TE Vwgh Beschluss 2022/1/24 Ra 2021/18/0412

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Veröffentlicht am 24.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des N S, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2021, W195 2142025-2/7E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 4. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der oppositionellen Bangladesh National Party (BNP) von Mitgliedern der Regierungspartei Awami League verfolgt worden. Überdies drohe ihm als Hindu Verfolgung durch die muslimische Mehrheitsbevölkerung. Es sei bereits zu Übergriffen durch seinen Nachbarn gekommen.

2        Nachdem die erste Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) über diesen Antrag aufgrund einer Beschwerde des Revisionswerbers vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 16. Oktober 2019 gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen worden war, wies das BFA den Antrag - nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens - mit Bescheid vom 8. Oktober 2020 abermals zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend erachtete das BVwG das Vorbringen, der Revisionswerber befürchte Verfolgung aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der BNP, aus mehreren näher dargestellten Gründen als nicht glaubhaft. Das Gericht sah auch keine religiös motivierte Verfolgung des Revisionswerbers. Dabei stützte es sich auf Länderberichte, denen zu entnehmen sei, dass dort, wo es zu Übergriffen komme, nicht generell von einem religiösen Hintergrund, sondern von wirtschaftlichen oder sozialen Motiven ausgegangen werden müsse. Die Regierung sei zudem bemüht, Übergriffe gegen Minderheiten zu unterbinden. Dem gesunden und erwerbsfähigen Revisionswerber sei auch eine Rückkehr möglich, ohne dass ihm die reale Gefahr einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK drohe, zumal er in Bangladesch die Schule besucht habe und über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge. Betreffend die Rückkehrentscheidung würde eine Abwägung der für und gegen den Verbleib des Revisionswerbers in Österreich sprechenden Interessen zu Lasten des Revisionswerbers ausfallen.

5        Mit Beschluss vom 7. Oktober 2021, E 3717/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat sie mit Beschluss vom 22. Oktober 2021 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        Die nunmehr vorliegende Revision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung geltend, das BVwG habe sich nicht mit dem Vorbringen auseinandergesetzt, dass der Revisionswerber Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit befürchte. Den Länderfeststellungen zu religiösen Minderheiten lasse sich entnehmen, dass diese zwar ein Recht auf freie Religionsausübung hätten, es jedoch zu sozialer Diskriminierung, Belästigungen, Strafverfolgung wegen Missionierung und manchmal zu gewalttätigen Übergriffen auf Gebetshäuser komme. Das BVwG habe nur einen Teil der Länderfeststellungen in seine Beweiswürdigung aufgenommen. Es lasse außer Acht, dass der Revisionswerber von seinem muslimischen Nachbarn, einem Eigentümer einer Ziegelaufbereitungsanlage, bedroht worden sei und seine hinduistische Religionsausübung nicht zulassen habe wollen. Es handle sich bei dem Nachbarn auch nicht um eine kriminelle Bande, die aus wirtschaftlichen Motiven handle. Der Revisionswerber wäre bei einer Rückkehr massiven Gewalttätigkeiten durch die muslimische Bevölkerung ausgesetzt.

7        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

8        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11       Die Revision wendet sich allein gegen die Beweiswürdigung des BVwG mit der dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, er würde in Bangladesch aufgrund seiner Zugehörigkeit zur hinduistischen Religion verfolgt werden, nicht geglaubt wurde.

12       Der Verwaltungsgerichtshof ist nach seiner ständigen Rechtsprechung - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen zwar nicht berufen, allerdings liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat.

13       Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. VwGH 29.10.2021, Ra 2020/18/0374, mwN).

14       Im vorliegenden Fall traf das BVwG anhand aktueller Berichte des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation Feststellungen zur Lage von religiösen Minderheiten in Bangladesch und zog diese Berichte im Zuge der Prüfung, ob dem Revisionswerber Verfolgung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit drohe, heran. Es setzte sich beweiswürdigend mit dem Vorbringen des Revisionswerbers auseinander, wonach er von seinem muslimischen Nachbarn bedroht worden sei und ihn dieser an der Religionsausübung gehindert habe, kam jedoch zu dem vertretbaren Ergebnis, dass die Bedrohungen durch den Nachbarn, der auf dem Nachbargrundstück eine Ziegelfabrik errichtet habe, überwiegend auf wirtschaftlichen und sozialen Motiven beruht hätten. Weitere Übergriffe - von staatlicher oder privater Seite - habe der Revisionswerber nicht geschildert.

15       Die Revision zeigt nicht auf, dass die fallbezogen vorgenommene Beweiswürdigung im Sinne der dargelegten Rechtsprechung unvertretbar wäre.

16       Auch mit der bloßen Zitierung von Auszügen der dem Erkenntnis zugrunde liegenden Länderfeststellungen, die zwar von Gewalt insbesondere durch extremistisch-islamische Gruppen gegen Hindus berichten, zugleich jedoch auch staatliche Maßnahmen zum Schutze von religiösen Minderheiten ausweisen, zeigt die Revision nicht auf, dass die gegen die hinduistische Bevölkerung gerichteten Übergriffe eine solche Intensität und ein solches Ausmaß annähmen, dass von einer asylrelevanten Gruppenverfolgung auszugehen wäre (zur Gruppenverfolgung vgl. zuletzt VwGH 1.9.2021, Ra 2021/19/0233, mwN).

17       Darüber hinaus wendet sich die Revision formal zwar gegen das gesamte verwaltungsgerichtliche Erkenntnis, führt im Zusammenhang mit der Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz bzw. der Erlassung einer Rückkehrentscheidung jedoch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung an, welche eine Revision zulässig machen würden.

18       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021180412.L00

Im RIS seit

15.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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