. Das Verwaltungsgericht hat nach dem Gesagten seiner Beurteilung ein zutreffendes Verständnis der Norm des § 4 Abs. 2 Z 2 SUG zugrunde gelegt („mindestens fünfjähriger dauerhafter rechtmäßiger Inlandsaufenthalt“); Anhaltspunkte für eine „planwidrige Lücke“ des Gesetzes liegen insofern - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - nicht vor.

18       Die Voraussetzung eines dauerhaften rechtmäßigen Aufenthaltes im Inland (vgl. § 4 Abs. 2 Z 2 SUG bzw. § 4 Abs. 1 erster Satz Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) war gegenständlich bei Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch nicht erfüllt, sodass das Verwaltungsgericht den Antrag des Revisionswerbers auf Gewährung von Sozialunterstützung zu Recht abgewiesen hat.

19       6. Die somit unbegründete Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am 14. Jänner 2022

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021100012.J00

Im RIS seit

21.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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