TE Vwgh Erkenntnis 1996/9/19 95/19/0073

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Veröffentlicht am 19.09.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Februar 1995, Zl. 4.327.724/11-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Februar 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Nigeria, der am 15. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 20. November 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 6. Dezember 1991, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 22. November 1991 zu seinen Fluchtgründen befragt an:

"Ich konnte meine Religion frei und ungehindert ausüben. Ich war jedoch Mitglied der politischen Partei S.D.P. in Nigeria, seit dem Jahre 1990. Ich war nur ein passives Mitglied und hatte keine speziellen Aufgaben innerhalb der Partei.

Die Mehrheit der Bewohner meines Dorfes unterstützten die Gegenpartei N.R.C. Da sie nicht einverstanden waren, daß ich ein Mitglied der S.D.P. bin, beschlossen sie mich zu töten, bzw. mich aus dem Dorf zu jagen. In der Folge töteten sie meinen Sohn, dies war Dezember 1990. Zu diesem Zeitpunkt habe ich auf einer Farm gearbeitet.

2 Monate vor meiner Flucht (Anm.: das ist August 1991), wurde ich von den selben Leuten angegriffen, welche meinen Sohn getötet haben. Ich wurde mit Holzstöcken geschlagen. Mir gelang es zu flüchten und begab mich in das Krankenhaus nach Lagos. Ich hatte Prellungen und Blutergüsse. Ich war für ca. 1 Monat im Krankenhaus. In der Zwischenzeit haben die Dorfbewohner mein ganzes Hab und Gut verbrannt und habe ich nun keine Zukunft mehr in Nigeria. Dies war mein Fluchtgrund."

In seiner gegen die abweisende Entscheidung der ersten Instanz erhobenen Berufung brachte er in ausführlicher Weise weit über den in der erstinstanzlichen Einvernahme enthaltenen Sachverhalt hinausgehende Angaben zu seinen Fluchtgründen vor, welche zudem in einigen Passagen von den erstinstanzlichen Angaben abweichen. Die belangte Behörde wies mit dem Bescheid vom 9. August 1993 die Berufung ab. Dieser Bescheid wurde infolge der dagegen erhobenen Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/19/0388, aufgrund der Anwendung des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 in der durch den Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannten Fassung (Aufhebung des Wortes "offenkundig" mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mittels Manuduktionsschreiben vom 31. Jänner 1995 die Möglichkeit ein, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz, welche der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Berufung möglicherweise nicht relevierte, geltend zu machen. Der Beschwerdeführer übermittelte daraufhin Briefe, die ihm von Freunden aus seinem Heimatland übermittelt worden seien. Daraus sei zu entnehmen, daß für den Beschwerdeführer nach wie vor aktuelle Verfolgungsgefahr bestehe und er nicht in sein Heimatland zurückkehren könne. Er beantragte hilfsweise seine ergänzende Einvernahme zu den vorgelegten Briefen und verwies im übrigen auf das gesamte bisherige Vorbringen.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid. Begründend führte sie aus, daß keiner der in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 (in der nunmehr bereinigten Fassung) angeführten Fälle vorliege, aufgrund derer eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen sei, weshalb auf das über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz hinausgehende Vorbringen in der Berufung nicht Bedacht genommen werde. Die belangte Behörde resümierte, der Beschwerdeführer erfülle ausgehend vom erstinstanzlichen Vorbringen die Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht, weil er nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde ist zu Recht gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 von der Anwendbarkeit dieses Gesetzes ausgegangen, da das Verfahren am 1. Juni 1992 bereits beim Bundesminister für Inneres anhängig war. Insofern der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, auf die Aufklärung allfälliger Widersprüche hinzuwirken, ist ihm zu entgegnen, daß in den erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers keine Widersprüche zu erkennen sind. Widersprüche im Vorbringen des Beschwerdeführers traten erst durch die Sachverhaltsdarstellung in der Berufung auf.

Der Beschwerdeführer rügt weder in der Berufung noch in der Beschwerde, daß die niederschriftliche Einvernahme am 22. November 1991 mangelhaft gewesen sei. Insbesondere rügt er nicht, daß seine Angaben etwa unvollständig oder fehlerhaft übersetzt worden seien. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann keinen bei der Einvernahme unterlaufenen Verfahrensmangel erkennen, zumal der Beschwerdeführer handschriftlich in englischer Sprache ergänzt hat, daß seine Angaben wahr seien und er diesen nichts hinzuzufügen habe. Auch aus dem Gesichtspunkt des § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ist kein Verfahrensmangel zu erkennen, da die Ermittlungspflicht nur im Falle hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen des Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, die Behörde verpflichtet, in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers ist kein Hinweis zu entnehmen, daß die von Dorfbewohnern, welche Mitglieder der Gegenpartei gewesen seien, ausgehende Verfolgungsgefahr vom Staat ausginge oder vom Staat geduldet gewesen wäre bzw. die staatlichen Behörden nicht in der Lage gewesen wären, die von anderen Stellen ausgehende Verfolgungsgefahr hintanzuhalten. Auch hat der Beschwerdeführer nicht darauf hingewiesen, daß er Schutz bei staatlichen Stellen gesucht und nicht gefunden habe.

Die belangte Behörde hat daher zu Recht ausgehend von § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 das in der Berufung erstattete, über die erstinstanzlichen Angaben hinausgehende Sachverhaltsvorbringen des Beschwerdeführers nicht berücksichtigt. Da die belangte Behörde hierauf nicht einzugehen hatte, war sie auch nicht zur Klärung von Widersprüchen verpflichtet.

Auch die vom Beschwerdeführer anläßlich der eingeräumten Möglichkeit der Berufungsergänzung vorgelegten Briefe können daran nichts ändern. Denn die Briefe enthalten - unabhängig von der Frage, daß der Beschwerdeführer offengelassen hat, daß und warum ihm die Briefe im Verfahren vor der ersten Instanz nicht zugänglich waren - nur Angaben zu der von der rivalisierenden politischen Gruppe ausgehenden Verfolgungsgefahr, jedoch keine Angaben, daß die Verfolgung dem Heimatstaat im Sinne einer unmittelbaren oder mittelbaren Verfolgung zurechenbar wäre. Es konnten daher auch die vorgelegten Briefe die Ermittlungspflicht des § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht auslösen.

Selbst wenn man dem Beschwerdeführer wohlbegründete Furcht vor Verfolgung durch Anhänger der rivalisierenden politischen Partei zugestünde, ist für ihn nichts gewonnen. Denn asylrechtlich relevante Verfolgung liegt nur dann vor, wenn sie vom Heimatstaat ausgeht oder die Behörden des Heimatlandes nicht in der Lage oder nicht willens sind, den Asylwerber vor Verfolgung durch von anderen Stellen ausgehende Gefahren zu schützen. Den erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers läßt sich - entgegen den Behauptungen in der Beschwerde, welche sich allerdings im wesentlichen auf das Berufungsvorbringen stützen - derartiges nicht entnehmen. Weder hat der Beschwerdeführer behauptet, daß die Anhänger der rivalisierenden Partei den Heimatstaat repräsentierten noch hat der Beschwerdeführer davon gesprochen, keinen Schutz durch die Behörden erwartet bzw. erfolglos sich um behördlichen Schutz bemüht zu haben.

Die belangte Behörde hat somit bereits aus diesem Grund zu Recht die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint, weshalb die sich als unbegründet erweisende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995190073.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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