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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des OM in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Mai 1995, Zl. 4.346.361/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Mai 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Zaire, der am 26. März 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 27. März 1995 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. Mai 1995 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme angegeben, er sei seit 1990 Mitglied der Partei UDPS (Union pour la democratie et le progres social) und für den Informationsbereich zuständig. Er sei kein Funktionär und erhalte keine Bezahlung für seine Tätigkeit. Während seiner Schulzeit sei er von der Polizei "drangsaliert" worden, weil er ein Parteiabzeichen auf dem Rockaufschlag gehabt habe. Das Schultaxi, in welchem er gefahren sei, sei von einem Polizeiwagen verfolgt worden, der Taxifahrer habe aber durch Gasgeben entwischen können. Am 20. Oktober 1994 sei er von den Militärs festgenommen, in der Folge immer wieder geschlagen und psychisch mißhandelt und erst infolge einer über die Medien laufenden Suchaktion seiner Parteimitglieder am 6. Dezember 1994 formlos entlassen worden. Sonst sei "nichts Gröberes mehr passiert". Im Februar 1995 habe der Beschwerdeführer Fotos (Anmerkung: die Fotos zeigen den Beschwerdeführer mit Parteiführern der UDPS) zweier Personen in einem Gruppentaxi gezeigt, welche sich als "Zivilsoldaten" herausgestellt hätten. Diese hätten ein Foto behalten und dem Beschwerdeführer vorgeworfen, das Land destabilisieren zu wollen. Er sei schließlich am 5. März 1995 neuerlich verhaftet worden. Am 18. März 1995 habe ihn ein höherer Offizier und Freund seines Vaters gesucht. Dieser habe ihm mitgeteilt, daß er, wenn er nicht heute (18. März 1995) aus dem Gefängnis käme, exekutiert würde. Der Offizier habe eine Uniform neben die Toilette gelegt, der Beschwerdeführer habe sie angezogen und zusammen mit dem Offizier das Gefängnis verlassen können. Danach sei der Beschwerdeführer geflüchtet und habe sich bei Parteimitgliedern versteckt, weil ihm der Offizier gesagt habe, er solle nicht nach Hause gehen, weil er gesucht würde.
Da es sehr schwierig gewesen sei, aus Zaire auszureisen, sei er zusammen mit seinem Cousin per kleinem Boot in den Kongo gereist. Dort sei aber der Flug nach Deutschland, wohin der Beschwerdeführer habe gelangen wollen, sehr teuer gewesen. So sei er mit einem kleinen Flugzeug zurück nach Zaire geflogen. Er habe am Flughafen in der VIP-Lounge Aufenthalt genommen und sei in der Nacht endgültig via Nairobi und Rom nach Wien-Schwechat geflogen. Er habe nach München zu seinem Bruder reisen wollen. Bei der versuchten Ausreise nach Deutschland sei aber festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer einen falschen Paß habe (Anmerkung: der Beschwerdeführer reiste laut seinen Angaben vor der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 27. März 1995 mit dem auf seinen Bruder ausgestellten Ausweis, nach seinen Angaben vor dem Bundesasylamt am 27. April 1995 mit dem Paß seines Cousins).
Der Beschwerdeführer legte Dokumente (einen am 14. Februar 1995 ausgestellten Reisepaß, eine am 10. Februar 1995 ausgestellte Mitgliedskarte "CLUB JEUNESSE ACTUELLE", eine am 21. Februar 1995 ausgestellte Mitgliedskarte der UDPS), Fotos, welche den Beschwerdeführer mit Parteiführern der UDPS zeigen, und Schreiben der UDPS vom 18. Februar 1995 und 15. März 1995, in welchen die Parteimitgliedschaft und die politische Verfolgung bestätigt werde, vor. Auf den Vorhalt, daß sämtliche vorgelegten Beweismittel im Februar oder März 1995 ausgestellt worden seien und der Beschwerdeführer keine Dokumente habe, die seine Parteimitgliedschaft seit 1990 bestätigten, gab der Beschwerdeführer an, daß er "immer wieder eingesperrt" und dabei die Ausweise zerrissen worden seien. Auf den Vorhalt, daß der Beschwerdeführer zunächst gesagt habe, daß ihm abgesehen von dem Ereignis während seiner Schulzeit und der Haft Ende 1994 "nichts Gröberes" passiert sei, antwortete er, daß alle seine Dokumente konfisziert worden seien. Er sei auf der Straße angehalten, alles sei ihm "abgeknöpft und die Dokumente zerrissen" worden.
Auf Befragen, ob es ihm möglich gewesen wäre, in Italien einen Asylantrag zu stellen, gab der Beschwerdeführer an, "daß ich schon immer nach Deutschland wollte, ich hatte gar keine Ahnung von Asyl, was soll ich in Italien".
In der aufgrund der abweisenden Entscheidung der Erstinstanz erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß die erstinstanzliche Behörde vorgelegte Urkunden nicht bzw. nicht ausreichend gewürdigt habe. Seine Flucht sei zur Abwehr weiterer Verhaftungen, Internierungen und Folterhandlungen unmittelbar nach der Verhaftung vom 5. März 1995, wobei er am 18. März 1995 durch glückliche Umstände aus der Haft habe flüchten können, erfolgt. Denn er habe bereits wenige Tage später, nämlich am 25. März 1995, sein Heimatland per Flugzeug in Richtung Österreich verlassen, wobei er einen falschen Reisepaß für die Flucht verwendet habe, weil der auf seinen Namen lautende Reisepaß noch nicht ausgestellt gewesen sei. Er erfülle alle Voraussetzungen, um in Österreich nach dem Asylgesetz als Flüchtling anerkannt zu werden und es liege kein Ausschließungsgrund vor, weil er keine Möglichkeit gehabt habe, in Italien um politisches Asyl anzusuchen.
Die belangte Behörde erließ daraufhin den Bescheid vom 15. Mai 1995, in welchem sie aufgrund der diesbezüglich glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers feststellte, daß er seine Heimat verlassen habe, mit einem Boot in den Kongo gelangt und von dort mit einem Flugzeug in sein Heimatland zurückgekehrt sei, um am nächsten Tag, dem 25. März 1995, von Kinshasa über Nairobi und Rom nach Wien-Schwechat zu fliegen. Er habe schon immer nach Deutschland gelangen wollen, keine Ahnung von Asyl gehabt und auch nicht gewußt, was er in Italien machen solle. Von Kongo sei er nach Zaire zurückgekehrt, da ihm der Flug von Kongo nach Deutschland zu teuer gewesen sei.
Hingegen könne dem Beschwerdeführer bezüglich seiner behaupteten Ausreisegründe "kein Glauben geschenkt werden". Die Behörde begründete dies einerseits damit, daß der Beschwerdeführer seine Behauptung betreffend der neuerlichen Verhaftung am 5. März 1995 erst erstattet habe, nachdem er bereits über Befragung ausdrücklich angegeben habe, daß ihm abgesehen von dem bis dahin erstatteten Vorbringen sonst "nichts Gröberes" mehr passiert sei. Ein derart einschneidendes Ereignis, wie dies die Verhaftung, drohende Exekution im Gefängnis und Flucht mit Hilfe eines Offiziers sei, könne nicht zu erzählen vergessen werden. Daß ein solcher Sachverhalt erst am Ende einer Einvernahme unter dem Titel "nichts Gröberes" zu Protokoll gegeben werde, müsse bei objektiver Betrachtung als ausgeschlossen angesehen werden.
Andererseits stützte die belangte Behörde ihre Wertung der behaupteten Ausreisegründe als unglaubwürdig darauf, daß der Beschwerdeführer bei behaupteter schwieriger Ausreise aus Zaire zunächst mit einem kleinen Boot in den Kongo gereist, wenig später aber mit einem Flugzeug von Kongo nach Kinshasa zurückgeflogen sei. Wäre er tatsächlich verfolgt und gesucht worden, sei objektiv nicht nachvollziehbar, daß er sich anläßlich seiner Einreise in Zaire dem Risiko einer Verhaftung am Flughafen - gerade auf Flughäfen sei mit einer strengen Sicherheits- bzw. Personenkontrolle zu rechnen - ausgesetzt habe, sei er doch bei seiner Ausreise darauf bedacht gewesen, nicht den Behörden seines Heimatlandes in die Hände zu fallen. Es widerspreche eklatant der allgemeinen Erfahrung, daß jemand, der nur knapp einer Hinrichtung im Gefängnis entkommen sei und seine Heimat habe verlassen können, nur kurze Zeit später freiwillig wieder in sein Heimatland zurückkehre, obwohl er im Ausland bereits vor Verfolgung sicher gewesen wäre. Dies gelte umsomehr in konkreten Fall, da der Beschwerdeführer den Kongo nur verlassen habe, weil ihm von dort der Flug nach Deutschland zu teuer gewesen sei. Wäre sein Leben in Zaire tatsächlich in Gefahr gewesen, wäre er keinesfalls zurückgekehrt, sondern entweder im Kongo geblieben oder in ein anderes Land gereist.
Zur Bestärkung ihrer Wertung zog die belangte Behörde auch die Angaben des Beschwerdeführers, er habe schon immer nach Deutschland gelangen wollen und in Italien keinen Asylantrag gestellt, weil er nicht gewußt habe, was er dort solle, heran. Auch aus diesem Grund erscheine eine Ausreise aus seiner Heimat aus asylrechtlich relevanten Gründen nicht wahrscheinlich bzw. plausibel.
Selbst wenn seine Angaben über die Ausreisegründe richtig wären, müßte dem Beschwerdeführer eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung abgesprochen werden, da er, nachdem er bereits in Kongo gewesen sei, freiwillig - ohne zwingenden Grund - wieder in seine Heimat zurückgekehrt sei. Ein solches Verhalten lasse objektiv nur den Schluß zu, daß er in seiner Heimat keine ernsthafte Verfolgung befürchte.
Überdies sei der Kongo ein Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention und es wäre dem Beschwerdeführer während seines dortigen Aufenthaltes möglich gewesen, um Asyl anzusuchen. Die belangte Behörde gehe davon aus, daß in einem Staat, dessen Rechts- und Verfassungsordnung im großen und ganzen effektiv sei, wie das für den Kongo gelte, auch größere Teilbereiche dieses Rechtsbestandes, wie eben das Non-Refoulement-Recht ebenfalls effektiv in Geltung stehen. Der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, daß er keinen Rückschiebeschutz genossen habe.
Die belangte Behörde resümierte, der Beschwerdeführer sei mangels wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht Flüchtling und bereits vor seiner Einreise nach Österreich in Kongo sicher vor Verfolgung gewesen, weshalb ihm kein Asyl gewährt werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Dem Verwaltungsgerichtshof obliegt es aufgrund seiner gemäß § 41 Abs. 1 VwGG eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit, den von der Behörde festgestellten Sachverhalt insoferne zu überprüfen, ob die belangte Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung schlüssig vorgegangen ist.
Der Beschwerdeführer tritt der Wertung seiner Ausreisegründe als unglaubwürdig nur dahingehend entgegen, als aus seiner Aussage, es sei "sonst nichts Gröberes" passiert, nicht die Unglaubwürdigkeit der in der Folge geschilderten Verhaftung vom 5. März 1995 und der folgenden Ereignisse abgeleitet werden könne. Der Beschwerdeführer habe im Kontext damit ausschließlich zum Ausdruck bringen wollen, daß im Zuge seiner Entlassung vom 6. Dezember 1994 von seiner Seite aus nichts mehr zu berichten sei, keinesfalls aber, daß er damit ausgedrückt hätte, daß nach dieser Entlassung nichts mehr passiert wäre, was asylrelevant wäre.
Wenngleich der Beschwerdeführer irrt, wenn er diese Aussage ausschließlich auf die Entlassung vom 6. Dezember 1994 beziehen will, sich aber aus dem eindeutigen Inhalt der Aussage ableitet, daß der Beschwerdeführer damit ausdrücken wollte, daß - abgesehen von der Haft Ende 1994 und dem Vorfall während des Schulbesuches - BIS DAHIN "nichts Gröberes" passiert sei, so ist ihm aber darin beizupflichten, daß aus der genannten Niederschrift nicht der Schluß gezogen werden könne, daß sich die Aussage, es sei "nichts Gröberes" passiert, auch auf die in der Folge geschilderten Ereignisse beziehen mußte. In diesem Punkt ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht schlüssig.
Die belangte Behörde hat aber auch aus der Flucht des Beschwerdeführers in den Kongo und der Rückkehr in seine Heimat aufgrund des im Kongo hohen Preises des Fluges auf die Unglaubwürdigkeit der zuvor in seiner Heimat behaupteten Ereignisse geschlossen. Diesem Schluß setzt der Beschwerdeführer nichts entgegen. Da es auch nicht von vornherein unschlüssig ist, aus den Umständen, daß jemand, der gerade einer drohenden Exekution durch Flucht in das Ausland entkommen konnte und gesucht wird, wenige Tage darauf freiwillig - lediglich wegen zu hoher Flugpreise - in seine Heimat (wenngleich auch mit falschem Paß) auf einem Flughafen zurückkehrt und sich der gerade auf Flughäfen aufgrund der dort stattfindenden Sicherheits- und Personenkontrollen hohen Gefahr der Entdeckung aussetzt, entgegen allgemeinen Erfahrungswerten handelt und daraus die Unglaubwürdigkeit der zuvor behaupteten erlittenen Verfolgung abzuleiten, kann der Verwaltungsgerichtshof in dieser Beweiswürdigung keine Rechtswidrigkeit erkennen.
Insofern der Beschwerdeführer rügt, daß aus den vorgelegten Fotos hervorgehe, daß er nicht nur Parteimitglied gewesen sei, sondern auch offensichtlich Kontakt bis zur höchsten Stelle gehabt habe, ist ihm zu entgegnen, daß die belangte Behörde auf die vorgelegten Fotos eingegangen ist. Der von der Behörde gezogene Schluß, daß aus den auf dem Foto dargestellten Kontakten nicht auf die Gefahr einer Verfolgung geschlossen werden könne, wird vom Beschwerdeführer nicht bekämpft und ist auch nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190095.X00Im RIS seit
20.11.2000