TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/31 LVwG-2021/30/1728-7

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Veröffentlicht am 31.01.2022
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Entscheidungsdatum

31.01.2022

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FrPolG 2005 §57
FrPolG 2005 §121 Abs1a
AVG §57

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des AA, geb. am **.**.****, vertreten durch den BB, Adresse 1, **** Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 21.06.2021, Zl ***, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG),

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z2 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:

Dem Beschwerdeführer wurde von der belangten Behörde folgende Verwaltungsübertretung angelastet:

„1. Datum/Zeit:          14.10.2019

Ort               **** Z, Adresse 2, ***

Sie Sind als Fremder (§ 2 Abs 4 Z 1 FPG) seit 23.11.2016 noch aufrecht in Adresse 2, **** Z (ihre Wohnadresse) gemeldet und aufhältig, obwohl Ihnen mittels Mandatsbescheid eine Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG erteil worden ist. Sie hätte sich binnen 3 Tagen bei der Betreuungsstelle Y, **** X, Adresse 3, einfinden müssen.

Wer als Fremder eine Wohnsitzauflage gem. § 57 FPG missachtet begeht eine Verwaltungsübertretung.“

Dem Beschwerdeführer wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 121 Abs 1a iVm § 57 FPG angelastet und gegen ihn gemäß § 121 Abs 1a FPG eine Geldstrafe von € 100,00 bzw eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 9 Stunden zuzüglich € 10,00 Verfahrenskosten verhängt.

Gegen das Straferkenntnis wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. Es wurde zusammenfassend eine unrichtige Entscheidung und eine mangelhafte Verfahrensführung gerügt. Die Begründung richtete sich gegen die Rechtswidrigkeit der aufgetragenen Wohnsitzauflage. Es wurde beantragt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Aufnahme der beantragten Beweise festzustellen, dass keine Geldbuße und auch keine Ersatzfreiheitsstrafe zulässig und die bekämpfte Entscheidung ersatzlos zu beheben sei.

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde Einsicht genommen. Weiters wurden beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) – Regionaldirektion Z Erhebungen durchgeführt und der Verfahrensstand im Verfahren betreffend die Vorschreibung einer Wohnsitzauflage nach § 57 FPG wegen der gegen den Mandatsbescheid eingebrachten Vorstellung nachgefragt. Da der Wohnsitzauflagebescheid samt der eingebrachten Vorstellung mit einer Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Ausstellung einer Karte für Geduldete mit Bescheid des BFA-Regionaldirektion Z vom 22.07.2019 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über diese Beschwerde vorgelegt wurde. wurde diesbezüglich der Beschwerdeakt beim Bundesverwaltungsgericht zur Einsichtnahme angefordert. Aus den durchgeführten Erhebungen beim BFA - Regionaldirektion Z und aus dem beim Bundesverwaltungsgericht angeforderten Fremdenakt ergibt sich, dass der Gesamtakt wegen einer Beschwerde gegen eine Abweisung eines Antrages auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vom BFA-Regionaldirektion Z vorgelegt wurde. In diesem dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegten Akt befindet sich auch die im gegenständlichen Verfahren relevante Wohnsitzauflage. Aus dem Akt ergibt sich, dass der Wohnsitzauflagenbescheid vom 23.07.2019 dem Beschwerdeführer persönlich am 26.07.2019 und der bereits bekannten und ausgewiesenen und im Wohnsitzauflagebescheid angeführten Rechtsvertreterin am 31.07.2019 zugestellt wurde. Für den Fristenlauf ist die Zustellung an den ausgewiesenen und bekannten Rechtsvertreter am 31.07.2019 maßgeblich. Seitens des Bundesverwaltungsgerichts wurde in der Beschwerdeangelegenheit betreffend die Abweisung der Ausstellung einer Karte für Geduldete noch keine Entscheidung getroffen. Über die mitvorgelegte Vorstellung gegen den Wohnsitzauflagebescheid hat das Bundesverwaltungsgericht nicht zu entscheiden, da diesbezüglich die Zuständigkeit vom BFA-Regionaldirektion Z nicht auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist (siehe § 57 Abs 3 AVG). Die Vorstellung gegen den Wohnsitzauflagebescheid vom 23.07.2019, dem Rechtsvertreter nach Zustellbevollmächtigung zugestellt am 31.07.2019, wurde nachweislich am 11.08.2019 beim BFA eingebracht. Aus den durchgeführten Erhebungen und dem angeforderten Fremdenakt ergibt sich kein Hinweis, dass nach der eingelangten Vorstellung ein Ermittlungsverfahren in irgendeiner Form eingeleitet wurde. Nach Einlangen der Vorstellung beim BFA wurde der Wohnsitzauflagebescheid samt Vorstellung mit der Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid betreffend Ausstellung einer Karte für Geduldete vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. In beiden Verfahren (Wohnsitzauflageverfahren und Verfahren um Ausstellung einer Karte für Geduldete) sind nach Einlangen der angeführten Rechtsmittel (Vorstellung und Beschwerde) keine weiteren Entscheidungen mehr seitens des BFA und des Bundesverwaltungsgerichts ergangen. Aufgrund der durchgeführten Erhebungen ergibt sich keine Entscheidung über die Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 23.07.2019. Da kein Ermittlungsverfahren innerhalb von zwei Wochen nach Einlagen der Vorstellung eingeleitet wurde, ist die Wohnsitzauflage gemäß § 57 Abs 3 AVG mit Ablauf des 25.08.2019 von Gesetzes wegen außer Kraft getreten. Ein Ermittlungsverfahren zur (neuerlichen) Anordnung einer Wohnsitzauflage wurde vom BFA gegen den Beschwerdeführer nicht mehr eingeleitet und durchgeführt. Es wurde auch kein (neuerlicher) Wohnsitzauflagebescheid mehr erlassen.

Mit dem Außerkrafttreten des Mandatsbescheides ist somit rückwirkend die Anordnung einer Wohnsitzauflage, die dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren zu Grunde liegt, außer Kraft getreten. Es ist somit auch die rechtliche Grundlage für das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren und für die nach dem Außerkrafttreten der angeordneten Wohnsitzauflage erfolgte Bestrafung entzogen worden.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts war daher der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dr. Rieser

(Richter)

Schlagworte

Vorstellung;
Strafbarkeitsvoraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.30.1728.7

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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