TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/19 94/07/0046

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Veröffentlicht am 19.09.1996
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Index

L60757 Agrarbehörden Tirol;
L66107 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
80/01 Land- und forstwirtschaftliches Organisationsrecht;
80/06 Bodenreform;

Norm

AgrBehG 1950 §1;
AgrBehG Tir §1;
AgrBehG Tir 1932 §1;
B-VG Art117 Abs1 litc;
ServitutenablösungsV Tir 1911 §79;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §48 Abs2 Z2;
WWSGG §5 Abs1 impl;
WWSLG Tir 1952 §4 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Rose, über die Beschwerde der G in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 3. Februar 1994, Zl. LAS-399/2-93, betreffend Weiderechte nach dem Tiroler Wald- und Weideservitutengesetz (mitbeteiligte Partei: Österreichische Bundesforste in Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.535,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz (AB) vom 21. Juni 1993 wurde in Spruchpunkt II gemäß § 38 Abs. 2 des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes (WWSG), LGBl. Nr. 21/1952, der Antrag der Beschwerdeführerin, es möge festgestellt werden, daß mit der Liegenschaft der Beschwerdeführerin in EZ 90023, KG J., über die 4 Grasrechte hinaus, welche sich aus der Servitutenregulierungsurkunde (vom 11. Oktober 1968; kurz: SRU) aufgrund des Bescheides vom 9. Februar 1987 ergeben, weitere Grasrechte aus dieser SRU verbunden seien, abgewiesen.

In der Begründung führte die AB aus, die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der EZ 90023 habe den Antrag gestellt, die AB möge feststellen, daß ihr über die 4 Gräser, welche nunmehr mit EZ 90023 verbunden seien, aufgrund einer Vereinbarung aus dem Jahre 1948 weitere Weiderechte auf der im Eigentum der mitbeteiligten Partei (MP) stehenden Gp. Nr. 156/1 zustehen würden. Nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin habe im Jahre 1948 ein Grundstückstausch mit der F-Interessentenschaft stattgefunden, wobei im Zuge dieses Grundtausches auch Weiderechte auf das im nunmehrigen Eigentum der Beschwerdeführerin stehende G-Gut übertragen worden seien.

In der Servitutenregulierungsurkunde würden für die F-Interessentenschaft 10 Gräser aufscheinen. Im Bescheid vom 24. April 1968 sei rechtskräftig festgestellt worden, daß dem jeweiligen Eigentümer der Gp. Nr. 233 (F-Interessentenschaft) 10 Gräser zukommen würden. Gleichzeitig seien mit diesem Bescheid diese gesamten 10 Gräser in Geld abgelöst worden. Diese Ablösung sei auch mit Beschluß des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 28. September 1971 durchgeführt worden. Eine Ablöse von 10 Gräsern in Geld wäre jedoch sicherlich nicht erfolgt, wenn schon vorher - wie behauptet - im Jahre 1948 3 1/2 Gräser von der F-Interessentenschaft an Maria E. (Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin im Eigentum an der Liegenschaft in EZ 90023) übertragen worden wären.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und brachte im wesentlichen vor, daß das Verfahren vor der AB mangelhaft geblieben sei. Die Abweisung im Punkt II des erstinstanzlichen Bescheides stütze sich in der Begründung auf den Bescheid der AB vom 9. Februar 1987, mit dem die 4 Grasrechte rechtskräftig dem im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden G-Gut als berechtigtem Hof zugesprochen worden seien. Bereits im Jahr 1987 sei es unterlassen worden, die Rechtsvorgänge aus dem Jahre 1948 zu untersuchen. Wie der Bescheid aus dem Jahre 1987 selbst ausführe, sei 1948 das WWSG noch nicht in Geltung gewesen. Eine agrarbehördliche Genehmigung sei somit damals nicht erforderlich gewesen. Die entsprechende Urkunde über das Tauschprotokoll sei ordnungsgemäß vorgelegt worden. Es könne nicht akzeptiert werden, daß der Text dieses Protokolles nicht als Vertrag beurteilt werde. Wenn die Vertragsparteien es unterlassen würden, Mengenangaben über eine mögliche Anzahl von Grasrechten anzuführen, so habe die Behörde die Verpflichtung, den vorherigen Bestand auszuforschen. Dieser amtswegigen Verpflichtung zur Wahrheitsfindung sei die Behörde bisher nicht nachgekommen. Das bloße Fehlen einer Mengenangabe über den Umfang der Weiderechte könne nicht eine völlige Verschweigung dieser Rechtsübertragung nach sich ziehen.

Außerdem werde in rechtlicher Hinsicht die Ansicht der AB bekämpft, wonach dem Grundtausch und der Übertragung von Weiderechten aus dem Jahre 1948 das Erfordernis einer agrarbehördlichen Genehmigung angelastet werde. Für das Rechtsgeschäft, das im Jahre 1948 stattgefunden habe, sei eine agrarbehördliche Genehmigung damals nicht erforderlich gewesen. Es könne nicht angehen, daß 20 Jahre später eine derartige Genehmigung nachträglich verlangt werde. Es bedürfe somit in rechtlicher Hinsicht keiner nachträglichen Genehmigung, weil sich das Erfordernis einer Genehmigung nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäftes richte.

Überdies hätten die Eigentümer des G-Gutes die Weide auf dem nunmehr bestrittenen Weidegebiet immer mit allen Rindern vom G-Gut in Anspruch genommen. Diese tatsächliche Nutzung sei von der AB im fraglichen Zeitraum nicht ermittelt worden. Auch ergebe eine durchgeführte Zaunverlängerung nur dann einen Sinn, wenn die Eigentümer des G-Gutes auf dem bestrittenen Weidegebiet weideberechtigt seien.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Februar 1994 wies die belangte Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG (i.V.m. § 1 AgrVG) und § 38 Abs. 2 WWSG die Berufung als unbegründet ab.

In der Begründung führte die belangte Behörde im Zusammenhang mit dem Tauschgeschäft aus dem Jahre 1948 aus, daß es zu einer Übertragung von Weiderechten nach den damals in Geltung stehenden Rechtsvorschriften einer agrarbehördlichen Genehmigung bedurft hätte. Eine solche agrarbehördliche Genehmigung liege jedoch nicht vor. Dies habe rechtlich zur Folge, daß die gesamten 10 Grasrechte (Weiderechte) der F-Interessentschaft nach wie vor zustünden. Mit rechtskräftigem Bescheid der AB vom 24. April 1968 seien diese nach wie vor der F-Interessentschaft zustehenden 10 Grasrechten von der MP um den einvernehmlichen Betrag von S 8.000,-- abgelöst worden. Diese Rechte seien somit untergegangen. Die von der AB getroffene Feststellung, wonach dem G-Gut der Beschwerdeführerin in EZ 90023 KG J. über die 4 Grasrechte hinaus, welche ihr aufgrund des Bescheides vom 8. Februar 1987 zustünden, keine weiteren Grasrechte zukämen, sei richtig.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift - ebenso wie die MP - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mag es auch zutreffen, daß die Gegenschrift der belangten Behörde erst nach Ablauf der vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten 8-Wochen-Frist erstattet wurde, so sieht das Verwaltungsgerichtshofgesetz keine Regelung des Inhaltes vor, wonach eine solche Gegenschrift zurückzuweisen und auf ihren Inhalt nicht mehr Bedacht zu nehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1991, 90/03/0180). Den damit im Zusammenhang stehenden Ausführungen der Beschwerdeführerin kommt daher keine Berechtigung zu.

Gemäß § 38 Abs. 2 des Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes (WWSG), LGBl. Nr. 21/1952, entscheiden die Agrarbehörden, ob und inwieweit eine Ablösung oder Regulierung stattfindet. Sie entscheiden auch außerhalb eines Regulierungs- oder Ablösungsverfahrens mit Ausschluß des Rechtsweges über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten, über die Frage, welche Liegenschaften berechtigt und welche verpflichtet sind, sowie über Streitigkeiten hinsichtlich der Ausübung von Nutzungsrechten, insbesondere auch über Einwendungen gegen einen Nutzungsplan für belastete Grundstücke nach § 33, und über Beschwerden wegen Nichteinhaltung derselben.

Gemäß § 57 Abs. 1 WWSG traten gleichzeitig mit Inkrafttreten dieses Gesetzes u.a. das Gesetz betreffend die Regulierung und Ablösung der im Verfahren aufgrund des kaiserlichen Patentes vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130, geregelten Rechte, LGBl. Nr. 37/1911, sowie hiezu erlassene Verordnung, LGBl. Nr. 38/1911, außer Kraft.

Nach § 79 der Verordnung LGBl. Nr. 38/1911, bedürfen auch die außerhalb des behördlichen Verfahrens zwischen den Beteiligten getroffenen Übereinkommen über die gänzliche oder teilweise Ablösung von Forst- und Weiderechten, sowie über deren Übertragung von der berechtigten Liegenschaft auf eine andere, der Genehmigung der Agrarbehörde.

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, daß im Jahre 1948 zwischen der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin, Maria E., und der F-Interessentschaft ein Tausch von Grundstücken durchgeführt wurde. Demnach überließ Maria E. der F-Interessentenschaft aus Gp. Nr. 231 eine Fläche von 4.560 m2 und erhielt von der F-Interessentschaft aus Gp. Nr. 233 eine Fläche von 1.375 m2 und das nunmehr streitverfangene Weiderecht auf der im Eigentum der MP stehenden Gp. Nr. 156/1. Aus den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Aufzeichnungen geht jedoch nicht hervor, in welchem Ausmaß Weiderechte von der F-Interessentenschaft auf die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin übertragen werden sollten. Ein Hinweis, daß es sich um die von der Beschwerdeführerin behaupteten 3 1/2 Grasrechte handelte, läßt sich nicht auffinden.

Selbst wenn aber für den Erwerb der strittigen Weiderechte ein tauglicher zivilrechtlicher Vertrag vorliegen sollte, fehlt diesem Vertrag nach den zum damaligen Zeitpunkt in Geltung stehenden agrarrechtlichen Vorschriften (vgl. § 79 der oben zitierten Verordnung aus dem Jahre 1911) die erforderliche Genehmigung der Agrarbehörde. Nach dieser Vorschrift bedurfte nämlich auch der vorliegende Tauschvertrag hinsichtlich der Übertragung von Weiderechten von einer berechtigten Liegenschaft auf eine andere der Genehmigung der Agrarbehörde. Die belangte Behörde ging somit - entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin - rechtmäßig vor, indem sie die zitierte Verordnung auf das gegenständliche Tauschgeschäft angewendet hat. Mangels Vorliegens der erforderlichen agrarbehördlichen Genehmigung fand eine rechtswirksame Übertragung der Weiderechte nicht statt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß diese Weiderechte allenfalls tatsächlich von der Inhaberin des G-Gutes ausgeübt worden sind.

Weiters wurden die gesamten der F-Interessentenschaft zustehenden 10 Grasrechte, worin auch die streitgegenständlichen Grasrechte enthalten sind, mit Bescheid der AB vom 24. April 1968 rechtskräftig abgelöst. Folgerichtig konnte auch die belangte Behörde zu Recht zu der Feststellung gelangen, daß dem G-Gut über 4 Grasrechte hinaus keine weiteren Grasrechte zustehen.

Ungeachtet des Umstandes, daß sich der genaue Termin des Abschlusses des Tauschvertrages aus dem Jahre 1948 aus den vorgelegten Unterlagen nicht mehr ermitteln läßt, wäre für die Erteilung der agrarbehördlichen Bewilligung sowohl nach dem Gesetz LGBl. Nr. 14/1932 als auch nach dem Gesetz

LGBl. Nr. 32/1948 das Amt der Tiroler Landesregierung zuständig gewesen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann somit die Unterfertigung des Bürgermeisters der Gemeinde J. in Verbindung mit dem Gemeindestempel der Gemeinde J. auf einer im Verwaltungsakt befindlichen Kopie einer Urkunde aus dem Jahre 1948 nicht als agrarbehördliche Genehmigung angesehen werden.

Soweit die Beschwerde das Unterbleiben einer Untersuchung, wer die Urkunde über den gegenständlichen Tauschvertrag unterfertigt habe, rügt, ist dem zu erwidern, daß dies für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles belanglos ist. Aufgrund des Fehlens einer agrarbehördlichen Genehmigung erübrigte es sich für die belangte Behörde, die übrigen Unterschriften zuzuordnen.

Da die Beschwerdeführerin die Verletzung eines ihr zustehenden subjektiven-öffentlichen Rechtes nach dem WWSG nicht aufzuzeigen vermochte, schlägt dies auch auf die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften durch, weil auch Verfahrensfehler eine Rechtsverletzung nur bewirken können, wenn sie sich auf ein verletzbares materielles Recht beziehen (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 26. Juni 1996, Zl. 93/07/0084 m.w.N.). Es war daher auf die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen nicht mehr weiter einzugehen.

Aus den dargestellten Erwägungen weist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - hinsichtlich der belangten Behörde im Rahmen des von ihr gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994070046.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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