TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/19 96/07/0081

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Veröffentlicht am 19.09.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2;
VVG §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde

1.) des J R und 2.) der C R, beide in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 4. März 1996, Zl. III/1-32.043/142-96, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung in einer Wasserrechtsangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Februar 1994 wurde die R.-Entsorgungs- und Recycling GmbH gemäß § 138 des Wasserrechtsgesetzes 1959 verpflichtet, zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes hinsichtlich der im Standort W., O.-Straße 18, gelagerten und zur Entsorgung übernommenen Abfälle (mineralölkontaminiertes Erdreich, Bahnschotter, Kläranlagenrückstände), die in Containern im Freien bei der sogenannten Biohalle gelagerten Materialien bis spätestens 30. April 1994 zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen und für die in der Biohalle gelagerten Abfälle bis 30. April 1994 um die erforderliche wasserrechtliche Bewilligung anzusuchen oder bis zu diesem Termin diese Materialien zu beseitigen und ordnungsgemäß zu entsorgen.

Mit Bescheid vom 23. August 1994 verpflichtete der Landeshauptmann von Niederösterreich die Beschwerdeführer zu denselben Leistungen, zu denen er in seinem Bescheid vom 8. Februar 1994 die R.-Entsorgungs- und Recycling GmbH verpflichtet hatte, wobei jedoch die Leistungsfrist mit 15. November 1994 festgesetzt wurde.

In der Begründung heißt es, im Hinblick auf die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der R.-Entsorgungs- und Recycling GmbH müsse davon ausgegangen werden, daß diese Gesellschaft zur Tragung der Kosten der ihr mit Bescheid vom 8. Februar 1994 vorgeschriebenen Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes im vollen Umfang nicht verhalten werden könne. Es lägen daher die Voraussetzungen für die subsidiäre Liegenschaftseigentümerhaftung der Beschwerdeführer vor.

In der Begründung findet sich auch noch der Hinweis, daß dieser Bescheid keinen Einfluß auf die Verpflichtung der R.-Entsorgungs- und Recycling GmbH im Sinne des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Februar 1994 habe.

Auch dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit Bescheid (Vollstreckungsverfügung) vom 22. Jänner 1996 ordnete die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten den Beschwerdeführern gegenüber die Durchführung der der R.-Entsorgungs- und Recycling GmbH mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Februar 1994 auferlegten Leistung (Entfernung und ordnungsgemäße Entsorgung der in Containern im Freien bei der sogenannten Biohalle gelagerten Materialien; Beseitigung und ordnungsgemäße und nachweisliche Entsorgung der in der Biohalle gelagerten Abfälle) durch Ersatzvornahme an. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Februar 1994 angeordneten Maßnahmen nicht bis zu dem in diesem Bescheid gesetzten Termin, nämlich dem 30. April 1994, gesetzt worden seien.

Die Beschwerdeführer beriefen. Der im vorliegenden Zusammenhang allein relevante erste Absatz ihrer Berufung lautet:

"Zu ihrem o.a. Bescheid möchten wir festhalten, daß bis zum heutigen Tage die Besitzverhältnisse des kontaminierten Erdreiches in der Biohalle noch immer nicht geklärt wurden."

Mit Bescheid vom 4. März 1996 wies die belangte Behörde die Berufung als unzulässig zurück. In der Begründung heißt es, die Beschwerdeführer hätten keinen der im § 10 Abs. 2 VVG angeführten Berufungsgründe vorgebracht. Es sei daher der belangten Behörde verwehrt gewesen, auf die von den Beschwerdeführern nicht geltend gemachte Unzulässigkeit der Vollstreckung einzugehen, die darin gelegen sei, daß die Vollstreckungsverfügung gegen die Beschwerdeführer ergangen sei, während Adressat des Titelbescheides vom 8. Februar 1994 die R.-Entsorgungs- und Recycling-GmbH sei. Weiters werde darauf hingewiesen, daß den Beschwerdeführern mit dem rechtskräftigen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. August 1994 inhaltlich dasselbe (mit einer anderen Frist, nämlich bis 15. November 1994) aufgetragen worden sei, wie der R.-Entsorgungs- und Recycling GmbH mit dem Bescheid vom 8. Februar 1994 und daß das in Befolgung des im Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. August 1994 enthaltenen Alternativauftrages gemäß § 138 Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes 1959 eingebrachte Ansuchen der Beschwerdeführer um nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 5. Jänner 1996, welcher mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. Februar 1996 bestätigt worden sei, zurückgewiesen worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführer bringen im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, sie hätten in ihrem Rechtsmittel gegen die Vollstreckungsverfügung keine in § 10 Abs. 2 VVG angeführte Gründe vorgebracht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 10 Abs. 2 VVG kann die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung nur ergriffen werden, wenn

1.

die Vollstreckung unzulässig ist oder

2.

die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder

              3.              die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 in Widerspruch stehen.

Das Vorliegen eines der im § 10 Abs. 2 VVG genannten Berufungsgründe muß - zur Begründung der Berufungslegitimation - vom Berufungswerber in der Berufung behauptet und begründet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1986, Zl. 86/10/0117). Eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung hat einen auf diese Fälle bezogenen Berufungsantrag zu enthalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. September 1984, Zl. 84/07/0282).

Wann eine Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG unzulässig ist, ist im Gesetz nicht näher ausgeführt. Aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen des § 10 VVG mit den übrigen Vorschriften des VVG ergibt sich, daß der Berufungsgrund der Unzulässigkeit der Vollstreckung dann gegeben ist, wenn der Verpflichtete behauptet, daß die Voraussetzungen für eine Vollstreckung nicht gegeben sind. Voraussetzung für eine Vollstreckung ist, daß überhaupt ein entsprechender Titelbescheid vorliegt, daß dieser gegenüber dem Verpflichteten wirksam geworden ist und daß der Verpflichtete seiner Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist und bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens nicht nachgekommen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1972, Slg. N.F. 8284/A, u.a.).

Gegenüber dem Adressaten einer Vollstreckungsverfügung liegt kein wirksamer Titelbescheid vor, wenn der Titelbescheid einen anderen Adressaten ausweist als die Vollstreckungsverfügung, es sei denn, daß der Übergang der Verpflichtungen des Titelbescheides von dessen Adressaten auf den Adressaten der Vollstreckungsverfügung in Rechtsvorschriften vorgesehen ist.

Daß demjenigen, der gegen eine Vollstreckungsverfügung beruft, bezüglich des Vorliegens eines Berufungsgrundes eine Behauptungs- und Begründungslast auferlegt ist, bedeutet nicht, daß in der Berufung auch die verba legalia des § 10 Abs. 2 gebraucht werden müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1985, Slg. N.F. 11864/A); entscheidend ist, daß die Berufung ein Vorbringen enthält, welches sich inhaltlich als Geltendmachung eines Berufungsgrundes im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG darstellt. Welche Anforderungen an den Inhalt einer Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.

Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer geltend gemacht, es seien die Besitzverhältnisse in bezug auf das kontaminierte Erdreich in der Biohalle noch immer nicht geklärt. Damit brachten die Beschwerdeführer zum Ausdruck, daß nicht sie die Verpflichteten aus dem in der Vollstreckungsverfügung der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten angegebenen Titelbescheid seien. Dieses Vorbringen ist im vorliegenden Zusammenhang als ausreichende Geltendmachung des Berufungsgrundes der Unzulässigkeit der Vollstreckung anzusehen, zumal der belangten Behörde bekannt war, daß die Beschwerdeführer nicht Adressaten des von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten in der Vollstreckungsverfügung angegeben Titelbescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Februar 1994 waren.

Die belangte Behörde hat daher die Berufung der Beschwerdeführer zu Unrecht zurückgewiesen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid vom 23. August 1994 gegenüber den Beschwerdeführern einen mit dem gegenüber der R.- Entsorgungs- und Recycling GmbH inhaltsgleichen wasserpolizeilichen Auftrag erlassen hat, weil sich die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten in ihrer Vollstreckungsverfügung ausschließlich auf den Bescheid vom 8. Februar 1994 berufen hat.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß eine Zurückweisung der Berufung auch dann rechtswidrig gewesen wäre, wenn der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. August 1994 als Grundlage für die Vollstreckungsverfügung herangezogen hätte werden können. Die Berufungsbehörde darf eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung nämlich nur dann als unzulässig zurückweisen, wenn das Vorliegen eines zulässigen Berufungsgrundes in der Berufung nicht einmal behauptet wird, während in den Fällen, in denen ein zulässiger Berufungsgrund zwar behauptet wurde, tatsächlich aber nicht gegeben ist, die Berufung mit dieser materiellen Begründung sachlich abzuweisen ist (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, Slg. Nr. 2068/1950, u.a.).

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996070081.X00

Im RIS seit

23.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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