TE OGH 1977/12/22 1Ob741/77

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Veröffentlicht am 22.12.1977
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Wurzinger, Dr. Schragel, Dr. Petrasch und Dr. Schubert als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A* S*, vertreten durch Dr. Ernst Schilcher, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei L* H*, vertreten durch Dr. Alfred Dillersberger, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen 15.125 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. September 1977, GZ 2 a R 160/77-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 18. März 1977, GZ 2 Cg 531/75-32, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.370,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 140 S Umsatzsteuer und 480 S Barauslagen) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist, Gastwirtin in L*, der Beklagte betreibt unter anderem einen Handel mit Konditoreimaschinen in K*. K* G* war vom Beklagten bevollmächtigt, ihn in allen Mondial-Geschäftsfällen rechtsverbindlich zu vertreten. In dieser Eigenschaft schloss K* G* am 24. Mai 1974 mit der Klägerin einen Vertrag über den Kauf einer eingruppigen Mondial-Eismaschine Baby I ab. Die Klägerin verpflichtete sich, eine Anzahlung von 6.700 S zu leisten und den Restkaufpreis von 60.000 S in 48 Monatsraten á 1.549 S, beginnend am 1. Juli 1974, zu bezahlen. Nachdem die Klägerin verschiedene Mängel festgestellt und beanstandet hatte, kam es am 30. Juli 1974 in der Kanzlei des Klagevertreters zu einer Abänderung des Kaufvertrags dahin, dass der Kaufpreis auf 51.650 S reduziert wurde; die Klägerin sollte 5.165 S am 18. Juli 1974 und 46.485 S in 48 gleichen Monatsraten von ca 1.200 S ab 1. Oktober 1974 bezahlen. Am 22. August 1974 wurde die Maschine wieder bei der Klägerin aufgestellt, die bald wieder verschiedene Mängel feststellte, die trotz mehrfacher Reklamationen der Klägerin in den Jahren 1974 und 1975, versuchter Reparaturen und Austauschs eines Elektromotors, bei dem infolge einer Fehlkonstruktion durch zu große Riemenspannung Lagerschäden auftreten mussten, nicht behoben werden konnten. Am 16. Mai 1975 schloss K* G* nach Auseinandersetzungen mit der Klägerin namens des Beklagten eine Übereinkunft, wonach der Beklagte die gelieferte Eismaschine zurücknahm und der Klägerin ohne Aufzahlung eine zweigruppige gebrauchte Eismaschine, die damals in Kärnten stand, zu Pfingsten 1975 übergeben werde; er versprach der Klägerin, ihr als Schadenersatz überdies 100 kg Eispulver kostenlos zu übergeben. Da die versprochene Lieferung nicht zeitgerecht erfolgte, schrieb der Klagevertreter dem Beklagten am 11. Juni 1975 einen Brief, in dem er sich auf die Vereinbarung vom 16. Mai 1975 berief, eine Lieferfrist bis 25. Mai 1975 behauptete und eine Nachfrist bis 19. Juni 1975 setzte. Mit Schreiben vom 25. Juni 1975 setzte der Klagevertreter eine weitere Nachfrist bis 1. Juli 1975, 17 Uhr, und drohte bei nicht rechtzeitiger Lieferung den Rücktritt vom Vertrag an. Da der Beklagte auch innerhalb der neuen Nachfrist nicht erfüllte, erklärte der Klagevertreter namens der Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 1975 den Rücktritt vom Vertrag.

Die Klägerin behauptet, sie sei infolge Vertragsrücktritts berechtigt, vom Beklagten die auf Grund des Rechtsgeschäfts geleisteten Zahlungen zurückzuverlangen. Es seien dies die von der Beklagten geleistete Anzahlung von 5.165 S und 8 Raten an die kreditfinanzierende *sparkasse der Gemeinde Wien von je 1.245 S, zusammen 15.125 S, außerdem aus dem Titel des Schadenersatzes 21.000 S an Verdienstentgang und 2.100 S für 20 kg Eismasse, die sie nicht mehr verwenden könne. Der Beklagte bestritt den Anspruch der Klägerin und wendete eine Gegenforderung von 8.654,76 S für im Auftrag der Klägerin erbrachte Reparaturarbeiten und den Austausch eines Elektromotors der Eismaschine Baby I, wozu er nach den Verkaufs- und Lieferbedingungen nicht verpflichtet gewesen sei, ein.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Klagsanspruch zu Recht, die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und verurteilte den Beklagten zur Zahlung des Klagsbetrags von 38.225 S sA. Eine gebrauchte zweigruppige Mondial-Softeismaschine, wie sie der Klägerin zugesichert worden sei, habe einen Verkehrswert von 50.000 S bis 60.000 S; dieser Betrag übersteige den Klagsbetrag und stehe daher der Klägerin zu. Die Übereinkunft vom 16. Mai 1973 sei ein Neuerungsvertrag gewesen, mit dem nicht nur damals behauptete Gewährleistungs-, Erfüllungs- und Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten, sondern auch die ohnehin zweifelhaften Ansprüche des Beklagten gegen die Klägerin auf Ersatz der Kosten der mehrfach versuchten Mängelbehebungen in ein anderes Vertragsverhältnis umgewandelt worden seien. Dadurch seien die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien auf eine neue Grundlage gestellt worden; die behauptete Gegenforderung stehe damit dem Beklagten nicht zu.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil, soweit es der Klägerin 23.100 S sA zusprach, sowie im Kostenpunkt unter Rechtskraftvorbehalt, aber unangefochten auf und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts insoweit mit Teilurteil, als es eine Forderung der Klägerin von 15.125 S sA als zu Recht bestehend und die Gegenforderung des Beklagten als nicht zu Recht bestehend ansah und daher den Beklagten zur Bezahlung des Betrags von 15.125 S sA verurteilte. Die Vereinbarung vom 16. Mai 1975 stelle, da der Hauptgegenstand des damals bestandenen Schuldverhältnisses ausgewechselt worden sei, einen Neuerungsvertrag dar, so dass die alte Verbindlichkeit aufgehoben worden sei. Die Entscheidungen SZ 7/215 sowie Klang2 VI 269 und Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 96, vertreten die Auffassung, dass bei erfolgreicher Anfechtung des Neuerungsvertrags der alte Vertrag wieder in Kraft trete, wogegen die neuere Lehre meine, dass der Rücktritt die Leistungspflicht erlöschen lasse. Es sei nicht einzusehen, warum bei erfolgter Novierung der alte Vertrag wieder wirksam werden sollte oder könnte; dieser sei vielmehr mit dem gültig zustande gekommenen Neuerungsvertrag erloschen. Die Klägerin könne daher jedenfalls den von ihr geleisteten Betrag von 15.125 S zurückfordern.

Gegen das bestätigende Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten, die den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag geltend macht, das angefochtene Urteil in seinem bekämpften Teil aufzuheben und in der Sache selbst dahin zu entscheiden, dass die Forderung der Klägerin in der Höhe von 15.125 S sA nicht zu Recht bestehe, während die Gegenforderung des Beklagten mit dem Betrag von 8.654,66 S zu Recht bestehe und das Klagebegehren mit dieser Teilforderung auf jeden Fall abzuweisen sei bzw die angeführten Entscheidungen aufzuheben und den Untergerichten die neuerliche Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache aufzutragen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben und das angefochtene Urteil zu bestätigen.

Die Revision ist entgegen der Auffassung der Revisionsbeantwortung zulässig, da nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn das Berufungsgericht das Urteil der ersten Instanz zum Teil bestätigte und zum Teil gemäß § 496 ZPO aufhob, die Revision ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat, zulässig ist (SZ 27/122 uva). Diese Auffassung ist seit der Novellierung des § 502 Abs 2 ZPO durch die Zivilprozessordnungsnovelle 1971, BGBl 1971/291, nur insoweit einzuschränken, als die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene Revision einen die Bagatellgrenze übersteigenden Streitwert betreffen muss (vgl SZ 46/103 ua; Fasching, Ergänzungsband 91). Es macht unter dieser Voraussetzung keinen Unterschied, ob der Aufhebungsbeschluss einen Rechtskraftvorbehalt enthielt oder nicht und ob bei Rechtskraftvorbehalt auch der Aufhebungsbeschluss angefochten wird; die gegenteilige Auffassung ergibt sich auch nicht aus den in der Revisionsbeantwortung zitierten Entscheidungen EvBl 1961/203 und EvBl 1959/207).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist allerdings nicht berechtigt.

Die Revision vertritt neuerlich die Auffassung, dass die Übereinkunft vom 16. Mai 1975 kein Neuerungsvertrag gewesen sei. Tatsächlich handelt es sich aber um einen solchen, da der Hauptgegenstand der Forderung „verwechselt“ wurde (§ 1376 ABGB). Konkret handelt es sich um einen Vergleich im Sinne des § 1380 ABGB, da hiebei streitige Rechts bereinigt wurden, ging es doch darum, dass die Klägerin Gewährleistungsansprüche, weil die vom Beklagten gelieferte Eismaschine Baby I trotz mehrfacher Versuche, ihre Funktionsfähigkeit herzustellen, nicht ordnungsgemäß verwendbar war, aber auch der Beklagte, wie sich insbesondere aus seinem jetzigen Rechtsstandpunkt ergibt, Ansprüche gegen die Klägerin zu haben meinte. Die damals bestandenen Streitpunkte wurden in der Weise bereinigt, dass der Beklagte a) die Eismaschine Baby I zurücknahm, b) der Klägerin zu den bisherigen Zahlungsbedingungen eine gebrauchte andere Eismaschine zu liefern versprach und c) der Klägerin als Schadenersatz 100 kg Eispulver kostenlos zur Verfügung stellte. Durch den letzten Vertragspunkt war klargestellt, dass nach Berücksichtigung behaupteter beiderseitiger Forderungen jedenfalls nur der Klägerin ein Anspruch zustand, der mit der Lieferung von 100 kg Eispulver bereinigt werden sollte. Ein Anspruch auf Reparaturkosten für die Eismaschine Baby I, die der Beklagte zudem zurücknehmen sollte, kam damit nicht (mehr) in Betracht.

Vom Vertrag am 16. Mai 1975 trat die Klägerin sodann allerdings zurück, weil der Beklagte trotz Setzung einer angemessenen Nachfrist seine oben in lit b) erwähnte Pflicht nicht erfüllte. Der Beklagte hatte damit das empfangene Entgelt zurückzustellen (§ 921 ABGB). Die Revision meint nun, dass der Beklagte die von der Klägerin bezahlten 15.125 S nicht zurückzahlen müsse, weil durch den Rücktritt vom Vertrag vom 16. Mai 1975 der zuvor bestandene Vertrag wiederaufgelebt sei und die Klägerin damit nur wieder Eigentümerin der Eismaschine Baby I geworden sei. Tatsächlich vertrat der Oberste Gerichtshof; wie dss Berufungsgericht schon darlegte, in seiner Entscheidung SZ 7/215 die Auffassung, dass bei Rücktritt von einem Vergleich der ursprüngliche Vertrag wieder auflebe, da der Rücktritt vom Neuerungsvertrag nur die Neuerung beseitige; die unterbliebene beiderseitige Erfüllung und die Möglichkeit eines Rücktritts schaffe einen Schwebezustand, bis zu dessen Beendigung unsicher sei, ob das alte Rechtsverhältnis Fortbestand haben werde oder das neue an seine Stelle trete; erst wenn der Neuerungsvertrag beiderseits voll erfüllt sei, könne von einem Rücktritt keine Rede mehr sein und euch von einem Wiederaufleben eines früheren Vertragsverhältnisses nicht mehr gesprochen werden; geschehe aber der Rücktritt und sei er begründet, sei die Rechtslage unbeschadet von nach § 921 ABGB entstehenden Ersatzansprüchen so, als wäre die Umwandlung des Rechtsverhältnisses überhaupt nicht erfolgt (in diesem Sinne auch Koziol-Welser4 I 226; Gschnitzer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 96; Wolff in Klangs Kommentar2 VI 269; EhrenzweigII/1, 360). Dem Berufungsgericht ist aber im Ergebnis beizupflichten, dass im vorliegenden Fall dennoch nicht der alte Vertrag über den Kauf der Eismaschine Baby I durch die Klägerin wiederum wirksam werden konnte. Der Vertrag vom 16. Mai 1975 kam zustande, nachdem mehrere Verbesserungsversuche des Beklagten fehlgeschlagen waren, so dass bei der Eismaschine Baby I entweder ein unbehebbarer wesentlicher Mangel oder aber jedenfalls ein solcher vorlag, den der Beklagte trotz Aufforderung nicht beheben konnte, so dass ihn die Klägerin als unbehebbar ansehen und Wandlung begehren konnte (JB1 1975, 600; SZ 41/94; SZ 39/44 ua; Bydlinski in Klang2 IV/2, 154; Gschnitzer in KlangIV/1, 532). Bei dieser Sachlage muss der Vertrag vom 16. Mai 1975 als in zwei Teile zerfallend angesehen werden: Einerseits betraf er die Bereinigung der Gewährleistungsansprüche der Klägerin aus dem Nichtfunktionieren der Eismaschine Baby I durch Rücknahme der Maschine und Zahlung eines Schadenersatzes in Form der Lieferung von Eispulver und andererseits um den Abschluss eines neuen Kaufvertrags über eine andere Eismaschine zu den ursprünglich für die Eismaschine Baby I vereinbarten Zahlungsbedingungen. Die besonderen Umstände des Falles lassen nur den Schluss zu, dass jedenfalls der ursprüngliche Vertrag, gegenüber dem der Klägerin Wandlungsansprüche zustanden, unter keinen Umständen aufrecht erhalten werden sollte. Wenn daher die Ersatzleistung des Beklagten für den Wandlungsanspruch der Klägerin mangels rechtzeitiger Lieferung nicht erbracht wurde, steht der Klägerin der Rückabwicklungsanspruch so zu, wie er bestanden hätte, wenn der zweite Teil der Vereinbarung vom 16. Mai 1975 nicht getroffen worden wäre, der Beklagte also trotzdem die nicht funktionierende Eismaschine Baby I zurückzunehmen hatte. Er muss dann aber der Klägerin jedenfalls das zurückerstatten, was sie dafür leistete, also die bisher bezahlten 15.125 S. Hat es aber bei der Aufhebung des Vertrags über die Eismaschine Baby I zu verbleiben, kann dem Beklagten auch kein Anspruch für an dieser Maschine vorgenommene Arbeiten, die ihre Funktionstüchtigkeit herbeiführen sollten, stellen, handelt es sich doch nun wieder um seine Maschine. Die Gegenforderung des Beklagten wurde demnach mit Recht verneint. Gewiss muss die Klägerin die Eismaschine Baby I dem Beklagten zurückstellen, wozu sie auch, wie sie in ihrer Revisionsbeantwortung klarstellt, bereit ist. Der Beklagte hat jedoch in erster Instanz nicht verlangt, dass seine Verurteilung nur gegen eine Zug-um-Zug-Leistungsverpflichtung der Klägerin zu erfolgen habe. Auf eine Verpflichtung zur Zug-um-Zug-Leistung ist aber von Amts wegen nicht Bedacht zu nehmen. Die Erhebung der Einrede im Rechtsmittelverfahren verstößt gegen das Neuerungsverbot (JBl 1975, 262; SZ 43/63 ua).

Der Revision ist demnach ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E133590

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1977:0010OB00741.77.1222.000

Im RIS seit

21.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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